US Vizepräsident Vance hat gestern vor den Augen der Welt den ukrainischen Präsidenten Selenskyi zum Verlust seiner Impulskontrolle gebracht. Dazu genügte es, ein paar Wahrheiten auszusprechen. Wie zum Beispiel: Dass Anspruchsdenken in Maximalform keine adäquate Attitüde ist, wenn man in Existenznot ist. Oder dass nicht alle Ansprechpartner so strategisch naiv und eitel sind wie die EU Funktionärinnen und Außenministerinnen.
Wir Steuerzahler wurden vom ukrainischen Botschafter Melnyk vom ersten Tag an an diesen Ton gewöhnt. Die Ukrainer seien todesmutige Helden, und die Deutschen hätten Bitteschön Überstunden zu machen, um die Ukraine nach Kräften mit Waffen zu versorgen. Währenddessen saß Melnyk's Sohn in einer Berliner Bar und erklärte deutschen Studenten, warum er leider zu Hause nicht mitkämpfen könne und er als Influenzier auf Instagram unentbehrlich sei.
Seine Selfies konkurrieren dort bis heute mit denen unserer Außenministerin. Die sich ihrer Pflicht, eine Gegenleistung für unsere Waffen mit der plumpen Story entledigt, die Ukraine kämpfe auch für unsere Freiheit.. Noch am Morgen hatte Baerbock im DLF erklärt, was ihre entschlossene Antwort auf den interessenorientierten Umgang von Trump mit Selenskyi sei: "Wir stehen entschlossen bei der Ukraine." Der Moderator hakte nach: "Und was tun sie ganz konkret? Wie reagieren sie auf einen etwaigen kompletten Rückzug der USA aus Europa?" - "Wir stehen zusammen mit der regelbasierten Welt und wir sind immer noch die Mehrheit der Staaten. Die US-Regierung muss einsehen, dass es auch in ihrem Interesse ist, der Ukraine beizustehen."
Als Hörer und Steuerzahler ist man einigermaßen verblüfft angesichts dieser Kombination aus strategischer Naivität und Sendungsbewusstsein. Sie ist unsere Chefdiplomatin und hat den Auftrag, unsere Außenbeziehungen so zu pflegen, oder so zu handeln, dass sich alles möglichst zu unseren Gunsten bewegt. Bzw. zu retten, was zu retten ist. "xy muss einsehen, dass" ist keine diplomatische Initiative. Und wirft die Frage auf, ob Baerbock selbst noch zu retten ist.
Die Videos von dem gestrigen Disput im Weißen Haus zeigen, von welch starkem Kaliber J. D. Vance ist. In drei Sätzen hatte er Selenskyi auf dem Baum und ihn aller Berechtigungen entblößt an die USA noch irgendwelche Forderungen zu richten. Denn anstatt wenigstens mal anzuerkennen, was die US Steuerzahler bereits geleistet haben, und sich wie jemand zu geben, der Hilfe braucht, drohte dieser Trump und Vance damit: "Ihr werdet noch lernen, wie man sich fühlt, wenn man angegriffen wird." (auf deutsch: Ihr werdet noch sehen, was Ihr davon habt!)
Da reichte es dann auch Donald Trump. "Don't tell us what we have to feel!"
Vance forderte in dem Konflikt etwas ein, wozu die bisherigen westlichen Akteure nicht fähig oder nicht willens waren: Diplomatie! Gleichzeitig demonstrierte er, was Diplomatie eigentlich ist: Die Verhandlung von Interessen. Nicht dumm daherlabern, wie von der Leyen, Baerbock und neuerdings auch Kallas es demonstrieren. Jede der unseren ist Vance unterlegen. Intellektuell, rhetorisch und strategisch.
Selenskyi ist am Ende der Sackgasse angekommen. Unter normalen Umständen würde ich seinen Rücktritt erwarten. Zwar sind Neuwahlen unter Kriegsrecht in der Ukraine von der Verfassung verwehrt. Aber erstens: Was bedeutet in der Ukraine schon die Verfassung? Und zweitens sieht diese den Parlamentspräsidenten als Vertreter des Staatspräsidenten vor, wenn dieser ausfällt.
Denn: Selenskyi steht jetzt ohne Schutzmacht da: Die USA fallen aus. Und die EU ist nicht mal fähig, sich selbst zur verteidigen. Sie wird jetzt wochenlang Tweets und Instagram Posts absetzen, in denen sie die eigene Vorstellung der regelbasierten Welt für überlegen hält. Man wird Gipfeltreffen organisieren, Erklärungen abgeben und am Tisch sitzen bleiben.
Trump will etwas für die Milliarden Dollar, die an die Ukraine geflossen sind. Es kann ihm egal sein, ob er mit der Ukraine oder Russland einen Liefervertrag über die Bodenschätze im Donbas abschließt..
Die EU ist auf ihrem hohen Ross der Doppelmoral am Ende.