Mittwoch, 8. April 2020

Daten gegen Freizügigkeit - der neue Deal?

Das RKI hat eine App für Smartwatch-Nutzer veröffentlicht. Es ist nicht die Tracking-App, über die zuletzt diskutiert wurde. Sondern sie will die Meldedaten durch Anwenderdaten ergänzen, um Infektionsschwerpunkte besser und schneller erkennen zu können. Auch die Wirkung von Corona-Maßnahmen soll darüber erhoben werden - wenn genügend Leute mitmachen.

Die App greift natürlich im wesentlichen Gesundheits- bzw. Krankheitsbild relevante Sensordaten ab.  Diese sind  im Falle von Atemwegserkrankungen z. B. Ruhepuls, Schlaf und Abweichungen vom normalen Aktivitätsniveau.

Ich habe mal quer durchgeschaut bei Apple und Samsung, welche Sensoren deren Smart Matches denn so an Board haben. Am relevantesten fand ich da noch die Pulsmessung (Annahme: Piezokristall?).

Was ich nicht gefunden habe sind Temperatursensoren. Trotzdem sagt das RKI, mit der App könne es auch das vermehrte Auftreten von Fieber messen. Wie misst man Fieber ohne Temperatursensor?

Jedenfalls pseudonymisiert das RKI die Daten und ergänzt den Datensatz eines Anwenders durch dessen Eingabe noch um dessen Postleitzahl.

Dies ist offenbar die erste staatliche App, die Gesundheitsdaten von Bürgern sammeln will.
App Entwickler Thryve stammt übrigens aus Berlin und gehört zum Investmentportfolio von Carsten Maschmeyer.

Der Sinn der App wird den meisten Leuten einleuchten. Datenschutzbedenken sollen durch die Pseudonymisierung erreicht werden. Wie sicher diese ist, will ich hier jetzt nicht diskutieren, sondern wohin diese Reise noch gehen könnte.

In Steingarts Morning Briefing am 02.04.2020 interviewte Robin Alexander zum Thema Handytracking für die Frühwarnung von Kontakten eines Verdachtskandidaten den Gründer des Digital Society Instituts, ESTM, und den Regierungsberater Sandro Gaycken. Dieser erläuterte die Funktionsweise, die Erfassung von Kontakten über Bluetooth (Anm.: was seine Nachteile hat, weil BT eine große Reichweite hat und auch durch Mauern "sieht").
Interessant war auch, dass Gaycken die Nachfrage von Robin Alexander, ob ein Deal vorstellbar sei, dass man eine größere Bewegungsfreiheit genehmigt bekommen könne, wenn man diese Tracking App benutze, bejahte.

Funktional macht das aus meiner Sicht sogar Sinn. Denn die Strenge der allgemeinen Kontaktsperre und des Lockdown bemessen sich ja an den größten Risiken: den unbekannten Infizierten. Könnte man diese früh erkennen, ansprechen und isolieren, bliebe die gesunde Mehrheit geschützt.

Was mir daran nicht gefällt ist der Deal Freiheit gegen Daten. Denn was einmal, wenn auch für einen guten Zweck, funktioniert hat, könnte den Staat dazu verleiten, die Durchleuchtung generell zur Bedingung von Individueller Freiheit zu machen.

Wie würde der Staat meinen Teil des Deals dann messen? Müsste ich die App auf meinem Smartphone einem Polizisten zeigen müssen wie meinen Ausweis wenn ich mich in einer Gruppe befinde?
Und wie würde ich auf der Straße erkennen, wer die App ebenfalls nutzt und offenbar zu den Nicht-Infizierten zählt? Auf der Corona Map meines Smartphone oder Smart Watch?

Noch viele offene Fragen. Aber ich habe die leise Ahnung, dass Smart Watches jetzt zu einem breiteren Trend werden könnten: Gutes Tun, Daten melden und später dann die Belohnung des Staates: eine längere Leine.

Quellen:
RKI Pressemitteilung
RKI Website "Corona-Datenspende"
App Entwickler Thryve (bzw. mHealth Pioneers GmbH, Berlin)
Steingarts Morning Briefing vom 2.4.2020

Will das RKI nur unsere Ungegeduld zügeln?

Als das RKI gestern einen Wiederanstieg der Neuinfizierten meldete, war das genau die richtige Nachricht, um den ansteigenden Optimismus zu dämpfen.

Unsere Regierung kann vor Ostern keine Erfolgsmeldungen gebrauchen. Denn das Wetter draußen ist wie im Bilderbuch. Es zieht die Leute nach draußen, die ersten haben schon Urlaub. Würde man den Leuten jetzt eine "Entwarnung" signalisieren, gäbe es kein Halten mehr, die Disziplin bei der Kontaktsperre wäre schnell dahin.

Und auch die Wirtschaftsverbände machen jetzt vor Ostern Druck, endlich Pläne für die stufenweise Aufhebung des "Lockdown" aufzustellen und zu verkünden. Denn man braucht auch Vorlauf für Organisation und Logistik.

Meine Vermutung ist deshalb, dass das RKI jeden Spielraum nutzt, um Zahlen so zu melden, dass sie in die Strategie der Regierung passen. Da es ja bis heute keinen einheitlich getakteten Meldeprozess gibt, ist der Spielraum sogar noch größer. Man kennt das von Geschäftszahlen von börsennotierten Unternehmen..

Das fing schon mit der Ausdünnung der Pressekonferenzen an. Klar, wenn die Meldezahlen so unregelmäßig reinkommen, spiegelt man mit täglichen Pressekonferenzen und Zahlen eine übertriebene Genauigkeit vor. Aber man hätte auch seinen Prozess verbessern können, um weiterhin täglich berichten zu können. Denn wir wollen ja alle die Kurven diskutieren (s. u.).

Die Bundeskanzlerin ist da knallhart. Sie hätte mit einer unehrlichen, frisierten Aufstellung der Zahlen die wenigsten Probleme. Ebenso Wirtschaftsminister Altmaier, der Druck nur ungern selbst aushält und dankbar ist, wenn ihm jemand anders Vorwände liefert.

Ich bin mir inzwischen fast sicher, dass wir die "frohe Botschaft" erst nach Ostern bekommen werden. Denn schon im "Epidemiologischen Bulletin" des RKI vom 01.04.2020 war zu lesen, dass man die positive Wirkung der Kontaktsperren bei den allgemeinen Stichproben im "GrippeWeb" ablesen konnte. Dieses erhebt unter freiwilligen Teilnehmern regelmäßig Abstriche für die Untersuchung auf Atemwegserkrankungen. Und man könnte aus der "stark gesunkenen" Zahl von Atemwegserkrankten auf die positive Wirkung auch auf die Verbreitung des Coronavirus schließen.

Quelle: RKI Bulletin

Dienstag, 7. April 2020

Wie es weitergeht steht in Romanen, Bundesdrucksachen und Drehbüchern

Es ist schon verblüffend, wie gut einige den Verlauf einer Epidemie wie Covid-19 vorhersagen konnten.

Da wäre zum einen der Roman "Die Pest" von Albert Camus von 1947, zum anderen die Bundesdrucksache 17/12051 "Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012" (Link).

Wer lieber Filme sieht, dem empfehle ich "Contagion" von 2011 oder "Outbreak" von 1995.

Man muss das nicht alles gelesen und gesehen haben. Ich aber habe und kann die Grundmuster von Epidemien inzwischen runterbeten. Was in den Podcasts von Drosten, Streeck und Kukule Transport wird, sind keine neuartigen Erkenntnisse. Auch sie folgen diesem Grundmuster.

Es geht bei jeder Epidemie darum, die Unbekannten einer mathematischen Formel zu bestimmen, eine Kurvendiskussion zu fahren, und daraufhin mehr oder weniger schwerwiegende Maßnahmen zu ergreifen.

Dazu teilt man die Bevölkerung eines Landes erstmal in Infizierte (I), Noch Infizierbare (S) und Resistente (R) auf: N = S+I+R (SIR-Modell).

Dann bildet man zeitliche Ableitungen um die zeitliche "Dynamik" zu beschreiben:

dS/dt
dI/dt
dR/dt

Dies kann man zunächst mal messen: Die Infizierten über Blutuntersuchung oder Rachenabstrich. Die Resistenten über Antikörperuntersuchungen, ebenfalls im Blut. dI/dt ergibt sich aus den andern beiden.

Dann versucht man allmählich Wahrscheinlichkeiten abzulesen:
alpha = P(Heilung), beta = P(Infektion)
y = P(Sterblichkeit), mü = P(Geburtenrate)

Solange die Wahrscheinlichkeit eines Infizierten zu genesen höher ist als die Wahrscheinlichkeit sich zu infizieren, bricht die Epidemie nicht aus.
Diese Beziehung bildet die R0-Rate:
R0 = beta/alpha
Wenn R0>1 ist (als Starbedingung), bricht die Epidemie aus, dann läuft die Infizierung schneller als die Genesung (und Aufbau der Immunität).

Im weiteren Verlauf versucht man, Einfluss auf alpha und beta zu nehmen, so dass alpha größer beta wird, so dass dI/dt negativ wird.
Alpha lässt sich nur mit Medikamenten (Heilung) beeinflussen, beta hingegen mit den Verhaltensregeln und dem Impfstoff. Die Verhaltensregeln haben wir sofort, den Impfstoff erst nach einiger Zeit.

y und mü spielen noch im großen Kontext eine Rolle. Wenn bei einer großen Verbreitung des Virus die Geburtenrate höher als die Sterblichkeitsrate des Virus ist, dämpft das die Wirkung der Epidemie.

In der realen Welt gibt es eine Rückwirkung der publizierten Kurve (dem Erfolg der Verhaltensmaßnahme) auf das Verhalten selbst. Deshalb sind wir solange in der Gefahr, rückfällig zu werden und eine neue Welle zu starten, bis ein Medikament und/oder Impfstoff zur Verfügung steht.

In der Bundesdrucksache ist das auch so beschrieben. Und zum Zeitpunkt ihrer Erstellung ging man noch von drei Jahren für die Entwicklung eines Impfstoffes aus. Jetzt redet man schon von nur noch einem Jahr.

Für mich folgt daraus: Solange wir weder ein Medikament noch einen Impfstoff haben, bleiben wir in dem Alarmmodus. Wir können die Zügel nur für immune Bürger lockern, die weder krank werden noch andere anstecken können.

Allerdings entnehme ich insbesondere Camus' Roman, wie schwer es ist, diesen Modus über längere Zeit durchzuhalten. Uns reicht es ja schon nach zwei Wochen, weil wir uns noch nicht daran gewöhnt haben. Aber ich gehe davon aus, dass ich als mittelalter Bürger noch eine Weile zu Hause bleiben muss.

Der Film "Contagion" handelt vom Einfluss der großen Interessen auf die Politik der WHO (wo ist die eigentlich im Moment?). Outbreak handelt von den militärischen Interessen an biologischen Waffen und dem Kampf gegen die Entwicklung eines Medikaments.

Wie sich meine Skepsis über Apple Chef Cook bewahrheitet

Schon Ende 2017 war ich skeptisch über die weitere Zukunft von Apple (Link). Tim Cook (Link), selbst Angehöriger einer Minderheit, schuf viele neue Konzernstellen für Soziologen. Die haben dann "Education Policy Programs" ins Leben gerufen. (Ein Trend, der inzwischen auch in Deutschland angekommen ist und Ingenieure täglich über ihre soziologischen und psychologischen Unzulänglichkeiten aufklären will.).

Inzwischen berichtet das Magazin "Mac & I" aus dem Hause Heise darüber, "Was an Apple nervt" (Link) und lässt insbesondere App-Entwickler zu Wort kommen.

Meine Prognose ist also eingetroffen. Die unzähligen iOS-Updates hat ja jeder Kunde mitgemacht. Und was unter Steve Jobs noch eine Seltenheit war, gehört bei Apple inzwischen dazu: Sicherheitslücken.

Vor einigen Jahren verfolgte ich auf Twitter, wie Apple dabei scheiterte OS X und iOS auf eine gemeinsame Plattform zu stellen.

All diese Initiativen und Rollenbezeichnungen für "Diversion", "Corporate Social Responsibility", "Integrity & Compliance" sind nur Ausdruck der Dekadenz, die lange Aufschwungphasen mit sich bringen. Wenn der Fachkräftemangel auch Unqualifizierte in Entwicklerrollen spült, diese dann scheitern und von dankbaren Soziologieberatern aufgehoben werden, geht es los mit Diffamierungen. Dann werden Sündenböcke für das eigene Scheitern gesucht und eins ist von vornherein klar: An der eigenen fehlenden Qualifikation kann es nicht gelegen haben.

Die kommende Rezession oder gar Depression wird das sicher wieder etwas gerade rücken.

Sonntag, 5. April 2020

Die Andockstrategie des neuen Coronavirus

Ich war über diesen Punkt schon mehrmals hinweg. Aber Drostens letzter Podcast bringt mich schon wieder dorthin. Er beschreibt eine "Undercover"-Strategie von Viren gegen unser Immunsystem. Demnach würden diese ihre Proteine, mit denen sie die Wirtszelle angreifen, erst kurz vor dem Ziel zu erkennen geben. Bis dahin zeigten sie nach außen ein anderes Proteinmuster (in meinen einfachen Worten). Das verkürze somit die dem Immunsystem zur Verfügung stehende Reaktionszeit ganz erheblich. Das betreffe sowohl die Erkennung des Virus aber auch den Prozess zur Immunisierung.

Evolutions- und Mikrobiologen würden jetzt wieder sagen: So viel Raffinesse entsteht allein durch Versuch und Irrtum. Und ich sei es, der hier die Interpretation eines planvollen Vorgehens ergänzt.

Ja, das tue ich. Ich unterstelle, dass da mehr ist als Versuch und Irrtum. Auch wenn es Milliarden Exemplare des Virus sind und sie so viel Zeit haben wie sie für ihre Mutationen brauchen.

Meine Intuition sagt mir: Wenn wir da nur Versuch (Mutation) und Irrtum und Erfolg sehen, dann übersehen wir etwas Entscheidendes obwohl wir hingucken. Wir müssen irgendeinen blinden Fleck in unseren Sinnesorganen haben, der uns den wichtigen Unterschied zwischen organischer Chemie und Leben übersehen lässt.

Freitag, 3. April 2020

CO2-Entlastung gegen Coronabonds?

Meine Prognose für die nächste Debatte in der EU lautet: Wir bekommen eine Entlastung von zu harten CO2-Zielen (Autohersteller) gegen eine Zustimmung zu Coronabonds.

Die Argumente könnten lauten:
Wir brauchen keine verschärften CO2-Ziele für Autos, da wir dieses Jahr locker 10% CO2 einsparen.

Die Autohersteller haben sich als "sozialverantwortliche" Hersteller von Atemschutzgeräten und -masken erwiesen.

Die Industrie muss schnellst möglich wieder hochfahren. Dazu braucht sie die südeuropäischen Zulieferer.

Die Südeuropäer brauchen schnelle finanzielle Hilfen ohne Auflagen. Dies wären entweder Coronabonds oder ESM-Mittel ohne Auflagen.

Sollte Merkel aber ESM-ohne-Auflagen zustimmen, hätte sie einen weiteren Wortbruch begangen.

Mittwoch, 1. April 2020

Wie gut kann ein Handytracking sein?

Da das Projekt jetzt offenbar in Gang kommt: Spielen wir mal die Designoptionen für ein freiwilliges Handytracking von Verdachtsfällen durch.

Link:
Pan European Privacy-Preserving Proximity Tracing (PEP-PT)

NFC oder Bluetooth? 

Wenn man ansteckungsrelevante Kontakte mittels Smartphone identifizieren will, kommt hierfür nur die Nahfeldkommunikation oder Bluetooth infrage. NFC ist meines Wissens nur in neueren Smartphones verbaut und hat eine Reichweite von wenigen cm Reichweite. Man kennt sie vor allem als kontaktlose Kartenleser zum Bezahlen.

Bluetooth hingegen ist verbreitet, aber seine Reichweite beträgt mehrere 10m und geht auch durch Wände.

Was wir aber brauchen ist eine Detektion von Kontakten im Abstand bis zu 1,50m.

Und damit haben wir eigentlich schon das Dilemma: Über Bluetooth wird das System auch meine Nachbarn detektieren (wenn die die App auch nutzen) und überhaupt alle, die sich zwar in meinem Gesichtskreis aufgehalten haben, auch wenn sie durch Wände oder Fenster oder Plexiglas von mir getrennt waren. Das erzeugt eine sehr weite Streuweite, zu weit finde ich.

Und NFC misst zu wenig.

Server oder Peer-to-peer?

Warum muss diese Anwendung serverbasiertes laufen? Die Warnung ist doch eigentlich nur eine Angelegenheit zwischen mir und meinen Kontakten.
Ok, da der Staat auch eine Meldepflicht durchsetzen will, hat er ein Interesse daran, mitzulesen. Aber für eine Kontrollfunktion sollte die Messung schon sehr genau sein und alle Kontakte mit Übertragungsweg von den Scheinbar-Kontakten unterscheiden können. Solange das unsicher ist, artet das nur in Meldeaktionismus aus.

Als freiwilliger, vom Staat unbeobachteter Service, den ich sozusagen als Bürger meinen Mitbürgern anbiete, lasse ich es mir schon eher gefallen.
Allerdings sehe ich hier dann ein großes Missbrauchspotenzial. Wie viele Idioten sich da draußen tummeln, haben wir in den letzten Wochen ja zu genüge gesehen. Wie viele Idioten würden die App also zur reinen Panikmache missbrauchen und Fake-Infektionen durchgeben?

Und in den Händen der Justizministerin will ich so einen "Service" überhaupt nicht wissen. Zumal wenn sie bislang nicht gerade mit Kompetenz geglänzt hat.

Gut finde ich aber, wenn der Bund generell mal an digitale Lösungen für Verwaltungsaufgaben oder Herausforderungen denkt.

Samstag, 28. März 2020

Drosten wirft Kollegen Konkurrenzverhalten bei Peer-Reviews vor

In der Freitagsausgabe des NDR Podcasts "Corona Update" (Link) wirft Prof. Drosten seinen Forscherkollegen tlw. bewusste Verzögerungen bei Peer-Reviews vor. Es gebe derzeit eine Flut von eingereichten Papiers aus China, die vermutlich wertvolle Erkenntnisse und Daten enthalten, die aber nur mit kritischen Verzögerungen publiziert werden, weil die Reviews so lange dauern.

"Es ist eine der grundsätzlichen Schwächen dieses Peer-Review Systems, dass Konkurrenzdenken die Publikationen verzögern kann."

Drosten sagt dies in der neuen Rolle des Leiters eines neuen Forschungsverbundes für das Coronavirus, für den er ebenfalls wirbt.

Streeck wird in Heinsberg die Sterblichkeitsrate messen

Laut dem gestrigen Interview "The Daily Streeck" in "IQ-Wissenschaft" des Bayerischen Rundfunks (Link) wird Prof. Streeck jetzt mit einem Team dichtere Tests durchführen. Er will feststellen, wie viele Einwohner heute schon Antikörper gebildet haben (also infiziert waren) und wie viele derzeit infiziert sind, ohne Symptome.

Er will diese Erhebung zensusartig durchführen. Das Ziel ist es, die Todesfälle auf die möglichst wahre Anzahl von Infizierten beziehen zu können um eine möglichst realitätsnahe Sterblichkeitsrate des SARS Covid-2 zu messen.

Ende Nächster Woche, also am 3.4.2020 will die Gruppe erstmalig berichten. Ich nehme an, dass die Uni Bonn damit in ihrer Bedeutung die Bundesbehörde RKI ablösen wird, die sich ja seit dieser Woche auf dem medialen Rückzug befindet.

Da ja nur mehr Infizierte hinzu kommen können ist die spannende Frage: wie viele? Und danach werden wir die Sterblichkeitsrate mit anderen Viren vergleichen können.

Zurückhaltend äußerte er sich zum von Bundesministerin Karlicek ausgerufenen Forschungsverbund, den Prof. Drosten von der Charite leiten wird: "Ich habe noch keine Informationen, wie das funktionieren wird."

Interessant auch noch die Sortierung der Forschungsschwerpunkte der Forscher, die sich an der öffentlichen Debatte beteiligen:
- Prof. Drosten, Berlin erforscht das Virus
-  Prof. Herold, Gießen erforscht die Wirkung des Virus auf die Lunge
- Streeck, Bonn erforscht die Wirkung des Virus auf den Menschen

Freitag, 27. März 2020

Ich habe den Coronapodcast gewechselt

Ich bin jetzt vom NDR-Podcast mit Prof. Drosten zum BR Podcast "IQ -Wissenschaft" gewechselt. Dort interview -auch täglich- Jeanne Turczynski den Virologen Prof. Hendrik Streeck von Uniklinik Bonn (Link).

Ähnlich wie Prof. Kukule spricht auch Streeck Klartext und erklärt gut. Ich habe heute die beste Zusammenfassung der Begründung gehört, warum wir den derzeitigen Aufwand betreiben müssen, obwohl das neue Coronavirus für die meisten von uns keine Gefahr darstellt:

"Wir müssen eine kleine Risikogruppe schützen."

Wir unterbinden also die exponentielle Verbreitung des Virus, damit sie die (relativ kleine) Risikogruppe nicht erreicht.

Die Moderatorin befragte ihn auch, und das fand ich besonders gut, zu den Statements von Dr. Wolard (ohne diesen beim Namen zu nennen). Sie fragte ruhig, neutral, wie man es von einer Wissenschaftsjournalistin erwartet. Und Streeck antwortete sachlich. Er gestand auch zu, dass der Eindruck, hauptsächlich ältere Menschen seien bedroht, dadurch verfälscht werde, dass diese an anderen Ursachen sterben ("mit Corona, aber nicht an Corona").

Frühling am Halleschen Ufer

Ich bin heute nach Feierabend mal wieder mit meiner Olympus eine Runde um den Block gegangen:










Donnerstag, 26. März 2020

Eine Zeit wie ein Karfreitag

Obwohl ich hier in letzter Zeit viel über Atheismus bzw. Agnostik geschrieben habe, kreuzt der christliche Glaube immer wieder meinen Weg. Ich meine nicht die 10 Gebote. Die sind ja in Gesetze geflossen und ich kreuze sie nicht, sondern bewege mich in ihnen.

Ich meine Jesus' Botschaften, die eher moralischer bis hin zu psychologischer Natur sind. Und obwohl sich Theologen gerne auf seine Moral stürzen (um sie als Mittel zur Machtausübung zu missbrauchen), ist dahinter noch etwas, was mit jedem einzelnen zu tun hat. Mehr introvers. 

Nämlich: einen Weg zur inneren Freiheit zu zeigen. Das ist es, was ich an der christlichen Religion am interessantesten finde. Ergeben und vergeben. Und zwar gerade nicht im Sinne der Unterwerfung, nicht im politischen Sinn.

Sondern in dem Sinn, Dinge einfach hinzunehmen. Anzuerkennen, dass sie so sind. Bis zum Moment des Ergebens streiten und kämpfen wir. Performen wir. Spielen eine Rolle, als Mittel zum Zweck. Aber im Moment des Aufgebens werden wir davon befreit. Werden wir wir selbst. Gehen wir vom Platz und sagen "ich kann nicht anders". Aufgeben ist ein Moment des Vertrauens in uns selbst, vor allem des zu uns selbst stehen. In diesem Sinne ein Moment der Wahrheit. Und des Mutes.

Es ist einer der Momente, in dem wir etwas loslassen - und etwas Größeres zurückbekommen: eine Erkenntnis über uns selbst.

Mir wird das jetzt gerade klar. Wir sitzen alle in Isolationshaft und müssen es hinnehmen. Und wir können uns der Frage, ob wir das Virus haben, nur noch ergeben. Und wir kämpfen innerlich gegen die Akzeptanz dieses Ausgeliefert seins und wir kämpfen, weil wir hoffen, es noch verhindern zu können. 

Und es macht die Runde, dass wir "bis Ostern" erstmal durchhalten müssen. Dass es dann vorbei sein könnte, mit diesem Ausgeliefertsein. Wir hoffen ein bisschen auf unsere eigene Wiederauferstehung ins normale Leben. Wir wollen den Stein wegrollen, ins Licht der Morgensonne treten und ausrufen: "Ich lebe!".

Aber diese Hoffnung liegt hinter dem Moment des Ergebens. Jetzt gerade nähere ich mich der Einsicht, dass es keinen Zweck mehr hat zu kämpfen. Bis zu dem Moment bis ich mich ins Homeoffice begab, war ich auf dem Feld. Seit einer Woche läuft die Zeit in der sich zeigt, ob ich es in mir habe. 

Wir wandeln im nächtlichen Garten von Gethsemane und hoffen, dass Judas uns verschont. 

Der Moment des Ergebens, des Aufgebens ist der Tiefpunkt, in dem unsere Persona und wir eins werden. Von da an werden wir richtig kämpfen. Keine Kraft mehr in Rolle, Maske und Performance verschwenden sondern mit dem kämpfen, was wir haben und sind. Der Moment nach der Erlösung.

Montag, 23. März 2020

Noch immer unsichere Einschätzung des tatsächlichen Risikos

Die Abrufbereit der globalen Fall/Tote-Statistik der WHO oder der John Hopkins Universität suggeriert, dass wir gerade die Erhöhung eines Risikos messen. Aber wichtige Zahlen für die Bildung persönlich relevanter Relationen haben wir immer noch nicht, wie David diese Woche ganz richtig erwähnte.

So kennen wir z. B. die Anzahl der Positivtests in jedem Land, Bundesland und jeder Stadt.

Was wir aber nicht wissen: Wie lauten die Relationen Positiv / Negativ? Und wie viele der positiv Getesteten erleben eine Krankheit? Und woran starben die Toten, die positiv getestet waren, tatsächlich?

Wir messen nur: 14.000 von 340.000 sind gestorben. Also 4% aller positiv Getesten sind gestorben. Aber 29% der positiv Getesteten sind inzwischen genesen.

Am 6. März hatte ich in Dortmund eigentlich einen Konzertbesuch in der Westfalenhalle geplant. Das Konzert fiel aus (wir wären aber eh nicht gegangen). 2 Wochen später kann ich abschätzen, wie groß das Risiko gewesen wäre. In der Annahme, dass es nur Besucher aus NRW gegeben hätte (weil der Musiker auch in anderen Bundesländern aufgetreten wäre) hätten sich in der 15.000 Zuschauer fassenden Halle 1 ca. 4-5 Infizierte befunden. Quasi in jeder Kurve 1. Mit diesem Wissen fühle ich mich bestätigt, dass es richtig gewesen wäre, nicht hinzugehen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit rein rechnerisch klein gewesen wäre. Denn ich kenne die Ansteckrisiken beim Benutzen der Halle nicht: Eingangsgedränge, Treppenaufgänge, Sitznachbarn. Das ganze 2x.

Wir sollten uns alle notieren, ab welchem Tag uns unsere Arbeitgeber Homeoffice gestattet haben. Und die dann veröffentlichte Statistik ebenfalls festhalten.

Denn das kann man schon mit Sicherheit sagen: Den Moment, in dem wir die Lawine hätten deutlich bremsen können, ließen viele Arbeitgeber und Leitenden verstreichen. Das kam erst in Gang, als das Kurzarbeitergeld verabschiedet war.