Donnerstag, 26. März 2020

Eine Zeit wie ein Karfreitag

Obwohl ich hier in letzter Zeit viel über Atheismus bzw. Agnostik geschrieben habe, kreuzt der christliche Glaube immer wieder meinen Weg. Ich meine nicht die 10 Gebote. Die sind ja in Gesetze geflossen und ich kreuze sie nicht, sondern bewege mich in ihnen.

Ich meine Jesus' Botschaften, die eher moralischer bis hin zu psychologischer Natur sind. Und obwohl sich Theologen gerne auf seine Moral stürzen (um sie als Mittel zur Machtausübung zu missbrauchen), ist dahinter noch etwas, was mit jedem einzelnen zu tun hat. Mehr introvers. 

Nämlich: einen Weg zur inneren Freiheit zu zeigen. Das ist es, was ich an der christlichen Religion am interessantesten finde. Ergeben und vergeben. Und zwar gerade nicht im Sinne der Unterwerfung, nicht im politischen Sinn.

Sondern in dem Sinn, Dinge einfach hinzunehmen. Anzuerkennen, dass sie so sind. Bis zum Moment des Ergebens streiten und kämpfen wir. Performen wir. Spielen eine Rolle, als Mittel zum Zweck. Aber im Moment des Aufgebens werden wir davon befreit. Werden wir wir selbst. Gehen wir vom Platz und sagen "ich kann nicht anders". Aufgeben ist ein Moment des Vertrauens in uns selbst, vor allem des zu uns selbst stehen. In diesem Sinne ein Moment der Wahrheit. Und des Mutes.

Es ist einer der Momente, in dem wir etwas loslassen - und etwas Größeres zurückbekommen: eine Erkenntnis über uns selbst.

Mir wird das jetzt gerade klar. Wir sitzen alle in Isolationshaft und müssen es hinnehmen. Und wir können uns der Frage, ob wir das Virus haben, nur noch ergeben. Und wir kämpfen innerlich gegen die Akzeptanz dieses Ausgeliefert seins und wir kämpfen, weil wir hoffen, es noch verhindern zu können. 

Und es macht die Runde, dass wir "bis Ostern" erstmal durchhalten müssen. Dass es dann vorbei sein könnte, mit diesem Ausgeliefertsein. Wir hoffen ein bisschen auf unsere eigene Wiederauferstehung ins normale Leben. Wir wollen den Stein wegrollen, ins Licht der Morgensonne treten und ausrufen: "Ich lebe!".

Aber diese Hoffnung liegt hinter dem Moment des Ergebens. Jetzt gerade nähere ich mich der Einsicht, dass es keinen Zweck mehr hat zu kämpfen. Bis zu dem Moment bis ich mich ins Homeoffice begab, war ich auf dem Feld. Seit einer Woche läuft die Zeit in der sich zeigt, ob ich es in mir habe. 

Wir wandeln im nächtlichen Garten von Gethsemane und hoffen, dass Judas uns verschont. 

Der Moment des Ergebens, des Aufgebens ist der Tiefpunkt, in dem unsere Persona und wir eins werden. Von da an werden wir richtig kämpfen. Keine Kraft mehr in Rolle, Maske und Performance verschwenden sondern mit dem kämpfen, was wir haben und sind. Der Moment nach der Erlösung.

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