Mittwoch, 8. April 2020

Daten gegen Freizügigkeit - der neue Deal?

Das RKI hat eine App für Smartwatch-Nutzer veröffentlicht. Es ist nicht die Tracking-App, über die zuletzt diskutiert wurde. Sondern sie will die Meldedaten durch Anwenderdaten ergänzen, um Infektionsschwerpunkte besser und schneller erkennen zu können. Auch die Wirkung von Corona-Maßnahmen soll darüber erhoben werden - wenn genügend Leute mitmachen.

Die App greift natürlich im wesentlichen Gesundheits- bzw. Krankheitsbild relevante Sensordaten ab.  Diese sind  im Falle von Atemwegserkrankungen z. B. Ruhepuls, Schlaf und Abweichungen vom normalen Aktivitätsniveau.

Ich habe mal quer durchgeschaut bei Apple und Samsung, welche Sensoren deren Smart Matches denn so an Board haben. Am relevantesten fand ich da noch die Pulsmessung (Annahme: Piezokristall?).

Was ich nicht gefunden habe sind Temperatursensoren. Trotzdem sagt das RKI, mit der App könne es auch das vermehrte Auftreten von Fieber messen. Wie misst man Fieber ohne Temperatursensor?

Jedenfalls pseudonymisiert das RKI die Daten und ergänzt den Datensatz eines Anwenders durch dessen Eingabe noch um dessen Postleitzahl.

Dies ist offenbar die erste staatliche App, die Gesundheitsdaten von Bürgern sammeln will.
App Entwickler Thryve stammt übrigens aus Berlin und gehört zum Investmentportfolio von Carsten Maschmeyer.

Der Sinn der App wird den meisten Leuten einleuchten. Datenschutzbedenken sollen durch die Pseudonymisierung erreicht werden. Wie sicher diese ist, will ich hier jetzt nicht diskutieren, sondern wohin diese Reise noch gehen könnte.

In Steingarts Morning Briefing am 02.04.2020 interviewte Robin Alexander zum Thema Handytracking für die Frühwarnung von Kontakten eines Verdachtskandidaten den Gründer des Digital Society Instituts, ESTM, und den Regierungsberater Sandro Gaycken. Dieser erläuterte die Funktionsweise, die Erfassung von Kontakten über Bluetooth (Anm.: was seine Nachteile hat, weil BT eine große Reichweite hat und auch durch Mauern "sieht").
Interessant war auch, dass Gaycken die Nachfrage von Robin Alexander, ob ein Deal vorstellbar sei, dass man eine größere Bewegungsfreiheit genehmigt bekommen könne, wenn man diese Tracking App benutze, bejahte.

Funktional macht das aus meiner Sicht sogar Sinn. Denn die Strenge der allgemeinen Kontaktsperre und des Lockdown bemessen sich ja an den größten Risiken: den unbekannten Infizierten. Könnte man diese früh erkennen, ansprechen und isolieren, bliebe die gesunde Mehrheit geschützt.

Was mir daran nicht gefällt ist der Deal Freiheit gegen Daten. Denn was einmal, wenn auch für einen guten Zweck, funktioniert hat, könnte den Staat dazu verleiten, die Durchleuchtung generell zur Bedingung von Individueller Freiheit zu machen.

Wie würde der Staat meinen Teil des Deals dann messen? Müsste ich die App auf meinem Smartphone einem Polizisten zeigen müssen wie meinen Ausweis wenn ich mich in einer Gruppe befinde?
Und wie würde ich auf der Straße erkennen, wer die App ebenfalls nutzt und offenbar zu den Nicht-Infizierten zählt? Auf der Corona Map meines Smartphone oder Smart Watch?

Noch viele offene Fragen. Aber ich habe die leise Ahnung, dass Smart Watches jetzt zu einem breiteren Trend werden könnten: Gutes Tun, Daten melden und später dann die Belohnung des Staates: eine längere Leine.

Quellen:
RKI Pressemitteilung
RKI Website "Corona-Datenspende"
App Entwickler Thryve (bzw. mHealth Pioneers GmbH, Berlin)
Steingarts Morning Briefing vom 2.4.2020

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