Donnerstag, 6. Oktober 2011

Den Tag lang über Steve Jobs gegrübelt

Der Tod von Steve Jobs hat mich wirklich angefasst. Es war einer dieser Tage, an denen ich in nur einem Thema versinke und vieles in Frage stelle.

Menschen, die andere Menschen besser verstehen als diese sich selbst, und in Worten oder Werken ausdrücken können was diese denken oder wollen, haben ein wertvolles Talent.

Sie beherrschen die Kunst der Konzentration auf einen Gedanken, eine Erkenntnis, ein phantasiertes Bild, den Geistesblitz. Sie drücken ihn nicht weg wie ein unliebsames Werbebanner oder vergessen ihn, sondern sie fangen ihn und entwickeln ihn dann.

Menschen wollen verstanden werden und werden es meistens nicht. Werden sie es ausnahmsweise mal, empfinden sie es als Wohltat. Tritt dies gehäuft auf, kann das in Therapie "ausarten". In Therapie von der Qual, sich nicht verstanden zu fühlen.

Dies begründet den Erfolg solcher Dichter, Schriftsteller, Journalisten, Kolumnisten, Musiker, Maler, Fotografen. Und: Erfinder und Designer.

Die meisten Produkte, die wir im Laden in die Hand nehmen oder deren Fotos wir bei amazon durch das Vergrößerungsglas betrachten, kommen mit Nebenwirkungen. Manchmal halten sie nicht was ihr Produzent verspricht. Oder sie überfüllen mit zu vielen Features.

In diesen Misstand sprangen wir vor zehn Jahren als CRM-Berater bei IBM: "Ihr müsst Eure Kunden ins Produktdesign einbinden. Mehr mit ihnen sprechen. Dann erfahrt Ihr, welche Entwicklungsinvestitionen sich lohnen und welche nicht." Aber damit lagen wir etwas neben dem Punkt. Denn der Kunde ist immer aufs Problem fixiert, sieht es aber natürlich nicht ein, Verbesserungsvorschläge einzureichen. (OPEL in Rüsselsheim hat das ja auch mal einen Kunden wissen lassen: Das Verbesserungswesen sei nur für Mitarbeiter da, nicht für Kunden. Stand so in der ADAC Motorwelt..) Aber selbst wenn: Ein Kunde wird immer nur Verbesserungen vorschlagen. Wird einem Henry Ford immer nur vorschlagen, schnellere Pferde zu züchten.

Es gibt aber auch die, die mit offenen Augen durch die Welt gehen und in Unzulänglichkeiten von Produkten und Dienstleistungen oder gar Barrieren Marktlücken erkennen. Die sich die entscheidenden Fragen stellen. Und dann in diese Lücken Produkte und Prozessen reinphantasieren. Die Leute von der Agentur IDEO sind hier Legende.

So einer war Steve Jobs. Wo die "Legacies" (Plattenfirmen, Elektronikhersteller, Telefonnetzbetreiber) nur Risiken sahen, und diejenigen, die von Chancen sprachen, als Piraten kriminalisierten, erfanden Steve Jobs und seine Crew ein System, das aus Risiken Chancen machte. Und aus Kriminalisierten neue Kunden. So tickt auch Jeff Bezos, der Gründer von amazon.com.

Solche Leute strömen nicht mit der real existierenden Marktwirtschaft. Die bestehenden Unternehmen haben nie Interesse am Neuen. Sie beharren im Bestehenden. Je größer, desto beharrlicher. So bestritt vor zehn Jahren der damalige Oberamtsmann vom Bertelsmannverlag, dass Onlinebuchhandel in Deutschland Sinn mache oder sich jemals rechnen würde. Solche Manager treiben Leute wie Bezos oder Jobs entweder in den Wahnsinn oder aus dem Haus.

Je mehr Oberamtsmänner wir erleben, umso heller strahlen Leute wie Jobs. Die Oberamtsmänner stehen dann immer vor einem Rätsel und argumentieren mit Powerpointfolien dagegen. Und fordern von ihren Leuten, sich gefälligst auch ein i-Irgendwas zu überlegen. Sie versagen, während der Genius schon wieder ein neues Produkt verkündet, das den Kunden verstanden hat.

Verständnis wirkt therapeutisch. Das erklärt den Kultstatus von Jobs, seine Kunden fühlen sich respektvoll behandelt, therapiert. Verkümmern nicht in Callcenterwarteschleifen, wo sie auf eine menschliche Stimme warten.

Vielleicht ist der Verlust menschlicher Stimmen aber noch weiter zu fassen. Vielleicht hat in unserer sozialmedialen Welt schon der Produktmanager und Softwaredesigner den Autor und Musiker ersetzt.

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