Freitag, 7. Oktober 2011

Warum wir den Ausbau der #A100 und die große Koalition brauchen

Vorigen Samstag hörten wir im RBB Inforadio ein interessantes Interview mit unserem SPD-Landesvorsitzenden Michael Müller. Was wir hörten, machte uns Hoffnung, aber ich war nicht sicher, ob es nicht nur Taktik war. Müller warnte die Grünen vor einem Scheitern der Koalitionsverhandlungen. Die A100 sei eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte für Berlin, das werde man nicht einfach aufgeben. Es war das zweite mal, dass ich von Müller begeistert war: Erstens mutig, zweitens mit beiden Beinen im Leben der Werktätigen. Das erste mal war es auf einer der Ideenkonferenzen voriges Jahr, als ich "Re-Industrialisierung" aus dem Munde eines Mitglieds der SPD Berlin hörte.

Allzu lange war Sozialdemokratie oder irgendeine Form von Links in Berlin nur Lifestyle und Nostalgie von mittleren Beamten, öffentlich Bediensteten und Stasinostalgikern. Als Vertreter der werktätigen Klasse war man eher eine Minderheit. Dachte ich. Müller kommt ein bisschen unscheinbar daher. Aber was er redet hat meistens Hand und Fuß. Den Lifestylelinken ist er zu staubig: Gelernter Kaufmann, der mit seinem Vater eine kleine Druckerei betreibt. Also mithin den Strukturwandel in dieser Branche voll miterlebt. Er verdient sein Geld draußen am Markt. Für viele Lattemacchiatosozialisten ein exotischer Usecase im sozialen Netzwerk. Doch für mich ist Müller einer, der meine Interessen vertritt: Mehr wirtschaftliche Dynamik und Arbeitsplätze für Berlin. Wo war er die letzten zehn Jahre, darf man fragen. Weiß ich nicht. Jedenfalls stellte den Wirtschaftssenator allzu lange die Linkspartei.

Zurück zur A100. Die A100 ist die Hauptschlagader von -bisher West-Berlin. Gütertransport, Pendler, Besorgungen. Beim besten Willen gilt (wie im Ruhrgebiet): Man kriegt nicht alles mit dem ÖPNV geregelt. Schon gar nicht, wenn die Bahn mit Totalausfällen glänzt.



Man kann wie gesagt nur im Berliner Westen von einem sinnvollen Autobahnkonzept sprechen. Von Westen kommend fährt man am neu ausgebauten Anschluss Nuthetal auf die AVUS A115 Richtung Funkturm. Ziele von Charlottenburg bis inzwischen Neukölln sind danach über die A100 erreichbar. Wer weiter gen Osten will, quält sich auf Nebenstraßen - über die Spree, über die Bahnlinie. Wer von Osten über die A10 kommt, quält sich erst recht. Ein Ärgernis aus Stau, CO2, Bremsabrieb (Feinstaub!). Deshalb sieht die alte Planung den Weiterbau der A100 gemäß folgender Grafik vor:


Grafik: Senatsverwaltung Berlin (Quelle)

Bis zu den wichtigsten Verkehrsachsen im Osten: Frankfurter und Stralauer Allee. Jeder, der sich in Berlin bewegt, schätzt die Funktion der Stadtautobahn. Und wessen Straßen durch die AB entlastet werden, schätzt das auch! Und die 400 Mio EUR für "die paar km Autobahn" entstehen u.a. wegen der Querung einer Bahnlinie und eines Flusses. Alles verständlich.

Nur die Grünen wollen es nicht einsehen. Wie schreibt die WELT so treffend:
Bei den Grünen wird die Modernitäts- und Mobilitätskritik mittlerweile fast religiös intoniert.

Nicht wer Autobahnen baut ist von gestern. Sondern wer die Hauptstadt des Industrielandes Deutschland in Hausschuhen regieren will. Funktionäre und Mandatsträger der Grünen sind überwiegend als Beamte und ÖffDies in höher dotierten Funktionen unterwegs. Manche unkündbar. Da lässt sich leicht vom Naturpark Berlin träumen. (Dazu kommen Beispiele doppelter Moral wie Cem Özdemir, die die grünen Vorzeigeprojekte wie Fixerstube oder in einem anderen Fall muslimische Kindergärten bitte nicht im eigenen Kiez verwirklicht sehen wollen..) Die Spitzenkandidatin Künast warb vor wenigen Jahren noch für den Toyota Prius - und heute stemmt sie sich gegen die A100?

Grüne Wähler sind da viel pragmatischer und können -wenn sie ehrlich sind- mit der CDU viel besser leben. Grüne Wähler leben die Gentrifizierung undercover als Regierungsangestellte, die sich im Prenzlauer Berg oder Neukölln Wohnungen zulegen. Die bringen mit dem Cayenne ihre Kinder in die Kita und parken dann auf dem Bürgersteig vor dem Biosupermarkt in der Wilmersdorfer Straße.

Das einzige gute am Grünen Wahlkampf war ihre Mitmachplattform, an der ich mich selbst beteiligt und erlebt habe, wie sehr sich überzeugte Campaigner vor Ort um Themen kümmern. Das ist ehrenwert, lobenswert und wichtig und will ich nicht zu tief hängen. Diese Plattform sollte man eigentlich dem Senat und den Bezirken verkaufen. Aber der große Plan für Berlin entsteht aus 1.000 Einzelprojekten vor Ort eben nicht.

Die CDU hat sich zumindest an ihrer Spitze zum Neo-Seriösen gewandelt. Die Paten Ingo Schmitt und Landowsky sind weg vom Fenster. Henkel pflegt bürgerliche Umgangsformen und machte am Wahlkampfstand einen guten Eindruck.

Nein, ich fürchte keinen langen Stillstand, wenn jetzt die große Koalition kommt. Es fließen enorme Mittel nach Berlin, die sinnvoll gelenkt werden müssen. In der City - West, am neuen Zoofenster und Kudamm herrscht lange vermisste Aufbruchstimmung. Die brauchen wir in ganz Berlin. Ich bin optimistisch und hätte das vor einigen Wochen selbst nicht geglaubt.

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