Mittwoch, 16. September 2009

Wenn Du zur Arbeit fährst am frühen Morgen...

Seit acht Jahren geben Berliner Verkehrs- und Umweltsenatoren und Bahnmanager alles, wirklich alles, um uns den letzten Nerv zu rauben.

- Im Vorfeld der Einweihung des neuen Hauptbahnhofs trennten Bahnchef Mehdorn und die DBRegio den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf 2003 zuerst vom Regionalverkehr und später auch noch vom Fernverkehr der Bahn. Betroffen waren immerhin 300.000 Einwohner des Bezirkes. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und die (Grüne!) Verkehrsstadträtin Martina Schmiedhofer unternahmen nichts dagegen. Ich pendelte beruflich damals nach Potsdam und war direkt betroffen von diesem Murks. Zusammen mit einer Bürgerinitiative organisierte ich eine Flugblattaktion mit Faxantwort an Herrn Strieder. Wir hatten viel Resonanz. Strieder brachte die DBRegio immerhin zu einigen Halten am Bhf. Charlottenburg. Aber im großen und ganzen blieb es Murks. (Link zum FDP-Forum Liberalis).

- Der neue Hauptbahnhof ist eine Sehenswürdigkeit. Aber für Bahnbenutzer ist er eine Farce. Es ist nichts aufeinander abgestimmt. Wer vom unteren Bahnhof in den oberen umsteigen will, verpasst seinen Anschluss regelmäßig. Denn die Fahrstühle brauchen eine Ewigkeit, und die Rolltreppen bilden einen Riesenumweg und sind regelmäßig verstopft. Eine Frechheit ist die knausrige Informationspolitik. In dem Bahntempel Jerusalemer Ausmaße bietet uns Hartmut Mehdorn Schriftgröße 12 auf spärlich gesäten Fahrplänen. Das führt dazu, dass man entweder seinen Zug bekommt, oder weiß, wann er abfährt ("Du hasts gefunden / nur für Sekunden").


Bridges to Babylon: Mehdorns Bahntempel

- Das seit Januar diesen Jahres bestehende S-Bahn Chaos überbietet alle bisherigen Desaster und Missmanagementsdemonstrationen noch einmal um Größenordnungen. Die Bahnvorstände Mehdorn und Homburg beschlossen für die Konzerntochter S-Bahn Kostensenkungspläne, die diese nur mit dem gezielten Abbau von Wartung und damit Sicherheit erfüllen konnte. Die Substanz von Wagen und Schiene ist inzwischen so verschlissen, dass der S-Bahnverkehr um sage und schreibe 75% reduziert wurde. Ein Ende ist nicht abzusehen. Die Bahn kann sich dies leisten, weil der Berliner Senat immer zum Großarbeitgeber Deutsche Bahn gestanden hat. Im Glaspalast am Potsdamer Platz arbeiten immerhin Hunderte Bahnmanager und Steuerzahler. Wowereit und die Nachfolgerin von Peter Strieder, Ingeborg Junge-Reyer, waren für Mehdorn leichte Beute. Der Senat hält der Bahn lästige Konkurrenzu vom Leib, und das für viele Jahre. Dabei müsste man mit den Herren im Glasturm, die sich "nicht um jede Schraube in irgendeiner Werkstatt kümmern können", sondern weltweit Konzerne aufkaufen, ganz anders umspringen. Auf Personen wie Mehdorn, Homburg oder auch den völlig inkompetenten von der Schulenburg, gehören grobe Keile, weil sie grobe Klötze sind. Homburg genierte sich gestern nicht, in einem RBB-Abendschau Interview zu sagen, dass er noch gar nichts sagen könne: Wann die S-Bahn wieder fahre. Oder wie hoch der Schadenersatz für die Kunden ausfalle.

- Wer deshalb, so wie wir, vor einigen Jahren wieder aufs Auto umstieg, geriet unmittelbar in die Fänge der Umweltsenatorin Katrin Lompscher, PDS. Die denkt sich jede Woche etwas Neues aus, um Berlins genervte Autofahrer lahm zu legen: Die Umweltzone, 30-Zonen auf Hauptverkehrsachsen, rote Ampelwellen. Bereits angekündigt hat sie einen Lärmschutzplat für Berlin, der künftig vermutlich nur noch Fahrräder durch die Innenbezirke erlaubt.

- Wer das Pech hat, mit dem Auto täglich über die Stadtautobahn A100 zu müssen, dem zeigt die Stadt dann asphaltglatt auch hier eine lange Nase. Nachdem monatelang der Tunnel in Tegel restauriert und umgebaut wurde, ist jetzt die Spandauer Brücke dran. Jeden Tag Stau.

- Von den unsinnigen Absperrungen des 17. Juni und Brandenburger Tor für drittrangige Veranstaltungen wie Rollschuhlaufen, Frauen-Joggen-für-den-Frieden, Krankenkasseninfostände und sonstigen Bratwurstbuden etc. mal ganz zu schweigen. Sind wir hier nicht die Hauptstadt?

Ergebnis: Die wenigen Berliner, die sich morgens auf den Weg zu einer geregelten Arbeit machen, sind hochgradig genervt. Warum kapieren Verkehrspolitiker und -manager nicht, dass Verkehr nun wirklich ein Politikfeld ist, das alle betrifft? Selbst Leute, die sich überhaupt nicht (mehr) für Politik interessieren, haben eine Meinung zur Verkehrssituation, weil sie das jeden Tag erleben. Sie fragen sich: Wie kann man Infrastruktur so vernachlässigen?

Ich sage es offen: Die SPD hat sich hier nicht mit Ruhm bekleckert. Und die Linke und die Grünen in den Bezirken auch nicht. Leider gehört der verkehrspolitische Sprecher der FDP im Abgeordnetenhaus auch nicht zu den Aktivposten, weil er selbst nicht Bahn fährt. Die CDU Berlins ist seit Jahren mit sich selbst beschäftigt und hat seit Ewigkeiten keinen politischen Entwurf mehr hervorgebracht.

Die Berliner reagieren auf das S-Bahn-Desaster, in dem sie ihre Abos und Fahrkarten in den Müll schmeißen und zurück ins Auto steigen. Als Angestellter eines Automobilunternehmens freut mich das. Als Berliner verstehe ich das. Als Autofahrer befürchte ich, dass die Staus weiter wachsen.

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