Ich habe die Diskussionen über "Gentrifizierung" lange für Selbstgespräche der Generation Praktikum und militanter Linker gehalten. Und auch linksextreme Ideologen witterte ich bei denen, die sich wissenschaftlich mit dem Modewort beschäftigen (z.B. Andrej Holm). Aber ich habe mich geirrt.
Denn jetzt hat auch die Fotogalerie c/o (Link) pünktlich vor ihrem 10 Gründungstag die Kündigung von einer Heuschrecke bekommen. Und das empfinde ich als ziemlich unpassend - gelinde gesagt.
Klar, das alte Postfuhramt ist sanierungsbedürftig. Gerade WEIL die alten Bauten nicht gut in Schuss sind, sind sie billig zu mieten und attraktiv für Kreative und ihre Projekte. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, wann die Baustelle eröffnet werden muss. Aber man kündigt nicht von jetzt auf gleich mit dem Hinweis auf betriebswirtschaftliche Logik.
Denn es sind die Kreativen, die mit ihrer Präsenz und ihrem Erfolg eine heruntergekommene Bausubstanz aufwerten. Ohne c/o wäre das Haus weniger wert. Insofern findet bei Gentrifizierung ein Profit ohne Risiko und Leistung statt: "Investoren" warten, bis ihre Mieter ihre Anlagen aufgewertet haben und nehmen das dann zum Anlass, die Mieten zu erhöhen - oder an andere Investoren zu verkaufen, die dann die Mieten erhöhen.
Die spannende Phase der Location ist dann vorbei. Denn dann ziehen oft die bekannten öden Marken oder Hotelketten ein, nicht ohne Hinweisschild im Laden, dass hier mal die berühmte Agentur/Galerie/Werkstatt gewesen ist.
Die Kreativen weichen. Neu hinziehen tun die Bionade schlürfenden Designkinderwagenschieber mit MBA und Festanstellung im Ministerium. Siehe Kollwitzplatz. Wer selbst nichts schöpft, ist darauf angewiesen sich seinen kreativen Habitus einzukaufen. Was rege ich mich auf..
Wie wäre es, wenn Mietverträge zwischen Investoren und Kreativen künftig eine Klausel enthalten, die die Wertschöpfenden an der Wertsteigerung ihrer Location beteiligt?
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