Mittwoch, 1. September 2010

Starts spreading the news..


Foto: Gary Gelb, Greenwich Village, Manhattan, Oktober 2000

Am Dienstag, den 11. September 2001, nahm ich an einem Wochenseminar der IBM in Stuttgart teil. Meine Frau und ich hatten bereits bei British Airways Tickets nach New York gekauft. Wir wollten Anfang Oktober fliegen. Gegen 15h verließ ich den Seminarraum für eine kurze Pause. Ich hörte meine Handymailbox ab. Oh, unsere Freundin aus Essen fragte ziemlich aufgeregt, ob wir noch in Deutschland seien oder schon "drüben". Wenn ich das höre, solle ich bitte schnell zurückrufen. Danach meine Frau, im Hintergrund aufgeregte Stimmen. Ich rief sie zurück und sie schilderte mir, was passiert war. Sie sagte, man verdächtige bin Laden als Drahtzieher. Ich stellte ihn mir als den Teufel persönlich vor.

Mit diesem Wissen war ich zu diesem Zeitpunkt einer der wenigen im IBM Gebäude. So ging ich zurück in den Seminarraum und überlegte, ob ich die Nachricht einfach laut verkünden sollte. Sie schien mir zu groß, als dass sie Zeit bis nach dem Seminarende hätte. Andererseits war es ein interessantes Gefühl, zu wissen, dass eine Nachricht gleich den Raum verändern würde. Es lief ein Video auf dem Beamer, auf dem Lou Gerstner sagte: "There are three types of people in business: Those who watch things happen, people to whom things happen and those who let things happen." Damit traf er den Nagel auf den Kopf. Ironischer ging es gar nicht.

Dann stieg der Drang in mir, die Nachricht herauszulassen. Aber ich wusste gar nicht, was ich zuerst sagen sollte. Terror, Flugzeuge, New York.

Wir starteten ein Thinkpad und surften auf SPIEGEL Online. Wir sahen rauchende Twintowers. Im Seminar hatten wir einen Kollegen von der IBM UK. Der rief in seiner Hauptverwaltung in England an und erfuhr, dass sie den Luftraum gesperrt hätten. Er sagte nervös: "Das ist ein ganz gefährliches Zeichen. Jetzt ist es wirklich ernst."

Wir brachen das Seminar ab um auf unsere Hotelzimmer zu gehen. Wir verabredeten uns für das Abendessen. Als ich aufs Zimmer kam und n-tv einschaltete, stürzte einer der Türme ein. Ich sah den Turm, den wir ein Jahr zuvor noch betreten hatten, der auf etlichen Fotos zu sehen war, einstürzen. In dem Moment stürzte auch in mir etwas ein. Ich hatte die USA seit dem Amtsantritt Bill Clintons gemocht. War zwei mal in New York gewesen. Der Internet- und Gründerboom, die Börsenhausse. New York wie eine kalte Dusche, die einen aufweckt und nach Luft japsen lässt. Das Zentrum der Welt. Perspektiven, die nie enden. Und jetzt das: Eine Heimsuchung aus der Steinzeit.

Mir ging es wie allen, ich konnte die Augen nicht mehr vom Fernseher nehmen, und telefonierte parallel mit meiner Frau. Nach Abendessen war mir überhaupt nicht zumute, aber da war auch das Bedürfnis, mit den Kollegen zusammenzurücken. Noch einen Tag zurvor hatte ich mit meinem Chef über Rudolf Scharpings Fotos aus dem Swimmingpool gewitzelt.

Am nächsten Tag hieß es bei IBM: Flugverbot. Also Heimfahrt am Donnerstag mit dem Zug? Es ging ein paar mal hin und her. Dann durften wir doch fliegen. Es war das leerste Flugzeug, mit dem ich je geflogen bin. Höchstens 10 bis 20 Passagiere. Alle schweigsam, alle unwohl, alle ängstlich. Der Terror verlieh der Phantasie Flügel.

Später erinnerte ich mich an einen Gedanken vom Februar 2001. Wir waren gerade nach Berlin gezogen und wohnten in einem möblierten Appartement in Charlottenburg. Schwer beschäftigt mit dem Umzug und meinem Projektstart bekam ich Tagesnachrichten immer nur abends in den Tagestehemen mit. Da war eine Meldung von einem chinesischen Spionageflugzeug, dass die US Armee abgeschossen hatte. Oder es war umgekehrt. Jedenfalls wurde der frisch gebackene Präsident mit harschen Worten in Richtung China zitiert. Irgendeine Eingebung ließ mich zu meiner Frau sagen: "Den werden wir noch in olivgrüner Uniform erleben. Der ist mit nicht geheuer."

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