Dienstag, 21. Juni 2011

Das Team ist mehr als die Summe seiner Stars

Der Hype, den kommunale Wirtschaftsförderungsbeamte um die kreative Klasse veranstalten, ist die Karikatur eines moderniserungsbedürftigen Sozialliberalismus.

Er entspringt der Beobachtung der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Managertopgehältern und dem, was für den Rest übrig bleibt. Die Managerrhetorik, ihre Vergütung sei zum einen ihrem Multipel an Performance und zum anderen ihrer Knappheit geschuldet, entspringe also mithin einer perfekten Positionierung auf einem gedachten globalen Arbeitsmarkt, verführt normalsterbliche Talente dazu, etwas ähnliches müsse für sie auch gelten und ihnen zugänglich sein. Sie müssten nur entdeckt werden.

Prominente aus dem Siicon Valley befeuern diese Diskussion:
"Someone who is exceptional in their role is not just a little better than someone who is pretty good," he (Zuckerberg) argued when asked why he was willing to pay $47 million to acquire FriendFeed, a price that translated to about $4 million per employee. "They are 100 times better."
Zitat aus "Great people are overrated", BusinessInsider

Das kennen wir aus Managementbüchern und aus Erfahrung: Manche Leute erledigen die gleiche Arbeit nicht in Prozenten schneller oder besser, sondern in Faktoren.
"Five great programmers can completely outperform 1,000 mediocre programmers."

Aber hier geht es ja nicht um Fleiß sondern um den kreativen Funken, der den einen oder anderen auszeichnen soll. Die verführerische Denkfigur ist dabei das Merkmal der Kreativindustrie, dass sie nur einmal Denkarbeit verrichten muss und ihren Artefakt tausendfach und fast ohne Kosten kopieren kann und als Lizenzen verwerten kann. Man denke an -in the order of appearance- Profisportler, Musiker, Journalisten, Schriftsteller, Filmemacher, Fotografen, Softwareentwickler.

Die Vorstellung von sich selbst, der sich auf das Wesentliche konzentriert, fürs Denken bezahlt wird und die Umsetzung in ein kreatives Handwerk und im Hinterzimmer die Kopiermaschine am laufen hat, hat was. Das war das Ideal der Ich AG. Wenn wir selbst den Jackpot kreieren auf den entweder die Massen oder die Avantgarde abfährt, dann hey, dann haben auch wir das 100fache von dem verdient, was unser Ex-Kollege als Angestellter verdient. Die Rechtfertigung für uns haben wir fertig, noch bevor der Erfolg kommt. Und damit räumen wir auch dem Manager das Recht auf hundertfaches Einkommen ein. Wir unterfüttern dessen Exzess mit dem schönen Ideal des kreativen und freien Agenten. Es könnte ja auch uns treffen.
Have we become so culturally invested in the allure of the Free Agent, the lone wolf, the techno-rebel with a cause, that we are prepared to shower millions of dollars (maybe tens of millions) on a small number of superstars rather than a well-assembled team that may not dazzle with individual brilliance, but overwhelms with collective capability?

Aber hey: Wieviele von uns sind schon soweit? Haben ihre App in den Top10, haben ihre Fotos bei whitewall.com schon schon durch die Jury gebracht?

Wirtschaftsförderer träumen davon, unter den Studenten an ihren Hochschulen einen zweiten Steve Jobs zu haben. (Und zu Hause träumen sie bei der Benutzung von iLife auf ihrem Mac vom eigenen Durchbruch..) Der soll was künstlerisch-medial-technisches studieren, eine Firma gründen, die Leute von der Straße holen und ordentlich Steuern zahlen.

Aber ist der freie Agent nicht genau so unreif gedacht wie der "Autonome" oder pure "Liberale", der sogar die Existenz einer Gesellschaft leugnet?

Einzelne Topleute sind oft einsam. Weil niemand mit ihnen mitkommt. Man erlebt nur Unzufriedenheit miteinander. Man denke nur an den FC Bayern, der glaubt, nur mit fertigen Stars Meister zu werden.

Aber schon vor fünfzehn Jahren erkannte Ottmar Hitzfeld:
"Ich brauche nicht die besten elf sondern die beste Elf."

Also das beste Team, in dem jeder sein Instrument spielt. Darin sehr gut ist, aber eben auch gut mit den anderen zusammen spielt. Und das nicht nur für Geld, sondern für Spaß, Anerkennung und Zufriedenheit.

Hitzfeld wählte aus fertigen Spielern aus. Klopp entwickelt diese Spieler erst noch. Talent zum Team, das sollte das neue Motto sein. Der Traum vom freien Agenten ist so out wie die FDP. Aber die Chance, zu einem guten Team einen guten Beitrag leisten zu können, das halte ich nicht für out, ich halte es für geboten und im Kern sozialliberal.

Lasst uns nicht im stillen Kämmerlein über Geschäftsideen brüten. Lasst uns guten Teams anschließen und dort eine gute Rolle spielen. Das bringt auf Dauer mehr..

2 Kommentare:

  1. Anonym22.6.11

    Schöne Fußballbeispiele! Hitzfeld bringt es auf den Punkt. Da fällt mir noch ein Rehhagel ein: "Geld schießt keine Tore."
    Beim Fußball wird Heiße-Luft-quatschen auf dem Platz korrigiert und bestraft, im Unternehmen leider nicht.
    cndr

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  2. Ja, Geld schießt keine Tore. Und was Manager beim Fussball so zustande bringen, das sieht man ja sehr schön beim VfB Stuttgart. Da arbeiten ein Ex-IBM und ein Ex-BDI Manager Hand in Hand :-)

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