Samstag, 11. August 2012

Schauplatz der letzten Schlacht in Weltkrieg 2: Seelow

"Im Ersten Weltkrieg verloren ingesamt
9.737.000 Menschen ihr Leben,
davon 500.000 Zivilisten. 
Im Zweiten Weltkrieg wurden
55.293.500 Menschen getötet,
davon 24.475.800 Zivilisten. 
In der Schlacht um die Seelower Höhen
fielen 33.000 sowjetische, 12.000 deutsche
und 5.000 polnische Soldaten."
Tafel im Museumsfoyer der Gedenkstätte Seelower Höhen (Link)

Man hat es schon x-mal gelesen oder in Dokumentationen gehört, aber immer wieder ist es Wahnsinn. Im zweiten Weltkrieg wurden fast so viele Menschen getötet, ermordet wie die Bundesrepublik, in der ich aufgewachsen bin, Einwohner hatte. Noch lange Zeit nach dem Gorbatschow die DDR Bürger ermutigt hatte, die Mauer niederzureißen, hatten "östliche" Namen wie Oder und Polen für mich einen zerbrechlichen Klang. Als wir 2003 zum ersten Mal durch Polen reisten, war mir unsere Geschichte so gegenwärtig wie nie zuvor.

Im sogenannten Oderbruch (was das Binnendelta der Oder, das Sumpfland bezeichnet, Link) fand die letzte große, entscheidende Schlacht gegen Nazideutschland statt. Die Oder ist hier westlich und östlich von Höhenzügen flankiert, die das Queren der Oder und der Etappe im flachen Gelände zu einem riskanten Manöver machten. Auf den Seelower Höhen standen die Deutschen und hielten ihre Geschütze auf die anstürmenden Russen und Polen.



Hier errichteten die Sowjets später ein Mahnmal zu Ehren ihrer getöteten Soldaten. Soldatengräber und ein Denkmal. Und ein kleines Museum. Darin der Tagebucheintrag einer gebürtigen Seelowerin. Es zeigt, dass man sich im Krieg (oder Krisen allgemein) nie sicher sein kann. Seelow lag östlich von Berlin mitten in Deutschland, es war also keine Frontstadt. Es hatte auch keine Industrie und war deshalb kein Ziel für Bombenangriffe. Aber es lag westlich der Oder strategisch wichtig für die in die Defensive geratenen Nazis. Hitler verlegte große Teile des Heeres hier hin, als ihm klar wurde, dass es zu Ende gehen könnte. Und so wurde das Städtchen Seelow in den letzten Kriegswochen zum Schauplatz einer blutigen Schlacht.


Im Museum gibt es einen kleinen Filmraum, in dem eine Dokumentation über die Schlacht gezeigt wird. Keine Angst, falsche Heroisierungen finden hier nicht statt. Stattdessen wird dokumentiert, wie die Nazis gegen Ende Zivilisten in Uniformen steckten, schlecht ausrüsteten und in die Schlacht schickten - anstatt sie zu evakuieren.



Im Gästebuch etliche Einträge von Überlebenden und Hinterbliebenen. "Unser Großvater war hier 1945 verwundet worden. Er wollte unbedingt noch einmal nach Seelow. Als er es gesehen hatte, sagte er, 'Jetzt ist es gut.'"




Die Soldatengräber und das große sowjetische Ehrenmal lassen einen verstummen. Viele der gefallenen Soldaten waren nicht mal zwanzig Jahre alt. Todesangst, Todesmut, es den Nazis heimzahlen, sie besiegen wollen. Im Geschosshagel und Geschützdonner. Vertrauen müssen auf die Strategie und Taktik der sowjetischen Offiziere. Der Dokumentationsfilm zeigt Flüchtlinge (dann doch) und Gefangene, die beim Abmarsch von den umstehenden Sowjetsoldaten immer wieder mit bloßwn Fäusten geschlagen werden. Man kann es ihnen nicht verdenken. Ich hoffe nur, dass auch ein paar deutsche Offiziere darunter waren.

Hier der Ausblick der deutschen Seite auf das Schlechtfeld gen Osten:


Ein letzter Blick auf die Gedenkstätte. Dann entscheiden wir: Wir fahren weiter Richtung Oder.


Fahrt durch das Oderbruch, in dem im Frühjahr die Schlecht tobte.


Kurz vor der Brücke über die Oder, im Küstriner Kiez, stehen auf der rechten Seite ein paar alte Häuser. Wenn Steine reden könnten..


Dann fahren wir rüber. Nach Polen.



Ruhig und friedlich fließt die Oder. Wir fahren zuerst mit dem Auto rüber. Und immer wieder: Hätte uns das einer 1988 vorhergesagt, als wir zwischen Abitur/LK Geschichte und Wehrdienst waren. Die Grenzstation gibt es noch, aber keine Schranken oder Posten. Man fährt einfach durch.


Dann machen wir kehr und fahren zurück. Parken das Auto und gehen noch mal zu Fuß über die Oderbrücke. Wir sehen ein Rentnerehepaar, vielleicht auf der Suche nach irgendwelchen Spuren.



Die Grenze ist grün, es ist August. Die Oder fließt weich und leise unter uns durch. Gut, dass irgendwann Schluss war mit Krieg, Diktatur und Revanchismus. Soweit darf es nie wieder kommen. 

Hier noch ein (mehrteiliges) Video auf Youtube: Link

1 Kommentar:

  1. Jo. Mit Interesse gelesen. Muß das blanke Grauen gewesen sein.

    Infanterie 1:7, Panzer 1:10, Artillerie 1:20, Flugzeuge 1:30 - das waren grob die Relationen.

    Wir haben verdammtes Glück mit unserem Geburtsdatum.

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