Donnerstag, 28. März 2019

Perspektivwechsel

Perspektivwechsel helfen bei der Bewertung einer Situation. Sie helfen mir oft bei der Entscheidungsfindung. Früher nahm ich dazu abwechselnd die Perspektiven der Beteiligten oder "Betroffenen" ein. Inzwischen schaue ich immer öfter "von oben" drauf, bzw. mit viel Abstand.

Das eine half bei der Bewertung, ob wir eine Sache richtig machen. Aber in Zeiten des Wandels ist viel wichtiger, ob wir die richtigen Sachen machen.

Derzeit beschäftigt mich die Unterscheidung von Komplexitätsursachen. Die Komplexität mit der wir zu tun haben, spiegelt oft eine andere Komplexität. Z. B. kann die Komplexität eines Produktes oder eines Prozesses die Komplexität einer Organisations- oder Machtstruktur spiegeln.

Einem Bereichsleiter einer technischen Produktentwicklung kann z. B. daran gelegen sein, seinen Rivalen aus dem Produktmanagement draußen zu halten. Dafür muss er sein Produkt nur kompliziert genug machen um sagen zu können: "Das verstehst Du nicht."

Die Herren Piech und Winterkorn hatten so ein Machtsystem geschaffen. Sie nutzten es aber nicht nur zur Absicherung der Macht ihrer Domäne gegenüber anderen Domänen. Sondern auch um ihre Domäne nach innen zu beherrschen. Am Ende entstand ein nicht mehr zu managendes Konglomerat, in dem es jeder nur noch falsch machen konnte. Der Entwicklungsprozess war vor allem von Angst geprägt. Es brachte den Konzern an den Rand seiner Existenz. Und der Schutz der Täter wirkt bis heute (Link).

Künstlich geschaffene Komplexität erkennt man daran, dass es immer mehr "Taskforces" (Krisenstäbe) gibt, die zu ihrer Beherrschung eingesetzt werden. Altes Denken kommt stets zu dem Schluss: Wir brauchen hier mehr Ressourcen.

Aber brauchen wir nicht mehr Verstand? Mehr Mut zu Entscheidungen? So wie wir im Frühjahr unsere Gartenhölzer schneiden, müssen wir auch unsere Portfolios beschneiden. Und unsere Organisationen. Denn es werden weiter neue Verzweigungen und Äste nachwachsen, wenn wir neue Produktkategorien schaffen.

Aber um zu erkennen, was man wegschneiden sollte, muss man die Perspektive wechseln. Man muss ein paar Schritte vom Strauch zurücktreten um zu erkennen, wo man wegschneiden sollte. Und immer wieder kontrollieren, wie sich das Gesamtbild beim Schneiden verändert.

Montag, 25. März 2019

Freiheit und Akzeptanz

Die Flut an Ratgeberliteratur und YouTube "Influencern" ist ein Zeichen dafür, dass die Leute nicht mit ihrer Freiheit umgehen können. Und die Hochkonjunktur der Unzufriedenheit und Empörung ist ein Zeichen dafür, dass die Leute sich selbst nicht akzeptieren.

Wenn Kinder keine Grenzen aufgezeigt bekommen (anti-autoritäre Erziehung), dann werden sie später unfähig, ihre Chancen zu erkennen und zu nutzen. Denn wie soll ein Kind seine Stärken und Schwächen, Vorlieben und Abneigungen herausfinden, wenn es keine Grenzen erlebt, an denen es wachsen kann? So entsteht keine Auswahl, kein Profil, kein Charakter, keine Beständigkeit. Und kein Durchhaltevermögen. Stattdessen verstärken sich Ichbezogenheit, eine Neigung zum Nörgeln und eine hartnäckige Weigerung, Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen. Davon profitieren Leute und Institutionen, die diesen Leuten dann die Verantwortung für ihr eigenes Leben abnahmen und Ersatzverantwortliche anbieten. Linke z. B. ködern ihre Zielgruppe gerne mit Kritik an der Freiheit, z. B. mit "Wer braucht schon 35 Joghurtsorten?" Oder wie Renate Künast nach der Wende sagte: "Naja, wenn die Wende den Ossis vor allem Hakle feucht gebracht hat..". Mein früherer Sowie-Lehrer (SPD, ÖTV) betonte immer, dass die Raumfahrt dem Westen eigentlich nur die Teflonpfanne gebracht habe..

Es ist natürlich bequemer, sich "Rat" bei anderen zu suchen, seine Verantwortung bei der Regierung abzugeben und fortan nur noch Forderungen an andere zu stellen, und das mit seinem "Sinn für Gerechtigkeit" zu begründen. Der mühsamere, aber lohnendere Weg ist die Arbeit an sich selbst. Mit Mut neue Erfahrungen zu sammeln, um herauszufinden, was man tun will und kann.

Ein anderes stark wachsendes "Beratungsgebiet" ist das, was gerade unter dem Stichwort der sog. "Residenz" und "Achtsamkeit" läuft. Auch das klingt wieder nach Ich-Bezogenheit und Überforderung von der eigenen Freiheit. Ich lasse diese grünen Modewörter mal beiseite und spreche von dem Ringen mancher Leute, endlich im Hier und Jetzt anzukommen. Unzufriedene Leute hadern oft mit der Vergangenheit und beschäftigen sich bis zum Exzess mit Untergangsszenarien in der Zukunft (Klimawandel, Dieseltote, etc.). Dahinter verbirgt sich die Unfähigkeit, Dinge zu akzeptieren wie sie in der Gegenwart gerade sind. Nicht in dem Sinne von Zustimmung, sondern im Sinne von: Realisieren, dass etwas tatsächlich so ist und es anzunehmen. Bequemer sind die Verdrängung der Gegenwart, das Ausweichen in andere Zeiten, um dort die "wahren" Schuldigen für das eigene Schicksal zu suchen, anstatt -siehe oben- Verantwortung zu übernehmen. Aber wer so lebt, wird nie in der Gegenwart ankommen, sondern immer um seine vergangene Gegenwart trauern, die er nicht bewusst erlebt hat. Zu erkennen z. B. an dem Satz: "Ich habe vom Leben doch noch gar nichts gehabt." Manche buchen sich dann in ein Seminar oder Kloster ein um den "Weg in das Hier und Jetzt" zu finden. Aber dieser Weg führt mitten durch die Akzeptanz der Gegenwart.

So gesehen kann man Anhänger des gegenwärtigen linken Zeitgeistes als seelisch krank deuten. Es sind Menschen, die von ihrem eigenen Leben letztlich überfordert scheinen. Die bilden via Facebook und Twitter einen riesigen Stuhlkreis und stellen dann fest, dass alle anderen Schuld an ihrem verkorksten Leben sind. Das ihnen "der Kapitalismus" nur unsinnige Freiheit biete, und dass "alte, weiße Männer" ihnen die Zukunft zerstören -z. B. durch "Zerstörung des Klimas" und die Ursache dafür sei, dass wir aus einer "toxisch-männlich" dominierten Geschichte kämen. Das alles ist natürlich Unsinn. Aber es zahlt sich in Karrieren für die Verführer aus. Karrieren in Parlamenten, Lobbygruppen etc.

Der Vorzug des Bequemen zeichnet diese Leute quer durch alle Altersgruppen aus. Demonstrieren z. B. gehen die Jugendlichen nur, wenn dafür die Schule ausfällt. Die eigene Freizeit am Wochenende dafür zu opfern, das wäre schon zu viel verlangt.

Donnerstag, 14. März 2019

Verlernte Verhandlungskompetenzen

In meiner beruflichen grauen Vorzeit habe ich mal das Wesen des Verhandeln gelernt. Ich hatte gute Diplomaten und Unterhändler schon lange bewundert und als ich in die Vertriebsunterstützung von IBM einstieg war die Gelegenheit, zu lernen wie man verhandelt.

Als Kernkompetenz ist mir haften geblieben, dass man zwischen Positionen und Interessen unterscheiden soll. Es gibt immer das, was eine Partei als Wille formuliert, und etwas was sie damit erreichen will. (Übrigens ähnlich wie bei der Formulierung von User Stories.)

Egal also, ob man ein Angebot aushandelt oder einen Workshop moderiert. Man wird von den Parteien zunächst hören, was sie wollen. Dann entdeckt man die Widersprüche, die verhindern, dass alle ihren Willen bekommen können.

Dann fragt man nach den dahinter liegenden Interessen und Zielen. Und dann lösen sich die Zielwidersprüche oft auf und entpuppen sich als Antwort auf unbewusste Annahmen.

Ich habe das selbst einmal als Product Owner ausmoderiert und erst damit den Durchbruch in einem IT-Projekt geschafft. Vermeintlich beanspruchten zwei verschiedene Usergruppen das Schreibrecht über technische Inhalte einer Produktbeschreibung. Bei näherem Hinsehen verlangte die eine Gruppe aber kein Schreibrecht im Sinne einer Setzung. Sondern sie war auch schon mit einem Vorschlagsrecht zufrieden.

In der Politik ist Verhandlungsgeschick -die Beherrschung des Diplomatenhandwerks- Voraussetzung für politischen Fortschritt. Und schon länger vermisse ich hier Diplomaten alter Schule. Das aktuelle Beispiel hierfür sind die völlig aus dem Ruder gelaufenen Brexit-Verhandlungen.

Hier scheinen sich beide Seiten nicht klar darüber zu sein, was sie wollen. Oder sie sprechen es nicht aus. Klar sind nur die Positionen. Groß Britannien will raus, die EU-Kommission will ein erfolgreiches Exempel eines EU-Austritt verhindern. Welche Interessen die EU-Mitgliedsländern haben, scheint keine Rolle zu spielen.

Aber auch andere Schauplätze schwelen seit Jahrzehnten in Krisen, ohne dass ein kluger Unterhändler ihn einmal zur Lösung bringen würde.

In manchen Fällen fehlt es nicht nur an Diplomatie, sondern schon an integren, mandatierten Repräsentanten. Z. B. in Afrika, wo wir Einfluss auf die ungebremsten Flüchtlingsstrome nehmen müssen.

Nach dem Niedergang der politischen Kulturen in den Ländern (insbesondere den westlichen Demokratien) folgt also nun der Niedergang unseres Standing in der Welt.

Samstag, 9. März 2019

Autokrise, reloaded

Die Automobilbranche ist im Umbruch. Und wer nur sporadisch die Zeitung liest, bekommt den Eindruck, dass die Hersteller inzwischen gar nichts mehr auf die Reihe bekommen. Die Absatzzahlen brechen ein - nicht, weil Kunden nach den Dieselskandalen und Fahrverbotsdesastern keine Autos mehr wollen. Sondern, weil viele Hersteller nicht mehr nachkommen, ihre Autos zugelassen zu bekommen. Schuld daran sei der neue Standard WLTP.

Sich stapelnde Fahrzeuge vor einer Zulassungsbehörde - das gab es doch schon mal? Richtig, Anfang dieses Jahrzehnts bekam das Eisenbahn Bundesamt die Zulassung neuer Zugtypen nicht auf die Reihe und Bahnkunden litten unter Kapazitätsengpässen. Später reagierten Bundesregierung und Bundesverwaltung und ließen die Vergabe der eigentlichen Prüfung an Dritte zu.

Irgendetwas muss auch beim WLTP passieren. Denn anstatt einfach nur den Fahrzyklus ein bisschen realistischer zu machen haben die beteiligten Regierungen (W wie "Worldwide") alles gegeben, um auch die zweite Nachkommastelle bei Verbrauchs- und CO2-Angaben hieb- und stichfest zu machen. Das führt dazu, dass jede bestellbare Ausstattungsvariante eines Autos geprüft werden muss, wenn die hinzugefügte oder geänderte Ausstattung Einfluss auf den Verbrauch hat.

Dies trifft besonders die deutschen Hersteller, weil sie -anders als ihre Wettbewerber- keine festen Ausstattungspakete anbieten und deshalb nicht mit drei Typprüfungen durch sind. Die Deutschen bieten freie Konfigurationen an. 6 Motoren in verschiedenen Leistungsstufen, jeweils mit Hand- oder Automatikschaltung. 2 oder 3 Radgrößen, Anbauteile wie Dachreling.

Hat das irgendetwas mit Infotainment zu tun? Ja hat es, wegen des Stromverbrauchs. Und zwar sowohl beim Betrieb (z. B. Lautsprecherleistungen) als auch wenn das Fahrzeug abgeschaltet ist (Onlineverbindungen für Services).

Die Hersteller müssen Varianten kürzen was das Zeug hält. Und das betrifft so gut wie alle Autoteile, die dem Wind die Stirn bieten, die im Gewicht variieren, die die Kraftstoffeinspritzung und Abgasbehandlung beeinflussen. Oder die Strom verbrauchen.

Es trifft die deutschen Hersteller wieder mal härtesten. Und das ist es, was mich stutzig macht. Wieso hat unsere Regierung nicht rechtzeitig eingegriffen, als die Schieflage bei den Lasten für die Autohersteller entstand?

Eine Antwort liefert vielleicht das Verhalten des Bundesfinanzministeriums:

Der neue Fahrzyklus wird im Ergebnis die Verbrauchsangaben aller Fahrzeuge erhöhen ("näher am realen Verbrauch liegen"). Das gleiche Fahrzeug verbraucht nach neuem Standard de jure mehr als nach altem Standard. Das führt dann zu einer höheren Einstufung bei der Kfz-Steuer. Für das gleiche Fahrzeug kassiert Olaf Scholz demnächst mehr. Bei 60 Mio zugelassenen Fahrzeugen, die über die Jahre ersetzt werden, wird da einiges zusammen kommen.
(Wohlgemerkt: Bereits zugelassene Autos werden nicht höher besteuert, sie haben ihre Einstufung ja hinter sich.)

Hier profitiert unsere Regierung also davon, keine Partei für ihre Industrie und ihre Steuerbürger ergriffen zu haben, als die internationale Regulierung einseitig zulasten ihrer Industrie verschärft wurde.

Freitag, 1. März 2019

Microsoft und die deutschen Autohersteller

Für Microsoft CEO Satya Nadella war es eine gute Woche. Kurz hintereinander ließ er sich mit den Vorstandsvorsitzenden von Daimler und VW filmen und ablichten. Der Grund: Beide Unternehmen setzen künftig auf die Microsoft Cloud Technik und Services "Azure".

Welche besondere Anforderung Azure erfüllt, erklärte in der Computerwoche der Chef von Daimlers "Big Data" Center:
Grundlegend hierfür ist das Prinzip „Bring your own key“, das die Microsoft Azure-Cloud mit sich bringt. Mit der Funktion „Azure Key Vault“ kann Daimler seine eigenen Verschlüsselungs-Codes kreieren und zu variieren und bleibt somit Herr über die eigenen Daten.
Quelle: Computerwoche

Diese Begründung ist sachlich nicht falsch. Aber sie ist eine halbe Wahrheit. Denn auch Amazon Web Services bietet diese Funktionalität unter "AWS Key Management Service KMS".
"In AWS KMS können Sie Ihren eigenen Schlüssel über die HSMs erstellen, die Sie überwachen. Jeder benutzerdefinierte Schlüsselspeicher wird über ein AWS CloudHSM-Cluster gesichert."
Quelle: AWS

Mag sein, dass es in den Details Unterschiede gibt. Aber ich vermute andere Gründe, warum die deutschen Autohersteller amazon verschmähen und Microsoft den Vorzug geben.

Erstens ist Microsoft kein Konkurrent im Infotainment Bereich, also nicht selbst Anbieter von Content und Kundenprofilen. Alexa konkurriert mit den Backends der Autohersteller, Microsoft nicht.

Zweitens erinnern mich die Fotos am Kamin an die Annäherungen von Konzernchefs an Lou Gerstner Ende der 90er. Man will von denen Lernen, die die anstehende Transformation schon hinter sich haben. Damals ging es um die Einführung unternehmensübergreifender, elektronischer Geschäftsprozesse über das Internet. Bei Microsoft geht es um den Wandel vom Verkäufer zum Vermieter.

Dass der o. g. "Big Data" Manager allerdings gleichzeitig von Open Source als Türöffner schwärmt und dies in seine Argumente PRO Microsoft einrührt, lässt mich noch grübeln.

Grübeln lässt mich auch die Frage nach den Motiven der Vorstandsvorsitzenden die Kooperation mit Microsoft an die große Glocke zu hängen. Was soll das symbolisieren? Modernität? Vergleiche zwischen den Branchen? - Ich finde, das kommt reichlich spät und ich persönlich hätte diese Entscheidung eher unauffällig getroffen.

Außerdem ist Azure ein Mittel zum Zweck. Den Zweck müssen die CEO's bewältigen, nicht die Mittel.

Gut ist, dass Daimler und VW hier auf die gleiche Backend-Technik setzen. Auf welches Backend setzt eigentlich BMW...?