Montag, 11. Mai 2020

Gespräch über Freiheit

Sie: "Es gibt Leute, die wissen auch in normalen Zeiten nichts mit ihrer Freizeit oder ihrem Leben anzufangen. Das sind jetzt die, die mit dem Lockdown keine Probleme haben. Im Gegenteil, ihn als Vorwand sehen, endlich zuhause bleiben zu können, weil es jetzt Pflicht ist."

Er: "Und es gibt die, denen Freiheit über alles geht, die ihr Leben schon immer verteidigt, geplant und voran getrieben haben. Die fühlen sich sofort gegängelt und provoziert, wenn die Regierung glaubt, den Freiheitsentzug nicht mehr legitimieren zu müssen."

Insofern spaltet Corona die Gesellschaft nicht. Sondern macht die immer vorhandenen völlig unterschiedlichen Lebensgefühle und -konzepte sichtbar.

Wir können Oppositionelle nicht jedesmal als VTler oder "Rechte" abtun

Nach Euro- und Flüchtlingskrise ist Corona die dritte Krise, in der Regierung und Medien alle abweichend Denkenden pauschal als Verschwörungstheoretiker, -leugner oder "Rechte" titulieren.

Als würden die Etiketten bereits parat liegen kommt die Kritik an Oppositionellen inzwischen schon bevor sich diese geregt hat.

Ich halte diese Form von außenpolitischer Opposition für eine Reaktion auf fehlende -oder unterrepräsentierte- Opposition im Bundestag. Seit einer gefühlten Ewigkeit werden wir von einer großen Koalition regiert. Diese verargumentiert ihre Politik nicht mehr sondern begründet sie moralisch oder wissenschaftlich. Damit kommen Kleriker und Professoren ins Spiel, die sich auf Quellen und Instanzen berufen, die ein normal gebildeter Bürger nicht so ohne weiteres prüfen oder kritisch hinterfragen kann. Bürger sollen einfach glauben.

Wer dem nicht folgt, weil er das Selbstbild des aufgeklärten Bürgers verinnerlicht hat, muss sich jetzt selbst auf den Weg machen. Muss recherchieren, lernen, Kontexte herstellen, Quellenketten verfolgen. Denn die Zeitungen und Onlinemedien, die er früher gelesen hat, haben ihre frühere Funktion und Qualität eingebüßt. Kann sein, dass das mit der Kostenloskultur einherging. Jedenfalls findet man dort, was früher ein Spektrum war wie der Bundestag heute nur noch Regierungsmainstream.

Und deshalb entstehen am Ende neue Medienschaffende, Blogger und auch neue Bewegungen und manchmal Parteien. Die füllen die Lücke, die die alten Institutionen hinterlassen haben.

Jetzt müssten Journalisten, Chefredakteure und ihre Gesellschafter eigentlich aufwachen und erkennen, dass es einen Markt gibt, der derzeit nicht gut bedient wird. Doch sie wählen dein bequemsten und umsmartesten Weg, wider für Ruhe zu sorgen: Sie diffamieren die außerparlamentarische Opposition.

Wir Bürger dürfen uns nicht mehr ins Bockshorn jagen lassen. Wir müssen es aushalten, von Nachplapperern in simple Schubladen gepackt zu werden. Aber wen kümmert es eigentlich, was Halbgebildete, die jede Einlassung mit mehr als zwei Wenn-Dann-Sätzen für eine VT halten, über einen denken?

Ich kriege inzwischen mit, dass sehr viele über die Regierung kritisch denken, dass sie die Lockdowns in Frage stellen bzw. bessere Argumente hören wollen. Sie wollen selbst zu einer Erkenntnis kommen anstatt blind Pfarrern und Regierungsberatern aus dem Wissenschaftsapparat glauben zu sollen.

Hier und da sehe und höre ich manchmal neuerdings auch Lichtblicke. Der WDR Presseclub gestern war so ein Beispiel. Hier gaben sich die Protagonisten ordentlich Kontra. Robin Alexander nahm die Position des kritischen Bürgers ein und wies die regierungskonformen Teilnehmer darauf hin, dass nicht er begründen müsse, warum er seine Freiheit zurück wolle sondern die Regierung, warum sie ihm diese weiter vorenthalten wolle. Diese Runde gestern war fast schon pluralistisch.

Samstag, 9. Mai 2020

Zitat des Tages

"If the rate of change outside exceeds the rate of change inside, the end is in sight."
Jack Welch

Freitag, 8. Mai 2020

Es ist vorbei!

Die Johns-Hopkins-Zahlen für Deutschland von gestern:


Daraus folgt: Die aktuell bekannte Anzahl an Erkrankten beträgt 167.300-7.266-141.700 =18.334.

Gestern waren wir mit den Neuerkrankten mit 1.209 erstmals wieder über 1.000. Aber die Tendenz ist stark fallend:

Vorgestern veröffentlichte Harbor Steingart sein Interview mit RKI-Chef Wieler und stellte ihm auch die beiden drängenden Fragen:
1. War der Lockdown nötig, wenn die Kurve der Neuerkrankten doch schon vorher zu fallen begann? Und 2.: Warum haben Sie zu mehreren Themen Ihre Meinung gewechselt, z. B. der Wirksamkeit von Schutzmasken?

Seine Antworten:
1. Die Kurve hatte schon vorher begonnen zu fallen, weil die Leute sich schon vor dem Gesetz an die wesentlichen Regeln hielten und weil es davor erste Maßnahmen gegeben hatte: Das Verbot von Großveranstaltungen, die Schließung von Kitas.
Wer daraus schließe, dass die Kurve auch ohne Lockdown so weiter gefallen wäre, verwechsle Ursache und Wirkung (er bezeichnete es als Paradox in der öffentlichen Diskussion). Nur wegen des Lockdowns sei die Epidemie dermaßen eingedämmt worden.

2. Bei der Erklärung seines Meinungswechsels zu Schutzmasken erwähnte er nicht, dass es zu allererst ja sogar ein Verbot von Masken für öffentliche Stellen gegeben habe, weil diese das Volk verunsichert hätten (Bundespolizei, Flughafenpersonal). Danach erwähnte er nicht das damalige Argument, Schutzmasken würden einen in falscher Sicherheit wiegen. Er begann mit dem RKI-Statement, Schutzmasken seien weder ein Schutz für den Träger noch für dessen Umgebung  Zu der Zeit habe man noch angenommen, das Virus sitze und vermehre sich hauptsächlich in der Lunge. Erst als man festgestellt habe, dass es sich bereits im Rachen stark vermehrt, habe man erkannt, dass ein Mundschutz dann ein Schutz für die Umgebung eines Erkrankten seien.
Steingart nennt auch noch andere Fälle, wo RKI und Regierung ihre Meinung geändert haben und Wieler begründet das allgemein damit, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse in einem jungen Thema eben mehrmals ändern können.
Meine Frage daraufhin wäre gewesen, warum man überhaupt Entscheidungen trifft, solange man weiß, dass eine Annahme noch nicht bestätigt ist. Bzw. wenn es um harte Entscheidungen geht, warum man nicht eigene Forschung darauf konzentriert. Drosten z. B. begründete alle seine Meinungswechsel mit der Reihenfolge, in der er die Veröffentlichungen auf dem Prä-Print-Server der Virologen gelesen habe..

Aber das liegt jetzt hinter uns. Für mich ist das Thema Corona jetzt erstmal vorbei und ich atme richtig auf. Ich habe gestern so viel Optimismus getankt, wie lange nicht mehr.

Und Herr Wieler scheint das auch so zu sehen, denn gestern verkündete das RKI, dass es ab jetzt keine regelmäßigen Pressekonferenzen mehr geben wird. Und die Bundeskanzlerin kümmert ohnehin nie, was sie gestern gesagt oder angerichtet hat.

Aber die gute Nachricht ist:


Mittwoch, 6. Mai 2020

Senior xy... was denn eigentlich genau?

Hausintern diskutieren wir derzeit auf vielen Plätzen, was wir künftig besser können wollen. Ein Auslöser dafür sind die Erfahrungen als "Home Officer".

Angefangen von den Ressourcen in der Infrastruktur (VPN-Zugänge), über die zugreizbare Dokumente und Artefakte und Systeme. Bis hin zum Bedarf neuer Tools, die das Skizzieren mit Eddings auf Flipcharts oder Weißtafeln ersetzen können.

Viele Nachzügler und Skeptiker, die erlebt haben, dass das selbstverantwortliche Arbeiten remote tatsächlich klappt, tun jetzt so, als hätten sie es erfunden. Sie setzen sich jetzt an die Spitze der Bewegung und rufen: "Mir nach!"

Mein Projekt lief natürlich schon vorher "modern". Für uns hat sich wenig geändert. Außer, dass uns Budget nur in Schritten freigegeben wird und ich alle paar Wochen in diesen Runden bin.

Ich bin einerseits eigentlich innerlich "gut aufgestellt". Ich habe keinen Einbrund, keine Unterbrechung erlebt und ich musste auch keine Zeit investieren, um Dokumente von irgendwo nach irgendwo umzuziehen und Wikispace zu beantragen, zu warten usw. Auch reizen mich die Poser-Diskussionen der nacheilenden Propheten nicht. Ich habe das alles schon vor fünf Jahren propagiert. Irgendwann wird es langweilig.

Und da wir gut -und zwar nach Standards- dokumentieren, was wir uns selbst -teils unter Schmerzen, und immer mit den Fachbereichen- klar gemacht haben, ist es für mich auch wenig Aufwand, Budgetrunden vorzubereiten. Ich kann alles im Zusammenhang erklären und ausgehend vom großen Lenkungskreis priorisieren. Ich kann sagen, was wir an Implementierung nicht schaffen und wozu wir Fachbereiche nicht befähigen werden, wenn wir 10 oder 20 Prozent weniger Budget kriegen. So wissen die Entscheider, was sie entscheiden.

So weit so gut also. Von außen besehen.

Innerlich aber geht es mir schon wieder so, wie häufig. Wenn das Flugzeug seine Reiseflughöhe erreicht hat, genieße ich eine Weile den Autopilot. Im Homeoffice zumal. Aber die Routine nimmt einem auch ein bisschen den Schwung. Ich dachte erst, mir fehle die körperliche Bewegung und das schlage nun in geistige Trägheit um. Aber was mir eigentlich fehlt, ist ein neues Ziel. Projektziel. Um nicht anfällig für Anfragen von Kollegen zu werden, setze ich jetzt erstmal einen Produktvision-2-Workshop auf die Agenda. Irgendwas mit Standardisierung und Automatisierung und Personalbedarfseinsparung. Ich denke, das wird in der nächsten Zeit gut ankommen..

Am meisten reizt mich daran aber die Frage, wie man da methodisch hinkommt. Klar, wir werden das  ARIS-Mehrebenenmodell nach unten erweitern. Wir werden den ITIL-Servicekatalog dann weiter planen. Und da wir ja auch einer Softwareplattform laufen, muss da auch irgendwas mit Cloud in den Projektsteckbrief. ("Ich will alle 11 Minuten -also immer wenn mir was neues eingefallen ist, deployen können.." ;-).

Aber was bin ich eigentlich? Ich schaue schon gerne über den Tellerrand und weiß gerne, wozu wir was machen. Aber mich öden abgehobene Runden auch an. Ich bin schon gerne da, wo es auch passiert. Auch gerne im direkten Austausch mit den Entwicklern. Und gerne etwas ganz konkretes beisteuernd: Methodik, Kopfwerkzeuge, die Zusammenhänge zwischen Fachbereichszielen und Softwareumfängen.

Dienstag, 5. Mai 2020

Starke Tendenz zur Wiedereröffnung

Immer mehr Bundesländer kündigen Lockerungen an. Und die Infektionszahlen geben das auch her. Aktuell haben wir  nur noch ca. 30.000 Infizierte mit Symptomen. R liegt bei 0,7.

Dazu kamen gestern die Ergebnisse der Heinsberg-Studie. Demnach könnte die Zahl der Infizierten ohne Symptome um bis zu 10 mal höher sein, als die mit Symptomen. Was die Sterblichkeit von Covid-19 entsprechend reduzieren würde.

Zudem dämmert den Ministerpräsidenten, wie groß die wirtschaftlichen Probleme sind, die ihnen jetzt auf der Matte stehen.

Nur einer spielt noch den Lehrmeister und nörgelt über die verantwortungsbewussten Kollegen: Berlins regierender Bürgermeister Müller. Ausgerechnet Müller, der es Linksextremisten am 1. Mai durchgehen ließ, sich einen Dreck um seine Abstandsregeln zu scheren. "Unvernünftig" war da alles, was ihm und Innensenator Geisel da über die Lippen kam,

Anders in Mitte. Wenn ich hier meinen Feierabendspaziergang mache, gehe ich durch leere Straßen und über leere Plätze. Das ist angenehm, keine Frage. So viel angenehmer als wenn man beim Gehen ständig mit Kampfradlern, Touristen und Passanten "verhandeln" muss, wer wem ausweicht. Und auch die Restaurants stellen die Bürgersteige nicht mehr mit Tischen voll.

Man kann sich wieder auf die Architektur konzentrieren:




Aber das ist buchstäblich die Ruhe vor dem Sturm. Und zwar dem Sturm der Rezession, Depression und Arbeitslosigkeit. Die geplanten Konjunkturprogramme in EU und USA gehen schon wieder in die Billionen. Heute ist der "Mobilitätsgipfel", in dem Merkel und Scholz den Autoländern Kaufprämien für Autos zusagen sollen. Das habe ja schon 2009 funktioniert. Für jeden EURO "Umweltprämie" seien mehrere EURO als Steuern zurück an den Staat gegangen.

Wenn diese Rechnung aufgeht, warum geht sie nicht immer auf? Warum machen wir es dann nicht immer so - und senken z. B. dauerhaft die Mehrwertsteuer?

Schon höre ich Katrin Bauerfeind auf n-tv sagen: "Nein, nein. Wir 'dürfen' jetzt nicht so weitermachen wie vor der Krise sondern müssen 'die Wirtschaft zukunftsfest' machen." Klimawandel und so. Auf so hohem Ross sitzen und so ahnungslos daher reden Mädchen, denen Harald Schmidt mal in den Sattel geholfen hat und die seitdem von GEZ Gebühren leben.

Denn sogar Frau Schwesig will für Pfingsten die Ostseebäder wieder öffnen. Offenbar hat sie mal in die Staatsschatulle geschaut und gesehen, wie viel da noch drin ist. Eine neue Phase beginnt. Drosten ist over. Kubicki bringt es auf den Punkt: "Wir sind über den Weg."

Was wir viel dringender als Kaufprämien brauchen ist die Zuversicht, dass wir alle zurück an die Arbeit können und wir wieder Geld verdienen. Mit dem Einkommen und der Gewissheit, dass es trägt kaufen die Leute auch wieder was sie als nächstes brauchen.

Die Kaufprämie wird übrigens auch nicht stringent kommuniziert und widerspricht strategischen Aussagen an anderen Stellen:
1. Wenn jetzt auch EU6 Diesel bezuschusst werden sollen, weil sie 30% sparsamer als EU4 Diesel sind, warum EU6 nicht generell als Mittel gegen den Klimawandel positionieren?
2. Wir rechtfertigten die Produktion von SUV mit der Nachfrage. Sagen aber gleichzeitig, wir kommen mit den Elektroautos unserer Verpflichtung nach. Und das SUV Geschäft soll die Entwicklung von Elektroautos finanzieren. Diese Geschichte ist nicht rund.
3. Warum müssen überhaupt einzelne Unternehmen hier vorpreschen? Wo ist eigentlich der Verband, der dann für alle sprechen würde?