Mittwoch, 16. März 2011

Innenminister Zimmermann schließt eine Gefährdung aus

Bundesinnenminister Zimmermann am 29.04.1986 (Minute 3:33): Als gerade mal die ersten spärlichen Meldungen über einen Unfall in Tschernobyl bekannt waren, schloss er alles aus: Dass von Tschernobyl eine Gefährdung für die Bundesrepublik ausgehen könnte. Und dass es einen solchen Unfall auch bei uns geben könnte.

Wörtlich sagte er, eine Gefährdung gebe es nur im Umkreis von 30km um das Kraftwerk..

TÜV-Vertreter: "Cut - Wir hatten gesagt: Keine Nachfragen!"

Warum die TÜV Süd AG ein Interesse am Weiterbetrieb auch der ältesten Reaktoren hat: Den Kraftwerksbetreibern gehören 25,1% der Aktien, sie haben damit die Sperrminorität..

Was passiert mit der Kernschmelze?

In Fukushima dreht sich jetzt alles um die Frage: Wohin geht es mit der flüssigen Nachzerfallsmasse?

a) Gibt es ein Auffangbecken, dass die Masse jahrelang halten kann, bis sie so abgekühlt und ausgestrahlt ist, dass man sie weiterbehandeln kann?

b) Wie groß sind die Löcher im Reaktorkessel, wie stark kann also strahlende Materie durch Konvektion (Massentransport) in die Atmosphäre gelangen?

c) Kann man weitere Explosionen verhindern, die die strahlende Masse nach oben schleudern würden, wo dann die Windrichtung und die Luftdrucklage bestimmen, wer in welchen Dosen verstrahlt würde?

Jetzt hilft nur noch die Flucht #fukushima

Was in Fukushima im weiteren Verlauf passieren wird, ist absehbar. Nachdem wohl mehrere Reaktordruckbehälter beschädigt sind, wird die Radioaktivität der Nachzerfallsprodukte in die Atmosphäre gelangen. Jede weitere Explosion an einem defekten Reaktorbehälter wird mehr Radioaktivität hochschleudern. Und die Winde werden das in ihre Richtung tragen.

Wir haben Tschernobyl als weitflächige Verseuchung der Ukraine in Erinnerung. Doch in Japan wird sich die Seuche wohl mehr konzentrieren, aufgrund der Wetterlage, wenn ich das richtig verstanden habe. Die Menge an Radioaktivität, die übers Land verteilt werden kann, ist die Menge in den Reaktoren. Die kann sich entweder weit verteilen, mit entsprechend reduzierter Dosis pro Opfer. Oder sie verteilt sich nicht so weit und kommt in konzentrierter Dosis herunter.

Die Menschen sollten grösstmöglichen Abstand zu Fukushima suchen. Das habe ich schon am Wochenende gepostet. Jeden Meter, den man schon gewonnen hat, muss man sich nicht mehr auf der Autobahn erkämpfen. Und Jodtabletten einnehmen. (Aber wie soll man Jodtabletten besorgen, wenn man von der Regierung wird, zu Hause zu bleiben..?)

Uns stehen Bilder von Flüchtlingsströmen aus Tokio bevor. Nach der Schockstarre kommt die panikartige Flucht.

Prof. Jentsch: Erdbebenrisiko = Stärke mal Nähe

Im Dradio (Link) hat Prof. Gerhardt Jentsch folgenden wichtigen Hinweis gegeben: Bei der Bewertung von Erdbebenrisiken für einen Kraftwerksstandort muss man das Produkt aus Erdbebenstärke und -nähe heranziehen. Wir dürfen uns nicht von dem Argument irre führen lassen, dass es "bei uns nicht so starke Beben gibt wie in Japan." Sondern man müsse berücksichtigen, dass das Erdbebenzentrum sehr weit draußen vor Japans Küste statt fand, und die Erschütterungen vor Ort trotzdem stark genug waren, die Atomkraftwerke in Schnellabschaltung gehen zu lassen.

In Deutschland sei die Situation genau anders herum: Die Stärke zu erwartender Erdbeben sei eher schwach. Dafür stehen unsere Kraftwerke teilweise in unmittelbarer Nähe der zu erwartenden Epizentren. Die Erschütterungen am Kraftwerksstandort selbst muss deshalb nicht wesentlich geringer sein, als sie es an den Kraftwerksstandorten in Japan gewesen ist! Und für die zu erwartenden Erschütterungen im Erdbebenfall seien die deutschen Atomkraftwerke nicht ausgelegt.

Da sei der Hinweis erwähnt, dass der heutige Vorstand von RWE Kraftwerke, Dr. Jaeger mit seinen damaligen Kollegen das AKW Mülheim-Kärlich genau in so ein zu erwartendes Erdbebengebiet plante.

Prof. Gerhardt war übrigens auch in der Planungsgruppe der Bundesregierung zur Untersuchung geeigneter Standorte für die Endlagerung. Er sagt: Ihre Erkenntnisse über die geologischen Anforderungen an geeignete Endlager würden in unseren Nachbar- und anderen -ländern verwendet. Nur in Deutschland nicht.

Dienstag, 15. März 2011

Bundeskanzlerin Merkel zur Neubewertung der Kraftwerkssicherheit

Merkel: "Ich finde, an so einem Tag darf man nicht einfach sagen, unsere Kernkraftwerke sind sicher. Sie sind sicher."

Wie der Ausfall sieben deutscher AKWs kompensiert werden kann

Die Lobby der Atomwirtschaft, das frühere Atomforum, hat heute eine Pressemitteilung zu den Folgen einer schnellen Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke veröffentlicht (Link). Mal sehen, wie seriös die ist.

Also, heute sind 17 Atomkraftwerke in Betrieb. Quelle: Wikipedia, Liste der Kraftwerke (Link).

Im deutschen Strommix machte die Kernenergie 2009 einen Anteil von 22,6% aus, das sind etwa 140.000 GWh. Quelle: Wikipedia (Link) und bdew.


Grafik: Sepp, für Wikipedia

Die Lobby schreibt, die Abschaltung würde einen Verlust von rd. 10% der deutschen Stromerzeugung ausmachen. Das stimmt: Etwas weniger als die Hälfte der Kraftwerke (sieben von 17) erzeugen etwas weniger als die Hälfte des deutschen Atomstroms, es entfallen also rd. 65.000 GWh..

Dann:
Ein erheblicher Teil der Erzeugung müsste importiert werden.

Zusätzlich wissen wir: Deutschland ist ein Nettoexportland von Strom. Nun kann man Strommengen nicht einfach gegeneinander aufrechnen, aber interessant wäre schon zu wissen, wie groß der Export in den vergangenen Jahren im Mittel war. Die Antwort finden wir beim bdew, dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (deren Hauptgeschäftsführerin Müller übrigens früher Merkels Staatsministerin war.):


Quelle: bdew (Für Vergrößerung in die Grafik klicken)

Wir sehen einen deutlichen Exportsaldo von ca. 16 TWh, also 16.000 GWh (Gigawattstunden). Aber wir haben auch einen Export von ca. 54.000 GWh! Daraus folgt: Würden wir unsere Stromexporte -rein theoretisch- einstellen, würden wir -rein energiemengenmäßig- bis auf 10.000 GWh die ausgefallenen Reaktoren kompensieren.

Nächste Frage: Mit welchen Nachbarländern tauschen wir wieviel Strom aus? Das folgende Bild des UCTE (dem Verband der Hochspannungsnetzbetreiber) zeigt die Antwort im Überblick. Darunter die Im- und Exporte in Zahlen, wieder vom bdew :


Quelle: UCTE (Link)


Quelle: bdew

Wir importieren derzeit den meisten Strom aus Frankreich (13.000 GWh Atomstrom!), Tschechien (7.500 GWh) und Österreich (etwas über 5.000 GWh).

Deshalb schreibt das Atomforum in seiner Pressemitteilung auch:
Muss Deutschland während des Moratoriums Strom importieren?
Ein erheblicher Teil der fehlenden Erzeugung müsste importiert werden. Darunter wäre wiederum Strom aus Kernenergie v. a. aus Frankreich und Tschechien, von denen Deutschland bereits heute Strom importiert.

Und das klingt angesichts der Zahlen plausibel. Man würde einfach von den Nachbarländern, von denen wir schon jetzt die größten Importe haben, noch mehr Strom beziehen.

Aber: Das ist nicht unsere einzige Option! So ist etwa eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung an norwegische Wasserkraft in Planung (Projekt NORGER, WIkipedia Link). Leistung: 1.400 MW. Das entspricht einem Kernkraftwerk. Auch in Sibirien ließe sich ein gigantisches Potenzial an Wasserkraft für Europa erschließen, wenn wir nur wollten, und wenn es nicht russischen Gasexportinteressen entgegenstünde (Projekt GLOABL LINK, Prof. Povh). Die sog. Flexible AC Transmission macht den Transport großer Mengen elektrischer Energie auch über tausende Kilometer hinweg wirtschaftlich. In großen Flächenländern wird sie längst eingesetzt. Es ist in Europa nur politisch aufwendiger, sie durchzusetzen.



Doch regenerativen Energien räumt das Atomforum immer noch eine nur geringe Rolle ein:
Erneuerbare Energien tragen auf Grund ihrer witterungsabhängigen Verfügbarkeit nur in geringem Ausmaß zur gesicherten Leistung bei.

Das gilt nur adhoc. Schreibt man das Wachstum der regenerativen Stromerzeugung aber fort, und erschließt weitere große Mengen wie Norwegen und Nordsee-Offshore-Windparks und später weitere Quellen, wäre die Lücke der Sieben, und darüber hinaus, einfach zu kompensieren.

Worst Case: Erneute Explosion reisst Leck in Reaktorbehälter 2

Jetzt ist passiert, was die letzte Hoffnung nimmt: Unter Berufung auf eine Meldung von Tepco berichten verschiedene Zeitungen, u.a. NYT (Link) und FOKUS (Link) folgendes (Die Pressemeldungen der IAEO kommen leider nur stark verzögert, Link.):

Reaktor 2:
Die Befürchtung, die nach Reparatur eines Dampfablassventils und beim Fluten des Reaktors, auftrat, nämlich dass ein Leck die Ursache für den nur langsam ansteigenden Wasserpegel im Reaktor sein könnte, hat sich bewahrheitet: Die Reaktorhülle von 2 ist beschädigt. Die höchstwahrscheinlich im Gange befindliche Kernschmelze wird nun anfangen, die Umgebung mit starker Strahlung zu verseuchen.
=> Man kann sagen: Sollte es noch mal eine (Wasserstoff-) Explosion geben, die die Reaktorhülle weiter beschädigt oder zerreisst, würden Teile der Kernschmelze nach außen geschleudert, das wäre ein neues Tschernobyl.

Reaktor 4:
War bereits vor Ausbruch des Erdbebens außer Betrieb und enthält "nur" abgebrannte Brennelemente, die aber stark strahlen. Das am Morgen ausgebrochene Feuer wurde inzwischen gelöscht. Ob Reaktor 4 durch den Brand, der möglicherweise die Reaktorhülle beschädigt hat, eine der Quellen für die stark ansteigende Strahlung ist, wird noch untersucht.

Die stark ansteigende Strahlung wird auf der Anlage nun zum großen Problem, weil sie die Arbeiter stark behindert, wenn nicht die Arbeit komplett unmöglich macht. Die meisten Arbeiter und Ingenieure wurden bereits "nach Hause" geschickt. Aber auch die verbleibenden 50 werden ihre Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Wasserstände in den Reaktorbehältern wohl nicht mehr lange aufrechterhalten können.

Dann wird das Kraftwerk sich selbst überlassen. Die "Resthitze" der Brennelemente ist wohl auch vier Tage nach der Schnellabschaltung weitaus höher als gedacht. Es besteht das Risiko weiterer Wasserstoffexplosionen.

Montag, 14. März 2011

TEPCO Ingenieuren gelingt Flutung des Reaktors 2

Die NY Times berichtet (Link):

Reaktor2:
Bevor Meerwasser zur Kühlung eingeleitet werden kann, muss über die Außenventile des Reaktors aufgestauter Dampf abgelassen werden. Diese Ventile sind überhaupt das wichtigste Instrument, um die Reaktorhüllen intakt zu halten. Die Hitze der schmelzenden Kernbrennstoffe und Nachzerfallsprodukte erhöht den Druck permanent. Doch die Ventile streikten bis in die Nacht (japanischer Zeit). Kein Dampfablass, kein Kühleinlass. Das Risiko, dass die Hülle berstet, steigt. Das wäre Tschernobyl. Erst am frühen Dienstagmorgen gelang es ihnen, eines der Ventile gangbar zu machen und später Wasser einzuleiten.

Neues Problem: Der Wasserpegel im Reaktor steigt nicht so, wie es der eingeleiteten Wassermenge entsprechen würde. Das deutet im schlimmsten Fall auf ein Leck hin. Doch dafür sind angeblich die gemessenen Strahlungswerte zu niedrig.

Reaktoren 1 und 3:
Beide haben inzwischen keine Außenhülle mehr. Aber sie sind mit Meerwasser gefüllt.

Merkel: "Wenn ich das recht verstehe, gilt das sofort. Das Moratorium"

Ich könnte es mir heute Abend einfach machen: Es muss erst etwas passieren -wie schon beim Ausbruch der Finanzkrise- bevor die Konservativen Handlungsbedarf sehen. Jedenfalls bei den Themen, die ihrer Klientel unwillkommen sind.

Es war unaufrichtig, als Herr Töpfer gestern im ARD Presseclub sagte, diese Katastrophe habe sich bis "gestern niemand vorstellen können." Atomkraftgegner führen schon seit Jahrzehnten das Argument, angesichts der drohenden Schadenshöhe müsse man auch das Unwahrscheinlichste ins Kalkül ziehen. Als sie 1990 forderten, Atomkraftwerke müssten auch sicher sein vor Terroristenangriffen und Flugzeugabstürzen, ahnte noch niemand, dass wir irgendwann mal auch von der Kombination von beidem ausgehen müssten. Wer aber damals so redete, dem wurde Panikmache vorgeworfen. Auch von Klaus Töpfer, der damals Bundesumweltminister war.

Jetzt haben wir den Fall. (Wobei ich seit gestern immer noch Hoffnung habe, dass die Reaktorbehälter aller Kernschmelzreaktoren halten werden. Dann würde Japan um die weitflächige Verseuchung herumkommen.)

Und prompt reagiert die Kanzlerin, die Landtagswahlen im Nacken. Sie merkt anscheinend nicht, dass das, was sie heute vorgab zu tun, von der Mehrheit der Deutschen gefordert wird, dass sie ihre Glaubwürdigkeit damit aber auch wieder einmal ramponiert. Wer einschneidende und sehr kontroverse Gesetze einfach durchpaukt, von dem erwarte ich zumindest, dass er nach Prinzipien handelt, dass er von dem was er tut, innerlich überzeugt ist. War sie das bei diesem Auftritt im Bundestag als sie die Laufzeitverlängerungen begründete?



Merkel hat heute bewiesen, dass sie nicht nach Prinzipien handelt. Sie dreht sich wie eine Fahne nach dem Wind. Dabei vermeidet sie konkrete Aussagen und leistet Akrobatisches. Sie will für drei Monate die gesetzliche Laufzeitverlängerung aussetzen. "Und was bedeutet das Konkret? Werden dann alte Kraftwerke sofort abgeschaltet" fragte eine Journalistin (ab Minute 10:15 im offiziellen Video der Pressekonferenz, Link) in der Pressekonferenz.

Und Merkel schaute verwirrt -wie damals Günter Schabowski - und sagte so etwas wie, 'wenn ich das recht verstehe, gilt das sofort.' Was soll das sein, ein dreimonatiges Moratorium der Laufzeitverlängerungen? Merkel: Was das bedeutet, werden wir jetzt ausarbeiten.

Da darf man gespannt sein. Denn entweder heißt es, dass durchs neue Sicherheitsraster fallende Reaktoren sofort abgeschaltet werden, und die Opposition argwöhnt, dass sie nach drei Monaten -also nach den Landtagswahlen- dann wieder ans Netz gehen, die Volksnähe also nur simuliert wurde. Und was heißt es für die Kraftwerke, deren Laufzeit auch ohne Verlängerung noch nicht abgelaufen war? Für die heißt es gar nichts.

Bemerkenswert auch die Wendung: Gesetzliches sei -wie sagte sie genau?- nicht so wichtig, man werde jetzt erstmal mit den Energieversorgern reden.

Guido Westerwelle glaubt, eine neue Erkenntnis zu verbreiten, als er auf der Pressekonferenz sagt, in Japan sei der Ausfall der Kühlsysteme die entscheidende Problemursache gewesen. Und jetzt müsse man in Deutschland prüfen, ob wir auch solche Risiken in unseren Atomkraftwerken haben - auch wenn wir keine Erdbeben und Tsunamis zu befürchten haben. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis und zum Erreichen der Ballhöhe, auf der die Kritiker seit Jahrzehnten sind.

Der Frage, wie sie es unter den Hut bekomme, die Laufzeitverlängerungen auszusetzen und gleichzeitig dem Finanzminister die Brennelementesteuer in voller Höhe zu garantieren (wie dieser das fordert), beantwortete Merkel nicht und Westerwelle entlarvend: "An drei Monaten Moratorium werden die Staatsfinanzen nicht scheitern." Aha, der Weiterbetrieb danach ist also doch eingeplant?

Gestern sagte Merkel so etwas wie: "Unsere Kraftwerke sind sicher. Aber weil sie vielleicht doch nicht sicher sind, prüfen wir noch mal." Was ist das für eine verwirrte Politik?

Gestern warfen Konservative den Parteien, die schon immer die Befürchtungen der Atomkraftgegner vertreten haben, vor, sie würden die Lage "politisch missbrauchen". Und heute sind es Merkel und Westerwelle, die auf Antiatom machen. Das ist unredlich, unseriös und man sieht beiden förmlich an, wie sie schwimmen, dass sie nicht fest im Sattel sitzen. Sie wissen nicht um die Bedeutung und die Folgen von dem was sie da ankündigen. Von den unsäglichen, gestrigen Auftritten einer Birgit Homburger und der Staatssekretärin im Umweltministerium (!), Katherina Reiche will ich da noch höflich schweigen. Die haben sich gestern in ihren Rollen ebenfalls disqualifiziert. Stefan Mappus brüstete sich gestern noch im Wahlkampf, mit dem Bierglas in der Hand, es sei unanständig, "jetzt" über Atomkraft in Deutschland zu diskutieren, das gebiete der Resepekt vor den Japanern. Heute Abend sagte er, die Aktion der Kanzlerin sei richtig, man könne über die Ereignisse nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.. Das ist der Stil von Schwarz-Gelb.

Auch das Argument, wenn wir aussteigen, dann bleiben unsere Nachbarn trotzdem drin. kann vernachlässigt werden. Das spielt ja auch keine Rolle, wenn wir Deutschland wegen konservativer Paranoia zu einem Überwachungsstaat hochrüsten. Wir werden aussteigen aus Überzeugung, aus Erkenntnis. Das wird bei unseren Nachbarn etwas auslösen, wenn das überhaupt nötig ist. Merkel hat selbst gesagt, man könne jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen. Das sagen sich unsere Nachbarn auch.

Und doch: Die Meinung wird sich in wenigen Wochen wieder drehen können. Wenn nämlich die Containments aller Kernschmelzen halten und die Strahlung auf das Innere der Reaktorhüllen begrenzen, dann werden die Atomkraftwerksbetreiber verkünden können, dass der SuperGAU beherrschbar ist. Der Gang durch die Hölle könnte dann das Bewusstsein verändern. Das Unvorstellbare wäre passiert - und man hätte es überstanden. Angesichts dessen, könnten die Konservativen es also in einigen Wochen bereuen, zu früh -nur wegen naher Wahlen, nachgegeben zu haben. Aber vielleicht ist genau das Geniale an dem, was Merkel heute gesagt hat.

Sonntag, 13. März 2011

Etwas Hoffnung für Fukushima

Als die Sensorik des AKW Fukushima die Erdstöße registrierte, schaltete sie wie vorgesehen den Reaktor ab, indem sie die Einfuhr der Steuerstäbe auslöste. Das hat wie vorgesehen funktioniert. Wir haben erfahren, dass die Stärke des Erdbebens um 0.7 Punkte auf der Richterskala nach oben korrigiert wurde. Da die Richterskala logarithmisch aufgeteilt ist, war das Beben um ein Vielfaches, nicht um Prozente höher, als gedacht und als das Kraftwerk ausgelegt ist.

Wie berichtet geht der Zerfall der bereits gespaltenen Atome aber weiter und produziert die Nachzerfallswärme. Diese muss von den Wasserpumpen durch den Kreislauf gepumpt werden. Da ein abgeschaltetes Kernkraftwerk selbst keinen Strom mehr erzeugt, braucht man externe Energie für die Pumpenantriebe: Notstromdiesel. Sie waren vorhanden (das klang am Freitag erst noch anders) und funktionierten.

Zu den Nachzerfallsprodukten des Urans in den Brennstäben gehört das radioaktive Cäsium, das später in der Umgebung des Kraftwerks gefunden wurde. Innerhalb von Tagen wird dieser Nachzerfallsprozess abgeklungen sein. Solange wird Kühlung durch Wasserumwälzung benötigt.In dem Wasserbad/Dampf/Luft-Gemisch entstehen durch den "Neutronenbeschuss" der Strahlung aus den Brennstäben ebenfalls radioaktive, jedoch sehr kurzlebige, Isotope von Stickstoff und Xenon.

Die Dieselpumpen liefen solange, bis nach einer Stunde der Tsunami kam und sie außer Gefecht setzte.

An dieser Stelle müssen wir also festhalten: Nicht das Erdbeben, sondern der Tsunami hat die Ereignisse in Gang gebracht..

Die letzte Reißleine nach dem Ausfall der Diesel waren die am Freitag viel zitierten Batterien. Wir lasen, dass die nur für 2h ausgelegt waren. Deshalb rechneten alle, die die Medien verfolgten, auch ich, damit, dass nach zwei Stunden die Kernschmelze einsetzen musste, weil es keine Kühlung mehr gab.

Doch die Batterien waren nicht für zwei sondern für acht Stunden ausgelegt. Die Ingenieure bescherten (wie Stefan es so richtig sagte) den Behörden also acht Stunden, um die Bevölkerung in Sicherheit zu bringen. Und sie schenkten sich selbst acht Stunden, sich um eine Ersatzstromversorung der Pumpen zu kümmern. Auch diese konnte man beschaffen, doch man hatte keine passenden Kabel, um sie anzuschließen.

Wir halten fest: Es geht beim Durchspielen von SuperGAU-Szenarien auch um so läppische Dinge wie passende Kabel. Man kann nicht so dumm denken, wie es dann kommt. Man bemisst Reaktorhüllen, baut Wahnsinnstechniken und dann passen die Kabel für die Dieselgeneratoren nicht!

Aber auch: Die Betriebsingenieure konnten sich auf die Entwicklungsingeniere des Kraftwerks bis zu diesem Punkt mehr als geplant verlassen.

Jetzt, ohne Wasserkühlung, müssen die Ingenieure den sich aufbauenden Druck im Reaktor beobachten und handhaben. Denn die Reaktorhülle (nicht zu Verwechseln mit der Gebäudehülle) ist die letzte massive Barriere zwischen der Radioaktivität und der Außenwelt. Der Reaktor hat mehrere Außenventile, um den Druck von Zeit zu Zeit abzulassen. Wie bei einem Schnellkochtopf. Man muss das Ganze nur stabil halten, die Hitzeentwicklung klingt ja über die nächsten Stunde und Tage ab. Irgendwann wäre man dann unten. Und genau das taten die Ingenieure gestern: SIe ließen buchstäblich Dampf ab. Auch die hierfür vorgesehenen Ventile funktionierten.

Und mit dem Dampf ließ man auch die kurzlebigen radioaktiven Stoffe mit ab. Wie kurzlebig die sind, hatte ich gestern nicht präsent. Ihre Strahlung klingt aber innerhalb von Sekunden und Minuten ab.

Ich korrigiere mich und wir halten fest: Die Meldung, dass eine geringe Strahlung vor dem Kraftwerk gemessen wurde und dass diese im Tagesverlauf geringer wurde, ist plausibel!

Aber genau währenddessen explodierte etwas - zwischen Reaktor- und Gebäudehülle. Das Bild ging um die Welt und wird morgen das Titelbild des SPIEGEL schmücken. Das Bild ist falsch interpretiert. Aber es wird als 11. September der Atomenergie im Gedächtnis bleiben.

Wir wissen immer noch nicht, was und warum was explodierte. Aber es könnte sein, dass die gewissenhaften Ingenieure den Wasserdampf in den Zwischenraum zwischen Reaktor und Gebäude abließen. Eigentlich müsste es hierfür einen Extrakondensator geben. Doch weil der Wasserdampf von der Nachzerfallswärme auf zu hohe Temperaturen getrieben wurde, war er schon zu Wasserstoff und Sauerstoff wie man sagt "dissoziiert". Als er dann außerhalb mit Luft in Berührung kam, gab es wahrscheinlich eine Wasserstoffexplosion. Und die Reaktorhülle blieb intakt.

Ich interpretierte das gestern als das Nachgeben der Reaktorhülle auf die Hochdruckkernschmelze, die ebenfalls einen immensen Druck aufbaut.

Das waren zu diesem Zeitpunkt also zwei Meldungen, die ich der Regierung nicht glaubte: 1. Die draußen gemessene Radioaktivität klingt schon wieder ab. und 2. Die Reaktorhülle ist trotz der Explosion und der sichtbar beschädigten Gebäudehülle intakt.

Im Reaktor senkt sich der Druck. Aber auch der Wasserpegel. Und damit werden die Brennstäbe von oben nach unten nach und nach bloßgelegt. Und dann sinkt die Wärmeabfuhr von den Brennstäben ins Wasserbecken. Und die Temperatur der nach zerfallenden Brennstäbe steigt wieder.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ingenieure noch keinen Ersatz für die Batterien oder Notstromdiesel aufgetrieben. Und deshalb starteten sie die Aktion, den Reaktor mit Meerwasser zu kühlen.

Rangar Yogeshwar hat uns im ZDF vorhin erklärt, dass das Meerwasser nicht in direkt in den Reaktor sondern in die Zwischenhülle eingeleitet wurde. Aber warum wurde dann Borsäure mit ins Meerwasser gegeben? Bor ist ein Mittel, dass Neutronen absorbiert und Kettenreaktionen zum Erliegen bringt. Das macht nach meinem Verständnis nur Sinn, wenn man es direkt in den Reaktor gibt.

Wichtige Frage: War zu diesem Zeitpunkt eine Kernschmelze im Gange? - Vermutlich ja, das hat auch die Regierung so kommuniziert: Teilweise Kernschmelze.

Ist die Kernschmelze beherrschbar? - Wenn das Containment an seinem Boden dafür ausgelegt ist, ja. Wenn nicht? Dann kommt es darauf an, wie weit sie schon voran geschritten war, als das mit Bor versetzte Wasser eingelassen wurde.

Aber die wichtigste Voraussetzung für all das ist, dass die Reaktorhülle vollständig unversehrt ist.

Alles in allem sieht es demnach schlimm genug aus in Fukushima, aber nicht unbedingt unbeherrschbar. Ich habe wieder etwas Hoffnung.

Quellen: Wikipedia, World Nuclear News,