Als die Sensorik des AKW Fukushima die Erdstöße registrierte, schaltete sie wie vorgesehen den Reaktor ab, indem sie die Einfuhr der Steuerstäbe auslöste. Das hat wie vorgesehen funktioniert. Wir haben erfahren, dass die Stärke des Erdbebens um 0.7 Punkte auf der Richterskala nach oben korrigiert wurde. Da die Richterskala logarithmisch aufgeteilt ist, war das Beben um ein Vielfaches, nicht um Prozente höher, als gedacht und als das Kraftwerk ausgelegt ist.
Wie berichtet geht der Zerfall der bereits gespaltenen Atome aber weiter und produziert die Nachzerfallswärme. Diese muss von den Wasserpumpen durch den Kreislauf gepumpt werden. Da ein abgeschaltetes Kernkraftwerk selbst keinen Strom mehr erzeugt, braucht man externe Energie für die Pumpenantriebe: Notstromdiesel. Sie waren vorhanden (das klang am Freitag erst noch anders) und funktionierten.
Zu den Nachzerfallsprodukten des Urans in den Brennstäben gehört das radioaktive Cäsium, das später in der Umgebung des Kraftwerks gefunden wurde. Innerhalb von Tagen wird dieser Nachzerfallsprozess abgeklungen sein. Solange wird Kühlung durch Wasserumwälzung benötigt.In dem Wasserbad/Dampf/Luft-Gemisch entstehen durch den "Neutronenbeschuss" der Strahlung aus den Brennstäben ebenfalls radioaktive, jedoch sehr kurzlebige, Isotope von Stickstoff und Xenon.
Die Dieselpumpen liefen solange, bis nach einer Stunde der Tsunami kam und sie außer Gefecht setzte.
An dieser Stelle müssen wir also festhalten: Nicht das Erdbeben, sondern der Tsunami hat die Ereignisse in Gang gebracht..
Die letzte Reißleine nach dem Ausfall der Diesel waren die am Freitag viel zitierten Batterien. Wir lasen, dass die nur für 2h ausgelegt waren. Deshalb rechneten alle, die die Medien verfolgten, auch ich, damit, dass nach zwei Stunden die Kernschmelze einsetzen musste, weil es keine Kühlung mehr gab.
Doch die Batterien waren nicht für zwei sondern für acht Stunden ausgelegt. Die Ingenieure bescherten (wie Stefan es so richtig sagte) den Behörden also acht Stunden, um die Bevölkerung in Sicherheit zu bringen. Und sie schenkten sich selbst acht Stunden, sich um eine Ersatzstromversorung der Pumpen zu kümmern. Auch diese konnte man beschaffen, doch man hatte keine passenden Kabel, um sie anzuschließen.
Wir halten fest: Es geht beim Durchspielen von SuperGAU-Szenarien auch um so läppische Dinge wie passende Kabel. Man kann nicht so dumm denken, wie es dann kommt. Man bemisst Reaktorhüllen, baut Wahnsinnstechniken und dann passen die Kabel für die Dieselgeneratoren nicht!
Aber auch: Die Betriebsingenieure konnten sich auf die Entwicklungsingeniere des Kraftwerks bis zu diesem Punkt mehr als geplant verlassen.
Jetzt, ohne Wasserkühlung, müssen die Ingenieure den sich aufbauenden Druck im Reaktor beobachten und handhaben. Denn die Reaktorhülle (nicht zu Verwechseln mit der Gebäudehülle) ist die letzte massive Barriere zwischen der Radioaktivität und der Außenwelt. Der Reaktor hat mehrere Außenventile, um den Druck von Zeit zu Zeit abzulassen. Wie bei einem Schnellkochtopf. Man muss das Ganze nur stabil halten, die Hitzeentwicklung klingt ja über die nächsten Stunde und Tage ab. Irgendwann wäre man dann unten. Und genau das taten die Ingenieure gestern: SIe ließen buchstäblich Dampf ab. Auch die hierfür vorgesehenen Ventile funktionierten.
Und mit dem Dampf ließ man auch die kurzlebigen radioaktiven Stoffe mit ab. Wie kurzlebig die sind, hatte ich gestern nicht präsent. Ihre Strahlung klingt aber innerhalb von Sekunden und Minuten ab.
Ich korrigiere mich und wir halten fest: Die Meldung, dass eine geringe Strahlung vor dem Kraftwerk gemessen wurde und dass diese im Tagesverlauf geringer wurde, ist plausibel!
Aber genau währenddessen explodierte etwas - zwischen Reaktor- und Gebäudehülle. Das Bild ging um die Welt und wird morgen das Titelbild des SPIEGEL schmücken. Das Bild ist falsch interpretiert. Aber es wird als 11. September der Atomenergie im Gedächtnis bleiben.
Wir wissen immer noch nicht, was und warum was explodierte. Aber es könnte sein, dass die gewissenhaften Ingenieure den Wasserdampf in den Zwischenraum zwischen Reaktor und Gebäude abließen. Eigentlich müsste es hierfür einen Extrakondensator geben. Doch weil der Wasserdampf von der Nachzerfallswärme auf zu hohe Temperaturen getrieben wurde, war er schon zu Wasserstoff und Sauerstoff wie man sagt "dissoziiert". Als er dann außerhalb mit Luft in Berührung kam, gab es wahrscheinlich eine Wasserstoffexplosion. Und die Reaktorhülle blieb intakt.
Ich interpretierte das gestern als das Nachgeben der Reaktorhülle auf die Hochdruckkernschmelze, die ebenfalls einen immensen Druck aufbaut.
Das waren zu diesem Zeitpunkt also zwei Meldungen, die ich der Regierung nicht glaubte: 1. Die draußen gemessene Radioaktivität klingt schon wieder ab. und 2. Die Reaktorhülle ist trotz der Explosion und der sichtbar beschädigten Gebäudehülle intakt.
Im Reaktor senkt sich der Druck. Aber auch der Wasserpegel. Und damit werden die Brennstäbe von oben nach unten nach und nach bloßgelegt. Und dann sinkt die Wärmeabfuhr von den Brennstäben ins Wasserbecken. Und die Temperatur der nach zerfallenden Brennstäbe steigt wieder.
Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ingenieure noch keinen Ersatz für die Batterien oder Notstromdiesel aufgetrieben. Und deshalb starteten sie die Aktion, den Reaktor mit Meerwasser zu kühlen.
Rangar Yogeshwar hat uns im ZDF vorhin erklärt, dass das Meerwasser nicht in direkt in den Reaktor sondern in die Zwischenhülle eingeleitet wurde. Aber warum wurde dann Borsäure mit ins Meerwasser gegeben? Bor ist ein Mittel, dass Neutronen absorbiert und Kettenreaktionen zum Erliegen bringt. Das macht nach meinem Verständnis nur Sinn, wenn man es direkt in den Reaktor gibt.
Wichtige Frage: War zu diesem Zeitpunkt eine Kernschmelze im Gange? - Vermutlich ja, das hat auch die Regierung so kommuniziert: Teilweise Kernschmelze.
Ist die Kernschmelze beherrschbar? - Wenn das Containment an seinem Boden dafür ausgelegt ist, ja. Wenn nicht? Dann kommt es darauf an, wie weit sie schon voran geschritten war, als das mit Bor versetzte Wasser eingelassen wurde.
Aber die wichtigste Voraussetzung für all das ist, dass die Reaktorhülle vollständig unversehrt ist.
Alles in allem sieht es demnach schlimm genug aus in Fukushima, aber nicht unbedingt unbeherrschbar. Ich habe wieder etwas Hoffnung.
Quellen: Wikipedia,
World Nuclear News,