Mittwoch, 1. Februar 2012

Mitmachpolitik im Web 2.0: Kanzlerin übernimmt Grünes Konzept

Zwar waren die Grünen in Berlin nicht in die Regierung gekommen, und im Nachhinein muss man froh sein. Denn so wie die sich öffentlich gefetzt haben wäre diese Koalition eh nicht weit gekommen. Aber eins muss ich auch im Nachhinein wirklich loben: Die Idee mit der Ideenplattform "Da müssen wir ran".


Hier konnte jeder auf einer Berlinkarte einen wunden Punkt markieren, sagen was ihn da stört und einen Vorschlag machen. Superidee. Ich hab mitgemacht: Die blöde Ampelschaltung, also die kurze Grünphase auf dem 17. Juni vor der Tiergartenbrücke. Hier hat man morgens 15 Sekunden grün, dann 2 Minuten rot. Über 800 Unterstützer bekam ich dafür. Und nicht nur das. Eine Grüne Politikerin meldete sich bei mir und brachte die Sache auf dem Bezirksamt zur Sprache. Und nicht nur das. Vom Verkehrsdezernten bekam ich die Antwort, dass man die Sache vor Ort geprüft habe. Und dass die Ursache für die blöde Ampelschaltung die dahinter liegende Ampelkreuzung und deren Rückstau und der Grünvorrang für die Fußgänger an der S-Bahn Brücke sei. So wurde mein Problem zwar nicht abgestellt, aber ich verstand die Ursache. Und das hilft oft auch schon, den Ärger zu reduzieren.

Es wäre Schade um die gute Idee dieser Plattform gewesen, wenn sie mit den Grünen auch wieder unter gegangen wäre. Aber jetzt die Bundeskanzlerin die Idee aufgegriffen und heute ihre neue Plattform "Dialog über Deutschland" veröffentlicht. In drei Kategorien kann hier jeder Fragen stellen und Vorschläge posten. Ist zwar immer irgendwie ungerecht, wenn Ideen kopiert werden. Aber sollte man eine gute Sache lassen oder ablehnen, nur weil sie von der anderen Seite gemacht wird? Ich meine: Nein. Und hab wieder mitgemacht. Mit einem Vorschlag für das Patentwesen:

Patentdatenbank als Social Bookmarking organisieren

Wenn Sie die Idee interessant oder gut finden, unterstützen sie mich doch :-)
Beschreibung steht: Link

Sonntag, 29. Januar 2012

Siemens baute die ersten Atomkraftwerke im Iran

Man kennt das inzwischen: Die Politik, die der Westen in einem arabischen oder afrikanischen Land bekämpft, hat er vorher selbst angelegt oder unterstützt.

Das gilt auch für den Iran. Der Schah wollte früh verhindern, dass die Ölvorkommen in seinem Land einfach verheizt oder motorisiert werden. Er wollte Öl primär als Grundlage für Kunststoffe verwenden:

„Wir werden so rasch wie möglich die Atomenergie und alternative Energiequellen nutzen, um Öl für die Herstellung chemischer und petrochemischer Produkte zu reservieren. Wir sollten Öl, diese kostbare Substanz, nicht einfach als gewöhnlichen Brennstoff verwenden."
Quelle: Wikipedia

Pahlevi, der ein brutaler rückständiger Diktator war, war energiepolitisch eher weitsichtig. Er startete ein Atomprogramm. Eisenhower machte mit und schenkte der Universität Teheran 1959 sogar einen Forschungsreaktor. Vielleicht als Verkaufsförderungsmaßnahme für den Kraftwerkshersteller Westinghouse. 1967 folgte eine zweite Morgengabe für das inzwischen gegründete Teheraner Nuklearforschungsinstitut TNCR. Doch die USA sahen im Iran nicht nur einen Öllieferanten und Absatzmarkt für eigene Atomtechnik, sondern auch glasklar den Machtfaktor im Nahen Osten. Atomwaffen, die sich womöglich irgendwann gegen Israel richten könnten, sollte der Iran nicht bekommen. Offenbar hatte der Schah nämliches auch gar nicht im Sinn und unterzeichnete 1968 den Atomwaffensperrvertrag. Damit sicherte sich der Iran auch das Recht, Atomkraftwerke bauen und betreiben zu dürfen.

Der Iran hat allerdings zwei schwierige Randbedingungen für eine Stromversorgung aus Uran: Es gibt wenig Kühlwasser und obendrein Erdbebengebiete. Eine Herausforderung für die Hersteller. Am Ende wurden die real in Angriff genommenen Standorte jedoch immer weniger. Buschehr ist das einzige kommerzielle Kraftwerk das bis jetzt ans Netz gegangen ist, und zwar erst voriges Jahr.

Kein geringerer als der große Stratege Kissinger unterschrieb 1975 eine Vereinbarung mit dem Iran über eine nukleare Zusammenarbeit. Die USA sollten Atomtechnik im Wert von 6 Mrd. Dollar liefern. Da Eisenhowers Nachfolger Ford etwas auf die Bremse trat, kamen auch Siemens und französische Kraftwerkshersteller zum Zug.

Siemens begann mit dem Bau von zwei Atomkraftwerken, aber die islamische Revolution und der Krieg gegen den Irak stoppten den Bau. Khomenei erklärte Atomtechnik für "unislamisch". Vielleicht gar nicht so schlecht, denn Siemens gehörte zu denen, die in erdbebengefährdeten Gebieten bauten. Die UdSSR wurde für die Bereitstellung kraftwerksfähigen Urans unter Vertrag genommen. Es waren auch die Russen, die das Siemenskraftwerk 1995 fertigstellten. 2011 ging es ans Netz. Ein aus Sicht des Iran wichtiger Beleg dafür, dass man die Atomenergie friedlich nutzen will.

Trotzdem, oObwohl die Teheraner Universität inzwischen etliche eigene Physiker und Ingenieure in Nukleartechnik hervorgebracht hatte, baute der Iran eigene Strukturen mit fremder Hilfe auf. Das lag auch an kritischen Absolventen, die sich der Erdbeben- und anderer Gefahren bewusst wurden und sich an dem Atomprogramm nicht beteiligten.

Auch interessant: Der Iran sicherte sich afrikanische Uranressourcen. Z.B. im früheren Deutsch-Südwest-Afrika, dem heutigen Namibia. Eon, Steag und EnBW sind bis heute gemeinsam mit dem Iran zugange, namibische Uranvorkommen auszubeuten.

Alles in allem finde ich es sehr gewagt, dem Iran aggressive Atomwaffenambitionen zu unterstellen. Das ist eine Drehung der geschichtlichen Perspektive um 180 Grad, aber auch eine Wiederholung der Geschichte:. Der Westen stellt sich hier gegen eine Entwicklung auf, die er selbst vorangetrieben hat. Dazu gehört auch Deutschland. Westerwelle hat bis jetzt nichts darüber gesagt, welchen Anteil Deutschland am Atomprogramm des Iran hatte. Wenn wir jetzt dagegen sind, muss er das gut begründen, auch öffentlich. Sonst werden es wieder Blogger und Journalisten sein, die ihm das unter die Nase reiben.

Ahmadinedschad mag ein durchgeknallter Extremist sein, der sein Volk wie ein typischer Diktator unterdrückt. Wenn er das Problem ist, gehört er entmachtet. Aber es wäre falsch, einen Bombenkrieg gegen den Iran zu führen.

Wir merken uns auf der iranischen Landkarte:
In Buschehr steht das erste und einzige Atomkraftwerk, das der Iran am Netz hat.
In Isfahan betreibt der Iran eine Versuchsanlage.

Samstag, 28. Januar 2012

Importstopp gegen Iran wird zum Bumerang für Eni

Wie unüberlegt der Importstopbeschluss der EU gegen den Iran war, zeigte sich noch im Verlauf der vorigen Woche. Der Iran erkannte, dass die EU sich damit ins eigene Fleisch schneidet und den Importstopp erst zum Sommer vollständig umsetzen will. Die importierenden Länder wollen sich Zeit lassen, um Ersatzlieferanten zu finden.

Die iranische Führung dreht den Spieß jetzt um, und will am Sonntag einen sofortigen Exportstopp gegen die EU beschließen. Der Iran findet neue Abnehmer schneller als die betroffenen EU Länder neue Lieferanten.

Und ganz spezielle Probleme werden einige europäische Energiekonzerne mit Oil-Buyback Verträgen bekommen:

Italy's Eni says it is owed $1.4-1.5 billion in oil for contracts in Iran dating from 2000 and 2001 and has been assured by EU policymakers its buyback contracts will not be part of the European embargo but the prospect of Iran acting first may put that into doubt.
Quelle: Reuters Iran

Dahinter verbergen sich Vereinbarungen zwischen z.B. der italienischen Eni und dem Iran, Eni Investitionen in Ölexplorationen nicht in bar sondern in Öllieferungen zurückzuvergüten. Eni und andere Unternehmen hatten dafür gesorgt, dass diese Lieferungen nicht unter das EU Embargo fallen sollen. Doch vom Exportstopp des Iran gegen die EU könnten sie betroffen sein. Das wäre ein herber Schlag gegen eine der wichtigsten Stützen der italienischen Volkswirtschaft. Der italienische Staat ist zu 30% an Eni beteiligt. Eni machte voriges Jahr 10 Mrd. EURO Gewinn.

Dumm gelaufen.

Elektromobilität: Bundesregierung mit "Schaufensterpolitik"

"Tue Gutes und rede darüber."
Grundkonzept klassischer Public Relations

"Rede darüber."
Grundkonzept deutscher Forschungspolitik

Angela Merkel gibt gerne die Förderin von Forschung und Technik. Sie besucht eine Messe, hält eine Rede zum Leitthema und sagt, dass Deutschland hier Nummer 1 werden muss. Und dann wird das Chefthema. Wie zum Beispiel der jährliche IT-Gipfel. Es werden Fördertöpfe geschaffen für angeblich strategische Projekte. Doch oft werden diese Projekte dann nur gestartet, weil es Fördertopfe gibt. Dann wachsen Unternehmensbereiche und Forschungsabteilungen sowie Wirtschaftsförderungen um befristete Stellen. Die Beteiligten sind für eine Weile stolz, bei einem Innovationsthema mitmachen zu könnne. Hypen eine Weile ein paar neue Anglizismen und produzieren fleißig Powerpointfolien. Nicht selten überholen und vergrätzen diese Förderprojektprofis dann auch die wahren Experten, deren Rufe zum gleichen Thema jahrelang ungehört blieben. Auf den Fluren schwärmen Berater von Megatrends, Startups und von den Mächtigen, bei denen sie plötzlich Termine haben. Ist die Förderzeit um, wechseln die, die gestern noch angehende Jungunternehmer gaben, in den Regierungs- und Verwaltungsapparat. Wen man gestern noch in der brand eins platziert hat, trifft man heute morgens am Hauptbahnhof Berlin auf dem Weg nach Bonn ins Ministerium von Frau Schavan.

Aus dem Stellwerk für große Industriepolitik ist ein Jahrmarkt der Eitelkeiten geworden.

Ich hoffe, dass das bei der Elektromobilität anders läuft, bin mir aber nicht sicher. Wenn ich z.B. sehe, wie die Bundesregierung das angeht. Das sogenannte "Schaufenster der Elektromobilität" ist voller Widersprüche und so komplex, dass man sich Sorgen machen muss. Das fängt schon bei der Zielstellung an: Geht es hier um die Förderung von Forschung und Entwicklung oder um Marketingprojekte? Beides wäre legitim, aber unscharfe Ziele lösen später nur Unzufriedenheiten aus:
"Das System Elektromobilität soll für potenzielle Nutzer und die breite Öffentlichkeit in Deutschland erfahrbar gemacht werden", hob Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hervor. Die Schaufenster sollten gleichzeitig Erprobungsraum und Werkstatt sein. Sie böten die Möglichkeit, offene Frage zu beantworten, zum Beispiel zu Kundenerwartungen oder Anforderungen an die Infrastruktur.
Quelle: Bundesregierung.de

Vier Bundesministerien (Verkehr, Wirtschaft, Forschung, Umwelt) stellen über drei Jahre 180 Mio. EURO bereit. Ein Kleckerbetrag für ein Thema, das angeblich die Zukunft unserer Mobilität darstellt. Andere Industrieländer stecken hier Milliarden rein.

Die Bundesregierung weiß genau genommen nicht mal, was sie konkret fördern soll. Weil sie in ihren Ministerien keine Kapazitäten hat, die zu so etwas wie Industriepolitik fähig wären. Deshalb gestaltet sie das ganze als Wettbewerb unter den Bundesländern. Die sollen sich um die Gelder bewerben und dabei gegeneinander konkurrieren. Man kann sich vorstellen, nach welchen Kriterien die Gelder dann vergeben werden.

Doch so ein "Teile und Herrsche" macht gerade beim Thema Elektromobilität wenig Sinn. Hier wäre im Gegenteil eine Vorgabe des Bundes nach Abstimmung mit den wichtigsten Bundesländern richtig gewesen. Warum? Weil die Kompetenzen, die man für Elektromobilität braucht, fö(r)deral verteilt sind:

1. Stromversorgung: In NRW (Rot-Grün) sitzen mit Eon und RWE gleich zwei DAX-Konzerne
2. Autohersteller und Zulieferer: In Niedersachsen (Schwarz-Gelb) sitzen VW, Conti und Johnson Control. In Bayern (Schwarz-Gelb) und Baden-Württemberg (Grün-rot) Daimler, BMW, Bosch.
3. Märkte: Die Hauptmärkte für Elektroautos in Deutschland werden die Ballungsräume Berlin (Rot-Schwarz) und Ruhrgebiet (vom Bedarf und den Fahrprofilen eigentlich genau passend, es mangelt aber an Kaufkraft) sowie die kaufkräftigen Metropolen München und Frankfurt.

Es wäre Aufgabe der Politik, diese verteilten Länderkompetenzen so übereinander zu bringen, dass Deutschland seine Stärke hier voll auf die Straße bringen kann. Stattdessen aber bringt sie die Länder lieber gegenseitig in Stellung. Die Anträge werden vermutlich alle alles anbieten und jeder nur eigene Kapazitäten ins Spiel bringen.

Damit wird der "Leitmarkt" vermutlich ein Flickenteppich aus regionalen Schaufenstern werden. Auch hier wird sich irgendwann irgendetwas durchsetzen und Standards setzen. Aber es wird länger dauern. Und die Politik wird nie sagen können, sie habe hier den Anlasser gemacht. Es wartet nämlich jeder auf den anderen: Die Batteriehersteller auf die Bestellungen der Autohersteller. Die Autohersteller auf die Ladestationen der Stromversorger. Und die potenziellen Kunden auf steuerliche Kaufanreize der Bundesregierung, die das ganze ja schließlich auf die Agenda gesetzt hat.

So hat der Lithiumionenbatterie-Hersteller Johnson in einem VDI Interview neulich gesagt, er sei Teil der niedersächsichen Bewerbung beim Förderantrag. Aber das heiße nicht, dass er mit der Produktion und Entwicklung nun in die Vollen gehe. Man wachse lieber stufenweise und halte sich alles offen: Vielleicht machen in Sachen Elektromobilität ja auch die Hybridautos das Rennen. Oder es bleibt bei StartStopp als meistverkaufte Spielart. Man lege sein Batteriekonzept so an, dass man auf alles reagieren könne. Niemand wisse, was sich am Ende durchsetzen werde. "Reagieren können" heißt die Strategie: Abwarten und beobachten.

Eines sei aber schon jetzt klar, sagte der Leiter der Lithiumionen Abteilung von Johnson Controls: In Deutschland werde man nur die Pilotanlage (fürs Schaufenster) bauen. Die Massenproduktion werde aber in den USA erfolgen. Denn die USA fördern die Herstellung von Elektroautobatterien mit 1,5 Mrd. Dollar, also dem zehnfachen des Landes, das sich zum Leitmarkt ausgerufen hat.

Und außerdem gebe es in Deutschland noch ein anderes Problem: Elektroingenieure mit Batterieknowhow seien hier ausgesprochene Mangelware. Da kann man nur hoffen, dass die Einwanderungspläne von Frau Schavan und Herrn Rößler sich auf den anderen Kontinenten herumsprechen werden.

Ich habe aber alles in allem eher den Eindruck, dass die Politik hier nicht begriffen hat, um wie viel es hier gehen könnte und was es eigentlich bräuchte, um all unsere Fähigkeiten zum Nutzen des Landes auf die Straße zu bringen.

Rekordanmeldungen beim Europäischen Patentamt

Das Europäische Patentamt (EPA) berichtete am 17. Januar von einem neuen Rekord der Anmeldezahlen: 2011 gingen 243 tausend Anmeldungen ein, ein Plus von 3%.

Dabei haben sich bestehende Trends weiter fortgesetzt: Es sind inzwischen vor allem nicht-europäische Anmelder, die ihre heimischen Patente auf Europa erstrecken wollen (62%, USA, Japan, China, Korea). Ein Beleg dafür, das Europa entweder als Absatzmarkt, Entwicklungs- oder Produktionsstandort trotz der Krise für Technologieunternehmen attraktiv ist.

In der Innensicht kommen die meisten Anmeldungen aus Deutschland, Frankreich und -obacht, wer hat's erfunden?- der Schweiz.

Stark zunehmen tun Anmeldungen aus Indien, Russland und Brasil. Ein interessanter Indikator dafür, welche Schwellenländer im Begriff sind, Schwellen zu überschreiten..

Quelle: PM des EPA vom 17.01.2012 (Link)

Rekordanmeldungen beim Europäischen Patentamt

Das Europäische Patentamt (EPA) berichtete am 17. Januar von einem neuen Rekord der Anmeldezahlen: 2011 gingen 243 tausend Anmeldungen ein, ein Plus von 3%.

Dabei haben sich bestehende Trends weiter fortgesetzt: Es sind inzwischen vor allem nicht-europäische Anmelder, die ihre heimischen Patente auf Europa erstrecken wollen (62%, USA, Japan, China, Korea). Ein Beleg dafür, das Europa entweder als Absatzmarkt, Entwicklungs- oder Produktionsstandort trotz der Krise für Technologieunternehmen attraktiv ist.

In der Innensicht kommen die meisten Anmeldungen aus Deutschland, Frankreich und -obacht, wer hat's erfunden?- der Schweiz.

Stark zunehmen tun Anmeldungen aus Indien, Russland und Brasil. Ein interessanter Indikator dafür, welche Schwellenländer im Begriff sind, Schwellen zu überschreiten..

Quelle: PM des EPA vom 17.01.2012 (Link)

Donnerstag, 26. Januar 2012

Zweierlei Maß: EU Embargopolitik gegen Südafrika vs. Iran

1987 tobte in der Bundesrepublik wieder einmal die Diskussion um Wirtschaftssanktionen gegen das Apartheidsregime in Südafrika. Der SPIEGEL schrieb, Genscher und Kohl hätten in der EU dafür gesorgt, dass Europa keine Sanktionen verhängt.

Dies obwohl das Regime gegen die Menschenrechte verstieß. Doch Burensohn Franz-Josef-Strauß bezeichnete nicht das unterdrückerische Regime als Terroristen, sondern die Unterdrückten, die farbige Bevölkerung. Botha bedrohte sogar die Regierungen benachbarter Staaten und mischte sich in deren Innenpolitik ein, wenn es sein musste auch militärisch wie z.B. in -ausgerechnet- Namibia. (Quelle: SPIEGEL 47/1987 Archiv)

Kurz gesagt: Da wütete in Südafrika ein rechtsextremistischer Irrer, ein Aggressor gegen den afrikanischen Kontingent. Aber die Regierung war für Sanktionen nicht zu haben. Begründung: "Das träfe vor allem die Zivilbevölkerung."

Dabei rüsteten deutsche Unternehmen vor allem Bothas Polizei und Armee aus. Sanktionen hätten gezielt das Regime getroffen.

Ganz anders als beim Iran. Das Ölembargo wird eben nicht gezielt die Entwicklung atomtechnischer Anlagen treffen -wie Westerwelle behauptet-, sondern die Volkswirtschaft allgemein, weil die zentrale Stelle aller Zahlungsströme der öffentlichen Hand lahmgelegt werden. Das schreibt keine linke, oder israelkritische Zeitung, sondern die FTD (Link):
Die Sanktionen haben ihren Preis.
Die derzeitigen Turbulenzen im Iran sind erst der Anfang. Wenn der Regierung ein Teil der Öleinnahmen fehlt, wird es überall Einschnitte geben. Nicht nur Lehrer, Ärzte und der öffentliche Dienst werden aus der Staatskasse bezahlt. Ein großer Teil der iranischen Wirtschaft besteht aus Staatsbetrieben. Auch die Bezahlung der Angestellten dort wäre dann nicht mehr gesichert.

Die Folgen dauerhafter solcher Sanktionen sind nicht so rosig:
Auch der Irak hat jahrelange Sanktionen überlebt ohne dass das Regime eingeknickt wäre. Eine ganze Generation dort ist mangelernährt und schlecht versorgt aufgewachsen.
Die Verantwortung dafür trügen im Falle des Iran Westerwelle, Obama und Co.

Unterm Strich wird wieder mal mit zweierlei Maß gemessen: Keine Sanktionen gegen das rassistische Regime in Südafrika, selbst keine gegen sein Aufrüstungsprogramm. Aber harte Sanktionen gegen die iranische Bevölkerung.

Dienstag, 24. Januar 2012

Bleibt der Iran im Atomwaffensperrvertrag?

Gestern hat die EU ein Embargo gegen den Iran verhängt. Nicht nur soll es ab Juli einen Importstopp für iranisches Öl geben, es werden auch bestimmte echnologieexporte in den Iran untersagt. Auch werden Konten der iranischen Zentralbank auf EU-Konten eingefroren. Die EU begründete dies mit den Behinderungen, die der Iran der IAEA seit mehreren Jahren bei der Ausübung seiner Kontrollen des Atomwaffensperrvertrag bereitet.

Gleichzeitig machen sich Flugzeugträger und Kriegsschiffe aus USA und Groß Britannien auf in den Persischen Golf.

Die EU Außenbeauftragte Ashton begründete die Sanktionen, diese hätten den Zweck, den Iran zurück in die Verhandlungen zu bringen, die er seit einem Jahr unterbricht. Westerwelle sagte: „Wir können aber nicht akzeptieren, dass Iran nach der Atombombe greift“. An anderer Stelle wurde die Bundesregierung mit der Aufforderung zitiert, der Iran müsse sein "Atomprogramm stoppen".

Um es mal auf den Punkt zu bringen: Wir haben kein Recht, vom Iran solch einen allgemeinen Stopp zu fordern. Der Iran hat seit Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages das Recht, Uran zu verstromen. Zumal er eigene Uranvorkommen im Lande hat.

Das wirft nebenbei die Frage auf, wie hart die Unterbindung von Zahlungsströmen zur Finanzierung seines Atomprogramms den Iran wirklich treffen werden. Im schlechtesten Fall hat er alles was er braucht bereits im Lande und muss nur weitermachen. Mit dem Ölembargo halsen wir uns ein größeres Problem auf, als dem Iran. Denn Spanien, Griechenland und Italien müssen sich nun neue Lieferanten suchen. Die dann übrigens wissen, dass die EU selbst für eine Verknappung auf ihren Einkaufsmärkten gesorgt hat. Was zu einer Preisanhebung führen dürfte. Gestern gab es bereits einen Sprung auf Verdacht bei den Benzinpreisen. Einzige Entlastung an der Preisfront dürften der milde Winter bringen, und die Tatsache, dass das Embargo erst im Sommer vollständig greifen wird.

Die EU weigerte sich übrigens früher immer gegen ein Embargo gegen das Apartheidsregime in Südafrika mit den Worten, dieses treffe vor allem die Zivilbevölkerung eines Landes. Es kommt eben darauf an, welche und wessen Interessen man gerade befolgt.

Wenig ausrichten können übrigens die US-Flugzeugträger zur Aufklärung des iranischen Atomprogramms. Der Iran betreibt mehrere unterirdische Zentrifugen, und etliche Attrappen. Weder ist aus der Luft zu erkennen, welches die echten sind noch wird man sie mit Bombardierungen aus der Luft wirklich zerstören können. So der Stand der Erkenntnisse.

Welches Interesse könnte der Iran an eigenen Atomwaffen haben? Natürlich vor allem jenes, was Ahmadinedschad selbst immer propagiert: Die Zerstörung Israels. Das ist Grund genug, ihn unter schärfste Kontrolle zu nehmen. Aber ist das die Meinung des iranischen Volkes?

Und: Der Iran ist mit Israel, Indien und Pakistan umgeben von Atomwaffenstaaten, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben haben. Der Iran aber hat und seine Führung fühlt sich evtl. deshalb in der latenten Defensive. Vielleicht gerade wegen der großen Ölvorkommen in seinem Land.

Die EU sollte neben der Psyche der iranischen Führung auch die eigentliche Interessenslage des
Iran berücksichtigen, und die eigene.

Die größte Provokation, mit der Ahmadinedschad auf den diplomatischen Kanälen drohen könnte, wäre der Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag. Weil die UN ihn aus seiner Sicht "missbraucht" habe.

Sonntag, 22. Januar 2012

Blessings Bluffs

Inflation ist doch komplizierter, als ich als Nichtökonom bis vor kurzem dachte. Die enormen Summen, die die Zentralbanken immer wieder bereitstellen, fließen nicht direkt in den Geldkreislauf, in dem wir unsere Gehälter bekommen und für Konsum ausgeben. Unser Geldsystem basiert auf Geldkreisläufen ähnlich wie die getrennten Kühlwasserkreisläufe in einem Atomkraftwerk, in dem kontaminierter und nicht-kontaminierter Wasserkreislauf auseinander gehalten werden. Es gibt den primären Kreislauf in dem Geld zwischen Zentralbanken und den Geschäftsbanken zirkuliert. Hier dient Geld vor allem als Sicherheit und kurzfristige Überbrückung von Liquiditätsengpässen. Die Zentralbanken speisen hier dauernd ein und ziehen aber auch wieder raus. Hier kann es Inflation geben. Meist kurzfristig. Aber Inflationen außerhalb des Konsumsektors sind wir ja schon lange gewöhnt. Z.B. bei Anlagen, z.B. Aktien oder Immobilien. Diese Blasen könnte man ja auch als Inflation bezeichnen. Eine Inflation, die nicht unser heutiges Leben verteuert, sondern unser zukünftiges. Wenn wir unsere Lebensversicherungen oder Fonds kündigen um unsere Renten aufzubessern.

Die letzte Fuhre, die 500 Mrd Ende Dezember 2011, kompensierten nach meinem Verständnis das Misstrauen der Banken untereinander und die deshalb unterbrochenen Kredite zwischen den Banken. Es war aber eigentlich dazu gedacht, den Geschäftsbanken wieder die Sicherheit zu geben, die sie brauchen, um die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen (Realwirtschaft). (Und es sollte Lücken in den Refinanzierungen der Banken selbst überbrücken.)

Dieses Geld ist in der Realwirtschaft bis heute nicht angekommen. Denn die Banken legen es direkt wieder bei der EZB an und fahren so kleine Zinsgewinne ein. Und jetzt kommt's: Dieses nicht beabsichtigte Verhalten der Geschäftsbanken nutzt unsere Regierung als Argument für eine Entwarnung vor Inflation.

Was aber würde passieren, wenn die 500 Mrd dort zirkulierten, wo sie eigentlich sollen - in der Wirtschaft?

Die positiven Nachrichten der vergangenen Woche lauten:
- Die 500 Mrd der EZB haben die europäischen Geschäftsbanken vor Austrocknung bewahrt.
- Italien und Spanien konnten ablaufende Staatsanleihen durch neue ersetzen.

Heißt: Sowohl zwei Krisenstaaten als auch die sie finanzierenden Banken haben eine Hürde genommen. Immerhin. Aber mehr nicht.

In der kommenden Woche wird sich Europa wieder um Griechenland drehen. Der Poker zwischen dem Finanzminister und seinen Gläubigern um einen freiwilligen Forderungsverzicht dreht hoch. Hierzu sagte ein Insolvenzexperte im DRadio Interview, Griechenland könne einen "Haircut" nicht einseitig beschließen, sondern brauche die Zustimmung der Gläubiger. Das sei der Grund, warum Griechenland diesen nicht längst einseitig beschlossen habe.

Daraus folgt: Kreditausfallversicherungen für griechische (bzw. alle europäischen?) Anleihen machen keinen Sinn. Sie kosten, aber sie greifen nie.

Diese Versicherungen waren aber das wichtigste (Schein-)Argument der Banken, insbesondere des Commerzbankvorstandes Blessing, gegen einen freiwilligen Forderungsverzicht. Er sagte: Der freiwillige Verzicht sei der einzige von drei Wegen, bei dem die Banken leer ausgingen. Er bezeichnete diesen als "Sonderweg, den sich die Regierungen ausgedacht haben". Das ist gleich eine doppelte Irreführung: Denn erstens kann eine Forderung immer ausfallen oder ein Teilverzicht darauf Teil eines Insolvenzverfahrens werden. Dafür gibt es die Zinsen und auch die Ausfallversicherungen. Zweitens hat Blessing selbst einen Fehler begangen, wenn er eine Versicherung gegen einen Schaden gekauft hat, der nie eintreten kann.

Dieser Herr Blessing hat diese Woche noch ein Ding gedreht. Er hat im ausländischen Kreditgeschäft Kunden die Möglichkeit gegeben, Kredite zu kündigen, "um von dem attraktiven Zinsniveau an den Weltmärkten partizipieren zu können". Ein Win-Win: Langlaufende Kreditverträge auf niedrigere Zinsen umschulden, das ist attraktiv, das würden wir in Deutschland auch gerne nutzen. Dieses Privileg enthält Blessing seinen hiesigen Kunden, die zugleich als Steuerzahler seinen Hintern mehr als einmal gerettet haben, aber vor. Uns bleibt die Rolle, die durch Missmanagement leck geschlagene Commerzbank, weiterhin über die Klippen zu tragen. Warum macht Blessing das überhaupt? - Weil er so seine Forderungen reduziert, somit seinen Bedarf an Eigenkapital und somit die Hürde fürs Bestehen des Stresstestes niedriger legt.

Er hatte außerdem angekündigt, Kredite an den deutschen Mittelstand verbriefen zu und verkaufen zu wollen, um die Einnahmen dem Eigentkapital zuzufügen. Merkel und Schäuble lassen ihm das offenbar durchgehen.

Donnerstag, 19. Januar 2012

Fashion Week Party im Felix

Ein Cross-over-Abend, wie man ihn ja nur in Berlin erleben kann.. Um 19h Themenabend im Kurt-Schumacher-Haus im Wedding. Mit einem der stillen EURO Helden, Swen Schulz, der gegen Schäubles Plan eines 9er-Dunkelgremiums für die Verteilung der Rettungsmilliarden vor dem BVH geklagt hatte. Dazu morgen mehr. Denn das hier, verstehste, das ist noch wichtiger. Jedenfalls in Berlin. Die Fashion Week hat heute Mittag eröffnet.

Einladung zur Showparty im Club Felix. Schlange stehen im Regen. Drinnen stehen wir zuerst auf der Treppe, die später als Catwalk dienen wird. Alle Versuche von der Räumung der Treppe als einziger verschont zu bleiben vergeblich. Entschädigung dafür: Ein Platz am Zugang der Treppe, an dem sich die Models aufreihen. Was soll ich sagen, die Show war gut, die Stimmung auch. Nach dem Applaus für die Models sagt meine bessere Hälfte zu der irgendwie auffällig unauffällig gekleideten Frau neben ihr, welche Stücke ihr besonders gut gefallen haben. Die Frau lächelt und antwortet fast abwesend: "Ja ja.." Danach bittet sie der Bodyguard auf die Treppe. Es ist die Designerin, die sich jetzt erstmal ihren Applaus abholt.









Mittwoch, 18. Januar 2012

Zensur über das Urheberrecht geht so

In Kurzform:
Du brauchst eine Lizenz von mir, wenn Du mich zitieren willst, um mich zu kritisieren.


Wie man über Schutzrechte auf geistiges Eigentum Zensur ausüben kann, habe ich hier schon mehrmals beschrieben - und ich bin auch nicht der einzige.

Man sichert sich z.B. das Markenrecht auf seinen eigenen Namen und verbietet Kritikern dann diesen Namen in Film- oder Buchtiteln zu nennen. Aberwitzige Folge: Man braucht dann eine Lizenz, um dies tun zu können. Der Markeninhaber kann dies tun oder lassen - wie eine Zensurbehörde. Ein Beispiel hierfür ist Valentin Ceausescu, der so einen Film über seine Familie verhindern wollte.

Viel umfassender lässt sich aber das Urheberrecht für Zensur missbrauchen. Die Idee: Ich verfolge, wo mich Kritiker zitieren, um mich kritisieren zu können. Das Prinzip Rede und Gegenrede wird ausgehebelt, wenn ich jeden meiner Debattenbeiträge als schützenswertes "Werk" bezeichne. Dieses Werk kann natürlich auch die Form eines Buches oder eines Essays haben. Wenn dieses jedoch politischer Natur ist, dann sollte ich mit meinem Urheberrecht großzügig umgehen, denn politische Beiträge haben in unserer Demokratie den Zweck, erwidert zu werden. Man stelle sich vor, Sarrazin würde auf die Gegner seines Buches nur noch über seinen Urheberrechtsanwalt reagieren. Durchgezogen hat dieses Prinzip bis jetzt u.a. eine bekannte Sekte, die in ihrem Namen eine Anspielung auf Wissenschaftlichkeit führt. Sie verklagte Kritiker, die sich in ihren Beiträgen auf Bücher des Sektengründers bezogen. Woraus sofort ersichtlich wird, was man auch in der Wissenschaft mit dem Missbrauch, also der übertriebenen Ausübung des Urheberrechts machen könnte.

Aber auch das Whistleblowing würde erschwert, wenn vorgelegtes Beweismaterial als "Werk" gelten würde, dessen Verbreitung einer Lizenz bedarf, weil es z.B. durch eine Geheimhaltungsvereinbarung vor Verbreitung geschützt wurde.

Fatal an dem heiß diskutierten SOPA (Stop Online Piracy Act) Gesetzesvorhaben der USA ist, dass es sich auch gegen ausländische Webseiten richtet.

Von einem Gesetz zur Verhinderung von Raubkopien einen Bogen zur Meinungsfreiheit zu ziehen, scheint also zunächst weit hergeholt. Den Medienkonzernen, die dieses Gesetz auf den Werk gebracht haben, geht es sicher mehr um den Schutz ihrer finanziellen Interessen, als um Zensur. Dieses Gesetz wäre jedoch auf einfache Weise wandelbar in ein Instrument der Zensur, und deshalb sollte es nie in Kraft treten. Vor allem in den USA, wo die Bush-Jahre gelehrt haben, wie schnell in den USA eine Stimmung erzeugt werden kann, die Kritiker faktisch mundtot macht und sogar kritische Sender und Verlage plötzlich die Schere im Kopf walten lassen.

Der Fall SOPA ist ein weiteres Lehrbeispiel dafür, dass Netzpolitik allerhöchste Aufmerksamkeit braucht, weil es um den Schutz der Meinungsfreiheit geht.

Sonntag, 15. Januar 2012

Durchzechtes Wochenende in Gelsenkirchen

Lange vor dem Atomausstieg kam der Ausstieg aus der heimischen Steinkohle. Ich glaub nicht, dass man Reaktorkuppeln mal so verehren wird, wie Fördertürme. Und niemand wird mal in einem Reaktorbecken heiraten wollen. Heimvorteil für Schalke. Wir zechten ein Wochenende durch. Auf Ewald und Nordstern, Schloss Horst und Berge. Über allem thront der blaue Horst. Fotosafari im Geländewagen über die Schlaglöcher von Beckhausen, rauf auf den Bu(e)rschen Hügel. Dort wird klar: In Gesellenkirchen gibt es mehr Hochzeitslocations als in Las Vegas.