Sonntag, 11. Oktober 2009

UN Klimagipfel: Saudi Arabien fühlt sich schon als dritte Welt Land

Den Saudis dämmert allmählich, dass der Zeitgeist sich vom Öl abwenden will. Und irgendwann auch mal wird.

AP berichtet nun, dass Saudische Diplomaten auf dem UN Klimagipfel in Bangkok allen Ernstes finanzielle Hilfe für erdölexportiende Staaten gefordert haben - für den Fall, dass die Nachfrage nach Öl irgendwann tatsächlich massiv runter sinken sollte.

Chefcampaigner Mohammad S. Al Sabban trieb mit seiner Kalkulation, Saudi Arabien würde ab 2012 jährlich 19 Mrd US Dollar verlieren, den UN-Vertretern wohl nicht gerade die Tränen in die Augen.
"We are among the economically vulnerable countries," Al Sabban told The Associated Press on the sidelines of the talks ahead of negotiations in Copenhagen in December for a treaty to replace the Kyoto Protocol, which expires in 2012.
"This is very serious for us," he continued. "We are in the process of diversifying our economy but this will take a long time. We don't have too many resources."

Quelle: AP

Nicht zu niedertourig fahren

In Deutschland ist ein neuer Volkssport im kommen: Die Ökorallye. Auf Websiten werden Niedrigrekorde von Verbräuchen ge-"ranked".

Maßnahme Nummer eins bei der Verbrauchsminderung: Vorausschauende Fahrweise. Bei manchen gepaart mit: Punkt Höchstgeschwindigkeit fahren, als Erziehung für die nachfolgenden Fahrer. In Berlin sind das vor allem die spießigen Prenzlw**** Anfang Zwanzig. Die Zeiten ändern sich...

Maßnahme Nummer zwei: Niedertourig fahren. Neuere Automodelle haben eine Gangempfehlung. Pfeil nach oben heißt: Raufschalten.

Aber Achtung das kann man auch übertreiben. Wer zu niedertourig fährt, senkt u.U. seinen Öldruck zu sehr ab. Das kommt dann gar nicht gut im Motor, denn die Schmierung leidet dann. Gute Gangempfehlungen erkennen das und empfehlen eben "Runterschalten", wenn die Drehzahl zu niedrig ist.

Samstag, 10. Oktober 2009

Nobelpreise 2009

Manche sagen, eigentlich hätte Silvio Berlusconi dieses Jahr den Friedensnobelpreis verdient gehabt. Weil er viel für die Verständigung zwischen den Generationen UND den Geschlechtern getan hat. Aber hey, das könnte sich bald ändern, denn er ist nicht mehr immun (warum sonst bediente er sich der autosuggestiven Formel "Lang lebe Berlusconi"?)...

Ich hatte ja gedacht, zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution hätten die Bürgerinitiativen der damaligen DDR den Preis verdient. Sie hatten ihr Leben riskiert gegen die letzte Diktatur auf deutschem Boden.

Aber gut. Mit Obama kann ich natürlich auch leben. Viele sagen, der profitiere doch nur von dem Hub, den er zu seinem Vorgänger darstelle. Das sagen übrigens auch Redakteure, die den Gegnern von Bush damals Antiamerikanismus vorwarfen. Die sich unpatriotisch von Schröders Kriegsdienstverweigerung distanzierten. Die sich gemein machten, mit dem Militärisch-Industriellen-Komplex der Cheneys, Bushs, Wolfowitzes. Wäre Angela Merkel damals schon Kanzlerin gewesen, hätten wir uns die Hände schmutzig gemacht an Folter, Krieg und Lügen.

Dass der Nobelpreis für Literatur an die rumänien-deutsche Herta Müller geht, muss insbesondere Jürgen Rüttgers fuchsen. Seine Witzchen wirken jetzt leicht unpassend. Was ich an der Würdigung ihres Werkes gut finde ist die Öffentlichkeit, die damit für die Verbrechen der kommunistischen Diktaturen wieder hergestellt wird. Die Berliner und die Brandenburgische Linke musste an diesem Tag beschämt zu Boden blicken.

Und der Nobelpreis für Chemie geht wieder einmal an Biologen. Ich habe aus einem Podcast des Bayerischen Rundfunks soviel verstanden: Die Preisträger haben entdeckt, dass wir sowohl unseren Alterungsprozess als auch die Entstehung von Krebszellen dem Versagen des gleichen Korrekturmechanismus bei der Zellteilung "verdanken". Vereinfacht gesagt geht es um den Schutz der losen Enden der weitergereichten DNA. Diese wird in mehrere Abschnitte gespalten und damit die losen Enden nicht beschädigt werden, werden sie mit einer Art Verstärkungshülle geschützt. Wenn diese fehlen oder sich nicht mehr weit genug ausprägen, wird die Zellteilung fehleranfällig. (Ich habe das hier so wiedergegeben, wie ich es aus dem Radiobeitrag verstanden habe.)

Wer fehlt noch? Der Nobelpreis für Ökonomie. Der wird am Montag vergeben. Wer sollte ihn bekommen? Ich meine: In diesem Jahr sollte ihn niemand bekommen. Als Symbol dafür, dass uns die gesamte Zunft in den vergangenen Jahren an den Abgrund geführt hat. Dass sie verspielt hat. Und dass sich dies in ihrer Haltung immer noch nicht wiederspiegelt.

Freitag, 9. Oktober 2009

Coca Cola

Ich hatte in einem früheren Beitrag schon mal erwähnt, dass viele Erfindungen zunächst nur in öffentlichen Gruppen oder über einen Dienstleister nutzbar waren. Erst durch weitere Erfindungen wurden solche Produkte so preiswert, dass sie für Normalkonsumenten erschwinglich wurden.

Beispiele: Autos gab es zuerst als Busse und LWKs. Vor dem Fernsehen gab es das Kino. Vor der Kodakkamera gab es den Photographen.

Ein weiteres Beispiel ist die Getränkeindustrie.

Coca Cola wurde zuerst in Sodabars ausgeschenkt. Erst als der Kronkorken erfunden wurde, wurde es möglich, Coca Cola zu marktfähigen Preisen in Flaschen zu vertreiben.

Eine Coca Cola Flasche ist übrigens ein sehr schönes Beispiel für den erfolgreichen, strategischen Einsatz von gewerblichen Schutzrechten.

1. Das Markenzeichen von Coca Cola ist seit der Gründung unverändert. Zum Vergleich: Pepsi Cola verändert sein Zeichen ca. alle zehn bis zwanzig Jahre. Und die Marke ist bis heute geschützt. Anders als den Patentschutz kann man den Markenschutz unendlich weiter verlängern.

2. Die markante Flaschenform ist als Patentdesign (in Deutschland als Geschmacksmuster) geschützt.

3. Die Rezeptur hingegen ist nicht etwa zum Patent angemeldet worden. Denn dann wäre sie veröffentlicht worden und nach zwanzig Jahren frei geworden. In weiser Voraussicht wählten die Coca Cola Chefs das Mittel der Geheimhaltung um ihr Alleinstellungsmerkmal vor Nachahmung zu schützen. Die Legende besagt, dass der Erfinder der Rezeptur diese niemals aufgeschrieben habe und neben sich nur einen einzigen Mitwisser zuließ. Heute wird das Rezept in einem Safe der Konzernzentrale in Atlanta aufbewahrt.

Übrigens wurde -wie viele andere bekannte Konsumprodukte starker Marken- von einem Apotheker erfunden. Es war zunächst eine Arznei gegen Unwohlsein, Depression und Kopfschmerz. Sie enthielt zu Anfang Alkohol, Extrakte der Kokapflanze, der Kolanuss und Koffein. Es war das amerikanische Alkoholverbot (Prohibition), die den Alkohol aus der Brause verschwinden ließ. Coca Cola war damit das einzige alkoholfreie populäre Erfrischungsgetränk. Das verhalf ihr zum Durchbruch.

Die markante rote Farbe der Marke ist übrigens von der Farbe der Fässer inspiriert, in denen Coca Cola anfangs transportiert wurde.

Donnerstag, 8. Oktober 2009

Paice bremst Toyotas neue Hybridmodelle ein..

Der auf umwelttechnische Patente spezialisierte Greenpatentblog berichtet von Patentverletzungsvorwürfen und Klagen der US-Firma Paice gegen Toyota.

Toyota soll Hybridpatente von Paice verletzen, die Vorteile bei der Drehmomentverteilung auf die Antriebsräder bieten.

Das soll schon seit 2005 so gehen. Ein US-Gericht entschied damals, dass Toyota in der Tat einige Ansprüche von Paice Patenten verletze.

Interessant ist, dass Toyota zunächst zur Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe von 4,3 Mio US$ verurteilt wurde. Später wurde die Schadensersatzzahlung umgewandelt in Stücklizenzen in Höhe von zunächst 24 US$ pro "verletzendem Fahrzeug", später 95 US$.

Nachdem Toyota vor kurzem die Vermarktung seiner dritten Generation Hybridfahrzeuge in den USA ankündigte, beantragte Paice bei der internationalen Handelskommission ITC zu prüfen, ob auch die neuen Modelle Prius, Camry und Lexus die besagten Patente verletzen.

Der Fall zeigt, dass die Verfolgung von Patentverletzungen nun auch in der Automobilbranche zunimmt. Das war nicht immer so.

Paice bremst Toyotas neue Hybridmodelle ein..

Der auf umwelttechnische Patente spezialisierte Greenpatentblog berichtet von Patentverletzungsvorwürfen und Klagen der US-Firma Paice gegen Toyota.

Toyota soll Hybridpatente von Paice verletzen, die Vorteile bei der Drehmomentverteilung auf die Antriebsräder bieten.

Das soll schon seit 2005 so gehen. Ein US-Gericht entschied damals, dass Toyota in der Tat einige Ansprüche von Paice Patenten verletze.

Interessant ist, dass Toyota zunächst zur Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe von 4,3 Mio US$ verurteilt wurde. Später wurde die Schadensersatzzahlung umgewandelt in Stücklizenzen in Höhe von zunächst 24 US$ pro "verletzendem Fahrzeug", später 95 US$.

Nachdem Toyota vor kurzem die Vermarktung seiner dritten Generation Hybridfahrzeuge in den USA ankündigte, beantragte Paice bei der internationalen Handelskommission ITC zu prüfen, ob auch die neuen Modelle Prius, Camry und Lexus die besagten Patente verletzen.

Der Fall zeigt, dass die Verfolgung von Patentverletzungen nun auch in der Automobilbranche zunimmt. Das war nicht immer so.

Coca Cola

Ich hatte in einem früheren Beitrag schon mal erwähnt, dass viele Erfindungen zunächst nur in öffentlichen Gruppen oder über einen Dienstleister nutzbar waren. Erst durch weitere Erfindungen wurden solche Produkte so preiswert, dass sie für Normalkonsumenten erschwinglich wurden.

Beispiele: Autos gab es zuerst als Busse und LWKs. Vor dem Fernsehen gab es das Kino. Vor der Kodakkamera gab es den Photographen.

Ein weiteres Beispiel ist die Getränkeindustrie.

Coca Cola wurde zuerst in Sodabars ausgeschenkt. Erst als der Kronkorken erfunden wurde, wurde es möglich, Coca Cola zu marktfähigen Preisen in Flaschen zu vertreiben.

Eine Coca Cola Flasche ist übrigens ein sehr schönes Beispiel für den erfolgreichen, strategischen Einsatz von gewerblichen Schutzrechten.

1. Das Markenzeichen von Coca Cola ist seit der Gründung unverändert. Zum Vergleich: Pepsi Cola verändert sein Zeichen ca. alle zehn bis zwanzig Jahre. Und die Marke ist bis heute geschützt. Anders als den Patentschutz kann man den Markenschutz unendlich weiter verlängern.

2. Die markante Flaschenform ist als Patentdesign (in Deutschland als Geschmacksmuster) geschützt.

3. Die Rezeptur hingegen ist nicht etwa zum Patent angemeldet worden. Denn dann wäre sie veröffentlicht worden und nach zwanzig Jahren frei geworden. In weiser Voraussicht wählten die Coca Cola Chefs das Mittel der Geheimhaltung um ihr Alleinstellungsmerkmal vor Nachahmung zu schützen. Die Legende besagt, dass der Erfinder der Rezeptur diese niemals aufgeschrieben habe und neben sich nur einen einzigen Mitwisser zuließ. Heute wird das Rezept in einem Safe der Konzernzentrale in Atlanta aufbewahrt.

Übrigens wurde -wie viele andere bekannte Konsumprodukte starker Marken- von einem Apotheker erfunden. Es war zunächst eine Arznei gegen Unwohlsein, Depression und Kopfschmerz. Sie enthielt zu Anfang Alkohol, Extrakte der Kokapflanze, der Kolanuss und Koffein. Es war das amerikanische Alkoholverbot (Prohibition), die den Alkohol aus der Brause verschwinden ließ. Coca Cola war damit das einzige alkoholfreie populäre Erfrischungsgetränk. Das verhalf ihr zum Durchbruch.

Die markante rote Farbe der Marke ist übrigens von der Farbe der Fässer inspiriert, in denen Coca Cola anfangs transportiert wurde.

Dienstag, 6. Oktober 2009

Der Nobelpreis für Physik

(Mein früherer Kollege für kurze Zeit) Godehard Walf vom Charlottenburger Heinrich-Hertz-Institut erklärt in einem ZEIT-Interview leicht verständlich, wofür heute der Nobelpreis für Physik vergeben wurde: Die Grundlagen der optischen Übertragungstechnik:
- Die Totalreflexion in der Glasfaserleitung, die den Laserstrahl entlang der Leitung führt.
- Den optischen Sensorchip, der die Aufnahme von Digitalfotos möglich machte.
Hier der Link.

Noch ein Tip: Auf der offiziellen Website des Nobelpreiskomittees kann man das Telefongespräch mithören, in dem dem Preisträger Smith die Nachricht übermittelt wurde: Link

Samstag, 3. Oktober 2009

We might be Giants

Die Berliner haben neue Lieblinge in ihre Herzen geschlossen:



Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd

Es ist nicht einmal eine Woche her, dass sich die Hauptstadtmedien über die sinkende Wahlbeteiligung in Deutschland beklagten. Und dass sie die Wahlkampfverweigerung der CDU dafür verantwortlich machte.

Dieser nur noch aus Bildern bestehende Wahlkampf der CDU war ein neuer Tiefpunkt einer seit Jahrzehnten grassierenden Kommunikationsverweigerung von Politik, die auf Verdummung und Entmündigung setzt. Und Entpolitisierung.

Wenn dann jemand wie Thilo Sarazzin daher kommt, und mal ganz offen und analytisch über seine Beobachtungen in Berlin spricht, ist das für die gleichen Medien Anlass genug, über den Mann herzufallen. Zum Beispiel Wolfgang Reuter vom SPIEGEL. Reuter ist ein Besatzungsmitglied jenes Berliner Raumschiffes, dass sich am liebsten selbst zum Thema macht. Das sich nur für sich selbst interessiert. Das die Boulevardisierung des Politischen mit vorantreibt.

Solchen Leuten sind echte politische Diskurse zu stressig. Stattdessen schreibt Reuter lieber:
Nach Anti-Ausländer-Äußerungen ist Thilo Sarrazin in Nöten - die Bundesbank auch.
Die umstrittenen und beleidigenden Tiraden von Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin gegenüber Armen und Ausländern haben innerhalb der Notenbank eine Vorgeschichte.

Und schiebt dann eine typische Raumschiffgeschichte nach: Dass es bei der ganzen Geschichte in Wahrheit nur um einen persönlichen Streit zwischen Sarazzin und Bundesbankchef Weber ginge.

Auf die eigentlichen Thesen geht Reuter nicht ein. Geht niemand beim SPIEGEL ein.

Wer sich für den Kontext, aus dem solche Klartexte wie der von Sarazzin gerne gerissen werden, interessiert, muss lange googlen. Und wird dann fündig bei den liberalen "Extremisten" von "Eigentümlich Frei". Ich bin kein Anhänger der Denkrichtung von ef. Aber die lassen sich wenigstens den Mund nicht verbieten. Lange Zitate aus dem Interview findet man also hier.

Wer das liest, findet nichts Skandalöses mehr.

Das muss ich übrigens bei nächster Gelegenheit der Genossin Dr. Eva Hoegl sagen. Der habe ich in Berlin Mitte meine Erststimme gegeben. Und die hat nun ein Parteiausschlussverfahren gegen Sarazzin gefordert. Ein Grund dafür ist vielleicht, dass sich Eva Hoegl im Wahlkampf sehr für die Integration von Einwanderern eingesetzt hat und sie sich nun diesen loyal gegenüber verhalten will. Das finde ich verständlich und eigentlich lobenswert. Aber gegen Integrationswillige hat Sarazzin auch nichts gesagt.

Er sagt, was jeder Berliner, der sich dafür interessiert, nach einiger Zeit feststellt: Der Stadt fehlt es an Intelligenz. Der Massenmord der Nazis an den Berliner Juden hat eine Intellektuellenlücke in Berlin geschaffen, die bis heute nicht geschlossen ist. Übrigens vor allem nicht in den Parteien. Der Berliner CDU fehlt es hierzu an Substanz. Der Berliner FDP Spitze an Interesse für die durchaus vorhandene Substanz in der Partei. Der Berliner SPD, jedenfalls den politisch korrekten Senatoren, fehlt es an Standing gegenüber den Herausforderungen (siehe unten).

Natürlich wäre es von Sarazzin noch mutiger gewesen, sich genau so offen mal über seine eigene Schicht zu äußern: Über die Zersetzungskraft einer Oberschicht, die von der o.g. Intelligenzlücke zwar genauso gezeichnet ist wie die Unterschichten. Denen das aber nicht zum Nachteil gereicht, weil sie an den Schaltern und Hebeln unserer Gesellschaft und Wirtschaft sitzt. Und die unser Wirtschaftssystem vor die Wand fahren. Die uns mehr kosten, als alle Sozialmissbräuche der Nachkriegsgeschichte zusammen genommen.

Freitag, 2. Oktober 2009

Wen meint Sarrazin?

Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.
Als ich dieses Zitat in der Zeitung las, dachte ich zuerst, er sei zu seiner eigenen Zunft interviewt worden.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Magna

Die Übernahme von OPEL durch den Zulieferer Magna bietet den anderen Autoherstellern eine einmalige Gelegenheit, sich auf elegante Weise dieses Wettbewerbers zu entledigen: Man kauft nicht mehr bei Magna, und schwächt damit den Investor von OPEL.

Vorher wäre es unfein gewesen, und es sagte aus Pietätsgründen auch niemand: Das Verschwinden von OPEL wäre ein Beitrag zum Abbau der Überkapaziäten und des Fachkräftemangels in der Branche.

Natürlich ist es auch möglich, dass sich OPEL wieder erholt. weil seine Produkte wieder besser laufen. Jedenfalls halte ich das Range-Extender-Konzept von OPEL für die schlaueste Lösung im Elektroautomarkt.

Aber reicht es, um OPEL wieder gesunden zu lassen? Ich glaube nicht.

In der Wolfsburg

Als ich den langgezogenen, in den vierziger Jahren errichteten Industriebau zum ersten mal betrete, ist es wie ein Zeitsprung. Plötzlich finde ich mich in einer beunruhigenden Zeit wieder. Die Innenarchitektur ist tatsächlich so, wie man sie sich von außen vorstellt. Und sie verfehlt ihre Wirkung nicht.

Einiges ist vom Bauhaus geprägt. Diese Mischung aus Funktion und "Auto"rität wirkt auf mich aber wie von den Nazis diktiert. Neben den Eingängen sind Ornamente und arbeitssoziologische Weisheiten in die "Front" eingelassen. Die Türen sind immer noch Erstausrüstung, scheint es. Die Wände und der Boden sind hell blaugrau. Die blassgelben Fliesen im Foyer erinnern mich an das frühere Bad meiner Großeltern. Die Fenster, die man um ihre vertikale Mittelachse drehen kann, an einen Besuch im Bauhausmuseum.

Ich gehe zum Fahrstuhl, ich will nach oben. Während ich warte, höre ich Schritte näher kommen. Harte Schritte auf hartem Boden. Kommen jetzt gleich die Offiziere mit dem Chefplaner um die Ecke...? Hierarchie ist übrigens eine der Traditionen, die man hier heute noch pflegt. Sowohl in der Linienorganisation als auch in der gesellschaftlich-arbeitsteiligen Hierarchie: In diesem Gebäude arbeiten -nein: leisten- die etwas gediegenen Konzernjuristen, Absatzplaner aus dem Marketing und die "Konzernsteuerer". Die wertschöpfenden Aufsteigeringenieure aus Forschung und Entwicklung hingegen sind in der weitaus unwirtlicheren "FE" am anderen Ende des Geländes untergebracht - in Großraumbüros mit gewöhnungsbedürftigen, grau-blauen Raumteilern. Hier herrscht immer Platzmangel. In der FE summt und brummt es. In der Hauptverwaltung hingegen: konzentrierte Ruhe. Nur das benachbarte Presswerk erschüttert im Fünfsekundentakt die langen Linien der Strategen.

Mit dem Fahrstuhl oben angekommen entdeckt man die gefälligen, funktionalen Proportionen zwischen Treppenhaus, Fluren, Fenstern, Türen. Wenn ich mich darauf einlasse, wirkt diese Architektur nicht mehr autoritär, sondern durchdacht funktional. Nur weil ich weiß, dass das Bauwerk aus der Nazizeit stammt, werte ich die Architektur negativ. Das gilt sogar für Bauwerke, von denen ich früher fälschlicherweise glaubte, sie entstammten Nazihirnen, wie z.B. der Flughafen Tempelhof. Der wirkt auf mich ausgesprochen "nazihaft", ist es aber nicht. ("Die Autobahnen" hatte übrigens auch nicht Hitler planen lassen. Er hat sie nur bauen lassen, weil sie auch seinen Zwecken dienten. Geplant wurden sie von anderen vor ihm.) Hätten die Nazis diese Architektur nicht vereinnahmt und besudelt - und auch nicht unsere Sprache - dann hätten wir ein gesünderes und hilfreicheres Verhältnis zum Erbe unserer Künstler, Architekten und Ingenieure.

Das gilt meiner Meinung nach selbst für den ursprünglichen Namen des späteren VW-Käfer: "Kraft durch Freude" - das ginge auch heute als populäres Motivationskonzept durch, wenn es nicht von den Hirnen psychopathischer Verbrecher in die Welt gesetzt worden wäre. Was fehlt denn den Konzernangestellten heute mehr als "Kraft durch Freude"? Und wer übrigens hindert sie meistens daran..? "Kraft durch Freude" war eine der ersten großen deutschen Marketinglügen, in denen sich die Täter als Erlöser aufspielten.

Was ich mich beim Gang zum verabredeten Besprechungszimmer auch frage, ist: Wie sind die Herren Porsche und Co. damals ohne Powerpoint, Intranet und Beamer zurecht gekommen? Haben die ihre Pläne einfach auf Papier geschrieben, sich darüber gebeugt, diskutiert und in die Tat umgesetzt? Wie ging das damals zu in den Direktoren- und Oberingenieursrunden ("Management" hieß das ja erst später)? Wie haben damals weniger Leute mit weniger Mitteln solche Legenden wie den Käfer und Golf I geschaffen?

Liest man Kracauers "Die Angestellten" (von 1930) kommt man allerdings zu dem Schluss, dass sich in den letzten hundert Jahren im inneren Gefüge deutscher Großunternehmen eigentlich nichts verändert hat. Deshalb ist es angebracht, auch an der Architektur nichts zu ändern.