Samstag, 15. Juli 2017

Beratung?

Informatiker, Philosophen und Sprachwissenschaftler wissen: Am Anfang ist das Wort und auf dem baut alles auf. Wenn die beiden, die sich was ausdenken und aufschreiben dabei unterschiedliche Verständnisse von wichtigen Begriffen haben, dann geht es von Anfang an auseinander.

Der Worte gibt es zuhauf und man kann ganze "Strategiepapiere", Programme und Projekte darauf aufbauen. "Masterplan" ist auch so ein Wort in aller Munde - ebenso wie "Architektur". Und über "Beratung" kann man Nächte lang philosophieren. Man kann Worte auch verbieten, weil sie unangenehme Konsequenzen auslösen. Aus "Projekt" zum Beispiel folgt "Statusbericht". Da wollen dann die Leute, die eh schon immer zickig sind mit dem Budget auch noch dauernd wissen, wo man steht. Ach nee, komm. Wir machen keine "Projekte". Deshalb heißt das Bündel all unserer "Maßnahmen" auch nicht Programm, denn dann hätte man den "Statusbericht" in noch größeren Dimensionen.

Aber wozu sich mit Begriffen aufhalten, vor uns liegt der Lenkungskreis, der aber auch anders heißt. Aber vor allem wurde er schon für nächste Woche anberaumt und uns läuft ja die Zeit davon. "Prio1" haben deshalb die "Folien", auf denen wir in Bilder gießen, was wir nicht in Worten sagen wollen oder können. Ok, der Kunde ist König. Aber worum wird es in dem "Meeting" gehen?

"Was kommt auf die Agenda?"
- "Steht noch nicht fest."
"Und was wollen wir dann sagen?"
- "Steht noch nicht fest. Aber ihr müsst jetzt anfangen, sonst läuft uns die Zeit davon."

Wenn man Dinge nicht nach dem benennen darf was sie sind, wird nicht nur jede Form von Kommunikation schwierig, sondern auch die Sache selbst, über die zu kommunizieren ist. Strukturmenschen bekommen da Zustände. Und Informatiker, Projektmanager, Philosophen sind Strukturmenschen.

Seitdem ich Product Owner war, weiß ich wie wichtig Kommunikation ist. Noch wichtiger aber ist die Sache. Und die Sache ist nicht das Projekt, sondern die Anwendungssoftware, die am Ende dabei herauskommen und Anwender und deren Leitende glücklich machen soll.

Ich bekomme deshalb eine innere Unruhe, wenn es nicht vorwärts geht und wenn allmählich das was eigentlich Planung, Spezifikation und Klärung sein sollten nur noch Selbstzweck bzw. Agendapunkte auf Folien werden, über die man vor allem sagt, dass man sie demnächst in Angriff nehmen werde. Wenn die Folie zur Sache werden, dann werde ich unruhig.

Und in diesen "Meetings" wird nichts geklärt. Vielmehr dienen sie als Bühne, in denen man sich voneinander abgrenzt, dann gemeinsam feststellt, wie sehr einen die strategische Bedeutung des Vorhabens auflädt um einander dann zu vergewissern, dass die aus dem Arbeitsfeld herangetragenen Entscheidungspunkte nur von "der Mannschaft" selbst beantwortet werden kann. Und um ganz sicher zu gehen und nicht wieder Unruhe auf den Gängen auszulösen, schreibt man am besten kein Protokoll. Ach komm, nee, dann geht das ja wieder los. Es ist doch alles gesagt und wir sind froh darüber.

Schickt man in so ein Szenario junge Berater, Berufsanfänger gar, kriegen die den Eindruck, dass Folienschlachten der Sinn des Berufslebens sind. Es werden Abendseminare angesetzt, um zu lernen wie man Powerpointfunktionen ausreizt, um "effizient" und "ansprechend" das Unaussprechliche zu "Kommunizieren".

Das ist ein El Dorado für Leute, die auch sonst sehr "achtsam" sind bei ihrer "gewaltfreien Kommunikation".  Wenn man alles abholen muss, das kommt als erstes. Und was man alles eskalieren muss, weil "wir wissen doch gar nicht", das steht dann immer ganz hinten. Über die Monate entsteht dann so etwas wie Subkultur. Die Jüngeren lernen, -bzw. haben längst verinnerlicht- sich technisch korrekt auszudrücken. Die Älteren reaktivieren ihren Sarkasmus, abends, nach Feierabend. Wenn man mal wieder aussprechen muss, was man den ganzen Tag nicht sagen darf.

Beratung lebt davon, dass Dinge zunächst unklar sind. Manche Beratung lebt davon, sie nie zu klären sondern immer auf dem Weg dorthin zu halten. Dabei werden auch große Dinge recht einfach (zumindest ihrer Struktur nach), wenn man sie sich klar macht. Aber dafür müssen sich auch die entscheidenden Akteure um einen herum über sich und ihre Sache im Klaren sein.

Mir ist eigentlich schon unklar, warum es große Strategieaufträge für Berater überhaupt gibt. Wie kann ich eigentlich Verantwortlicher für etwas werden, wenn ich keine Strategie habe? Wenn mir andere erst mal klar machen müssen, wovon der anvertraute Bereich handelt und was sein Beitrag zum Ganzen sein soll? Ok, ich räume ein, einen guten Sparringspartner kann man immer gebrauchen. Einen, der den eigenen Laden schon länger kennt, und dem man vertraut. Auch mal neue Köpfe, die Impulse geben. Ich würde mir Strategieberater holen, um die Sache mal aus einer anderen Perspektive berichtet zu bekommen. Aber ich würde die Zügel in der Hand halten und es nicht ausarten lassen.

Stattdessen gibt es zu viele Leute, die sich als "Strategen" bezeichnen, weil ihnen "operativ" zu profan wäre. Man ist Stratege wenn man mit Folien sein Geld verdient und sie auf wichtigen Gipfeltreffen vorstellt- glauben sie. Um von der eigenen Ahnungslosigkeit abzulenken, ziehen sie alles was der entschlossene Akteur jetzt angehen könnte, an sich und verweisen es in den Kreis der Unentschlossenen. Eine aberwitzige Szenerie.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen