Donnerstag, 30. November 2023

Die hausgemachte Krise der Automobilindustrie

In der deutschen Automobilindustrie wiederholt sich das Drama, das es vor ca. zehn Jahren schon einmal gab: Regierung und NGOs sagen dem Vorstand wo es lang geht. Der spielt untertänigst mit - und kriegt es dann nicht hin.

Nachdem sie bereits begonnen haben, Entwicklungs- und Produktionskapazitäten für Verbrennungsmotoren abzubauen, merken sie, dass die Kundschaft den von der Regierung verordneten Elektromotor gar nicht will. Und schon gar nicht zu diesen Preisen, Lieferzeiten und mit stockendem Ausbau von Ladestationen. Und natürlich akzeptiert auch niemand schlechte Bedienkonzepte für fehlerhafte Software im Auto.

Aber es liegt nicht nur am schlechten Zusammenspiel von Regierung und Vorstand. Auch die Aufsichtsräte verstehen das Geschäft nicht mehr. Wolfgang Porsche ist bei den Anteilseignern von VW/Porsche der Letzte seiner Art. Der Rest der Familien Porsche und Piëch interessiert sich nicht mehr für Autos. Und Wolfgang Porsche vollzieht nicht selbst die "Transformation", die er seinen Kunden verordnen will - bzw. muss: Wie er im Podcast "Alte Schule" von Karsten Arndt zu Protokoll gab, ist ein Panamera Hybrid für ihn das höchste der Gefühle an Elektrifizierung. 

Herbert Diess brach dem Konzern das Genick, als er das über Jahrzehnte erarbeitete Vermögen, das materielle und immaterielle, einfach über Bord warf. Nur um sich Stammplätze in Talkshows und Podcasts zu sichern. Kurz bevor das Porzellan zu Boden knallte erkannte der Aufsichtsrat, was Diess angerichtet hatte und zog die Reißleine. Die Folgen seines Missmanagements muss Diess nicht mehr selbst ausbaden. Er zog weiter, zurück in seine Heimatstadt München und fuhrwerkt jetzt -.unter dem Applaus seiner LinkedIn und Instagram Fans- bei Infineon herum. Diess verkauft den Hersteller von Leistungselektronik Halbleitern jetzt als Planetenretter. Infineon machte er zum einzigen Halbleiterhersteller, der nicht vom Chipboom profitiert, weil der auf einen Markt gesetzt hat, der jetzt nicht funktioniert: Elektroautos.

In Wolfsburg kennt man solche fundamentalen Krisen. Aber was diesmal wirklich anders ist, ist die geradezu beängstigende Stille. Von den Verhandlungen zwischen Konzernvorstand und Betriebsrat dringt absolut nichts nach außen. Das ist neu. Früher stachen beide Seiten immer schon zwischendurch Details an die Presse durch. Mal um früh genug Protest zu organisieren, mal nur um einen Versuchsballon zu starten, wie ein Kompromiss ankäme. Dieses Jahr soll alles auf der Betriebsversammlung am 6. Dezember verkündet werden.

Dabei läuft der Personalabbau längst. Etliche Spezialisten und Manager der MQB-Ära gehen gerade in den Ruhestand. Kaum ein Monat in dem sich ein oder eine Altbekannte in den (Vor-) Ruhestand verabschiedet und noch mal auf alte Zeiten zurückblickt.

Das größte Risiko geht von der Managementebene aus, die nach oben will aber wenig Ahnung hat. Weder von der neuen Technik selbst, noch von den heutigen Entwicklungsmethoden.

Es gibt Vorstände, die entscheiden einen Beratervorschlag über eine komplett neue IT-Anwendungslandschaft während sie ihre Reisetasche durch den Scanner am Flughafen durchschieben. Ohne Rücksprachen mit den Anwendern selbst - noch den Architekten des IT-Bereichs. 
"Einfach machen" lautet ihre Devise. Solche Manager haben vor einigen Jahren völlig fachfremde, aber gut "mit Leuten" könnende Ehrgeizige zu "Transformationsbotschaftern" gemacht, die fröhlich von Standort zu Standort reisen, einen Fotografen dabei haben - und Managerworkshops nach ihrem großen Vorbild TED abhalten. Dann fahren sie wieder nach Hause und schreiben ihren LinkedIn Post und suchen passende Fotos dafür raus. Die beworkshoppten Führungskräfte trauen sich nie, kritische Fragen zu stellen - sondern wollen dazu gehören. Mit aufs Foto. (Gerne redet auf solchen Veranstaltungen dann auch noch jemand vom Netzwerk "Women in Leadership" oder "Women in Tech" - doch ja, die Frau von heute "techt". Das heißt aber nicht, dass sie selbst Software entwickelt. Sondern anderen Frauen erzählt, wie wichtig es heute ist, das zu können. Und sich einen Schubs zu geben, auch mit einem Bachelor in Politikwissenschaften "einfach mal" Product Owner zu werden. "Einfach machen"...)

Ich kenne etliche, die sich das nicht mehr antun wollen. Neben den bereits genannten auch viele gute Leute im besten Alter. Einige von ihnen haben schon mehrere Stationen in Deutschland durch - es läuft überall ähnlich. Und einige von denen wandern jetzt aus. Wer z. B. einmal in Schweden gearbeitet hat, fragt sich, warum er sich in Deutschland weiter zum Affen machen soll.

Es ist nicht die Regierung, die unser Land mutwillig de-industrialisiert. Uns alle auf ihr niedriges Niveau herunter zieht. Es sind auch die ungezählten, ambitionierten Mitläufer die die Substanz schleifen. 

Aber die Problemkette startet bei Anteilseignern, die sich nicht mehr für ihr Unternehmen und ihre Produkte begeistern, weil sie es sich haben ausreden lassen. Von einer Lobby, die genau so reich ist wie sie - aber schlauer und schneller. 

Und die Gewerkschaften interessieren sich auch nicht mehr für die Industrie. Sowohl DGB als auch IG Metall werden jetzt von Frauen geführt, die noch nie eine Fabrik von innen gesehen haben. Und die sich für Industrie und Arbeit überhaupt nicht interessieren. Die letzten Botschaften von Christiane Benner (IG Metall) und Yasmin Fahimi lauteten: "Die AfD ist unser größtes Problem" und "Tarifflucht kostet Steuereinnahmen". Begriffe wie Arbeiter und Angestellte kamen in diesen Parolen schon nicht mehr vor.

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