Handelsblatt Online, Sven Regener und Dieter Gorny echauffieren sich seit Tagen gegen einen eingebildeten Gegner, der ihnen ihre Eigentumsrechte streitig machen soll. Dahinter steckt: ein finanzielles Interesse.
Innovationen wecken immer Begehrlichkeiten. Das ist normal. Aber jedes mal entstehen auch absonderliche Denkfiguren, die einige Jahrzehnte später nur noch lächerlich wirken. Nachlesen kann man sie bei Lawrence Lessig.
Beispiele:
Als die Gebrüder Wright, nach etlichen vorherigen Fehlschlägen anderer, endlich die Fliegerei sicher machten und damit popularisierten, kamen einige Großgrundbesitzer auf die Idee, Lizenzeinnahmen mit Überflugrechten generieren zu wollen. Begründung: Sie leiteten aus dem Besitz ihrer Flächen zusätzlich den Besitz der darüber befindlichen Luftsäulen ab. Das sei immer klar gewesen, so argumentierten sie ernsthaft vor Gericht. Durch kamen sie damit Gott sei Dank nicht.
Und weiter: Als ein Gewisser Kodak den Papierfilm erfand, waren Fotofreunde nicht mehr die Dienste professioneller Fotogafen angewiesen die die Daguerreplattentechnik beherrschten. Und als dann immer mehr Menschen mit ihren Kodakkameras durch die Straßen liefen, darunter immer mehr Touristen, kamen etliche Stadtväter gleichzeitig auf die Idee, für das Fotografieren gewisser Sehenswürdigkeiten, Lizenzeinnahmen generieren zu können. Indem sie die Rechte am Fotomotiv reklamierten. Durch kamen sie damit nicht.
Und heute? Als ein gewisser Steve Jobs, nach etlichen Fehlschlägen von Dieter Gorny, der Deutschen Telekom und anderen, die digitale Musik popularisierte, in dem er funktionierende Wertschöpfungsketten aus iPod und iTunes erfand, kamen die Gornys auf die Idee, doch noch Geld verdienen zu können. Indem sie Lizenzansprüche auf die Privatkopie erfanden. War es früher selbstverständlich, selbst entscheiden zu können, ob man die gekauften Single oder LP nur auf dem Plattenteller oder auch im Cassettenradio im Auto oder dem Walkman hören wollte, sollte hierfür jetzt jedes mal neu gezahlt werden. Einzig und allein aus dem Grund, dass es MÖGLICH wurde, das technisch zu kontrollieren.
Ich hoffe, dass sie damit nicht durchkommen.
Donnerstag, 19. April 2012
Robotcars kreuzen effizient - ohne Ampeln
Ampeln ohne Kontaktschaltung gehören zu den dümmsten und nervigsten Verkehrsregeleinrichtungen unserer Zeit. Entwickler träumen von Fahrzeug-zu-Ampel-Kommunikation, bei der die Ampel den Autos mitteilt, wann sie auf Rot springt. So kann jedes Auto ausrechnen, ob es die Grünphase noch schafft. Das wäre ein Fortschritt, aber mit aufwendigen Mitteln errungen.
Das folgende Video der Universität Texas in Austin zeigt eine Lösung, bei der die Sensorik und Rechenleistung der neuesten Fahrzeuggenerationen ("Robotcars") voll ausgereiztz wird: Es gibt keine Ampeln mehr. Jedes Fahrzeug rechnet individuell aus, wie es die Kreuzung ohne Kollisionen passiert. Ein Problem unterschlägt das Video allerdings: Wenn zwei Fahrzeuge gegeneinander regeln, kann da nur Mist rauskommen.
Untitled from Amanda Erickson on Vimeo.
Das folgende Video der Universität Texas in Austin zeigt eine Lösung, bei der die Sensorik und Rechenleistung der neuesten Fahrzeuggenerationen ("Robotcars") voll ausgereiztz wird: Es gibt keine Ampeln mehr. Jedes Fahrzeug rechnet individuell aus, wie es die Kreuzung ohne Kollisionen passiert. Ein Problem unterschlägt das Video allerdings: Wenn zwei Fahrzeuge gegeneinander regeln, kann da nur Mist rauskommen.
Untitled from Amanda Erickson on Vimeo.
Mittwoch, 18. April 2012
Was Manager aus dem Fall Gottschalk lernen sollten
Thomas Gottschalk selbst mag sich ärgern. Allen anderen dient er als Beleg für eine alte, aber selten beherzigte Weisheit der Talenteforschung: Es gibt für jeden Job eine beste Besetzung. Aber niemand kann alles gleich gut. Die Amerikaner nennen dieses Prinzip "Best person for the job".
Es besagt, dass Hocheleistung nur erbringen kann, wer da eingesetzt ist, wo er seine Talente voll einbringen und trainieren kann. Nur so macht es überhaupt Sinn, von "Talent" zu reden. Talent für was, muss man fragen. Es gibt keinen Top-Irgendwas, der per so top ist. Sondern nur, wenn die Aufgabe passt.
Gottschalk war ideal für Wetten dass.., aber nicht für die tägliche Vorabendquasselstunde. Auch von Anke Engelke wissen wir, dass sie was drauf hat - aber nicht in jedem Format. Das gilt auch für Harald Schmidt.
Und das gilt für uns alle. Auch in der Industrie und für ihre Berater gilt: Nehme die beste Person für den vakanten Job. Nimm nicht den, der gerade Zeit hat. Doch genau das ist inzwischen Usus in der Industrie, die Wolfgang Clement erfunden hat: Der Leiharbeit. Die gibt es -wenn wir ehrlich sind- ja auch für Akademiker. Man nennt sie hier nur anders, nämlich: Beratung. Oder Dienstleistung. Und hier machen die Leute alle naselang was anderes. Doch nur selten das, was sie am besten können. Der Leiharbeitgeber nennt das "Abwechslung". Er entwickelt seine Leute nicht, sondern utilisiert sie. In Stunden pro Jahr.
Aber nehmen wir den günstigen Fall: Jemand wird für das eingesetzt, was er am besten kann. Für Jahre. Als Festangesteller, nich Leiharbeiter. Was wird passieren? Er wird befördert. Nach dem Peter-Prinzip. Dieses herrliche Buch schenkte mir vor mehr als zehn Jahren ein lieber Kollege, als ich in die Beratung wechselte. Darin steht: Jeder wird solange befördert, bis er die höchst Stufe seiner Inkompetenz erreicht hat. Streng genommen müsste da also den Zustand der meisten Unternehmen beschreiben...
Muss das so sein? Um zu zeigen wie dämlich dieses Prinzip ist: Würde ein Verlag seinen Bestseller-Autor zu einem Verlagsmanager befördern? Ein Fussballverein seinen Stürmer zum Präsidenten? Eine Gallerie ihren besten Künstler zum Galleristen? Eine Plattenfirma Mark Knopfler zum Vertriebschef?
Sehen Sie.
Es besagt, dass Hocheleistung nur erbringen kann, wer da eingesetzt ist, wo er seine Talente voll einbringen und trainieren kann. Nur so macht es überhaupt Sinn, von "Talent" zu reden. Talent für was, muss man fragen. Es gibt keinen Top-Irgendwas, der per so top ist. Sondern nur, wenn die Aufgabe passt.
Gottschalk war ideal für Wetten dass.., aber nicht für die tägliche Vorabendquasselstunde. Auch von Anke Engelke wissen wir, dass sie was drauf hat - aber nicht in jedem Format. Das gilt auch für Harald Schmidt.
Und das gilt für uns alle. Auch in der Industrie und für ihre Berater gilt: Nehme die beste Person für den vakanten Job. Nimm nicht den, der gerade Zeit hat. Doch genau das ist inzwischen Usus in der Industrie, die Wolfgang Clement erfunden hat: Der Leiharbeit. Die gibt es -wenn wir ehrlich sind- ja auch für Akademiker. Man nennt sie hier nur anders, nämlich: Beratung. Oder Dienstleistung. Und hier machen die Leute alle naselang was anderes. Doch nur selten das, was sie am besten können. Der Leiharbeitgeber nennt das "Abwechslung". Er entwickelt seine Leute nicht, sondern utilisiert sie. In Stunden pro Jahr.
Aber nehmen wir den günstigen Fall: Jemand wird für das eingesetzt, was er am besten kann. Für Jahre. Als Festangesteller, nich Leiharbeiter. Was wird passieren? Er wird befördert. Nach dem Peter-Prinzip. Dieses herrliche Buch schenkte mir vor mehr als zehn Jahren ein lieber Kollege, als ich in die Beratung wechselte. Darin steht: Jeder wird solange befördert, bis er die höchst Stufe seiner Inkompetenz erreicht hat. Streng genommen müsste da also den Zustand der meisten Unternehmen beschreiben...
Muss das so sein? Um zu zeigen wie dämlich dieses Prinzip ist: Würde ein Verlag seinen Bestseller-Autor zu einem Verlagsmanager befördern? Ein Fussballverein seinen Stürmer zum Präsidenten? Eine Gallerie ihren besten Künstler zum Galleristen? Eine Plattenfirma Mark Knopfler zum Vertriebschef?
Sehen Sie.
Robotcars kreuzen effizient - ohne Ampeln
Ampeln ohne Kontaktschaltung gehören zu den dümmsten und nervigsten Verkehrsregeleinrichtungen unserer Zeit. Entwickler träumen von Fahrzeug-zu-Ampel-Kommunikation, bei der die Ampel den Autos mitteilt, wann sie auf Rot springt. So kann jedes Auto ausrechnen, ob es die Grünphase noch schafft. Das wäre ein Fortschritt, aber mit aufwendigen Mitteln errungen.
Das folgende Video der Universität Texas in Austin zeigt eine Lösung, bei der die Sensorik und Rechenleistung der neuesten Fahrzeuggenerationen ("Robotcars") voll ausgereiztz wird: Es gibt keine Ampeln mehr. Jedes Fahrzeug rechnet individuell aus, wie es die Kreuzung ohne Kollisionen passiert. Ein Problem unterschlägt das Video allerdings: Wenn zwei Fahrzeuge gegeneinander regeln, kann da nur Mist rauskommen.
Das folgende Video der Universität Texas in Austin zeigt eine Lösung, bei der die Sensorik und Rechenleistung der neuesten Fahrzeuggenerationen ("Robotcars") voll ausgereiztz wird: Es gibt keine Ampeln mehr. Jedes Fahrzeug rechnet individuell aus, wie es die Kreuzung ohne Kollisionen passiert. Ein Problem unterschlägt das Video allerdings: Wenn zwei Fahrzeuge gegeneinander regeln, kann da nur Mist rauskommen.
Untitled from Amanda Erickson on Vimeo.
Dienstag, 10. April 2012
Traummargen: Wissenschaftsverlage verwerten öffentliches geistiges Eigentum
Sollten die Erkenntnisse und Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung kostenlos zugänglich sein? Das meint die Open Access Bewegung schon lange. Sie stört sich an den dramatisch gestiegenen Kosten für Fachbücher und -magazine. Deren Inhalte erarbeiten Professoren und Doktoranden, sie sind also -überwiegend- öffentlich finanziert. Privat finanziert sind die Forschungen und Entwicklungen, die anschließend der Geheimhaltung oder Exklusivlizenzierung unterliegen.
Schon als das Hochschullehrerprivileg fiel, das Hochschullehrern bis dahin ihre Patente auf eigene Faust vermarkten ließ, war die Industrie irritiert: Wieso denn nochmal für das Nutzungsrecht von etwas zahlen, dessen Entwicklung sie bereits vorfinanziert hatte? Die Antwort war: Weil die Hochschule die Rahmenbedingungen und die Vorleistungen bereits finanziert hatte. Und weil Exklusivität extra kostet. Bei Patenten gilt allerdings, und zwar im Gegensatz zu sonstigem wissenschaftlichem "Content": Die darf jeder lesen, und zwar gratis. Und zwar in den kostenlosen Online Patentdatenbanken.
Bei den Fachbüchern liegt der Fall so: Weil sich der Markt für Fachbuchanbieter heute auf nur noch wenige Große (Elsevier, Sptinger, Wiley) konzentriert hat, sind die Preise entsprechend gestiegen. Meistens geht es bei 50 EUR erst los, 100 EUR zu überbieten ist keine Kunst. Fachmagazinabos kosten erheblich mehr.
Der Hochschullehrer wirkt hier als Autor und fasst in Worte, was öffentlich finanziert wurde. Gut so. Wir wünschen uns solche Verbreitungen von Wissen (Übrigens auch von den Geisteswissenschaftlern). Der Prof schreibt, der Verlag bringt es in Form, produziert und vertreibt. Arbeitsteilung.
Bei Fachmagazinen kommt noch etwas hinzu: Die Reviews, also die Redaktion, die Auswahl, machen ebenso die Wissenschaftler. Sie besorgen dem Verlag, bzw. dem Magazin die Reputation. Wer es in die hoch angesehenen Magazine schafft, hat es geschafft. Aber wieso dafür diejenigen noch mal zahlen lassen, die die Arbeit damit hatten?
Die Hochschulen, und mit ihnen manche Hochschulprofs, beginnen sich zu wehren. Die Universitätsbibliotheken ächzen unter den steigenden Beschaffungskosten für Werke, die sie, als Hochschule, selbst finanziert haben. In UK sind das 200 Mio Pfund p.a., 10% des Forschungsetat. Die Fachbuch- und -magazinverlage machen eine Marge von 35%, schreibt der Guardian.
In Cambridge ist im Januar der Mathematiker Tim Gowers voran gegangen, als er einen Blogbeitrag über Elsevier postete (Link), in dem er sich über deren Bundleangebote beklagte. Elsevier bietet seine Magazine nur noch als Bundleabo an, nicht mehr als Einzelthemen. Elsevier unterstützte bis dahin auch Proteste gegen die Open Access Bewegung und die Befürworter von SOPA, PIPA usw.
Ein Leser seines Blogs griff das Thema sofort auf und rief eine Unterschriftensammlung namens "The cost of knowledge" ins Leben, die sich gegen das Verhalten von Elsevier richtet (Link). Daraufhin ließ Elsevier seine Unterstützung von Openacess Gegnern fallen.
Quelle: The Guardian
Was "lernt" uns das?
1. Es wird Zeit, dieses Verlagsoligopol, das sich von Autoren und Lesern bezahlen und Autoren und Reviewern die Arbeit machen lässt, aufzubrechen. Man kann sie vermutlich sogar ersetzen durch Funktionen, die das Web 2.0 anbietet.
2. Die Verwertung öffentlicher Werke zugunsten privater Gewinne ist das unternehmerische Pendant zur unterstellten Raubkopie des Privatkonsumenten. Wo bleibt der Aufschrei z.B. des Handelsblatts?
3. Elsevier und Co. sollten vorsichtig sein. Wenn sie von ihren hohen Rössern nicht herunterkommen könnte es ihnen ergehen wie der Enzyklopedia Britannica.
Schon als das Hochschullehrerprivileg fiel, das Hochschullehrern bis dahin ihre Patente auf eigene Faust vermarkten ließ, war die Industrie irritiert: Wieso denn nochmal für das Nutzungsrecht von etwas zahlen, dessen Entwicklung sie bereits vorfinanziert hatte? Die Antwort war: Weil die Hochschule die Rahmenbedingungen und die Vorleistungen bereits finanziert hatte. Und weil Exklusivität extra kostet. Bei Patenten gilt allerdings, und zwar im Gegensatz zu sonstigem wissenschaftlichem "Content": Die darf jeder lesen, und zwar gratis. Und zwar in den kostenlosen Online Patentdatenbanken.
Bei den Fachbüchern liegt der Fall so: Weil sich der Markt für Fachbuchanbieter heute auf nur noch wenige Große (Elsevier, Sptinger, Wiley) konzentriert hat, sind die Preise entsprechend gestiegen. Meistens geht es bei 50 EUR erst los, 100 EUR zu überbieten ist keine Kunst. Fachmagazinabos kosten erheblich mehr.
Der Hochschullehrer wirkt hier als Autor und fasst in Worte, was öffentlich finanziert wurde. Gut so. Wir wünschen uns solche Verbreitungen von Wissen (Übrigens auch von den Geisteswissenschaftlern). Der Prof schreibt, der Verlag bringt es in Form, produziert und vertreibt. Arbeitsteilung.
Bei Fachmagazinen kommt noch etwas hinzu: Die Reviews, also die Redaktion, die Auswahl, machen ebenso die Wissenschaftler. Sie besorgen dem Verlag, bzw. dem Magazin die Reputation. Wer es in die hoch angesehenen Magazine schafft, hat es geschafft. Aber wieso dafür diejenigen noch mal zahlen lassen, die die Arbeit damit hatten?
Die Hochschulen, und mit ihnen manche Hochschulprofs, beginnen sich zu wehren. Die Universitätsbibliotheken ächzen unter den steigenden Beschaffungskosten für Werke, die sie, als Hochschule, selbst finanziert haben. In UK sind das 200 Mio Pfund p.a., 10% des Forschungsetat. Die Fachbuch- und -magazinverlage machen eine Marge von 35%, schreibt der Guardian.
In Cambridge ist im Januar der Mathematiker Tim Gowers voran gegangen, als er einen Blogbeitrag über Elsevier postete (Link), in dem er sich über deren Bundleangebote beklagte. Elsevier bietet seine Magazine nur noch als Bundleabo an, nicht mehr als Einzelthemen. Elsevier unterstützte bis dahin auch Proteste gegen die Open Access Bewegung und die Befürworter von SOPA, PIPA usw.
Ein Leser seines Blogs griff das Thema sofort auf und rief eine Unterschriftensammlung namens "The cost of knowledge" ins Leben, die sich gegen das Verhalten von Elsevier richtet (Link). Daraufhin ließ Elsevier seine Unterstützung von Openacess Gegnern fallen.
Quelle: The Guardian
Was "lernt" uns das?
1. Es wird Zeit, dieses Verlagsoligopol, das sich von Autoren und Lesern bezahlen und Autoren und Reviewern die Arbeit machen lässt, aufzubrechen. Man kann sie vermutlich sogar ersetzen durch Funktionen, die das Web 2.0 anbietet.
2. Die Verwertung öffentlicher Werke zugunsten privater Gewinne ist das unternehmerische Pendant zur unterstellten Raubkopie des Privatkonsumenten. Wo bleibt der Aufschrei z.B. des Handelsblatts?
3. Elsevier und Co. sollten vorsichtig sein. Wenn sie von ihren hohen Rössern nicht herunterkommen könnte es ihnen ergehen wie der Enzyklopedia Britannica.
Traummargen: Wissenschaftsverlage verwerten öffentliches geistiges Eigentum
Sollten die Erkenntnisse und Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung kostenlos zugänglich sein? Das meint die Open Access Bewegung schon lange. Sie stört sich an den dramatisch gestiegenen Kosten für Fachbücher und -magazine. Deren Inhalte erarbeiten Professoren und Doktoranden, sie sind also -überwiegend- öffentlich finanziert. Privat finanziert sind die Forschungen und Entwicklungen, die anschließend der Geheimhaltung oder Exklusivlizenzierung unterliegen.
Schon als das Hochschullehrerprivileg fiel, das Hochschullehrern bis dahin ihre Patente auf eigene Faust vermarkten ließ, war die Industrie irritiert: Wieso denn nochmal für das Nutzungsrecht von etwas zahlen, dessen Entwicklung sie bereits vorfinanziert hatte? Die Antwort war: Weil die Hochschule die Rahmenbedingungen und die Vorleistungen bereits finanziert hatte. Und weil Exklusivität extra kostet. Bei Patenten gilt allerdings, und zwar im Gegensatz zu sonstigem wissenschaftlichem "Content": Die darf jeder lesen, und zwar gratis. Und zwar in den kostenlosen Online Patentdatenbanken.
Bei den Fachbüchern liegt der Fall so: Weil sich der Markt für Fachbuchanbieter heute auf nur noch wenige Große (Elsevier, Sptinger, Wiley) konzentriert hat, sind die Preise entsprechend gestiegen. Meistens geht es bei 50 EUR erst los, 100 EUR zu überbieten ist keine Kunst. Fachmagazinabos kosten erheblich mehr.
Der Hochschullehrer wirkt hier als Autor und fasst in Worte, was öffentlich finanziert wurde. Gut so. Wir wünschen uns solche Verbreitungen von Wissen (Übrigens auch von den Geisteswissenschaftlern). Der Prof schreibt, der Verlag bringt es in Form, produziert und vertreibt. Arbeitsteilung.
Bei Fachmagazinen kommt noch etwas hinzu: Die Reviews, also die Redaktion, die Auswahl, machen ebenso die Wissenschaftler. Sie besorgen dem Verlag, bzw. dem Magazin die Reputation. Wer es in die hoch angesehenen Magazine schafft, hat es geschafft. Aber wieso dafür diejenigen noch mal zahlen lassen, die die Arbeit damit hatten?
Die Hochschulen, und mit ihnen manche Hochschulprofs, beginnen sich zu wehren. Die Universitätsbibliotheken ächzen unter den steigenden Beschaffungskosten für Werke, die sie, als Hochschule, selbst finanziert haben. In UK sind das 200 Mio Pfund p.a., 10% des Forschungsetat. Die Fachbuch- und -magazinverlage machen eine Marge von 35%, schreibt der Guardian.
In Cambridge ist im Januar der Mathematiker Tim Gowers voran gegangen, als er einen Blogbeitrag über Elsevier postete (Link), in dem er sich über deren Bundleangebote beklagte. Elsevier bietet seine Magazine nur noch als Bundleabo an, nicht mehr als Einzelthemen. Elsevier unterstützte bis dahin auch Proteste gegen die Open Access Bewegung und die Befürworter von SOPA, PIPA usw.
Ein Leser seines Blogs griff das Thema sofort auf und rief eine Unterschriftensammlung namens "The cost of knowledge" ins Leben, die sich gegen das Verhalten von Elsevier richtet (Link). Daraufhin ließ Elsevier seine Unterstützung von Openacess Gegnern fallen.
Quelle: The Guardian
Was "lernt" uns das?
1. Es wird Zeit, dieses Verlagsoligopol, das sich von Autoren und Lesern bezahlen und Autoren und Reviewern die Arbeit machen lässt, aufzubrechen. Man kann sie vermutlich sogar ersetzen durch Funktionen, die das Web 2.0 anbietet.
2. Die Verwertung öffentlicher Werke zugunsten privater Gewinne ist das unternehmerische Pendant zur unterstellten Raubkopie des Privatkonsumenten. Wo bleibt der Aufschrei z.B. des Handelsblatts?
3. Elsevier und Co. sollten vorsichtig sein. Wenn sie von ihren hohen Rössern nicht herunterkommen könnte es ihnen ergehen wie der Enzyklopedia Britannica.
Schon als das Hochschullehrerprivileg fiel, das Hochschullehrern bis dahin ihre Patente auf eigene Faust vermarkten ließ, war die Industrie irritiert: Wieso denn nochmal für das Nutzungsrecht von etwas zahlen, dessen Entwicklung sie bereits vorfinanziert hatte? Die Antwort war: Weil die Hochschule die Rahmenbedingungen und die Vorleistungen bereits finanziert hatte. Und weil Exklusivität extra kostet. Bei Patenten gilt allerdings, und zwar im Gegensatz zu sonstigem wissenschaftlichem "Content": Die darf jeder lesen, und zwar gratis. Und zwar in den kostenlosen Online Patentdatenbanken.
Bei den Fachbüchern liegt der Fall so: Weil sich der Markt für Fachbuchanbieter heute auf nur noch wenige Große (Elsevier, Sptinger, Wiley) konzentriert hat, sind die Preise entsprechend gestiegen. Meistens geht es bei 50 EUR erst los, 100 EUR zu überbieten ist keine Kunst. Fachmagazinabos kosten erheblich mehr.
Der Hochschullehrer wirkt hier als Autor und fasst in Worte, was öffentlich finanziert wurde. Gut so. Wir wünschen uns solche Verbreitungen von Wissen (Übrigens auch von den Geisteswissenschaftlern). Der Prof schreibt, der Verlag bringt es in Form, produziert und vertreibt. Arbeitsteilung.
Bei Fachmagazinen kommt noch etwas hinzu: Die Reviews, also die Redaktion, die Auswahl, machen ebenso die Wissenschaftler. Sie besorgen dem Verlag, bzw. dem Magazin die Reputation. Wer es in die hoch angesehenen Magazine schafft, hat es geschafft. Aber wieso dafür diejenigen noch mal zahlen lassen, die die Arbeit damit hatten?
Die Hochschulen, und mit ihnen manche Hochschulprofs, beginnen sich zu wehren. Die Universitätsbibliotheken ächzen unter den steigenden Beschaffungskosten für Werke, die sie, als Hochschule, selbst finanziert haben. In UK sind das 200 Mio Pfund p.a., 10% des Forschungsetat. Die Fachbuch- und -magazinverlage machen eine Marge von 35%, schreibt der Guardian.
In Cambridge ist im Januar der Mathematiker Tim Gowers voran gegangen, als er einen Blogbeitrag über Elsevier postete (Link), in dem er sich über deren Bundleangebote beklagte. Elsevier bietet seine Magazine nur noch als Bundleabo an, nicht mehr als Einzelthemen. Elsevier unterstützte bis dahin auch Proteste gegen die Open Access Bewegung und die Befürworter von SOPA, PIPA usw.
Ein Leser seines Blogs griff das Thema sofort auf und rief eine Unterschriftensammlung namens "The cost of knowledge" ins Leben, die sich gegen das Verhalten von Elsevier richtet (Link). Daraufhin ließ Elsevier seine Unterstützung von Openacess Gegnern fallen.
Quelle: The Guardian
Was "lernt" uns das?
1. Es wird Zeit, dieses Verlagsoligopol, das sich von Autoren und Lesern bezahlen und Autoren und Reviewern die Arbeit machen lässt, aufzubrechen. Man kann sie vermutlich sogar ersetzen durch Funktionen, die das Web 2.0 anbietet.
2. Die Verwertung öffentlicher Werke zugunsten privater Gewinne ist das unternehmerische Pendant zur unterstellten Raubkopie des Privatkonsumenten. Wo bleibt der Aufschrei z.B. des Handelsblatts?
3. Elsevier und Co. sollten vorsichtig sein. Wenn sie von ihren hohen Rössern nicht herunterkommen könnte es ihnen ergehen wie der Enzyklopedia Britannica.
Montag, 9. April 2012
Simulation von Kontrolle - Oder: Wir sind das GE in der Pflegeaufsicht
In den vergangenen Wochen berichteten Medien wieder einmal über Misstände in Pflegeheimen (z.B. hier, hier oder hier). Georg Schramm tourt seit geraumer Zeit mit seinem Wachrüttelprogramm über deutsche Pflegeheim über die Lande. Ein psychologisches Problem bei Problemen mit der Pflege ist: Die pflegebedürftigen Bewohner können sich oft nicht selbst wehren. Oder wenn, wird ihr Verhalten als lästig und querulant ausgelegt und behandelt. Als Angehöriger traut man sich auch nicht so richtig, Krach zu schlagen. Schließlich haben sie Oma (oder Opa). Und wenn der Angehörige verstirbt, so wie in diesem Fall Ende November, fragt man sich nach der Trauer einen Moment lang, ob man es nun nicht auf sich beruhen lassen soll, für Oma kann man ja nichts mehr tun. Für unsere Oma nicht. Aber für alle, die noch da sind.
Von uns kommt deshalb jetzt auch ein Beitrag zur Pflegedebatte. Einer von mehreren, zu denen wir Anlass gehabt hätten. Aber erst als das Fass überlief, wurden wir aktiv gingen durch die Aufsichtsinstanzen und schrieben danach mit dem "Ergebnis" die Fraktionen im Stadtrat Gelsenkirchen an. Auslöser war der leere Kleiderschrank von Oma, die Wäsche funktionierte seit längerem nicht. Als wir den Rat bekamen, wir könnten Omas Unterwäsche doch aus dem großen Wäschesack einfach selbst rausfischen, musste ich an meine Bundeswehrzeit denken.
Zwei Fraktionen haben bisher reagiert. Wir sind gespannt, ob die übrigen das Thema im laufenden NRW Wahlkampf auch noch interessiert.
Post kam auch vom Forum zur Verbesserung der Situation Pflegebedürftiger e.V, (Link), das seit längerem über die Zustände in deutschen Pflegeheimen recherchiert und berichtet.
Ich dokumentiere hier den Brief an die Fraktionen. Klarnamen von Personen habe ich anonymisiert. Den des Pflegeheims nicht.
An die
Fraktionsvorsitzende/-en
der Fraktionen im Rat der Stadt Gelsenkirchen
Rathaus Buer
D- 45891 Gelsenkirchen
Berlin, 01.03.2012
„Würden Sie die Unterwäsche Ihrer Nachbarn anziehen?“
Nach einem Jahr kafkaesker Bemühungen in der Verbesserung der Pflege und Versorgung im städtischen Pflegeheim Haunerfeld-Heimaufsicht 50/3-Regierungsbezirk Münster, bei dem sich zwar die Verwaltungs“vorgänge“ gefüllt haben, aber die Missstände nicht beseitigt wurden, schreibe ich Ihnen diesen Brief, um folgende Initiativen in den politischen Raum einzubringen:
1. Neubesetzung der Pflegedienstleitung, der Hausleitung, Betriebsleitung und Geschäftsleitung des städtischen Pflegeheims Haunerfeld, wegen mangelnder fachlicher, sozialer und menschlicher Kompetenzen!
2. Kontrolle der Einhaltung des Pflegevertrages (§ 2.1.g) und Verbesserungen in allen Fragen zeitgemäßer Pflege nach der Pflegecharta in den städtischen Heimen - insbesondere für demente Bewohner - wie z.B. Pflege nach Kitwood, Snoozle Räume, Biografiearbeit, Austausch mit Kindergärten bzw. Tierbesuche u.Ä. Gerade unter dem Aspekt, dass sich die SP im oberen Preissegment von 81,47 E /Stufe 1 (2007: 62,79 E) der Gelsenkirchener Einrichtungen befinden (Vergleich: städt. Pflegebericht vom 01.01.2011).
3. Auflösung des Referats 50.3.1/Heimaufsicht und Dezernat 24.2 Bezirksregierung Münster. Da die Heimaufsicht zwar nach § 2 Abs.1 HeimG die „Stimme der Bewohner“ sein soll, im Moment in der Gelsenkirchener Realität aber nur eine „Simulation der Kontrolle“ stattfindet, fordere ich einen UNABHÄNGIGEN Beirat, z. B. aus Wohlfahrtsunternehmen, Angehörigenvertretern, Stadt Referat 30 und Kirchen, der die Prüfungen durchführt und mit entsprechenden Straf- und Kontrollvollmachten für die Heime ausgestattet wird.
- 2 -
Begründung:
Meine Großmutter war seit 2007 Bewohnerin des städtischen Pflegeheims Haunerfeld, Station Nordstern. Die ersten drei Jahre waren unkritisch, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Stationsschwester (Name bekannt). Nach Erweiterung der Leitungsebene 2010/11 (Pflegedienst/Betrieb) wurde der Bereich Wäscheversorgung und Pflege immer katastrophaler. Zwar war von Beginn an die Wäscheversorgung nachlässig, so dass meine Mutter (wie die meisten Angehörigen) immer wieder Bekleidung mitgewaschen hat, steigerte sich aber zuletzt so, dass gar keine Kleidung mehr im Schrank vorrätig war (siehe Foto), Rücklauf der Wäscherei bis zu 6 Wochen dauerte, Bewohner-bekleidung (Reinigung) wochenlang in Säcken im Keller/Bad aufbewahrt wurden, meiner Mutter „bekotete“ Wäsche im Sack zum Waschen hingestellt wurde und der Höhepunkt des Ganzen, meiner Großmutter Nacht-/Unterwäsche der Nachbarin angezogen wurde, weil ihre „unterwegs“ war.
Im April sah ich mich gezwungen die Heimaufsicht der Stadt Gelsenkirchen zu alarmieren. Die vorherige persönliche Ansprache der Pflegedienst- bzw. Heimleitung (GF mir persönlich bekannt) erwies sich wegen Realitätsverweigerung als zwecklos.(O-Ton Frau (Name bekannt): “Das kann nicht sein.“ GF/Email vom 3.2.2011: “die Wäscheversorgung ist seit jeher ein Problem. Keine Großwäscherei ist in der Lage, die Wäsche ohne Beanstandung zeitgenau zu liefern.“)
Nachdem die Heimaufsicht die Missstände ausdrücklich bestätigt hatte (Prüfungsbericht: Anlage 1), eine „Verwaltungsgebühr“ von 81,25 E gegen das Heim (siehe Vermerk 08.05.2011) verhängt und „Empfehlungen“ zur Besserung der Situation gegeben hatte - geschah: NICHTS.
Am 12. Juli 2011 alarmierte ich per Email die aufsichtführende Fachbehörde der Heimaufsicht, die Bezirksregierung Münster (Dez. 24.2/ (Name bekannt)) über den Prüfungsbericht und die Untätigkeit der Heimaufsicht. Diese versprach die Umsetzung der „Empfehlungen“ der Heimaufsicht zu überprüfen. (Email: Anlage 2)
Man ahnt es schon - nach einer leichten Korrektur über den Sommer, verschlimmerte sich die Situation im November im Bereich Wäscheversorgung wieder so unerträglich, so dass ich bei der Bezirksregierung Münster nach den ausstehenden Überprüfungsergebnissen nachfragte. Dort erklärte man mir, es hätte eine „Nachschau“ im September durch die Heimaufsicht gegeben und es sei alles erledigt. Bei „erneuten“ Beschwerden sollte ich mich wiederum an die örtliche Pflegedienstleitung bzw. Betriebsleitung wenden. (Email: Anlage 3)
Nach Beantragung der Akteneinsicht nach IFG NRW bei der Heimaufsicht Gelsenkirchen und Dienstaufsichtsbeschwerde und Akteneinsicht Bezirksregierung Münster, konnte ich nachlesen, dass die Heimaufsicht/(Name bekannt) (50.3.1) zwar bei Ihrer Nachschau (Bericht: Anlage 4) die gleichen Mängel bzgl. Wäsche („überschaubar“/“keine Handtücher“) wie bei der ersten Prüfung feststellte. Statt diese Missstände aber endlich beseitigen zu lassen, konzentrierte sich Frau (Name bekannt) mit der Pflegedienstleistung darauf „Vorschläge“ für die Angehörigen zu beratschlagen: Besorgung von Bekleidung (siehe Auflistung Wäschebestand) Besuch eines Neurologen (siehe Kopie: Diagnose Demenz lag durch die Hausärztin vor- allerdings ohne Ruhigstellung durch Tabletten) und Bestellung eines amtlichen (sic!) Betreuers (Generalvollmacht durch mich lag vor).
- 3 -
Ich schreibe Ihnen, um zu dokumentieren, dass sich zukünftig die Kontrollgremien nicht damit ausreden können
1. Kritik an den städtischen Pflegeeinrichtungen wären „Einzelfälle“, die Angehörige sind „Querulanten“ oder „man hätte von nichts gewusst“ und
2. „es hätte keine Interessenskollisionen zum Nachteil von Pflegebedürftigen gegeben“ ( Brief MGEPA Dr. Kassen: Anlage 5). Es hat in unserem Fall lediglich eine Simulation von Kontrolle stattgefunden, die, durch das unselige „Berichtswesen“ innerhalb der Verwaltungsebenen, zu einer kollektiven Verantwortungslosigkeit führt - auf Kosten aller Heimbewohner in Gelsenkirchen.
Bei Rückfragen stehe ich gerne unter 030... zur Verfügung.
mit Grüßen aus Berlin,
(Die Enkelin)
Von uns kommt deshalb jetzt auch ein Beitrag zur Pflegedebatte. Einer von mehreren, zu denen wir Anlass gehabt hätten. Aber erst als das Fass überlief, wurden wir aktiv gingen durch die Aufsichtsinstanzen und schrieben danach mit dem "Ergebnis" die Fraktionen im Stadtrat Gelsenkirchen an. Auslöser war der leere Kleiderschrank von Oma, die Wäsche funktionierte seit längerem nicht. Als wir den Rat bekamen, wir könnten Omas Unterwäsche doch aus dem großen Wäschesack einfach selbst rausfischen, musste ich an meine Bundeswehrzeit denken.
Zwei Fraktionen haben bisher reagiert. Wir sind gespannt, ob die übrigen das Thema im laufenden NRW Wahlkampf auch noch interessiert.
Post kam auch vom Forum zur Verbesserung der Situation Pflegebedürftiger e.V, (Link), das seit längerem über die Zustände in deutschen Pflegeheimen recherchiert und berichtet.
Ich dokumentiere hier den Brief an die Fraktionen. Klarnamen von Personen habe ich anonymisiert. Den des Pflegeheims nicht.
An die
Fraktionsvorsitzende/-en
der Fraktionen im Rat der Stadt Gelsenkirchen
Rathaus Buer
D- 45891 Gelsenkirchen
Berlin, 01.03.2012
„Würden Sie die Unterwäsche Ihrer Nachbarn anziehen?“
Nach einem Jahr kafkaesker Bemühungen in der Verbesserung der Pflege und Versorgung im städtischen Pflegeheim Haunerfeld-Heimaufsicht 50/3-Regierungsbezirk Münster, bei dem sich zwar die Verwaltungs“vorgänge“ gefüllt haben, aber die Missstände nicht beseitigt wurden, schreibe ich Ihnen diesen Brief, um folgende Initiativen in den politischen Raum einzubringen:
1. Neubesetzung der Pflegedienstleitung, der Hausleitung, Betriebsleitung und Geschäftsleitung des städtischen Pflegeheims Haunerfeld, wegen mangelnder fachlicher, sozialer und menschlicher Kompetenzen!
2. Kontrolle der Einhaltung des Pflegevertrages (§ 2.1.g) und Verbesserungen in allen Fragen zeitgemäßer Pflege nach der Pflegecharta in den städtischen Heimen - insbesondere für demente Bewohner - wie z.B. Pflege nach Kitwood, Snoozle Räume, Biografiearbeit, Austausch mit Kindergärten bzw. Tierbesuche u.Ä. Gerade unter dem Aspekt, dass sich die SP im oberen Preissegment von 81,47 E /Stufe 1 (2007: 62,79 E) der Gelsenkirchener Einrichtungen befinden (Vergleich: städt. Pflegebericht vom 01.01.2011).
3. Auflösung des Referats 50.3.1/Heimaufsicht und Dezernat 24.2 Bezirksregierung Münster. Da die Heimaufsicht zwar nach § 2 Abs.1 HeimG die „Stimme der Bewohner“ sein soll, im Moment in der Gelsenkirchener Realität aber nur eine „Simulation der Kontrolle“ stattfindet, fordere ich einen UNABHÄNGIGEN Beirat, z. B. aus Wohlfahrtsunternehmen, Angehörigenvertretern, Stadt Referat 30 und Kirchen, der die Prüfungen durchführt und mit entsprechenden Straf- und Kontrollvollmachten für die Heime ausgestattet wird.
- 2 -
Begründung:
Meine Großmutter war seit 2007 Bewohnerin des städtischen Pflegeheims Haunerfeld, Station Nordstern. Die ersten drei Jahre waren unkritisch, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Stationsschwester (Name bekannt). Nach Erweiterung der Leitungsebene 2010/11 (Pflegedienst/Betrieb) wurde der Bereich Wäscheversorgung und Pflege immer katastrophaler. Zwar war von Beginn an die Wäscheversorgung nachlässig, so dass meine Mutter (wie die meisten Angehörigen) immer wieder Bekleidung mitgewaschen hat, steigerte sich aber zuletzt so, dass gar keine Kleidung mehr im Schrank vorrätig war (siehe Foto), Rücklauf der Wäscherei bis zu 6 Wochen dauerte, Bewohner-bekleidung (Reinigung) wochenlang in Säcken im Keller/Bad aufbewahrt wurden, meiner Mutter „bekotete“ Wäsche im Sack zum Waschen hingestellt wurde und der Höhepunkt des Ganzen, meiner Großmutter Nacht-/Unterwäsche der Nachbarin angezogen wurde, weil ihre „unterwegs“ war.
Im April sah ich mich gezwungen die Heimaufsicht der Stadt Gelsenkirchen zu alarmieren. Die vorherige persönliche Ansprache der Pflegedienst- bzw. Heimleitung (GF mir persönlich bekannt) erwies sich wegen Realitätsverweigerung als zwecklos.(O-Ton Frau (Name bekannt): “Das kann nicht sein.“ GF/Email vom 3.2.2011: “die Wäscheversorgung ist seit jeher ein Problem. Keine Großwäscherei ist in der Lage, die Wäsche ohne Beanstandung zeitgenau zu liefern.“)
Nachdem die Heimaufsicht die Missstände ausdrücklich bestätigt hatte (Prüfungsbericht: Anlage 1), eine „Verwaltungsgebühr“ von 81,25 E gegen das Heim (siehe Vermerk 08.05.2011) verhängt und „Empfehlungen“ zur Besserung der Situation gegeben hatte - geschah: NICHTS.
Am 12. Juli 2011 alarmierte ich per Email die aufsichtführende Fachbehörde der Heimaufsicht, die Bezirksregierung Münster (Dez. 24.2/ (Name bekannt)) über den Prüfungsbericht und die Untätigkeit der Heimaufsicht. Diese versprach die Umsetzung der „Empfehlungen“ der Heimaufsicht zu überprüfen. (Email: Anlage 2)
Man ahnt es schon - nach einer leichten Korrektur über den Sommer, verschlimmerte sich die Situation im November im Bereich Wäscheversorgung wieder so unerträglich, so dass ich bei der Bezirksregierung Münster nach den ausstehenden Überprüfungsergebnissen nachfragte. Dort erklärte man mir, es hätte eine „Nachschau“ im September durch die Heimaufsicht gegeben und es sei alles erledigt. Bei „erneuten“ Beschwerden sollte ich mich wiederum an die örtliche Pflegedienstleitung bzw. Betriebsleitung wenden. (Email: Anlage 3)
Nach Beantragung der Akteneinsicht nach IFG NRW bei der Heimaufsicht Gelsenkirchen und Dienstaufsichtsbeschwerde und Akteneinsicht Bezirksregierung Münster, konnte ich nachlesen, dass die Heimaufsicht/(Name bekannt) (50.3.1) zwar bei Ihrer Nachschau (Bericht: Anlage 4) die gleichen Mängel bzgl. Wäsche („überschaubar“/“keine Handtücher“) wie bei der ersten Prüfung feststellte. Statt diese Missstände aber endlich beseitigen zu lassen, konzentrierte sich Frau (Name bekannt) mit der Pflegedienstleistung darauf „Vorschläge“ für die Angehörigen zu beratschlagen: Besorgung von Bekleidung (siehe Auflistung Wäschebestand) Besuch eines Neurologen (siehe Kopie: Diagnose Demenz lag durch die Hausärztin vor- allerdings ohne Ruhigstellung durch Tabletten) und Bestellung eines amtlichen (sic!) Betreuers (Generalvollmacht durch mich lag vor).
- 3 -
Ich schreibe Ihnen, um zu dokumentieren, dass sich zukünftig die Kontrollgremien nicht damit ausreden können
1. Kritik an den städtischen Pflegeeinrichtungen wären „Einzelfälle“, die Angehörige sind „Querulanten“ oder „man hätte von nichts gewusst“ und
2. „es hätte keine Interessenskollisionen zum Nachteil von Pflegebedürftigen gegeben“ ( Brief MGEPA Dr. Kassen: Anlage 5). Es hat in unserem Fall lediglich eine Simulation von Kontrolle stattgefunden, die, durch das unselige „Berichtswesen“ innerhalb der Verwaltungsebenen, zu einer kollektiven Verantwortungslosigkeit führt - auf Kosten aller Heimbewohner in Gelsenkirchen.
Bei Rückfragen stehe ich gerne unter 030... zur Verfügung.
mit Grüßen aus Berlin,
(Die Enkelin)
Freitag, 6. April 2012
Replik auf Handelsblattkampagne "Mein Kopf gehört mir"
The creative process is a process of paying lawyers.Lawrence Lessig
Das Handelsblatt versucht heute, was schon Dieter Gorny vor Jahren missglückt ist: Eigenes Unvermögen in einen Angriff auf ihre Kunden umzuwandeln. Sie nennt es "Mein Kopf gehört mir" und leitet wie folgt ein:
Denker, Tüftler und Dichter fordern im Handelsblatt: Auch künftig muss, wer immaterielle Werte schafft, entlohnt werden. Eine Gesellschaft, die ihre Kreativen vernachlässigt, beraubt sich der Zukunft.
Fast ein Jahrzehnt nachdem der New Yorker Juraprofessor und Miterfinder des Creative Commons Lizenzmodells Lawrence Lessig unsere Denkfiguren von Schutzrechten ins digitale Zeitalter transformiert hat, kommt dieser Diskurs endlich auch in Deutschland an. Die Protagonisten der alten Welt meinen aber, keine Antworten sondern vor allem Anklagen liefern zu müssen. Sie meinen hier sicherlich, wie vor kurzem Sven Regener, allen voran die Piraten und ihre Wähler. Verstanden haben sie aber offenbar wenig. Niemand will den Kreativen etwas wegnehmen.
Die Piraten positionieren sich auf ihrer Website wie folgt (Zitate):
Die Fähigkeit zur aktiven Teilhabe an der Gesellschaft hängt heute in immer größerem Maße vom erworbenen Wissen und Können ab. Aus diesem Grunde muss allen Menschen die Möglichkeit gegeben werden, diese Fähigkeiten zu erwerben. Erforderlich hierfür ist ein freier Zugang zu hochwertiger Bildung für alle Menschen. Alle finanziellen und rechtlichen Beschränkungen, die den Zugang zum Wissen verhindern oder erschweren, müssen überprüft und – soweit möglich – abgebaut werden.Quelle: http://www.piratenpartei.de/politik/wissensgesellschaft/
Dies zielt auf freien Zugang zu Bildung und Wissen. "Frei" ist im Deutschen ja leider doppeldeutig: Meinen sie "kostenlos" oder "unbehindert"? Sie meinen beides, das steht da explizit. Hier ist noch nicht von Urheberrechten die Rede. Könnte sie aber einführen, z.B. indem man die horrend hohen Preise für Fachbücher thematisiert, die Verlage für einen Content verlangen, der mit Steuermitteln finanziert worden ist: die Forschungserkenntnisse deutscher Hochschulen.
Ihre Positionen zum Urheberrecht formulieren die Piraten so:
Ablehnung des Verbots der Privatkopie und der damit einhergehenden technischen Kopierschutztechniken (Digitales Rechtemanagement".
Begründung: Künstliche Verknappung, Kontrolle des Benutzers.
Zitat:
Wir sind der Überzeugung, dass die nichtkommerzielle Vervielfältigung und Nutzung von Werken als natürlich betrachtet werden sollte und die Interessen der meisten Urheber entgegen anders lautender Behauptungen von bestimmten Interessengruppen nicht negativ tangiert.Dem stimme ich zu, solange mit "privat" nicht die ungebremste Weitergabe auch an Freunde und Bekannte gemeint ist: Ich erwerbe mit dem Kauf eines digitalen Musikstückes das Recht, dieses beliebig oft zu hören. Ein Teil des Preises deckt auch die Aufnahmekosten (Studio), Produktions- und Vertriebskosten. Für die Privatkopie, d.h. der Kopie fürs Auto, den iPod, die Hifianlage, entstehen dem Anbieter keine Produktions- und Vertriebskosten. Was früher möglich war, z.B. eine Single fürs Autoradio auf eine Cassette zu kopieren, muss auch mit MP3 möglich bleiben. Apple hat dies inzwischen auch eingesehen und die Limitierung für die Privatkopien im iTunes aufgehoben. Ich selbst habe eigentlich noch nie einen Kopienraub begangen, wohl aber schon x Stücke inzwischen dreimal erworben: als Vinyl, CD und MP3.
Das gleiche muss für elektronische Bücher und Zeitungen gelten. Was verboten bleiben muss, weil es dem Urheber Umsatz wegnehmen würde, ist die gewerbsmäßige Kopie zum Weiterverkauf. Nur das sind Raubkopien. Gerade die Zeitungsverlage leiden aber unter einer Kostenloskultur, die sie selbst geschaffen haben. Sie beklagen also im wesentlichen, wie früher Dieter Gorny, eigenes Unvermögen, aus den neuen Möglichkeiten ein Geschäft zu machen.
Bei Filmen hat sich das digitale Angebot auch schon an die Unterschiede und Möglichkeiten angepasst: Ich sehe Filme nur einmal, besonders gute auch ein paar mal mehr. Aber weitaus weniger als ich Musikstücke höre. Deshalb unterscheidet iTunes Angebote zwischen Kauf (beliebig oft schauen) und Ausleihe (1x schauen).
Was die digitalen Verlage uns noch schuldig sind, ist der Weiterverkauf gebrauchter Werke. Ich räume die besondere Schwierigkeit ein, weil sich ein gebrauchtes MP3 in seiner Qualität nicht von einem neuen unterscheidet. Außerdem müsste man sicherstellen, dass das Werk nach meinem Weiterverkauf von meinem Rechner auch gelöscht wird. Und natürlich auch alle Privatkopien... Schwierig, wenn nicht unmöglich.
Die Piraten erkennen die Rechte des Urhebers ausdrücklich an. Sie weisen aber völlig zu recht darauf hin, dass jedes kreative Werk als Input selbst auf vorherige Werke zurückgegriffen hat. Der kreative Prozess, das Werk, ist ohne kreativen Input so gut wie un-möglich. Man denke nur an Disneys Verarbeitungen von Grimms Märchen zu eigenen Filmen (z.B. Schneewittchen zu Cinderella). Übrigens flogen ausgerechnet die Kopierer hartnäckig verfolgende US-Filmindustrie nur deshalb an der Westküste, weil die Patentinhaber für Film- und Studiotechnik wie z.B. ein gewisser Thomas Alva Edison an der Ostküste saßen. Die Gründer von Hollywood waren durch die Bank Patentverletzer. Die Kritiker der Elche... Fachbücher führen im Anhang ein Literaturverzeichnis, eine Liste von Werken, die sie inspiriert hat und die sie zitieren. Neue Musikstile entwickeln sich ebenfalls durch Zitate, Anlehnungen und Inspirationen.
Das Patentwesen ist by the way ähnlich gestrickt wie der kreative Prozess des Künstlers: Wer ein Patent anmeldet muss erklären, welche Aufgabe er löst und wie diese früher gelöst wurde (Patentzitate). Und worin die Verbesserung der eigenen Erfindung liegt.
Die Piraten reagieren mit ihren Positionen auch auf die unangemessenen Verhaltensweisen von Verlagen gegen -meist minderjährige- Ersteller von Privatkopien. Die drakonischen Strafen der Vergangenheit waren umso ungerechter, weil die Kläger eigene legale Angebote, die die Vorteile der digitalen Möglichkeiten unterstützt hätten, lange schuldig blieben. Allen voran in Deutschland. Erst Apple hat daraus ein funktionierendes Geschäft gemacht. 1 Song für 1 Euro. Zu analogen Zeiten zahlten wir 5DM für eine Single.
Was die Piratenkritiker auch verkennen ist der Unterschied zwischen einem Download und einem Stream: Wenn ich bei YouTube ein Video schaue ist das für mich als Konsumenten wie Fernsehen. Ich erzeuge keine Kopie auf meinem Rechner. Es hat eher einen Werbeeffekt, der mich evtl. zum Kauf des Videos oder den Song anregt.
Vor allem noch unbekannte Bands oder Autoren/Blogger nutzen das Internet, um bekannt zu werden und sich einen Ruf aufzubauen. Der Aufstieg beginnt immer bei Null. Am Anfang steckt man nur rein, spielt auf der Straße, liest in einem Autorenworkshop etc. Erst später, wenn man gut ist, kann man Einnahmen erzielen.
Das ist auch die Motivation vieler Open Source Programmierer: Anfänger leisten etwas für die Codebibliotheken und machen sich sukzessive einen Namen. Wer andere überzeugt, verbessert seinen Marktwert. Und: Wer für eine Community arbeitet bekommt das Recht, auch deren Werke zu benutzen.
Wer sich also auf den Standpunkt stellt, die Piraten wollen alle geistigen Eigentümer enteignen hat das Programm nicht gelesen oder die feinen Unterschiede zwischen heute und früher nicht erkannt. Das Handelsblatt und ihre besorgten Köpfe beantworten Fragen, die keiner gestellt hat. Die Piraten wollen niemanden enteignen.
Die Nichtanerkennung des geistigen Eigentums ist keine linke Position, sondern eine libertäre, wie die Lektüre der Website "Eigentümlich Frei" beweist.
Die Sozialdemokraten sollten beides unterstützen: Das Urheberrecht. Und das Recht auf die kostenlose Privatkopie.
Donnerstag, 5. April 2012
Typisch deutsch: Grass' Gegenklage als Entlastungsversuch
Die Debatte aber müsste darum geführt werden, ob es gerechtfertigt ist, die ganze Welt zum Opfer Israels zu machen, nur damit ein fünfundachtzigjähriger Mann seinen Frieden mit der eigenen Biographie machen kann.Frank Schirrmacher
Damit trifft Schirrmacher vermutlich ins Schwarze. Ich habe gestern hin und her überlegt, wie ich zu Grass' Gedicht stehe. Schließlich habe ich hier selbst Partei ergriffen und mich gegen einen Krieg gegen den Iran ausgesprochen. Aus ähnlichen Abwägungen heraus, wie Grass sie zu haben vorgibt. Aber ich gehe ihm nicht auf den Leim.
Schirrmacher erinnert uns an ein bestens bekanntes Verhaltensmuster bürgerlicher Kreise, wenn man sie, die sie gerne moralisch und mit "Anstand" argumentieren, wenn es gegen Minderheiten (in ihren Gedanken gerne auch: Minderwertigkeiten) und die da unten geht. Spricht man sie aber auf eigene Vergehen oder gar Schuld an und appelliert an ihre christlichen Werte von Reue und Buße, wehren sie ab und suchen Entlastung indem sie auf mindestens gleichwertige Taten ihrer "Ankläger" verweisen. Und von Vorbildcharakter, mit denen sie häufig genug ihre gesellschaftlichen Pivilegien rechtfertigen, wollen sie dann dreimal nichts wissen. Weil sie ihn nicht haben und nicht wollen.
Als mit dem früheren Postchef Zumwinkel exemplarisch aufgedeckt wurde, wie dreist manche Angehörige der Oberschicht sich ihren (Steuer-)Pflichten entziehen, da lenkten die sich angesprochen und mitbeschuldigt fühlenden die Kritikpfeile gleich mal auf "alle kleinen Sünderlein" ab. Das tun doch alle. Nein, es tun eben nicht alle! Die meisten tun es nicht. Aus Anstand! Sie tun es selbst dann nicht, wenn sie nicht Gefahr liefen erwischt zu werden. Weil sie ein Anstands- und Rechtsempfinden haben und sich nicht mit Schuld beladen und beschmutzt fühlen möchten.
Moralische Rechtfertigung der Mitläufer durch den Fingerzeig zurück auf die, die sie anklagen, um sich moralische Entlastung zu verschaffen. Sie sagen nicht: Ja, ich bin schuldig. Aber seht, ich war Mitläufer in einer verdorbenen Atmosphäre, die ich atmete. Sie halten die Beschuldigung und die Auseinandersetzung mit eigenen Taten schlicht nicht aus. Es macht sie aggressiv und sie behaupten frech: Ihr seid auch nicht besser. Und beginnen mit dem, was sie für Beweisführung halten. "Beweise", wo Reflexion, Erkenntnis, Reue und Verhaltensänderung angesagt wären.
Den letzten Versuch auf einem intellektuell verkleidetem Niveau unternahm ein gewisser Hohmann. Er wollte den Begriff Tätervolk für "die" Deutschen (wer redet denn so..?) widerlegen, indem er ihn für "die" Juden widerlegte und ihn dann für "die" Deutschen zurückgenommen wissen wollte. Er ging sogar bis zur Bereitschaft, den Volksbegriff aufzulösen, nur um für moralische Appelle und gesellschaftliche Verantwortung nicht mehr adressierbar zu sein. Indem er darauf hinwies, dass die russische Revolution ja ebenfalls Millionen Opfer auf dem Gewissen habe (Relativierung). Und die russischen Revolutionäre seien überwiegend Juden gewesen (Fingerzeig). Das hielt er für eine Beweisführung, die zur eigenen moralischen Entlastung führen müsse. Man fasste sich an den Kopf, als einige Halbgebildete sagten: Tatsächlich. "Die" waren ja genauso schlimm. Oder fast genau so schlimmm. Jedenfalls nicht unschuldig. Und haben deshalb zu schweigen? Saldobildung, um eine Schuld mit der anderen zu begleichen? (So haben auch Linke gegen die Vertriebenen argumentiert. Und das war genau so falsch wie jeder andere Saldo. Weil ein Saldo überhaupt nichts belegt und überhaupt nichts verarbeitet oder gar löst. Ein Opfer ist ein Opfer und als solches anzuerkennen. Es relativiert nichts, wenn sein Nachbar ein Täter war.)
Die gesamte linksintellektuelle Empörung gegen Hohmann richtete sich nur auf seinen Relativierungsversuch des deutschen Holocausts zu den Massenmorden in Russland.
Die Widerlegung Hohmanns hatte aber nicht über Statistik darüber zu erfolgen, wie viele russische Revolutionäre tatsächlich jüdischen Glaubens gewesen sind. Sondern über die Widerlegung der Unterstellung, die russische Revolution sei aus einem bewusst jüdischen Bewusstsein heraus organisiert worden. Die Handelnden mögen jüdisch gewesen sein, aber ihr Glaube war nicht, was sie zusammen gebracht hatte. Bei den Nazis aber war genau das Ideologie: Aus der Angehörigkeit zu einer Gruppe eine Ideologie zu konstruieren, die zur Mittäterschaft verpflichtet. Es kommt also für die Beurteilung eines Wortes nicht nur darauf an, wer etwas sagt, sondern auch für die Beurteilung einer Tat, warum er handelt.
Möllemann hingegen bediente die mittelmäßigen Antisemiten. Die, oder deren Eltern, sich schon am 9. Mai 1945 entrüsteten, jetzt müsse aber langsam mal Schluss sein mit dem Fingerzeig auf "uns". (Übrigens: Parteichef Westerwelle ließ Möllemann so lange gewähren, bis sich eine Mehrheitsmeinung gegen ihn gefunden hatte.)
Im Ergebnis: Reflexe bei den eher triebhaft ausgebildeten Schuldigen. Und wahnsinnige Konstruktionen zur ersehnten eigenen moralischen Entlastung bei den Intellektuellen.
Ich denke, Grass hat seine Werke nun, mit "letzter Tinte" entschlüsselt. Dies kurz vor Karfreitag und Ostern. In der Nähe des ans Kreuz genagelten, weil er menschliche Wahrheiten aussprach.
Bliebe die Frage: "Dürfen" wir denn jetzt trotzdem weiter über israelische Außenpolitik diskutieren und eine Meinung vertreten, die sich gegen seine Regierung richtet?
Wird etwas Richtiges falsch, wenn es von den Falschen gesagt wird? Nein, es wird nicht falsch. Aber unglaubwürdig und deshalb schädlich, denn es versperrt den Weg zu einer offenen Aussprache.
"Unglaubwürdig" in dem Sinne: Solange ich dem Sprechenden nicht vertrauen kann, dass er wahrhaftig, fair (und bei Israel auch: wohlwollend) an einer Konfliktklösung interessiert ist sondern verdeckt andere Interessen verfolgt, habe ich das Recht, ihm nicht zuzuhören.
Daraus folgt: In Deutschland darf israelische Politik kritisieren, wer genügend Vertrauen aufgebaut hat, kein verdeckter Antisemit zu sein. Genau das ist das Wesen von Diplomatie. Über Vertrauensbildung Kommunikationskanäle aufzubauen, über die man sich wahrhaftig austauschen kann. (Ich glaube, weil er das erfüllt, ist Sigmar Gabriel eine heftigere Debatte erspart geblieben.)
Aber das gilt für beide Seiten: In die Kritik an Grass werden jetzt auch etliche islamophobe Kübel ausgeschüttet. Und auch hier gilt: Das Richtige kann falsch oder wirkungslos sein, wenn es von den Falschen gesagt wird.
Grass zeigt aber auch, dass die Forschung über den Nationalsozialismus weiter gehen muss. Wir müssen offen legen, wie sich nicht verarbeitete Schuld in der Gesellschaft auswirkt. Das wird uns weiter beschäftigen. Und: Wie viele sind damals noch in die SPD eingetreten oder suchten ihre Nähe, nur um sich den Mantel der Verfolgten umhängen zu können?
Mittwoch, 4. April 2012
Hybridantrieb spielt immer noch keine Rolle
Die Zulassungsstatistik für das 1. Quartal 2012, also etwa drei Jahre nach der Autokrise, zeigt folgendes:
Die damals insbesondere von Daimlerchef Zetsche anstehende "Neuerfindung des Autos" spielt auf dem Markt bis heute keine Rolle. Nicht nur bei Mercedes, sondern gänzlich. Von den 774.000 Neuzulassungen in Q1/2012 hatten gerade mal 4020 einen Hybridantrieb, das ist ein halbes Prozent. Mit reinem Elektroantrieb wurden knapp 700 verkauft. 3.066 hatten einen Gasantrieb.
Dass der durchschnittliche CO2-Wert inzwischen auf 144g/km gesunken ist, ist also auf die Fortschritte bei den Verbrennungsmotoren zurückzuführen, d.h. Direkteinspritzung, Bi-Turbos (für oberen und unteren Drehzahlbereich), Startstop-Automatik und das Energiemanagement im Bordnetz, das nicht benötigte Verbraucher abschalten kann.
48 Prozent hatten einen Dieselantrieb.
Der CO2 Wert wird weiter sinken, wenn die einzeln abschaltbaren Zylinder in Serie gehen. Der Verbrennungsmotor ahmt also zunehmend die Vorteile des Elektromotors nach, der nur Energie verbraucht, wenn er Nutzarbeit leistet.
Der Hybridantrieb wird nicht nachgefragt. Dazu fallen mir folgende Erklärungen ein: 1. Neuwagen wurden vor allem von Autovermietern und Flottenbetreibern nachgefragt. Die achten auf den Anschaffungspreis und geben die Wagen nach wenigen Jahren zurück. Mehrkosten müssten sich in zügigen Returns niederschlagen. Dazu kommt: Dienstwagen fahren mehr weite Strecken, ein Hybrid rechnet sich aber vor allem im Stadtzyklus.
Die Privaten halten sich generell mit Neuwagen zurück, was hauptsächlich am Preis liegen dürfte. Einen Preisaufschlag für Hybrid leistet man sich da noch weniger, wenn man den gleichen Effekt mit Diesel erzielen kann.
Bliebe der Statusgewinn bei den Nachbarn, wenn man lautlos elektrisch durch die Einfamilienhaussiedlung rollt? Nein. Eigene Tests mit dem Lexus RX 400h öffneten mir die Augen: Rein elektrisch fährt man nur, wenn die Batterie voll genug ist. Das ist sie aber seltener als man denkt. Selbst wenn man die Verbraucher reduziert und es schafft, im Winter elektrisch aus der Siedlung zu rollen: Der Verbrennungsmotor schaltet dann eben später zu. Dadurch reduziert sich aber der Zeitanteil, in dem man ihn warm fährt. Der Zeitanteil, in dem er kalt ist, reduziert sich. Dadurch erhöht sich der durchschnittliche Verbrauch des Verbrennungsmotor. Man sieht: Keine einfache Rechnung.
Ok, warten wir trotzdem mal ab. Vielleicht können die künftigen Kleinwagen die Kunden locken, die mit rein elektrischem Antrieb kommen. Chic aussehen tun sie ja schon mal und sie vermeiden dadurch das Handycap des Smart.
Quelle: Kraftfahrtbundesamt
Die damals insbesondere von Daimlerchef Zetsche anstehende "Neuerfindung des Autos" spielt auf dem Markt bis heute keine Rolle. Nicht nur bei Mercedes, sondern gänzlich. Von den 774.000 Neuzulassungen in Q1/2012 hatten gerade mal 4020 einen Hybridantrieb, das ist ein halbes Prozent. Mit reinem Elektroantrieb wurden knapp 700 verkauft. 3.066 hatten einen Gasantrieb.
Dass der durchschnittliche CO2-Wert inzwischen auf 144g/km gesunken ist, ist also auf die Fortschritte bei den Verbrennungsmotoren zurückzuführen, d.h. Direkteinspritzung, Bi-Turbos (für oberen und unteren Drehzahlbereich), Startstop-Automatik und das Energiemanagement im Bordnetz, das nicht benötigte Verbraucher abschalten kann.
48 Prozent hatten einen Dieselantrieb.
Der CO2 Wert wird weiter sinken, wenn die einzeln abschaltbaren Zylinder in Serie gehen. Der Verbrennungsmotor ahmt also zunehmend die Vorteile des Elektromotors nach, der nur Energie verbraucht, wenn er Nutzarbeit leistet.
Der Hybridantrieb wird nicht nachgefragt. Dazu fallen mir folgende Erklärungen ein: 1. Neuwagen wurden vor allem von Autovermietern und Flottenbetreibern nachgefragt. Die achten auf den Anschaffungspreis und geben die Wagen nach wenigen Jahren zurück. Mehrkosten müssten sich in zügigen Returns niederschlagen. Dazu kommt: Dienstwagen fahren mehr weite Strecken, ein Hybrid rechnet sich aber vor allem im Stadtzyklus.
Die Privaten halten sich generell mit Neuwagen zurück, was hauptsächlich am Preis liegen dürfte. Einen Preisaufschlag für Hybrid leistet man sich da noch weniger, wenn man den gleichen Effekt mit Diesel erzielen kann.
Bliebe der Statusgewinn bei den Nachbarn, wenn man lautlos elektrisch durch die Einfamilienhaussiedlung rollt? Nein. Eigene Tests mit dem Lexus RX 400h öffneten mir die Augen: Rein elektrisch fährt man nur, wenn die Batterie voll genug ist. Das ist sie aber seltener als man denkt. Selbst wenn man die Verbraucher reduziert und es schafft, im Winter elektrisch aus der Siedlung zu rollen: Der Verbrennungsmotor schaltet dann eben später zu. Dadurch reduziert sich aber der Zeitanteil, in dem man ihn warm fährt. Der Zeitanteil, in dem er kalt ist, reduziert sich. Dadurch erhöht sich der durchschnittliche Verbrauch des Verbrennungsmotor. Man sieht: Keine einfache Rechnung.
Ok, warten wir trotzdem mal ab. Vielleicht können die künftigen Kleinwagen die Kunden locken, die mit rein elektrischem Antrieb kommen. Chic aussehen tun sie ja schon mal und sie vermeiden dadurch das Handycap des Smart.
Quelle: Kraftfahrtbundesamt
Mittwoch, 21. März 2012
"Der Fortschritt bleibt mit der OPEL-Zuverlässigkeit verbunden"
Admiral, Kapitän und Diplomat. "Wagen der Weltklasse" - Das war einmal der Anspruch des OPEL-Management. Den Diplomat positionierte OPEL mal gegen die Mercedes S-Klasse. Auch Ascona, Manta und Kadett liefen immer oben mit. OPEL verdiente Geld mit allen Käuferschichten. Das ist vorbei.
OPEL ale Marke kennt noch jeder. Aber bei den Modellreihen hört es schon auf: Astra und Corsa kennt man so gerade noch, obwohl man wenig über sie liest oder sieht. Aber Agila? Meriva, Antara, Vivaro?? Nie gehört. Hat OPEL mit irgend einer Neuerung Schlagzeilen gemacht? Ja, dem Elektroauto Ampera. Aber der läuft nicht. Das muss nicht am Konzept liegen, ich halte den Reichweitenverlängerer für die momentan beste Antwort auf die eingebildete Reichweitenangst. Aber lesen tun wir immer nur von Angst und Problemen bei OPEL: Selbstentzündung, Überkapazität, Werksschließungen. Traurige Kapitel.
Und wieder mal sind aus Sicht des Managements alle Schuld, nur nicht sie selbst. Ja, die Finanzkrise und hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa schwächt die Käuferschichten. Hätte man doch nur auch in Premium investiert, wozu hat man denn das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim? Wird da nur in Produktionstechnik und Kostensenkungen investiert? Wer einmal einen Mietwagen von OPEL aus einer Tiefgarage bugsieren musste, fragt sich, wer bei den Rüsselsheimern die Vorgaben für Anzeigen und Bedienung macht (Entschuldigung..). Premium hat OPEL nicht. Ein gutes Image auch nicht mehr. Drei Jahre Negativschlagzeilen, wer kauft denn sowas? "Das Management verliert allmählich die Geduld" steht im Handelsblatt. Tja, wann verlieren wohl die GM Aktionäre die Geduld mit diesem Management? Oder die Bandarbeiter in Bochum?
Ich bin ja schon still. Was OPEL demnächst an Marktanteilen preisgeben wird, werden sich andere schnappen, die größere Pläne haben. Aus der Autokrise ist inzwischen eine OPEL-Krise geworden. Auch die deutschen Premiummarken verdienen zu Hause nicht so berauschend. Aber sie haben verstanden, wo man für Made in Germany noch bereit ist, einen EURO mehr zu bezahlen.
OPEL ale Marke kennt noch jeder. Aber bei den Modellreihen hört es schon auf: Astra und Corsa kennt man so gerade noch, obwohl man wenig über sie liest oder sieht. Aber Agila? Meriva, Antara, Vivaro?? Nie gehört. Hat OPEL mit irgend einer Neuerung Schlagzeilen gemacht? Ja, dem Elektroauto Ampera. Aber der läuft nicht. Das muss nicht am Konzept liegen, ich halte den Reichweitenverlängerer für die momentan beste Antwort auf die eingebildete Reichweitenangst. Aber lesen tun wir immer nur von Angst und Problemen bei OPEL: Selbstentzündung, Überkapazität, Werksschließungen. Traurige Kapitel.
Und wieder mal sind aus Sicht des Managements alle Schuld, nur nicht sie selbst. Ja, die Finanzkrise und hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa schwächt die Käuferschichten. Hätte man doch nur auch in Premium investiert, wozu hat man denn das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim? Wird da nur in Produktionstechnik und Kostensenkungen investiert? Wer einmal einen Mietwagen von OPEL aus einer Tiefgarage bugsieren musste, fragt sich, wer bei den Rüsselsheimern die Vorgaben für Anzeigen und Bedienung macht (Entschuldigung..). Premium hat OPEL nicht. Ein gutes Image auch nicht mehr. Drei Jahre Negativschlagzeilen, wer kauft denn sowas? "Das Management verliert allmählich die Geduld" steht im Handelsblatt. Tja, wann verlieren wohl die GM Aktionäre die Geduld mit diesem Management? Oder die Bandarbeiter in Bochum?
Ich bin ja schon still. Was OPEL demnächst an Marktanteilen preisgeben wird, werden sich andere schnappen, die größere Pläne haben. Aus der Autokrise ist inzwischen eine OPEL-Krise geworden. Auch die deutschen Premiummarken verdienen zu Hause nicht so berauschend. Aber sie haben verstanden, wo man für Made in Germany noch bereit ist, einen EURO mehr zu bezahlen.
Montag, 19. März 2012
H- (WOB) - B: Warum die Bahn durch Wolfsburg rauscht
Tja. Am Anfang dachte ich in WOB immer nur, was alle Pendler dachten: Augen zu und ab zum Werk, arbeiten, Augen zu und zurück zum Bahnhof. Inzwischen aber hat der Wolfsburger Bahnhof fast Kultstatus. Immer mehr fangen an, ihn zu mögen. Und auch die Stadt, jedenfalls in Nähe des Bahnhofs. Wolfsburg gibt sich alle Mühe, immer besser auszusehen. Zwischen Bahnhof und Mittellandkanal kann man inzwischen sogar spazieren gehen, direkt am Wasser.
Nur wie der Geschäftsbereich Traktion seine Kunden behandelt, das geht immer noch auf keine Kuhhaut:
Nur wie der Geschäftsbereich Traktion seine Kunden behandelt, das geht immer noch auf keine Kuhhaut:
Sonntag, 18. März 2012
Der grundlegende Irrtum heutiger Medienmanager - und wie man ihn korrigieren könnte
Eine der größten Fehlkonstruktionen unter den Geschäftsmodellen ist die einer Werbung, die die große Erwartungshaltung einer großen Menge zu missbrauchen gedenkt.
Wenn ich z.B. auf BILD Online einen Bericht über Gauck lese und mir dazu ein Video angeboten wird. Nach dem Lesen will ich meinen Gedankenfluss und meine Aufmerksamkeit nicht unterbrechen lassen, sondern das Video nahtlos daran anknüpfen lassen. Mir dann aber zuerst einen Werbespot von Eon zu einem komplett anderen Thema zuzumuten ist krass respektlos. Die Idee des Werbespots ist ja, dass ich diesen wahrnehme und seine Botschaft verfolge und auch noch speichere, damit ich später etwas tue. Der Werbespot wird dorthin gesetzt, wo er mich erwischen kann. Wo ich eh schon bin, weil ich mich für etwas anderes interessiere. Ein funda-"mentaler" Wechsel meiner Gedanken ist da also einkalkuliert und beabsichtigt. Würde ich dem folgen, wäre ich aber raus aus dem Thema, das mich zu diesem Werbespot gebracht hat. Ich würde nicht in Sekundenschnelle wieder zum Gauck zurückkehren. Wäre es aber das Kalkül von BILD, dass ich dieses Video eh überhöre und übersehe, weil ich ja auf Gauck warte, wäre dies unseriös Eon gegenüber. Denn Eon bezahlt BILD ja dafür, dass sie meine Präsenz und Aufmerksamkeit, in dem Sinne, dass ich mich gerade mit nichts anderem beschäftige, ausnutzen und entführen dürfen.
Dieses Geschäftsmodell ist absurd. Es basiert auf der Annahme, dass Menschen bereit sind, sich gedanklich entführen zu lassen, nur weil sie gerade massenhaft in einer gemeinsamen Erwartungshaltung versammelt und ansprechbar ("adressierbar") sind.
So etwas passiert aber nicht nur in den Medien. Wenn ich z.B. morgens -und wie immer spät dran, wie fast alle anderen- in den Hauptbahnhof hetze, die Rolltreppe zu meinem Gleis vor Augen, will ich nicht von einer Kreditkartenverkäuferin aufgehalten werden. Die Tatsache, dass wir hier alle vorbei kommen rechtfertigt kein Geschäftsmodell das auf der Annahme einer hohen Responserate basiert. Wir sind alle hier, haben aber keine Zeit bzw. keine Aufmerksamkeit für irgendetwas anderes als unseren Zug.
Aber viele Manager denken so. Sie glauben auch, dass man einen Wissensarbeiter, also jemanden, der bei seiner Arbeit nachdenken und reflektieren muss, in einer Stunde zehnmal unterbrechen darf. Sie rechnen dann immer noch so, dass der Wissensarbeiter eine Stunde lang geleistet hat, abzüglich der Minuten, für die ihn sein Manager unterbrochen hatte. Doch modernere Manager wissen inzwischen, dass Aufgabenwechsel Zeit kosten. Immens viel Zeit. Sie gehen zulasten des Outputs und seiner Qualität. Tom de Marco hat dies u.a. in "Wien wartet auf Dich" beschrieben.
Noch deutlicher wird dies beim Musikhören. Musik ist Flow. Wenn man bei einem Stück zehnmal unterbrochen wird und danach an derselben Stelle fortsetzen kann, dann hat man anschließend nicht das ganze Stück genossen.
Kann man das Kennzahlgläubigen begreiflich machen? Kann man sie dazu bringen, dass sie sich intelligente Werbung ausdenken, und uns nicht mehr bei der Arbeit unterbrechen?
Wenn ich z.B. auf BILD Online einen Bericht über Gauck lese und mir dazu ein Video angeboten wird. Nach dem Lesen will ich meinen Gedankenfluss und meine Aufmerksamkeit nicht unterbrechen lassen, sondern das Video nahtlos daran anknüpfen lassen. Mir dann aber zuerst einen Werbespot von Eon zu einem komplett anderen Thema zuzumuten ist krass respektlos. Die Idee des Werbespots ist ja, dass ich diesen wahrnehme und seine Botschaft verfolge und auch noch speichere, damit ich später etwas tue. Der Werbespot wird dorthin gesetzt, wo er mich erwischen kann. Wo ich eh schon bin, weil ich mich für etwas anderes interessiere. Ein funda-"mentaler" Wechsel meiner Gedanken ist da also einkalkuliert und beabsichtigt. Würde ich dem folgen, wäre ich aber raus aus dem Thema, das mich zu diesem Werbespot gebracht hat. Ich würde nicht in Sekundenschnelle wieder zum Gauck zurückkehren. Wäre es aber das Kalkül von BILD, dass ich dieses Video eh überhöre und übersehe, weil ich ja auf Gauck warte, wäre dies unseriös Eon gegenüber. Denn Eon bezahlt BILD ja dafür, dass sie meine Präsenz und Aufmerksamkeit, in dem Sinne, dass ich mich gerade mit nichts anderem beschäftige, ausnutzen und entführen dürfen.
Dieses Geschäftsmodell ist absurd. Es basiert auf der Annahme, dass Menschen bereit sind, sich gedanklich entführen zu lassen, nur weil sie gerade massenhaft in einer gemeinsamen Erwartungshaltung versammelt und ansprechbar ("adressierbar") sind.
So etwas passiert aber nicht nur in den Medien. Wenn ich z.B. morgens -und wie immer spät dran, wie fast alle anderen- in den Hauptbahnhof hetze, die Rolltreppe zu meinem Gleis vor Augen, will ich nicht von einer Kreditkartenverkäuferin aufgehalten werden. Die Tatsache, dass wir hier alle vorbei kommen rechtfertigt kein Geschäftsmodell das auf der Annahme einer hohen Responserate basiert. Wir sind alle hier, haben aber keine Zeit bzw. keine Aufmerksamkeit für irgendetwas anderes als unseren Zug.
Aber viele Manager denken so. Sie glauben auch, dass man einen Wissensarbeiter, also jemanden, der bei seiner Arbeit nachdenken und reflektieren muss, in einer Stunde zehnmal unterbrechen darf. Sie rechnen dann immer noch so, dass der Wissensarbeiter eine Stunde lang geleistet hat, abzüglich der Minuten, für die ihn sein Manager unterbrochen hatte. Doch modernere Manager wissen inzwischen, dass Aufgabenwechsel Zeit kosten. Immens viel Zeit. Sie gehen zulasten des Outputs und seiner Qualität. Tom de Marco hat dies u.a. in "Wien wartet auf Dich" beschrieben.
Noch deutlicher wird dies beim Musikhören. Musik ist Flow. Wenn man bei einem Stück zehnmal unterbrochen wird und danach an derselben Stelle fortsetzen kann, dann hat man anschließend nicht das ganze Stück genossen.
Kann man das Kennzahlgläubigen begreiflich machen? Kann man sie dazu bringen, dass sie sich intelligente Werbung ausdenken, und uns nicht mehr bei der Arbeit unterbrechen?
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