Derzeit fragen sich viele Anteilseigner und Kunden der Automobilhersteller, wie sich eine Branche weltweit so verschätzen konnte in der Prognose ihrer Marktentwicklung.
Die "Big Three" in den USA können ihre Tanker nicht so schnell wenden, wie es innerhalb eines halben Jahres erforderlich wurde. Die Entwicklung eines völlig neuen Automobils, das nur wenig auf vorhandene "Baukästen", Module und Plattformen zurückgreifen kann, kann einhalbes Jahrzehnt dauern - gerechnet vom Beginn der Entwicklung bis zum Produktionsstart. Es dauert umso länger, je mehr Randbedingungen zu berücksichtigen sind. GM z.B. lebt derzeit nur von der Hoffnung, ihre alten Dinosaurierwerke loszuwerden und schnell den elektrischen "Volt" auf die Straße zu bringen.
Die US-Konsumenten wechseln ihre Vorlieben blitzschnell. Darin liegt die Chance für neue Anbieter, wenn sie die neuen Nachfragetrends schnell bedienen können.
Die deutschen Hersteller waren zuerst Spätzünder, als vor gut zehn Jahren die Nachfrage nach Dieselmotorisierung zu wachsen begann. Doch dann beherrschte sie die Technologie so gut, dass sie weltweit Standards setzte. Die Audi Siege in Le Mans waren wichtig, das Image des Diesel vom Opa-mit-Hut zum Smart-Driver zu wandeln.
Doch die FuE-Fortschritte in der Motoreffizienz nutzten die deutschen Hersteller überwiegend zur Steigerung der Motorisierung bei gleichem Verbrauch, statt zur Senkung des Verbrauchs bei gleicher Leistung. Einige zunächst mißglückte Versuche wie der Audi A2 oder der VW Lupo wurden schnell wieder abgebrochen. Heute hätte Audi gerne seinen A2 noch im Programm. Es war wie mit den Ökostromversuchen der deutschen Stromversorger in den Neunziger Jahren: Schlechtes Marketing, halbherziges Design - und, seht Ihr? - die Kunden wollen gar kein Öko!
Man fragt sich hier, wer bestimmt eigentlich in den klassischen Ingenieursunternehmen der Automobilindustrie, wie das Neue ins Fahrzeug kommt? Gibt es systematische Kundenbefragungen, Trendauswertungen, Designkriterien, Kosten-Nutzen-Abschätzungen - kurz: ein strategisches Customer Relationship Management? Kurz: gibt es objektive Prozesse, die die Qualität der Entscheidungen im Produktmanagement von der Qualität der Produktmanager entkoppeln? Oder gibt es einsame Entscheidungen der Markenvorstände? Haben die Automobilhersteller ihre Steve Jobs in den eigenen Reihen, die sie vor der Öffentlichkeit geheim halten?
Offenstichtlich nicht, da braucht man nur aufs Design der aktuellen Modelle zu schauen - und zwar weltweit aller Hersteller. Viel Mainstream ohne Ecken und Kanten, und "neuerdings" viel Retro. Manchmal ist auch nur der Name Retro.
Fragt man im Freundes- und Familienkreis nach den Kaufentscheidungen für ein "neues" Auto hört man folgendes:
- Einen Neuwagen leistet sich kaum jemand. Da müssen schon Lottogewinn und Weihnachten auf einen Tag fallen.
- Kaum einer nennt einen Traumwagen, den er sich sehnlichst wünscht.
- Kaum einer kommt mit der Bedienung und der Bedeutung der vielen elektronischen Features und Kontrollleuchten und "Bongs!" zurecht. Mein persönlicher Worst Case war hier der OPEL Signum, den ich am Flughafen Stuttgart anmietete...
- Weniger wäre mehr, und dabei Konzentration aufs Wesentliche: Design mit einer Idee vom Auto, und niedriger Verbrauch. Und ein Anschaffungspreis von maximal 20.000 EURO.
- Allerdings: Der vielen Sicherheitsfunktionen sind sich längst nicht mehr alle bewusst. ABS, ESP usw. wenn man die Leute daran erinnert, ja, die müssen natürlich auch sein!
Die Kunst der Entwicklung scheint künftig vor allem in der Kunst des Weglassens zu liegen. Das halten nicht wenige für "innovativ".
Autofahren ist für viele immer noch eine Leidenschaft. Jedenfalls potenziell. Für mutige Hersteller, auch Marktneulinge, bieten sich nun Chancen wie selten zuvor.
Hallo Frank,
AntwortenLöschenMit deinem letzten Satz spielst wohl auf Dacia an. Dacia ist für alle die der letzte Strohhalm, die sich kein neues Auto leisten wollen sondern sich ein Auto leisten müssen. Der niedrige Preis ist mit dem weglassen von Features erkauft. Wenn ich also ein etwa 8 Jahre alten VW Passat kaufe, dann habe ich eine alte Karre mit mehr Features als Dacia, dafür aber auch eher Reperaturanfälliger als ein neuer Dacia (so hoffe ich wengstens). Meiner Ansicht nach liegt das Grundproblem in den "Ingenieursunternehmen" genauer gesagt in den Ingenieuren selbst. Ingenieure folgen ihren eigenen technischen Vorgehensweisen und logiken. Das bisschen Marketing und BWL das macht sich vons selbst und das macht man eben nebenher. Ausnahme wie "Steve Jobs" die beides können gibt es zwar auch, sind allerdings nicht die Regel und dann müssen diese Leute zum richtigen Zeitpunkt auch an den entscheidenden Positionen sitzen. Also leben wir weiter mit einer gepflegten Ignoranz der Kundenbedürfnisse und mit einer selbstverliebtheit der Ingenieure.
Es werden auch also auch zukünftig keine Autos gebaut, in die man bequem einsteigen kann, die auch für Personen über 1,85 und Personen unter 1,60 gebaut werden. Außerdem muss der Absatzdruck in der AUtoindustrie erst so groß werden, das die Leute begreifen, dass man für einen VW Polo mit Minimalaustattung eben keine 15 000 bezahlen möchte.
Hallo Thomas,
AntwortenLöschenDeine Anmerkungen über die "Ingenieursunternehmen" gelten sogar branchenübergreifend. Siemens hat z.B. erst seine Telefone schlecht designed, dann schlecht verkauft und dann gesagt: Telefone rechnen sich nicht mehr...
Es gibt Ingenieure, die entwickeln genau das, was man bei ihnen bestellt. Ihr Beitrag liegt darin, dies so effizient wie möglich zu tun.
Und es gibt die seltene Ingenieursspezies, die eine Idee vom Produkt hat - gespeist aus Beobachtungen und eigenen Erfahrungen und Kreativität. Für die Engineering Mittel zum Zweck, und eine faszinierende Produktgestaltung das Ziel ist.
Steve Jobs ist ein Beispiel. Der alte Ferdinand Porsche war auch so einer.
Gruß, Frank
Es gibt auch Ingenieure, die entwickeln in klassischer Selbstverliebtheit etwas was nur Sie selbst verstehen. Design oder etwa gar Usabilty Fehlanzeige.
AntwortenLöschenGleiches gilt übrigens für Softwareentwickler. Wieviele genial Sachen wurden schon entwickelt, deren Genialität aber dem Kunden und technisch nicht ausgebildeten Menschen sich überhaupt nicht erschliesst.
Es fehlt übrigens in allen Bereich an Leuten die die Schnittstelle zwischen Ingenieur/Entwickler und Kunde bedienen können. Dieses jemand muss gar nicht so genial sein, er muss nur ein Verstämndniss für beides Sieten haben.
Tom
Da stimme ich Dir voll zu, Thomas. Die Crux ist aber, wer keinen Bedarf für diese Funktion sieht, richtet sie auch nicht ein.
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