Samstag, 30. Juni 2012
Ein demokratisches Trauerspiel
Die SPD hat bei ESM und Fiskalpakt mitregiert, ja. Aber auf welch niedrigem Niveau. Die zugesagten innerdeutschen "Rettungspakete" für Kommunen und Länder waren Steinmeier und den Bundesratsvertretern das Wichtigste. Was bedeutet dagegen die Aufgabe demokratischer Prinzipien im ESM? Und wehe den "Abweichlern". Was denen droht, hat Hubertus Heil gestern auf demagogische Weise im Bundestag demonstriert: Weil ihm Argumente gegen Frank Schäfflers Einwände zu mühselig waren, nannte er diesen schlicht einen "Nationalisten".
Der gestern "verabschiedete" ESM Vertrag war schon nicht mehr der Verhandlungsstand. Den wird der ESM jetzt selbst korrigieren, sobald er gegründet ist. Und zwar ohne lästige parlamentarische Mitbestimmung. Ich habe Schäubles Worte jetzt schon im Ohr, mit denen er das begründen wird.
Ein Jammerspiel auch, wie die SPD mit ihren eigenen Mitgliedern umgegangen ist. Weder in den Ortsvereinsstrukturen noch Online hielten es die Vordenker für nötig, ihrer Basis, von der sie nächstes Jahr wieder aufgestellt werden wollen, ESM und Fiskalpakt zu erklären, geschweige denn zu diskutieren. Wenn es ums Geld geht, oder wenn es wirklich wichtig wird, dann halten Steinmeier und Gabriel Mitsprache für zu gefährlich. Im Gegensatz zu Herta Däubler-Gmelin, die in einer Halbzeitpause der parallelen Brot-und-Spiele-Veranstaltung sagte, dass "Demokratie nie zu gefährlich" sei. Ich drücke ihr beide Daumen vorm Bundesverfassungsgericht..
Hier noch die Links zu den namentlichen Abstimmungslisten:
Freitag, 29. Juni 2012
Fotos von der #stopESM Demo vorm Bundestag
Wir können sagen: Wir waren gegen den #ESM.
Wir haben auch die Verfassungsbeschwerde von Herta Däubler-Gmelin unterschrieben.
Die SPD war auch auf der Demo.
Aber nur die AfA und die Basis.
Kurt Beck ging an uns vorbei.
Merkel hat keine 24h nach ihrer Ansage "Keine Eurobonds solange ich lebe"
Eurobonds zugestimmt. Spanien hat durchgesetzt, dass Bankenrettungsgelder nicht
auf Staatsverschuldung angerechnet werden.
Monti (nebenbei Goldman Sachs Berater) hat durchgesetzt, dass Absichtserklärungen
als Bedingung für Rettungsgelder ausreichen.
Ergebnis - die #ESM Aktienkurse:
Commerzbank +6%; Banco Bilbao: +8%, Banco Santander: +6,5%,
BNP Paribas: +9%, Societe General: +10%, Unicredit: +14%
Dienstag, 26. Juni 2012
stopESM Demo steht: 29.6., 16h vorm Reichstag
Die Aufmerksamkeitskurve von Bundestag und Hauptstadtpresse folgt auch beim Thema ESM dem typischen Muster. Seit Wochen posten und twittern die, die den ESM Vertrag und Kommentare gelesen haben, über seine einschneidenden Effekte. Es werden Links zu Quellen verteilt, man liest mit und denkt: Das kann nicht wahr sein. Der nächste Gedanke: Wo sind unsere Politiker? Wo ist die Opposition, wenn man sie braucht?
In dieser Phase ist man selbst halbwegs kundig, die, an die Handlungsmöglichkeiten delegiert sind, aber noch nicht. Wir schrieben wie unten geschildert unsere 5 MdB's an.
Wenn dann keine oder zu spärliche oder zu schablonenhafte Antworten kommen, fragt man sich, ob dahinter Absicht oder Ahnungslosigkeit steht. Es ist die Phase, in der Verschwörungstheorien es leicht haben. Den außerparlamentarischen, aber innertwitterigen Oppositionellen gibt das einen Energieschub für Protest. In dieser Stimmung haben wir gestern ein Flugblatt erstellt und online besprochen.
Heute jedoch kam der Durchbruch in mancherlei Hinsicht: @stopESM berichtete, dass Attac Demos in Berlin und Frankfurt angemeldet hat. Das machte schnell die Runde.
Aber SPD intern passierte plötzlich auch was: Einige MdB's meldeten sich. Hier muss ich Mechthild Rawert erwähnen, die uns auf weitere Infoveranstaltungen hinwies und erklärte, sie wisse noch nicht, wie sie abstimme, da die Fraktionsberatungen erst heute starten. Ähnliches erfuhr ich von Eva Hoegl. Ich will noch mal betonen: Mir geht es vorrangig um den offenen Umgang mit der Unsicherheit.
Wolfgang Thierse hat uns noch überhaupt nicht geantwortet, er schwebt vermutlich noch in den Soda-Salonsphären (Link) ;-)
Und das Büro Petra Merkel, also der ausgewiesenen Haushaltsexpertin der SPD Bundestagsfraktion, meldete sich. Gab aber nur seiner "Irritation" darüber Auskunft, dass wir so merkwürdige Kontaktwege für meine/unsere Anfragen benutzt hätten - also ihren Twitteraccount und Emailadresse. Ich habe nochmals gefragt, wie sie zur bekannten Kritik am ESM-Vertrag steht. Keine Antwort. Dann heute Abend, twittert sie doch noch etwas:
Besonders beeindruckt hat mich Genosse Peter Danckert. Er hat bereits seine Ablehnung des ESM Vertrages kund getan und Klage dagegen über Frau Däubler-Gmelin angekündigt.
Der Erfolg des heutigen Tages ist: Das Thema ESM ist jetzt "on" und erste Genossen trauen sich, Schäuble und Merkel zu widersprechen. Ich hoffe, das findet noch viele Nachahmer..
Hier noch die Demodaten:
Freitag, 29.6. um 16h vor dem Reichstag.
Weitere Infos hier: Link
In dieser Phase ist man selbst halbwegs kundig, die, an die Handlungsmöglichkeiten delegiert sind, aber noch nicht. Wir schrieben wie unten geschildert unsere 5 MdB's an.
Wenn dann keine oder zu spärliche oder zu schablonenhafte Antworten kommen, fragt man sich, ob dahinter Absicht oder Ahnungslosigkeit steht. Es ist die Phase, in der Verschwörungstheorien es leicht haben. Den außerparlamentarischen, aber innertwitterigen Oppositionellen gibt das einen Energieschub für Protest. In dieser Stimmung haben wir gestern ein Flugblatt erstellt und online besprochen.
Heute jedoch kam der Durchbruch in mancherlei Hinsicht: @stopESM berichtete, dass Attac Demos in Berlin und Frankfurt angemeldet hat. Das machte schnell die Runde.
Aber SPD intern passierte plötzlich auch was: Einige MdB's meldeten sich. Hier muss ich Mechthild Rawert erwähnen, die uns auf weitere Infoveranstaltungen hinwies und erklärte, sie wisse noch nicht, wie sie abstimme, da die Fraktionsberatungen erst heute starten. Ähnliches erfuhr ich von Eva Hoegl. Ich will noch mal betonen: Mir geht es vorrangig um den offenen Umgang mit der Unsicherheit.
Wolfgang Thierse hat uns noch überhaupt nicht geantwortet, er schwebt vermutlich noch in den Soda-Salonsphären (Link) ;-)
Und das Büro Petra Merkel, also der ausgewiesenen Haushaltsexpertin der SPD Bundestagsfraktion, meldete sich. Gab aber nur seiner "Irritation" darüber Auskunft, dass wir so merkwürdige Kontaktwege für meine/unsere Anfragen benutzt hätten - also ihren Twitteraccount und Emailadresse. Ich habe nochmals gefragt, wie sie zur bekannten Kritik am ESM-Vertrag steht. Keine Antwort. Dann heute Abend, twittert sie doch noch etwas:
Besonders beeindruckt hat mich Genosse Peter Danckert. Er hat bereits seine Ablehnung des ESM Vertrages kund getan und Klage dagegen über Frau Däubler-Gmelin angekündigt.
Der Erfolg des heutigen Tages ist: Das Thema ESM ist jetzt "on" und erste Genossen trauen sich, Schäuble und Merkel zu widersprechen. Ich hoffe, das findet noch viele Nachahmer..
Hier noch die Demodaten:
Freitag, 29.6. um 16h vor dem Reichstag.
Weitere Infos hier: Link
Montag, 25. Juni 2012
Flugblatt für #stopESM 29.6.2012, 17h, Berlin Mitte
don‘t
beLIEve
your
gOVERnment
#stopESM
Jean-Claude Juncker:
"Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt." - zitiert von Dirk Koch: Die Brüsseler Republik. Der SPIEGEL 52/1999 vom 27. Dezember 1999, S. 136. Gefunden bei: Wikiquote.org
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Bundestag verabschiedet ESM am 29.6. - Verfassungsbeschwerde folgt
Der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus, Dokument: http://www.european-council.europa.eu/media/582866/02-tesm2.de12.pdf) ist eine internationale Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg. Sie wird eingerichtet, sobald der ESM-Vertrag von so vielen EURO-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde, dass von diesen zusammen mindestens 90 % des anfänglich geplanten Stammkapitals von 700 Milliarden Euro gezeichnet wurde.
Ab Mitte 2012 soll diese Institution die Zahlungsfähigkeit der EURO-Staaten sichern („Rettungsschirm“). Wegen der Dynamik, die die EURO-Krise entwickelt hat, wurde das anfängliche Darlehensvolumen von 500 Mrd. EUR zwischenzeitlich auf 800 Mrd. EUR erhöht.
Kritiker
Folgende Kritiker haben sich in Deutschland zu Wort gemeldet: Bundesbank, Bundesrechnungshof, der Sachverständigenrat, der Bund der Steuerzahler u.v.m.
Kritik
- Der ESM-Vertrag wird völkerrechtlich bindend und unkündbar.
- Die Mitglieder des Gouverneursrats sind Regierungsmitglieder der jeweiligen ESM-Mitglieder mit Zuständigkeit für Finanzen. Damit übertragen die Länder ihre Finanzhoheit an den ESM ab.
- Ein Land, das ESM Hilfen beansprucht muss ein vom ESM verordnetes Anpassungsprogramm umsetzen und gibt weitere Souveränität auf.
- Der ESM kann beschließen, sein Haftungskapital unbegrenzt zu erhöhen. Hierfür muss der Finanzminister keine Zustimmung des Bundestages einholen.
-
Verfassungsbeschwerde
Ich unterstütze die Verfassungsbeschwerde zum Euro-Rettungsschirm und Fiskalpakt die u.a. Frau Däubler-Gmelin direkt nach der Unterzeichnung einlegen wird.
Sie können diese mitunterzeichnen unter: http://www.verfassungsbeschwerde.eu
Flugblatt als PDF laden: Link
Flugblatt als PDF laden: Link
Freitag, 22. Juni 2012
Vor wem muss die Verfassung geschützt werden?
Man kann über die Linkspartei sagen was man will und es stimmt ja, dass der Parteikörper und seine Führung keine gute Figur machen. Aber sie ist es, die im Bundestag die richtigen (An-) Fragen stellt und nun auch die Unterschrift des Bundespräsidenten unter das ESM Gesetz vorerst zum Stoppen gebracht hat (ausführlicher Kommentar der Linkspartei: Link). Auch hatte ihre Bundestagsfraktion als einzige angekündigt, gegen den ESM zu stimmen.
Schwarz-Gelb agiert und laviert zum wiederholten Male an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit herum. (Vorletztes Beispiel war der Stopp von Schäubles "Dunkelgremium" für die Vergabe von Rettungsgeldern für deutsche Banken.)
Da ist es doch blanke Ironie, dass die Linke vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Es ist die Regierung, die ständig bei Verfassungswidrigkeiten aufgegriffen wird.
Schwarz-Gelb agiert und laviert zum wiederholten Male an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit herum. (Vorletztes Beispiel war der Stopp von Schäubles "Dunkelgremium" für die Vergabe von Rettungsgeldern für deutsche Banken.)
Da ist es doch blanke Ironie, dass die Linke vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Es ist die Regierung, die ständig bei Verfassungswidrigkeiten aufgegriffen wird.
#stopESM 29.6.2012, Berlin Mitte
don't
beLIEve
in your
gOVERnment
#stopESM
Flugblattaktion am 29.6.2012, Berlin Mitte
Donnerstag, 21. Juni 2012
Wie die Berliner SPD MdB's mit Fragen zum #ESM umgehen
stopESM ist in aller Munde. Wer sich die nicht allzu große Mühe gemacht hat, den ESM Vertrag zu überfliegen stößt von selbst auf die kritischen Stellen (Wikipedia: Link), über die sich alle Kundigen aufregen, z.B. Bundesbank, Rechnungshof, die Sachverständigen, das ifo-Institut und einige, wenige Abgeordnete des Bundestages, z.B. Frank Schäffler, FDP.
Von den Bundestagsfraktionen hat sich nur die Linke geschlossen gegen den ESM ausgesprochen. In den übrigen gibt es vereinzelte "Abweichler". Wir wollten wissen: Wie werden unsere Berliner SPD Abgeordneten abstimmen? Der SPD Konvent (ein nicht öffentlich tagender "kleiner" Parteitag) hatte sich für den ESM ausgesprochen und sogar für die Prüfung, diesen mit einer Banklizenz auszusprechen. Der neue SPD Landesvorsitzende Stöß begrüßt den Beschluss des Konvents, bezieht sich aber nur auf Finanztransaktionssteuer und Fiskalpakt (Link).
Über Twitter konnte ich Sigmar Gabriel in eine kleine Unterhaltung verwickeln. Gabriels Statement: Wir sind für den ESM, weil die Krisenländer ihn brauchen. Er fragt uns, welche Alternativen wir denn anzubieten hätten? (Erinnert an Angela Merkels "Alternativlosigkeiten").
Von den Berlinern kam: nichts. @spdberlin verwies mich auf die Website von Petra Merkel. Sie ist immerhin Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages. Ich dachte, klar gerne, die spreche ich an. Über Twitter jedoch: Keine Antwort. Im Vergleich dazu antwortete mir Erika Steinbach (CDU) binnen 2 Minuten offen, dass sie FÜR den ESM abstimmen wird.
Unsere MdBs sind im Einzelnen (interessant: Man findet sie nicht über die Website des Landesverbandes, deshalb hier mal die Emailadressen):
Petra Merkel, petra.merkel@wk.bundestag.de,
Swen Schulz, swen.schulz@wk.bundestag.de,
Wolfgang Thierse, wolfgang.thierse@wk.bundestag.de,
Mechthild Rawert, mechthild.rawert@wk.bundestag.de,
Eva Hoegl, eva.hoegl@wk.bundestag.de
Am 13. Juni, also vor einer Woche, schrieben wir sie gemeinsam an (also eine Email an alle Genannten).
Wir forderten also nicht auf, GEGEN den ESM zu stimmen, sondern wollten, dass die Partei, die Abgeordneten mit uns, den einfachen Mitgliedern, diskutiert. Auf dem Bundesparteitag im Dezember gab es zum ESM keinen Beschluss und der Konvent war als Inner Circle organisiert. (Darüber sind auch andere SPD-Mitglieder verärgert, siehe die Kommentare auf SPD.de Link.)
Schon am nächsten Tag antwortete uns Eva Hoegl. Allerdings nur mit einer Begründung, warum wir mit Europa solidarisch sein sollten, einem Verweis auf die dramatische Jugendarbeitslosigkeit. Sie geht auf die SPD Bedingungen zum Fiskalpakt ein (hier sind wir auch einig), aber nicht auf den ESM.
Danach kam Mechthild Rawert. Sie verwies auf mehrere Infoveranstaltungen zum Fiskalpakt in Berlin , die sie inzwischen sogar auf ihrer Website ausführlich protokolliert hat: Link
- am 29.5.2012 in der Mitgliederversammlung SPD Friedenau
http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2012-06-01/europ_ischer_fiskalpakt_eine_zwischenbilanz
- am 11.6.2012 eine Fraktion vor Ort Veranstaltung im DGB-Haus
http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2012-06-15/sozialdemokratische_alternativen_zum_merkel_fiskalpakt
- am19.6.2012 in der Mitgliederversammlung der SPD Lichtenrade-Marienfelde
http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2012-06-20/lebhafte_diskussion_ber_den_europ_ischen_fiskalpakt_in_lichtenra
Von den anderen kam: Nichts. Besonders ärgerlich ist das beharrliche Schweigen von Petra Merkel. Sie dokumentiert auf ihrer Website zwar ihre Schlüsselrolle als Haushaltsauschussvorsitzende in der Finanzpolitik (Video Link). Aber auf Mitgliederanfragen reagiert sie nicht. Das wird spätestens ein Thema, wenn sie für die Bundestagswahl 2013 wieder kandidieren will.
Insgesamt fällt auf, dass die SPD Fragen zum ESM auf den Fiskalpakt ("Schuldenbremse") ablenkt. Sie will das wichtigste Thema der Legislaturperiode nicht diskutieren!
Eine bedenkliche Entwicklung. Vorstand und Fraktion scheinen aus den damals heftigen Reaktionen zur Hartz IV-Basta Politik nichts gelernt zu haben. Vielleicht liegt das daran, dass das Spitzenpersonal immer noch das Gleiche ist?
Von den Bundestagsfraktionen hat sich nur die Linke geschlossen gegen den ESM ausgesprochen. In den übrigen gibt es vereinzelte "Abweichler". Wir wollten wissen: Wie werden unsere Berliner SPD Abgeordneten abstimmen? Der SPD Konvent (ein nicht öffentlich tagender "kleiner" Parteitag) hatte sich für den ESM ausgesprochen und sogar für die Prüfung, diesen mit einer Banklizenz auszusprechen. Der neue SPD Landesvorsitzende Stöß begrüßt den Beschluss des Konvents, bezieht sich aber nur auf Finanztransaktionssteuer und Fiskalpakt (Link).
Über Twitter konnte ich Sigmar Gabriel in eine kleine Unterhaltung verwickeln. Gabriels Statement: Wir sind für den ESM, weil die Krisenländer ihn brauchen. Er fragt uns, welche Alternativen wir denn anzubieten hätten? (Erinnert an Angela Merkels "Alternativlosigkeiten").
Von den Berlinern kam: nichts. @spdberlin verwies mich auf die Website von Petra Merkel. Sie ist immerhin Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages. Ich dachte, klar gerne, die spreche ich an. Über Twitter jedoch: Keine Antwort. Im Vergleich dazu antwortete mir Erika Steinbach (CDU) binnen 2 Minuten offen, dass sie FÜR den ESM abstimmen wird.
Unsere MdBs sind im Einzelnen (interessant: Man findet sie nicht über die Website des Landesverbandes, deshalb hier mal die Emailadressen):
Petra Merkel, petra.merkel@wk.bundestag.de,
Swen Schulz, swen.schulz@wk.bundestag.de,
Wolfgang Thierse, wolfgang.thierse@wk.bundestag.de,
Mechthild Rawert, mechthild.rawert@wk.bundestag.de,
Eva Hoegl, eva.hoegl@wk.bundestag.de
Am 13. Juni, also vor einer Woche, schrieben wir sie gemeinsam an (also eine Email an alle Genannten).
Sehr geehrte Damen und Herren,
Genossen und Genossinnen,
Sigmar hat auf Twitter bestätigt, dass am 28. Juni 2012 im Bundestag die Abstimmung zum ESM und wahrscheinlich auch über den Fiskalpakt ist.
Ich fordere Euch daher auf, Eurer Pflicht! als gewählte Abgeordnete nachzukommen und vorher in einer öffentlichen Veranstaltung zum ESM/Fiskalpakt Euch der Berliner Bevölkerung zu stellen und Euer Abstimmungsverhalten zu begründen!!
Wir forderten also nicht auf, GEGEN den ESM zu stimmen, sondern wollten, dass die Partei, die Abgeordneten mit uns, den einfachen Mitgliedern, diskutiert. Auf dem Bundesparteitag im Dezember gab es zum ESM keinen Beschluss und der Konvent war als Inner Circle organisiert. (Darüber sind auch andere SPD-Mitglieder verärgert, siehe die Kommentare auf SPD.de Link.)
Schon am nächsten Tag antwortete uns Eva Hoegl. Allerdings nur mit einer Begründung, warum wir mit Europa solidarisch sein sollten, einem Verweis auf die dramatische Jugendarbeitslosigkeit. Sie geht auf die SPD Bedingungen zum Fiskalpakt ein (hier sind wir auch einig), aber nicht auf den ESM.
Danach kam Mechthild Rawert. Sie verwies auf mehrere Infoveranstaltungen zum Fiskalpakt in Berlin , die sie inzwischen sogar auf ihrer Website ausführlich protokolliert hat: Link
- am 29.5.2012 in der Mitgliederversammlung SPD Friedenau
http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2012-06-01/europ_ischer_fiskalpakt_eine_zwischenbilanz
- am 11.6.2012 eine Fraktion vor Ort Veranstaltung im DGB-Haus
http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2012-06-15/sozialdemokratische_alternativen_zum_merkel_fiskalpakt
- am19.6.2012 in der Mitgliederversammlung der SPD Lichtenrade-Marienfelde
http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2012-06-20/lebhafte_diskussion_ber_den_europ_ischen_fiskalpakt_in_lichtenra
Von den anderen kam: Nichts. Besonders ärgerlich ist das beharrliche Schweigen von Petra Merkel. Sie dokumentiert auf ihrer Website zwar ihre Schlüsselrolle als Haushaltsauschussvorsitzende in der Finanzpolitik (Video Link). Aber auf Mitgliederanfragen reagiert sie nicht. Das wird spätestens ein Thema, wenn sie für die Bundestagswahl 2013 wieder kandidieren will.
Insgesamt fällt auf, dass die SPD Fragen zum ESM auf den Fiskalpakt ("Schuldenbremse") ablenkt. Sie will das wichtigste Thema der Legislaturperiode nicht diskutieren!
Eine bedenkliche Entwicklung. Vorstand und Fraktion scheinen aus den damals heftigen Reaktionen zur Hartz IV-Basta Politik nichts gelernt zu haben. Vielleicht liegt das daran, dass das Spitzenpersonal immer noch das Gleiche ist?
Montag, 18. Juni 2012
Hybridsieg in Le Mans: Wer bremst, verliert nicht mehr
Wer bremst, verliert nicht mehr. Audi hat mit einem Schwungradspeicher-Hybrid die 24h von Le Mans gewonnen. Und damit ein Merkmal von Hybrid- bzw. Elektroantrieben herausgearbeitet, das bislang in der Öffentlichkeit verkannt wurde: Die Einspeicherung und Wiederverwendung von Bremsenergie.
Nicht mehr lange, und das plumpe Bremsen auf eine Bremsscheibe, die nur ungenutzte Abwärme erzeugt, gilt als gestrig. Man bremst künftig, indem man den Dynamo aufschaltet und Bewegungsenergie in Strom verwandelt und ihn speichert. Bislang in die Batterie, Audi hat sie gestern in ein Schwungrad gespeichert. Der Unterschied entsteht aus dem Verwendungszweck des gespeicherten Stroms. Will man ihn ganz normal im Bordnetz verwenden, reicht die Batterie. Sie fängt nicht alles ein, was beim Bremsen angeboten wird, dazu ist sie zu träge. Aber der Gewinn ist groß genug, um den Generator in entscheidenden Momenten vom Antriebsstrang zu trennen. Z.B. beim Beschleunigen. Das senkt das Lastmoment. Das ist so, wie wenn man mit dem Fahrrad beim Beschleunigen, den Dynamo vom Rad trennt. Man beschleunigt besser.
Will man die gespeicherte Energie komplett in Beschleunigungsleistung verwandeln -was beim Autorennen ein Muss ist-, reicht eine normale Batteriegröße nicht für einen nennenswerten Effekt. Außerdem verschleißt die Batterie schnell beim häufigen Entladen und Volladen. (Was übrigens ein starkes Argument gegen den Einsatz einer Elektroautobatterie im Energiemanagement des Stromversorgers ist.)
Für häufiges und effizientes Speichern und Entladen hoher Leistung eignet sich am besten ein mechanisches Schwungrad. Man kennt den Effekt ein bisschen vom Benutzen der Gangschaltung bei der Anfahrt an eine rote Ampel: Runterschalten, erhöht die Drehzahl und bremst das Auto. Wird die Ampel grün, schaltet man wieder hoch und bemerkt einen kleinen Beschleunigungseffekt. Man hat dann nicht alles in Bremsenergie verschwendet.
Im Ergebnis entsteht der Traum vom verlustlosen Stop-and-Go-Verkehr: Bremsverluste gibt es nicht mehr, man speichert nur Bewegung zwischen den Antriebsrädern und dem Schwungrad hin und her. Man spart Kraftstoff, also Geld und - was beim Rennen zählt- Zeit für Boxenstops. Audi hat gestern beim Langstreckenrennen den Härtetest für diese Technik bestanden. Sie hat nicht nur funktioniert und irgendwie durchgehalten. Audi hat damit sogar das Rennen gewonnen. Gegen den vermeintlichen Hybridmeister Toyota.
Nicht mehr lange, und das plumpe Bremsen auf eine Bremsscheibe, die nur ungenutzte Abwärme erzeugt, gilt als gestrig. Man bremst künftig, indem man den Dynamo aufschaltet und Bewegungsenergie in Strom verwandelt und ihn speichert. Bislang in die Batterie, Audi hat sie gestern in ein Schwungrad gespeichert. Der Unterschied entsteht aus dem Verwendungszweck des gespeicherten Stroms. Will man ihn ganz normal im Bordnetz verwenden, reicht die Batterie. Sie fängt nicht alles ein, was beim Bremsen angeboten wird, dazu ist sie zu träge. Aber der Gewinn ist groß genug, um den Generator in entscheidenden Momenten vom Antriebsstrang zu trennen. Z.B. beim Beschleunigen. Das senkt das Lastmoment. Das ist so, wie wenn man mit dem Fahrrad beim Beschleunigen, den Dynamo vom Rad trennt. Man beschleunigt besser.
Will man die gespeicherte Energie komplett in Beschleunigungsleistung verwandeln -was beim Autorennen ein Muss ist-, reicht eine normale Batteriegröße nicht für einen nennenswerten Effekt. Außerdem verschleißt die Batterie schnell beim häufigen Entladen und Volladen. (Was übrigens ein starkes Argument gegen den Einsatz einer Elektroautobatterie im Energiemanagement des Stromversorgers ist.)
Für häufiges und effizientes Speichern und Entladen hoher Leistung eignet sich am besten ein mechanisches Schwungrad. Man kennt den Effekt ein bisschen vom Benutzen der Gangschaltung bei der Anfahrt an eine rote Ampel: Runterschalten, erhöht die Drehzahl und bremst das Auto. Wird die Ampel grün, schaltet man wieder hoch und bemerkt einen kleinen Beschleunigungseffekt. Man hat dann nicht alles in Bremsenergie verschwendet.
Im Ergebnis entsteht der Traum vom verlustlosen Stop-and-Go-Verkehr: Bremsverluste gibt es nicht mehr, man speichert nur Bewegung zwischen den Antriebsrädern und dem Schwungrad hin und her. Man spart Kraftstoff, also Geld und - was beim Rennen zählt- Zeit für Boxenstops. Audi hat gestern beim Langstreckenrennen den Härtetest für diese Technik bestanden. Sie hat nicht nur funktioniert und irgendwie durchgehalten. Audi hat damit sogar das Rennen gewonnen. Gegen den vermeintlichen Hybridmeister Toyota.
Mittwoch, 13. Juni 2012
Götz Aly erklärt das Linke im Rechten
Wo die Analyse der Beobachtung nicht weiterhilft, da lohnt es sich, den Begriffen auf den Grund zu gehen. Wolf Lotter ist so einer, der das regelmäßig in der brand eins tut.
Ein anderer ist Götz Aly. Er hat dem Schweizer Monat ein -wie ich finde- sensationelles Interview gegeben (Link zu Einigkeit und Recht und Freiheit). Anlass war die Verleihung des Ludwig-Börne-Preises für den Mut, "unbliebsame Meinungen" zu veröffentlichen.
Aly geht der Frage nach dem Begriff des Nationalsozialismus nach: Wo war das Soziale in der Ideologie der Nazis? Und wie nationalisierten sie den Sozialismus? Eine Frage, die zuletzt auch Erika Steinbach aufgeworfen hatte, als sie auf Twitter darauf hinwies, die NSDAP sei eine "Arbeiterpartei", also links, gewesen. Kann das sein?
Diese Frage wird schon allein dadurch verdrängt, dass wir stets von Nazis und Neonazis sprechen, anstatt von Nationalsozialisten. Wir glauben, diese Ideologie von uns zu weisen indem wir das Alleinstellungsmerkmal, das wir ihr zuweisen, als Erklärung missbrauchen. Und damit vermeiden wir Analyse und Verständnis.
Aly sagt: Wir haben den Begriffen der französischen Revolution beim Import in die deutsche Sprache neue Bedeutungen zugewiesen: Unter Freiheit verstanden wir nicht die Freiheit des Individuums, das von der Unterdrückung der eigenen Herrscher zu befreien wäre, um sein Leben zu verwirklichen, sondern die Freiheit von der Bedrohung durch andere Länder, Nationen, Reiche. Man wollte nie wieder Besiegter sein, nie wieder besetzt durch andere. Und aus der Gleichheit vor dem Gesetz machten "die" Deutschen den Anspruch auf materielle Gleichheit, woraus später der Sozialstaat erwuchs. Bismarck fing damit an, Hitler baute ihn aus. Der Sozialstaat ist eine Erfindung nicht der Sozialdemokraten sondern der Rechten.
Heute noch hoch angesehene Bürgerliche wie Friedrich Naumann, nach dem die FDP immerhin ihre Stiftung benannt hat, rührten daraus einen national-sozialen "Katechismus" an. Sie beobachteten, dass die Aussicht auf ein selbstverantwortetes Leben in Freiheit den deutschen Untertanen eher Angst machte. Warum das bis heute so ist, ergründet Aly leider nicht allzu tief. Liegt es am Bildungsniveau, an Beobachtungen, wie man hierzulande in Wahrheit weiterkommt?
Aly führt als Erklärung "Neid" an. Eine Haltung, die eigene Unzulänglichkeiten oder Trägheit in Verschwörungstheorien ummünzt: "Das ist doch bloß eine behauptete Freiheit, in Wahrheit läuft doch alles über Seilschaften und Intrigen."
Aly sagt: Hinter "Neid" steckt die Erkenntnis, mangels eigener Mittel nicht mehr erreichen zu können, dies aber nicht mit eigenen Schwächen sondern mit Begünstigungen der anderen zu erklären. Wenn die Politik die materielle Gleichheit zur Räson erklärt, fällt es leichter, jeden Erfolgreicheren, jeden Aufsteiger, jeden, der höhere Ansprüche stellt, zu denunzieren. Der Denunzierte ist dann nicht tüchtiger, besser, intelligenter sondern MUSS gegen die Regeln verstoßen haben, die uns ja alle gleich machen. Und vom Neid zur Verschwörungstheorie ist es nicht weit.
Hier deckt sich manches mit eigenen Erfahrungen aus dem Ruhrgebiet. Natürlich fängt Neid schon in der Schule an. Unangenehm, das auszusprechen, aber auf meinem Gymnasium waren etliche, die da nicht hingehörten. Führte die frühere Undurchlässigkeit der Gesellschaft dazu, dass auch der dümmste Unternehmer-, Beamten- oder Arztsohn aufs Gymnasium ging und später studierte, lief im sozialliberalen Deutschland das gegenteilige Programm: Herkunft war nun kein Filter mehr, aber die Eignung auch nicht unbedingt. Noch schlechter, wenn die Ungeeigneten in der Mehrheit sind. Dann werden Leistung, Interesse und Intelligenz diskriminiert und denunziert. Intelligenz zu diskriminieren ist in Deutschland immer Mode und Modus gewesen.
Der Neid im Ruhrpott hat noch eine weitere Variante: Schlechte Erfahrungen als Empfehlungen weiterreichen, damit man nicht der einzige Dumme bleibt.
Vergegenwärtigt man sich mit Alys Hilfe die Entstehungsgeschichte des Nationalsozialismus in Deutschland, liegt ein Vergleich mit der aktuellen Krise Europas nah. Wir -auch ich- zeigen nicht nur mit dem Finger auf "die" Banker und Politiker und laden dort die Verantwortung für die Misere ab, ja unterstellen zusätzlich, noch einen Gewinn aus der Krise zu ziehen.
In Deutschland kommt noch etwas hinzu: Vom Angestellten an abwärts schauen wir irritiert, verärgert und beleidigt auf, weil wir nicht nur zehn Jahre lang Stagnation oder gar Schwund unseres Wohlstandes hingenommen haben: Durch Reallohnsenkungen bzw. Inflation. Jetzt wirft "man" uns das auch noch vor. Ja, man unterstellt uns, wir hätten einen Plan verfolgt, mittels des Euros und Lohnstagnation unsere Exporte auszubauen und Arbeitsplätze zu sichern - alles auf Kosten der anderen Europäer. Befeuert wird das durch die Gebetsmühle von Zentralbankern, Managern (nicht Unternehmern) und Politikern, Deutschland würde unterm Strich vom EURO profitieren.
Aha, schreiben die europäischen BILD Zeitungen. Wie bitte? fragen die deutschen Angestellten und Arbeiter. Profitiert haben doch nur "die da oben". Wir hier in der Mitte und unten haben allenfalls an materieller Sicherheit gewonnen. Zu erkennen an der Umwandlung von Leiharbeit und befristeten Verträgen in Festanstellungen. Und seht doch: Sie haben den "Fachkräftemangel" erfunden und die Einkommensgrenzen für Einwanderer gesenkt. Doch nur, um uns weiter klein zu halten.
Es wäre Aufgabe der SPD ihrer Klientel die Zusammenhänge zu erklären, ihre Interessen zu formulieren und Politikziele herauszuarbeiten, um sich gegenüber der Regierung zu positionieren. Nichts von dem geschieht. Die SPD Spitze ist als Opposition verstummt und bemüht sich darum, bei der Krise mitreden zu dürfen, ernst genommen zu werden. Sie gibt sich staatsmännisch und die Kandidaten Steinmeier und -brück liefern sich ein stilles Wettrennen, wer am lautesten Schweigen kann.
Die Sozialdemokraten enttäuschen wieder einmal durch Herumlavieren. Sigmar Gabriel fasste sein Krisenverständnis auf Twitter so zusammen, dass man über eine Entscheidung zum ESM gar nicht tief nachdenken müsse, weil die Alternative noch schlimmer sei. Er hat also das Prinzip "Alternativlosigkeit" nun auch verinnerlicht.
Somit wird klar, dass wir in Europa nicht nur in eine böse Richtung steuern. Die Normalbürger werden auch noch sich selbst überlassen. Man informiert sie nicht ("tun wir doch!" nachmittags um halb vier, wenn die Parteifunktionäre Feierabend haben) , man beteiligt sie nicht ("zu kompliziert) und jagt sie ins Bockshorn ("Krieg und Frieden / scheitert Europa").
Die Druckerpressen (für die Banknoten, nicht etwa aufklärerische Zeitungen) rotieren, die Börsen rauschen, die Banken fordern und bekommen.
Schäuble sagte am Wochenende zu Spanien: Ziel sei es, "die Märkte zu beruhigen", man nutze dazu den Samstag kurz vor dem Fussballspiel, weil die Börsen da geschlossen haben. Und die Leute Europameisterschaft gucken. Da geht es ja ums Ganze.
Ein anderer ist Götz Aly. Er hat dem Schweizer Monat ein -wie ich finde- sensationelles Interview gegeben (Link zu Einigkeit und Recht und Freiheit). Anlass war die Verleihung des Ludwig-Börne-Preises für den Mut, "unbliebsame Meinungen" zu veröffentlichen.
Aly geht der Frage nach dem Begriff des Nationalsozialismus nach: Wo war das Soziale in der Ideologie der Nazis? Und wie nationalisierten sie den Sozialismus? Eine Frage, die zuletzt auch Erika Steinbach aufgeworfen hatte, als sie auf Twitter darauf hinwies, die NSDAP sei eine "Arbeiterpartei", also links, gewesen. Kann das sein?
Diese Frage wird schon allein dadurch verdrängt, dass wir stets von Nazis und Neonazis sprechen, anstatt von Nationalsozialisten. Wir glauben, diese Ideologie von uns zu weisen indem wir das Alleinstellungsmerkmal, das wir ihr zuweisen, als Erklärung missbrauchen. Und damit vermeiden wir Analyse und Verständnis.
Aly sagt: Wir haben den Begriffen der französischen Revolution beim Import in die deutsche Sprache neue Bedeutungen zugewiesen: Unter Freiheit verstanden wir nicht die Freiheit des Individuums, das von der Unterdrückung der eigenen Herrscher zu befreien wäre, um sein Leben zu verwirklichen, sondern die Freiheit von der Bedrohung durch andere Länder, Nationen, Reiche. Man wollte nie wieder Besiegter sein, nie wieder besetzt durch andere. Und aus der Gleichheit vor dem Gesetz machten "die" Deutschen den Anspruch auf materielle Gleichheit, woraus später der Sozialstaat erwuchs. Bismarck fing damit an, Hitler baute ihn aus. Der Sozialstaat ist eine Erfindung nicht der Sozialdemokraten sondern der Rechten.
Heute noch hoch angesehene Bürgerliche wie Friedrich Naumann, nach dem die FDP immerhin ihre Stiftung benannt hat, rührten daraus einen national-sozialen "Katechismus" an. Sie beobachteten, dass die Aussicht auf ein selbstverantwortetes Leben in Freiheit den deutschen Untertanen eher Angst machte. Warum das bis heute so ist, ergründet Aly leider nicht allzu tief. Liegt es am Bildungsniveau, an Beobachtungen, wie man hierzulande in Wahrheit weiterkommt?
Aly führt als Erklärung "Neid" an. Eine Haltung, die eigene Unzulänglichkeiten oder Trägheit in Verschwörungstheorien ummünzt: "Das ist doch bloß eine behauptete Freiheit, in Wahrheit läuft doch alles über Seilschaften und Intrigen."
Aly sagt: Hinter "Neid" steckt die Erkenntnis, mangels eigener Mittel nicht mehr erreichen zu können, dies aber nicht mit eigenen Schwächen sondern mit Begünstigungen der anderen zu erklären. Wenn die Politik die materielle Gleichheit zur Räson erklärt, fällt es leichter, jeden Erfolgreicheren, jeden Aufsteiger, jeden, der höhere Ansprüche stellt, zu denunzieren. Der Denunzierte ist dann nicht tüchtiger, besser, intelligenter sondern MUSS gegen die Regeln verstoßen haben, die uns ja alle gleich machen. Und vom Neid zur Verschwörungstheorie ist es nicht weit.
Hier deckt sich manches mit eigenen Erfahrungen aus dem Ruhrgebiet. Natürlich fängt Neid schon in der Schule an. Unangenehm, das auszusprechen, aber auf meinem Gymnasium waren etliche, die da nicht hingehörten. Führte die frühere Undurchlässigkeit der Gesellschaft dazu, dass auch der dümmste Unternehmer-, Beamten- oder Arztsohn aufs Gymnasium ging und später studierte, lief im sozialliberalen Deutschland das gegenteilige Programm: Herkunft war nun kein Filter mehr, aber die Eignung auch nicht unbedingt. Noch schlechter, wenn die Ungeeigneten in der Mehrheit sind. Dann werden Leistung, Interesse und Intelligenz diskriminiert und denunziert. Intelligenz zu diskriminieren ist in Deutschland immer Mode und Modus gewesen.
Der Neid im Ruhrpott hat noch eine weitere Variante: Schlechte Erfahrungen als Empfehlungen weiterreichen, damit man nicht der einzige Dumme bleibt.
Vergegenwärtigt man sich mit Alys Hilfe die Entstehungsgeschichte des Nationalsozialismus in Deutschland, liegt ein Vergleich mit der aktuellen Krise Europas nah. Wir -auch ich- zeigen nicht nur mit dem Finger auf "die" Banker und Politiker und laden dort die Verantwortung für die Misere ab, ja unterstellen zusätzlich, noch einen Gewinn aus der Krise zu ziehen.
In Deutschland kommt noch etwas hinzu: Vom Angestellten an abwärts schauen wir irritiert, verärgert und beleidigt auf, weil wir nicht nur zehn Jahre lang Stagnation oder gar Schwund unseres Wohlstandes hingenommen haben: Durch Reallohnsenkungen bzw. Inflation. Jetzt wirft "man" uns das auch noch vor. Ja, man unterstellt uns, wir hätten einen Plan verfolgt, mittels des Euros und Lohnstagnation unsere Exporte auszubauen und Arbeitsplätze zu sichern - alles auf Kosten der anderen Europäer. Befeuert wird das durch die Gebetsmühle von Zentralbankern, Managern (nicht Unternehmern) und Politikern, Deutschland würde unterm Strich vom EURO profitieren.
Aha, schreiben die europäischen BILD Zeitungen. Wie bitte? fragen die deutschen Angestellten und Arbeiter. Profitiert haben doch nur "die da oben". Wir hier in der Mitte und unten haben allenfalls an materieller Sicherheit gewonnen. Zu erkennen an der Umwandlung von Leiharbeit und befristeten Verträgen in Festanstellungen. Und seht doch: Sie haben den "Fachkräftemangel" erfunden und die Einkommensgrenzen für Einwanderer gesenkt. Doch nur, um uns weiter klein zu halten.
Es wäre Aufgabe der SPD ihrer Klientel die Zusammenhänge zu erklären, ihre Interessen zu formulieren und Politikziele herauszuarbeiten, um sich gegenüber der Regierung zu positionieren. Nichts von dem geschieht. Die SPD Spitze ist als Opposition verstummt und bemüht sich darum, bei der Krise mitreden zu dürfen, ernst genommen zu werden. Sie gibt sich staatsmännisch und die Kandidaten Steinmeier und -brück liefern sich ein stilles Wettrennen, wer am lautesten Schweigen kann.
Die Sozialdemokraten enttäuschen wieder einmal durch Herumlavieren. Sigmar Gabriel fasste sein Krisenverständnis auf Twitter so zusammen, dass man über eine Entscheidung zum ESM gar nicht tief nachdenken müsse, weil die Alternative noch schlimmer sei. Er hat also das Prinzip "Alternativlosigkeit" nun auch verinnerlicht.
Somit wird klar, dass wir in Europa nicht nur in eine böse Richtung steuern. Die Normalbürger werden auch noch sich selbst überlassen. Man informiert sie nicht ("tun wir doch!" nachmittags um halb vier, wenn die Parteifunktionäre Feierabend haben) , man beteiligt sie nicht ("zu kompliziert) und jagt sie ins Bockshorn ("Krieg und Frieden / scheitert Europa").
Die Druckerpressen (für die Banknoten, nicht etwa aufklärerische Zeitungen) rotieren, die Börsen rauschen, die Banken fordern und bekommen.
Schäuble sagte am Wochenende zu Spanien: Ziel sei es, "die Märkte zu beruhigen", man nutze dazu den Samstag kurz vor dem Fussballspiel, weil die Börsen da geschlossen haben. Und die Leute Europameisterschaft gucken. Da geht es ja ums Ganze.
Montag, 11. Juni 2012
Debatte mit @sigmargabriel und @oberfranke über #ESM
Am 28.6. stimmt der Bundestag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, ab. Den Termin hatten wir gerüchtehalber gehört. Sigmar Gabriel bestätigte ihn denn auch:
Sonntag, 10. Juni 2012
Cruise über die Kantstraße, Berlin
So wie in der Woche zwischen Vatertag und Pfingsten ist Berlin am schönsten: Parks und Gärten grün und sonnenüberflutet. Angenehme dreiundzwanzig Grad. Urlaub. Die Berliner sind verreist nach Brandenburg. Die Touris tummeln sich an den Hot Spots des Karnevals der Kulturen. Wo man auch hinkommt, es ist angenehm leer.
Das ist ungewohnt. Man braucht dann mit dem Auto nur wenige Minuten vom ICC Messegelände bis zur Goldelse. Und bekommt trotzdem noch mit, wie sich die Kantstraße zum Positiven entwickelt. Die Straße führt vom Messegelände im Westen gerade über den Lietzensee, schneidet die -ebenfalls neu hergemachte- Fußgängerzone der Wilmersdorferstraße, hat zur Linken das berühmte Kant-Kino und kommt dann am Savignyplatz an.
Wenn man länger nicht in Cha-Wi war, fällt einem das satte, fette Grün der Bäume auf. Das ist der Unterschied zum Prenzlberg, zu Mitte und Kreuzberg: Viel mehr Bäume, hinter denen die Altbaufassaden fast verschwinden.
Licht und Schatten auf der Straße, sogar Parklücken am Straßenrand. Die Kantstraße endet an der Großbaustelle nahe Bahnhof Zoo. Dort ist das neue Zoofenster empor geschossen. Es sind über zwanzig Stockwerke - ungewöhnlich für Berlin, und von weitem schon sichtbar. Ich finde das gut. Hochhäuser symbolisieren Urbanität, Optimismus und (altmodische) Tatkraft.
Und überall nur wenige Leute auf den Straßen und Plätzen, so dass man die Architektur stärker wahrnimmt. So wie auf den alten Fotos, die in manchen U-Bahnhöfen hängen. Z.B. am Hauptbahnhof. Auf den Schwarzweißfotos sieht man die alten Kopfbahnhöfe Berlins zur Zeit der Jahrhundertwende. Extrem auffällig: Kaum Menschen. Als hätte man sie für die Aufnahme alle verbannt. Aber ich habe vor kurzem solche Fotos auch am Bauzaun in Antwerpen gesehen. Und auch hier: Kaum Menschen.
Das Flair der Großstädte muss ein ganz anderes gewesen als heute. Heute -berichtet der tip in seinem Titelthema- haben wir jährlich 9 Millionen Touristen hier, das Dreifache der Anwohner, die -da staunt man- 9 Mrd. EURO hier lassen. Ein Segen! Rechnet man noch die boomenden Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer hinzu, profitiert Berlin von einem leistungslosen Einkommen. Wobei leistungslos nicht ganz stimmt, denn der Deal kostet uns schon etwas: Nerven. Ab einer bestimmten Fülle schlagen Urbanität und "pulsierend" um in schlichte Panik. Panik davor, dass der Moment, in dem man einfach mal die Luft anhalten muss, nicht mehr vorbei geht. Dass die Sommermittagsspitze zur Grundlast wird. Überfüllung allerorten. Und das einer Generation, die beim längerem Schlangestehen -womöglich ohne Smartphone!- ganz ernsthafte Schwierigkeiten mit sich selbst bekommt.
Aber ich reihe mich nicht ein bei den Kiezlern, die sich öffentlich empören aber insgeheim doch was drauf einbilden, wenn die Generation ihrer Eltern in Touristenbussen über den Wrangelkiez zieht. Die "Berlin doesn't love you" kleben, nur um noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn dort passt es zu gut zusammen. Als würden die Eltern einmal im Jahr im Kinderzimmer nach dem rechten sehen.
Mich stören eigentlich nur Touristen, die keine Großstadtprofis sind. Die auf dem Leihfahrrad glauben, sie seien auf dem Deich und könnten beim Kreuzen des Potsdamer Platzes einfach mal abschalten. Vielleicht fühlt sich aber auch jeder Berliner einfach nur von dem Typus provoziert, vor dem er einmal hierher geflohen ist und jetzt gestalkt fühlt..
Das ist ungewohnt. Man braucht dann mit dem Auto nur wenige Minuten vom ICC Messegelände bis zur Goldelse. Und bekommt trotzdem noch mit, wie sich die Kantstraße zum Positiven entwickelt. Die Straße führt vom Messegelände im Westen gerade über den Lietzensee, schneidet die -ebenfalls neu hergemachte- Fußgängerzone der Wilmersdorferstraße, hat zur Linken das berühmte Kant-Kino und kommt dann am Savignyplatz an.
Wenn man länger nicht in Cha-Wi war, fällt einem das satte, fette Grün der Bäume auf. Das ist der Unterschied zum Prenzlberg, zu Mitte und Kreuzberg: Viel mehr Bäume, hinter denen die Altbaufassaden fast verschwinden.
Licht und Schatten auf der Straße, sogar Parklücken am Straßenrand. Die Kantstraße endet an der Großbaustelle nahe Bahnhof Zoo. Dort ist das neue Zoofenster empor geschossen. Es sind über zwanzig Stockwerke - ungewöhnlich für Berlin, und von weitem schon sichtbar. Ich finde das gut. Hochhäuser symbolisieren Urbanität, Optimismus und (altmodische) Tatkraft.
Und überall nur wenige Leute auf den Straßen und Plätzen, so dass man die Architektur stärker wahrnimmt. So wie auf den alten Fotos, die in manchen U-Bahnhöfen hängen. Z.B. am Hauptbahnhof. Auf den Schwarzweißfotos sieht man die alten Kopfbahnhöfe Berlins zur Zeit der Jahrhundertwende. Extrem auffällig: Kaum Menschen. Als hätte man sie für die Aufnahme alle verbannt. Aber ich habe vor kurzem solche Fotos auch am Bauzaun in Antwerpen gesehen. Und auch hier: Kaum Menschen.
Das Flair der Großstädte muss ein ganz anderes gewesen als heute. Heute -berichtet der tip in seinem Titelthema- haben wir jährlich 9 Millionen Touristen hier, das Dreifache der Anwohner, die -da staunt man- 9 Mrd. EURO hier lassen. Ein Segen! Rechnet man noch die boomenden Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer hinzu, profitiert Berlin von einem leistungslosen Einkommen. Wobei leistungslos nicht ganz stimmt, denn der Deal kostet uns schon etwas: Nerven. Ab einer bestimmten Fülle schlagen Urbanität und "pulsierend" um in schlichte Panik. Panik davor, dass der Moment, in dem man einfach mal die Luft anhalten muss, nicht mehr vorbei geht. Dass die Sommermittagsspitze zur Grundlast wird. Überfüllung allerorten. Und das einer Generation, die beim längerem Schlangestehen -womöglich ohne Smartphone!- ganz ernsthafte Schwierigkeiten mit sich selbst bekommt.
Aber ich reihe mich nicht ein bei den Kiezlern, die sich öffentlich empören aber insgeheim doch was drauf einbilden, wenn die Generation ihrer Eltern in Touristenbussen über den Wrangelkiez zieht. Die "Berlin doesn't love you" kleben, nur um noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn dort passt es zu gut zusammen. Als würden die Eltern einmal im Jahr im Kinderzimmer nach dem rechten sehen.
Mich stören eigentlich nur Touristen, die keine Großstadtprofis sind. Die auf dem Leihfahrrad glauben, sie seien auf dem Deich und könnten beim Kreuzen des Potsdamer Platzes einfach mal abschalten. Vielleicht fühlt sich aber auch jeder Berliner einfach nur von dem Typus provoziert, vor dem er einmal hierher geflohen ist und jetzt gestalkt fühlt..
Freitag, 8. Juni 2012
Wende im Mordfall Orhan S.
Orhan S. war ein Schulabbrecher und arbeitete in der Baubranche. Mit fahrlässiger Körperverletzung, Verkehrs- und Drogendelikten war er schon früher aufgefallen. Während seiner Tat rief er Allah an. Aber weil er neben Drogen auch Psychopharmaka nahm, sitzt er nicht im Untersuchungsgefängnis, sondern in einer Psychiatrie.
Die Berliner Medien berichteten Anfang der Woche (Tagesspiegel 04.06.) über Orhans Konflikte mit seiner Ehefrau und mit einer anderen, mit der er ein Verhältnis nebst Kindern hatte. Da wir auf den Fotos von Tagesspiegel und Berliner Zeitung eigentlich immer nur trauernde Frauen sehen, nehme ich an, dass sie die Quelle für die Berichte über das Privatleben sind. Die Frauen, die das Opfer Semanur kannten, reden, auch weil sie sich, wie meistens nach solchen Taten, fragen, ob sie die Warnsignale der Ermordeten nicht hätten ernster nehmen sollen.
Interessant ist, dass Polizei und Staatsanwaltschaft aus dem was die Frauen berichten nur das verwenden, was entlastend für Orhan S. wirkt: Semanur habe ihren Mann mal schizzophren genannt und er habe Medikamente genommen.
Daraufhin brach im Tagesspiegel Leserforum die Diskussion darüber aus, ob Orhan schuldfähig sei und ob er überhaupt, auch wenn er gesund wäre, wegen Mordes angeklagt werden könnte. Denn schließlich, so ein notorischer Forist vom Südkreuz, sei die Frau schon tot gewesen, als der Mörder sie köpfte. Deshalb falle das Mordkriterium besondere Grausamkeit weg.
Und tatsächlich, der Staatsanwalt übernimmt diese Argumentation und übersieht alle anderen Kriterien für Mord, die hier auch zutreffen könnten. Der Tagesspiegel schreibt gestern (Don., 07.06.):
Die WELT berichtete, mit welcher Begründung der begutachtende Psychologe Rudolf Egg zu dem Schluss kam, dass der kulturelle Hintergrund nicht entscheidend für das Ritual des Köpfens gewesen sein könne:
Ein anderer fragt, was in den Medien los gewesen wäre, wäre der Täter ein Neonazi gewesen und hätte statt Allah seinen "Führer" angerufen..
Aber selbst wenn Orhan schizzophren ist, ist er damit nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Die Berliner Zeitung interviewt und zitiert einen Gerichtspsychiater über die Wirkung, die Medikamente abzusetzen (Berliner Zeitung, 07.06.):
Die Berliner Medien berichteten Anfang der Woche (Tagesspiegel 04.06.) über Orhans Konflikte mit seiner Ehefrau und mit einer anderen, mit der er ein Verhältnis nebst Kindern hatte. Da wir auf den Fotos von Tagesspiegel und Berliner Zeitung eigentlich immer nur trauernde Frauen sehen, nehme ich an, dass sie die Quelle für die Berichte über das Privatleben sind. Die Frauen, die das Opfer Semanur kannten, reden, auch weil sie sich, wie meistens nach solchen Taten, fragen, ob sie die Warnsignale der Ermordeten nicht hätten ernster nehmen sollen.
Interessant ist, dass Polizei und Staatsanwaltschaft aus dem was die Frauen berichten nur das verwenden, was entlastend für Orhan S. wirkt: Semanur habe ihren Mann mal schizzophren genannt und er habe Medikamente genommen.
Daraufhin brach im Tagesspiegel Leserforum die Diskussion darüber aus, ob Orhan schuldfähig sei und ob er überhaupt, auch wenn er gesund wäre, wegen Mordes angeklagt werden könnte. Denn schließlich, so ein notorischer Forist vom Südkreuz, sei die Frau schon tot gewesen, als der Mörder sie köpfte. Deshalb falle das Mordkriterium besondere Grausamkeit weg.
Und tatsächlich, der Staatsanwalt übernimmt diese Argumentation und übersieht alle anderen Kriterien für Mord, die hier auch zutreffen könnten. Der Tagesspiegel schreibt gestern (Don., 07.06.):
Weil die nach deutschem Recht geltenden Mordmerkmale wie Habgier, Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Heimtücke und Grausamkeit nicht gegeben sind, wird gegen Orhan S. derzeit auch nur wegen Totschlags ermittelt. Das Mordmerkmal der Grausamkeit ist nicht erfüllt, weil er seine Frau erst köpfte und zerstückelte als sie schon tot war. Sie starb nach bisherigen Erkenntnissen an den Stichverletzungen, die ihr Mann ihr zufügte. Während Mord mit lebenslanger Haft bestraft wird, kann ein Totschläger mit fünf Jahren Gefängnis davonkommen.
Die WELT berichtete, mit welcher Begründung der begutachtende Psychologe Rudolf Egg zu dem Schluss kam, dass der kulturelle Hintergrund nicht entscheidend für das Ritual des Köpfens gewesen sein könne:
"Nicht selten sind ja das Machoverhalten und die Intoleranz von Männern ein Auslöser für eheliche Streitigkeiten. Als Erklärung für diese ungewöhnlich brutale Tat reicht dieser Hintergrund jedoch nicht aus."Lassen wir den seine eigenen Vorstellungsgrenzen zur Wissenschaft erhebenden "Psychologen" mal wortlos stehen und gehen weiter: Ein Forist der Welt klärt uns über die Bedeutung des Ausrufs Allah sei größer auf:
Ein anderer fragt, was in den Medien los gewesen wäre, wäre der Täter ein Neonazi gewesen und hätte statt Allah seinen "Führer" angerufen..
Aber selbst wenn Orhan schizzophren ist, ist er damit nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Die Berliner Zeitung interviewt und zitiert einen Gerichtspsychiater über die Wirkung, die Medikamente abzusetzen (Berliner Zeitung, 07.06.):
Die Krankheit lässt sich mit Medikamenten gut behandeln, aber die Tabletten haben Nebenwirkungen wie etwa Bewegungsstörungen. Lässt man die Tabletten weg, geht es einem erstmal besser und man glaubt, man braucht sie nicht mehr. Bis die Symptome allmählich wiederkommen, Schlafstörungen, das Getriebensein, die Aggressivität. Schizophrenie erfordert meist eine lebenslange Therapie.Mir fällt ein, dass es erst vorige Woche eine Diskussion im Berliner Abgeordnetenhaus über die fehlende "Kultursensibilität" der Mehrheiten für die in Berlin lebenden Minderheiten gab. Vielleicht beeinflusst das den Staatsanwalt, vielleicht wird dieser politischer beeinflusst. Aber es stimmt ja auch. Wir müssen sensibler werden. Allerdings nicht für gekränkte, "ehrenmordende" Machos, sondern für die, die sie bedrohen. Wer von Gewalt in der Nachbarschaft hört, muss dabei kultursensibel den Hintergrund des Gewalt
Gestern Abend dann eine Wende in dem Fall: Der Tagesspiegel berichtet, dass ein Cousin, Mahmut S. , von Orhan vor sieben Jahren ebenfalls seine Frau ermordert hat, ebenfalls auf besonders grausame Weise (Tagesspiegel, 08.06.):
Der Vorsitzende des Vereins „Aufbruch Neukölln“, Kazim Erdogan "erinnert sich gut an den Fall", schreibt der TS. Ich frage mich allerdings, warum erinnert er sich erst, wenn er dazu befragt wird?
Das Forum tobt angesichts des neuen Blicks auf den Fall. Da die These von der Schuldunfähigkeit als vorschnell bewertet werden muss, wanken hier Weltbilder. Der Diskussionseröffner fragt allen Ernstes, welche Erkenntnisse diese Information bringen soll? Naja. Im Forum darf jeder seine Meinung sagen.
Die rotgrüne Argumentation, die die Anarchotäter in Schutz nimmt, und damit automatisch die mit diesen eingewanderten Frauen schutzlos ausliefert und zu Verantwortlichen zur VERHINDERUNG solcher Taten macht, geht so:
Ich hoffe aber, dass der Staatsanwalt nicht weiter so stark filtert und dem neuen Befund einfach mal nachgeht..
Und Achtung: Diesen Zusammenhang haben nicht Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelt. Sondern:
Im Alkoholrausch erwürgte S. am 4. Januar 2005 seine Frau Meyrem Ö.
Das ehemalige Mitglied der Linken-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Giyasettin Sayan, bestätigte dem Tagesspiegel, dass es sich bei den beiden Männern um Cousins handelt. Er hatte sich damals intensiv mit der Familie S. beschäftigt, da er zwischen den Familien des Täters und des Opfers „vermittelt“ hat, wie er selbst sagt, weil schon vor der Tat eine Art „Blutrache“ zu befürchten war.Auch Mahmut hat Kinder, fünft Stück. Die beiden völlig übersteuerten Mörder haben elf eigenen Kindern die Mütter genommen. Um sie kümmern sich Jugendheime und ämter.
Der Vorsitzende des Vereins „Aufbruch Neukölln“, Kazim Erdogan "erinnert sich gut an den Fall", schreibt der TS. Ich frage mich allerdings, warum erinnert er sich erst, wenn er dazu befragt wird?
Das Forum tobt angesichts des neuen Blicks auf den Fall. Da die These von der Schuldunfähigkeit als vorschnell bewertet werden muss, wanken hier Weltbilder. Der Diskussionseröffner fragt allen Ernstes, welche Erkenntnisse diese Information bringen soll? Naja. Im Forum darf jeder seine Meinung sagen.
Die rotgrüne Argumentation, die die Anarchotäter in Schutz nimmt, und damit automatisch die mit diesen eingewanderten Frauen schutzlos ausliefert und zu Verantwortlichen zur VERHINDERUNG solcher Taten macht, geht so:
- Der Mann "war chancenlos". Falsch: Als Schulabbrecher hat er sich selbst aller Chancen beraubt.
- Man spricht einerseits von "Migrationshintergrund" für den wir bitteschön "kultursensibel" zu sein haben. Wenn sich prägende Merkmale wie Machoanarchismus in den Vordergrund schieben, dann wird der kulturelle Einfluss ganz schnell weggeschaltet.
- Eingeschaltet wird dann ein anderer kultureller Hintergrund, nämlich unser. Wir "als Gesellschaft" sollen dann noch sensibler und noch aufmerksamer sein und den Tätern noch mehr Chancen hinterher tragen.
Ich hoffe aber, dass der Staatsanwalt nicht weiter so stark filtert und dem neuen Befund einfach mal nachgeht..
Mittwoch, 6. Juni 2012
Ein Rundgang um den Tatort Kreuzberg
Als ich die trauernden Frauen da stehen sah, an der Stelle im Hof, auf die der Mörder den abgetrennten Kopf seiner Ehefrau hatte fallen lassen, da ergriff es mich nicht mehr länger nur im Kopf, sondern körperlich. Sie standen vor den Blumen und dem Foto der Ermordeten und schwiegen. Steht man an einem Tatort unvorstellbarer Grausamkeit, wird man in der Tat sprachlos, vor Entsetzen und Trauer.
Das erste Foto unten zeigt rechts, mit violetter Fassade, das Haus, auf dessen Dachterrasse es passierte. Die Straße in der ich das Foto aufnahm kreuzt die Köthener Straße. Im weiteren Verlauf führt eine Treppe auf den Übergang zum Potsdamer Platz, dessen Gebäude man ganz hinten sieht. Es stimmt, hier wohnen gestrandete Einwanderer neben Studenten der Technischen Kunsthochschule fast Tür an Tür mit den "Gentrifizierern" und den überheblichen Angestellten von Pfizer am Potsdamer Platz. Aber mit Gentrifizierung hat diese Tat überhaupt nichts zu tun. Das hätten nur einige grüne Bezirkspolitiker gerne, die jetzt vor den Scherben ihrer gescheiterten "Integrationspolitik" stehen.
Der Mörder Orhan S. rief seinen Gott Allah an, als er die Messer wetzte. Wäre er ein Glatzkopf gewesen, der seinen Führer angerufen hätte, wäre sonnenklar, welche Schlagzeilen in dieser Woche die Medien beherrschen würden. So aber recherchiert der Tagesspiegel die entlastenden Befunde für den Täter. Gestern zitierte er Experten, die via Ferndiagnose feststellten: Gerade aus der Grausamkeit der Tat müsse man schließen, dass der Mörder entweder unter Drogen gestanden oder umgekehrt auf Entzug gewesen sein muss. Heute legen sie nach: Heute war die Tat nicht mal mehr grausam genug, um als Mord durchzugehen. Tagesspiegel wörtlich (Link): "Weil die Frau schon tot war, als er sie köpfte und zerstückelte", sei das Mordkriterium besondere Grausamkeit nicht gegeben.
Gehen wir weiter und vergessen vor lauter Sprachlosigkeit das Atmen nicht. Direkt nebenan die berühmten Hansa Tonstudios. Und gegenüber sind der Bundesumweltminister und die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit sowie KPMG "abgestiegen."
Berlin gibt sehr viel Geld (das es nicht hat) für Beratungs-, Integrations- und sonst was für Stellen aus. Mit "Häkeln für Migrantinnen" kümmert man sich allerdings bequemerweise nicht um die, die das Problem sind: Die Frauen. Es sind die Frauen, die schnell verstehen, dass man in Deutschland etwas erreichen kann, wenn man in Schule und Ausbildung die Gelegenheit beim Schopfe packt. Nicht wenige studieren oder machen sich selbständig. Wer mit ihnen nicht mitkommt, sind ihre gleichaltrigen Männer. Die bevorzugen es, auf dem Schulhof mit Dummheit zu glänzen, sich in den Schritt zu packen und die Größe ihrer gestern geraubten Smarktphones zu vergleichen. Nein, das ist keine Projektion oder Vorurteil, ich habe es in der S-Bahn schon selbst mitbekommen.
Diese Männer machen bei den schlauen Miteinwanderinnen keinen Schnitt. Deshalb fordern sie bei ihren Eltern in Anatolien "Importbräute" an. Eine von ihnen war die Ermorderte. Sie wurde gezwungen, sie kannte hier fast niemanden und lebte wohl vor allem für ihre Kinder. Ihr Mann lebte orientalische Traditionen aus und gönnte sich gleich noch eine Nebenfrau. Als beide Frauen von einander erfuhren, drohten sie mit Trennung. Zu viel für den Gekränkten, er musste zur Tat schreiten.
Ist das ein Einzelfall? Nein, familiäre Gewalt ist alltäglich. Hat es was mit Religion zu tun? Ich würde sagen: Ja, weil er Gott anrief, was auch immer er ihm glaubte beweisen zu müssen. Hat es was mit Integrationspolitik zu tun? Ja, besonders mit dem Scheitern des Konzeptes, das auf "Angeboten" basiert. Gewaltbereiten Männern darf man keine Angebote machen, man muss ihnen Grenzen setzen. Auch seitens Politik und Polizei.
Aber so wie die Dinge liegen, drohen dem Mann, wenn er nicht als völlig schuldunfähig begutachtet wird, ca. 5 Jahre wegen Totschlages unter Drogeneinfluss.
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