Mittwoch, 19. August 2020

Gefilmter Kapitalismus

Zitate aus dem Film "Zeit der Kannibalen", einem Kammerspiel mit drei Unternehmensberatern in afrikanischen Hotelzimmern. Der Film wurde 2013 oder 2014 gedreht. In einer Zeit also, als wir im Westen noch von Marktwirtschaft und Meinungsfreiheit geprägt waren. 

Die drei Berater verbringen ihr Leben eigentlich nur in Hotelzimmern. Hier wird telefoniert, Präsentationen gezeigt, Kundengespräche geführt und es wird mit der Zentrale über Video konferiert.

Ursprünglich war der Film wohl als Persiflage auf das tlw. absurde Leben und Selbstverständnis von Managementberatern a la Mc Kinsey gedacht. Wie sie weltfremd, ohne die beratenen Unternehmen oder Institutionen auch nur mal betreten zu haben, über den Schicksale mitentscheiden.

Inzwischen lese ich den Film aber auch als Archiv für Marktwirtschaft. Denn trotz allem gab es hier einen Konsens darüber, dass Unternehmen profitabel sein müssen, dass Märkte Chancen sind und dass man mit Dschihadisten kurzen Prozess zu machen hat. Und so entsteht der folgende Dialog. Beraterin Bianca März (gespielt von Katharine Schüttler) schaut aus dem Fenster, sieht bürgerkriegsähnliche Szenen. 

Ihr Kollege Frank Böllers bezeichnet die eindeutig zu hörenden Gewehr- und MG-Salven:

"Das ist der Sound des Dschihad."

März fragt ihn:

"Und Du glaubst, der Kapitalismus kann die Welt retten?" - 

"Nein, der Kapitalismus soll diese Welt (des Terrors) zerstören!"

So einen Satz würde heute kein ARD oder ZDF Einkäufer mehr genehmigen. Die Gefahr einer Zustimmung des Publikums zu Frank Öllers Sicht wäre zu groß. Diese Sicht gilt heute als "rechts".

Zuvor hatte Bianca März an der Hotelbar zu Protokoll gegeben, allerdings mehr als Toast:

"Keiner hat mehr Spaß am Kapitalismus, außer den Chinesen."

Heute könnte man ergänzen: .. und Donald Trump. Und genau deshalb würde diese Steilvorlage vom Zensor gestrichen werden.

Geradezu philosophisch auch das folgende Zitat. Es geht um die Frage ob es von Vor- oder Nachteil ist, wenn die Globalisierung, nicht zuletzt durch die Standardvorlagen von Beratern, die Welt in ihrem Ablauf und ihrer Funktionalität vereinheitlicht. Kai Niederländer, der Dritte im Bunde sagt dazu:

"Das ist der große globale funktionale Konsens. In der durch Standardisierung und Automatisierung gewonnen Zeit kann man darüber nachdenken, wie man es noch besser machen kann."

So ein Satz würde heute nicht von der Zensur gestrichen werden müssen. Denn so ein Satz würde einem heutigen, konformen Drehbuchautor schon gar nicht mehr einfallen. Effizienz, Wirtschaftlichkeit, Gestaltung sind heute keine Kriterien mehr, in denen unsere Gesellschaften über sich selbst nachdenken.

Ich entdecke an diesem Film, den man in der Megathek von arte (oder war es 3sat?) findet, wie über manche Dinge meine Meinung dadurch geändert habe, dass sich die Welt um mich herum verändert hat. Ich neige dazu, zum Mainstream die Gegenposition einzunehmen. 

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