Dienstag, 27. Oktober 2020

Weltspartag, Halloween, Allerheiligen

 Bei uns zu Hause stand ein Sparschwein im Küchenregal. So, dass man nach dem Auspacken der Einkäufe das Klimpergeld aus dem Portemonnaie gleich los werden konnte. Dieses Sparschwein war uns Kindern gewidmet. Auch wohltätige Verwandte (Großeltern) durften hier, wenn sie wollten ;-).

Und einmal im Jahr, zum Weltspartag, wurde das Sparschwein geöffnet. Und zwar am "Weltspartag". Die Sparkasse bewarb diesen immer rechtzeitig in ihrem Schaufenster. Als ich in der Grundschule war, wurden wir aufgerufen, am Weltspartag, dem Letzten im Oktober, unsere Spardosen und -schweine mitzubringen. Eltern waren mit eingeladen. Wer wollte konnte sein Sparbuch mitbringen, damit das Ersparte nicht in bar nach der Schule verprasst würde ;-)

Im Sachunterricht wurde uns erklärt, wozu Sparen gut ist und das leuchtete mir unmittelbar ein. Und dann wurden wir von der Klassenlehrerin in die Aula geführt. Wir stellten uns da an, wo sonst nach den Sommerferien die Bücher ausgegeben wurden. In Schlange stehend verglichen wir die Gewichte unserer Spardosen uns -schweine und schüttelten sie heftig. Dann kam der spannende Moment. Man stellte sein Sparschwein hin und der Sparkassenbeamte öffnete es und zählte laut vor. Dann fragte er "Sparbuch oder bar" und die Mutter antwortete: "Sparbuch". Zur Belohnung und damit wir Kinder nicht enttäuscht waren, bekamen wir noch Werbegeschenke von der Sparkasse. Eine eigene Spardose oder ähnliches.

Und mit der lernte ich dann auf eigene Faust zu sparen. Wechselgeld vom Taschengeld kam in diese Spardose. Ich zog mir immer eine Grenze, bis zu welchem Nennwert Münzgeld in die Dose kam. Bis 2 DM-Stücke war es noch zu verkraften. Aber Fünfer zu sammeln bekam ich nur selten hin. 

Der Lerneffekt des Sparens ist ja: Es tut nicht weh, wenn man es tut. Aber man belohnt sich am Zahltag selbst (gefühlt fast wie aus dem Nichts). 

Die Sparkasse entwickelte mit ihren wiederkehrenden Aktionen bei mir damit auch einen Sinn fürs Geld überhaupt. Auf dem Heimweg von der Schule las ich immer die Aktienkurse auf der Schautafel an der Eingangstür. Ich merkte mir die Kurse von Unternehmen, die ich kannte. Insbesondere den vom Stromversorger VEW. Und solange ich diesen Kurs las kannte er nur eine Richtung: Nach oben. 

Der Weltspartag liegt fünf Wochen nach meinem Geburtstag, vier Wochen nach Erntedank (womit er meiner Meinung nach noch am ehesten korrespondiert) und einen Tag vor Allerheiligen, was in NRW ein Feiertag ist. Gefühlt markierte er auch den Wechsel von den leuchtenden Herbsttagen zum grauen, nebligen November. 

An Allerheiligen war es damals oft schon spürbar kalt. Manchmal hatten wir schon die erste Frostnacht gehabt. Wir gingen mit Einbruch der Dunkelheit mit Teelichtern und Tannenschmuck auf den Friedhof. Meine Oma begleitete uns. Die Erwachsenen trugen ihre guten Sachen, gerne einen Persianer- oder Kamelhaarmantel. An den Gräbern angekommen, entzündeten sie Teelichter, schoben sie in das rote Glas und stellten diese auf die Gräber. Dazu der Tannenschmuck. Und das taten nicht nur wir, sondern viele andere. So dass es auf dem dunklen Friedhof überall schimmernde und flackernde Teelichter gab. 

Für mich als Kind war das immer der Beginn der Vorweihnachtszeit, denn optisch sah es schon fast aus wie Advent. Man beging solche Tage damals ja wirklich leise. Ich weiß nicht, was meine Oma und meine Eltern an den Gräbern dachten. Man kann dort ja wirklich gedenken und Andenken. Man kann aber auch rein mit dem Ritual beschäftigt sein (und vielleicht sogar froh darüber). 

Halloween gab es damals noch überhaupt nicht. Wohl aber den Geburtstag eines Schulfreundes einen Tag nach Allerheiligen. Und so war der Wechsel von Oktober auf November damals schon eine gestaltete Zeit. 

Übrig geblieben ist davon heute nur noch Halloween. Die Kinder laufen am 31. Oktober abends tatsächlich um die Häuser Berlins und sagen "Süßes, sonst gibts Saures". Die Supermärkte verkaufen extra dafür große Bonbontüten. 

Ich habe nichts gegen Halloween. Ja, es kommt aus dem Keltischen, aber es ist auch ein Gedenken an tote Helden (bzw. Heilige). Und meiner Generation wurde es erst mit dem Carpenterfilm  bekannt. Irgendwann feierten wir die erste Halloweenparty. Damit war der Wechsel vom stillen Gedenken mit Kerzen an echten Gräbern von eigenen Verwandten zum hellen, schaurigen Feiern vollzogen. Es ist in dem Sinne auch ein Gedenken, weil der Raum voller Todesandeutungen ist. Aber zwischen 20 und 30 bezieht man das ja nicht auf sich, sondern sucht eher den sanften Schauder.

Heute ist mir wieder mehr danach, Allerheiligen so wie in der Kindheit zu begehen. Denn stille, schwere Gedenkfeste haben wir im Jahr eigentlich nur noch bei Beerdigungen. Und das muss ja nicht sein.



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