Sonntag, 23. April 2023

Berufliche Reiseflughöhe bereits verlassen...

Mein Diplom in Elektrotechnik an der Uni war hart erarbeitet. Dafür fühlte ich mich anschließend wie ein Allrounder Ingenieur. Genauer gesagt: Ein Ingenieur, der in allen Disziplinen mindestens prinzipiell mitreden könne. Bis heute hilft es mir, mich schnell in andere technische Themen einzuarbeiten. Bei Produkten wie dem Auto kommen inzwischen auch so gut wie alle Disziplinen vor.

Was ich aber schnell merkte: Projektmanagement und Entwicklungsmethoden kamen überhaupt nicht dran. Und sie vermisste ich nach einigen Jahren am meisten. 

Nicht in meinem ersten Job als Planungsingenieur im Corporate Netzwerk eines großen Energieversorgers. Da sagte der Lieferant aus München, wo es lang ging. Ich sorgte eigentlich nur für die Budgetierung, Beauftragung und Rechnungskontrolle. Das einzige Engineering war, dass ich die Reihenfolge und Ausstattung der Bauprojekte für unsere Netzstandorte mitbestimmen konnte. Aber zeitlich überwog das Kaufmännische. Ingenieure waren Ende der 90er Jahre auch eher verpönt, die Arbeitsmarktlage war nicht gut. 

Das änderte sich aber schnell mit der Liberalisierung und dem Fortschritt in Telekommunikation und  Internet. Hier zählte technisches Verständnis, am liebsten in Kombination mit fachlichem Anwenderwissen. 

Ich ging in die Beratung und lernte schnell: Ich habe kein Projektmanagement gelernt. Jeder schrieb einen Projektplan auf Basis seines Vorgängers. Die Vorgehensweisen Anfang der 2000er Jahre waren methodisch kein Vergleich mit den heutigen strukturierten Methoden. Trotzdem wurde ich Projektleiter. Weil ich ein Projekt bei einem Kunden aus meiner früheren Branche akquiriert hatte. Ich konnte gut die Zusammenhänge und das Ziel formulieren. Aber wirklich Ahnung von der Leitung eines IT-Projektes hatte ich nicht. Wir wurschtelten uns durch und schrieben Rechnungen, die ich haute auf Kundenseite nicht mehr akzeptieren würde.

Nicht viel besser bei meinem Start in der Automobilbranche, einer Elektronikstochter eines großen Herstellers. Ich kannte mich nun aus in elektrischer Energietechnik und den Basics von Softwareprojekten. So weit so gut. Aber ich kam nicht in ein Projekt, das meinen Kenntnissen entsprechend, sondern direkt ins Infotainment. In ein Standardisierungsprojekt. Das war noch mal die Steigerung von Spezifikationsarbeit, denn jetzt sollte sie für die Lieferkette gelten und zwischen allen Mitgliedern des Standards abgestimmt werden. Ich fragte mich immer wieder, warum Dienstleister und Berater so ticken, dass ihnen beim Einsatz ihrer Berater Verfügbarkeit über passendes Profil geht. 

Erst nach meinem Wechsel zum Hersteller wurde es besser. Hier gab es einen Produktentwicklungsprozess aus Meilensteinen. Endlich eine Orientierung. Und Projektmanagement gehörte hier zur obligatorischen Weiterbildung. Endlich! Technisch war mein Studium immer noch brauchbar, obwohl 15 Jahre vergangen waren. Aber methodisch lernte ich nun immens dazu. 

Und seitdem flutscht es - eigentlich. Wenn viele angesammelte Puzzleteile plötzlich ein Bild ergeben, dann geht es los. Und erst damit lernte ich, wie toll eigentlich der Ingenieursberuf ist. Es gibt nichts Erhebenderes als mit Systemarchitekten an der Tafel zu stehen und gemeinsam zu entwickeln, was wir brauchen, um etwas machen zu können. Und sich dabei gut zu verstehen. Am besten erlebte ich es im Ausland, in Schweden. Wir brachten eine Programmstruktur für ein komplexes, vernetztes Steuergerät zum Laufen.

Und seitdem, wieder zurück in Deutschland und den Grünen an der Regierung geht es leider schon wieder bergab. Ich erlebe um mich herum, wie Anforderungen an Personal und Vorgehensweisen abgesenkt werden. Nachdem ich nun selbst im Sattel bin und Reiten kann, erlebe ich wie von Management bis zum Nachwuchs fachliche Kompetenz wieder entwertet wird.

Bachelors of Arts, vorzugsweise Geistes- und Sprach"Wissenschaftlerinnen" dominieren inzwischen unsere agilen Communities. Und fragen zum Einstieg, welches Tier wir heute sein wollen. Es sprießen AGs zu Diversity und Women in Leadership aus dem Boden. Es machen Leute Karriere, die vieles angefangen haben und schnell weiter befördert wurden und ihren Nachfolgern Chaos hinterlassen. Es ist binnen kurzer Zeit eine ganz andere Arbeitskultur aus Inkompetenzen geworden. Und man feiert sich sogar dafür. Man bietet sich in Vorstellungsgesprächen jetzt mit "Passion" statt Kompetenz an, denn man kann "ja alles lernen, wenn Sie es mir gut genug beibringen". In "Fucked-up Nights" protzt man mit an die Wand gefahrenen Projekten - und davon gibt es in Deutschland genug..

Das einzig Gute daran für mich haben Danisch und andere bereits geschrieben. Wir erledigen in diesen Umgebungen unsere Arbeit mit einem Bruchteil der geplanten Zeit. Ich höre die Frage, warum ich denn schon wieder unzufrieden sei, noch öfter. Denn wenn Langeweile mein einziges Problem sei, dann hätte ich gar keines. 

Tja, die Erfüllung wahren Schaffens ist jemandem schwer zu erklären, der es noch nie gemacht hat. Wenn ich bei uns erkläre, berichte und schwärme höre ich meist: "Ach komm, die kochen auch nur mit Wasser." Sie versuchen, mich auf ihr Niveau herunter zu ziehen. Manche warnen mich sogar, ich solle meine Unzufriedenheit und Kritik nicht all zu vernehmlich machen.

Ehrlich gesagt rechne ich in naher Zukunft mit "Angeboten" für die "teuren Spezialisten". Denn man hat jetzt zwei Programmierschulen eröffnet in denen man Quereinsteiger zu Softwareentwicklern weiterbildet. Voraussetzungen gibt es keine. "Bringe Passion mit, alles andere haben wir." Angelernte Programmierer für sicherheitsrelevante Funktionen?

Nee, wieder ein Grund, sich von den spannenden Projekten lieber fern zu halten. Gerade kam die Nachricht, dass voriges Jahr 2 Mio Deutsche ausgewandert sind, die meisten nach Portugal. Portugal habe ich auch im persönlichen Umfeld oft als Auswanderungsziel gehört. Sonne, Strand, die Eurorente kommt, und Amerika kann man am Horizont schon erahnen...


Samstag, 22. April 2023

Die schwindende Reife im Geschäftsleben

 Erste Szene:

"Ihr Termin zum Räderwechseln fällt leider aus. Der Radsatz ist nicht angekommen. Wir melden uns wieder."

Es vergehen anderthalb Wochen. Dann melde ich mich und frage, ob inzwischen ein Termin in Sicht sei. Antwort:

"Ja, der Radsatz ist schon seit langem da. Schön dass Sie sich melden, dann können wir einen Termin machen."

Zweite Szene:

Ein Kollege arbeitet eine Vorgehensweise für die Behördengenehmigung (Zulassung) von Produktbauteilen aus. Er lädt zig Verantwortliche ein, die den Begriff "Verantwortlicher" in ihrer Rollen- und Aufgabenbeschreibung haben, zu einer Inforveranstaltung ein. Er macht alle Informationen zugreifbar und verteilt "Einseiter", auf denen alles in Bildern erklärt ist. So weit so gut.

Melden sich nach der Veranstaltung mehrere "Verantwortliche" per Email bei meinem Kollegen: "Du, das ist ja sehr kompliziert. Bitte achte mit darauf, dass ich da nichts vergesse und melde Dich, wenn ich da etwas übersehe." Sie melden sich schriftlich, weil sie glauben, sich so abgesichert zu haben und die Verantwortung an den Kollegen abgeschoben zu haben.

Dritte Szene:

Deutsche Bahn. Antwort einer Zugchefin zu einem Kunden, der wegen der Zugverspätung einen Termin verpasst:

"Aber man weiß doch, dass wir Probleme mit der Pünktlichkeit haben, das muss man bei der Reiseplanung doch berücksichtigen."

Vierte Szene:

Hausverwaltung einer Eigentümergemeinschaft. Antrag eines Miteigentümers, die Zustimmung der ETG zum Austausch zweier Fenster auf die nächste Versammlungsagenda zu setzen. 

Antwort der Verwaltung, danach mischt sich noch ein Beirat ein::

"Haben Sie einen Beleg, dass Sie die Genehmigung brauchen?"

"Nein,, in Ihrem Onlinearchiv habe ich dazu nichts gefunden deshalb habe ich mich auf das WEG Gesetz  berufen. Wir müssen die Zustimmung und Kostenträgerschaft klären."

"Können Sie mir das Gesetz mal zu mailen?" (Es zu kennen, genau so wie die geltenden Regelungen der ETG, ist eigentlich Aufgabe der Hausverwaltung. Aber weil ich mir die Mühe der Recherche gemacht habe, kann ich die Absicherung des Vorgehens aus Sicht des Hausverwalters gleich ganz übernehmen. Aber das ist noch nicht alles, es meldet sich der Beirat.")

"Das brauchen wir nicht. Meine Fenster habe ich der früheren HV einfach zur Kenntnis und formalen Zustimmung gegeben."

"Wo steht, dass wir so vorgehen?"

"Das steht in einer Email des Mitbeirates an eine Miteigentümerin, als die die gleiche Frage hatte."

"Aber diese Email kennen nur Sie drei. Wo ist das geregelt?"

Schweigen. Seitdem herrscht Schweigen. Weitere Nachfragen wie es weitergeht, bleiben unbeantwortet.


All diesen Szenarien ist folgendes gemeinsam:

  1. Niemand fühlt sich mehr für irgendetwas verantwortlich - lässt sich für die Funktion aber gerne so beauftragen, ansehen und bezahlen.
  2. Jeder, auch ein mandatierter Funktionsträger, wurschtelt sich nur irgendwie durch. Die Mühe, Vorgehensweisen zu besprechen und zu verankern, um Rechts- und Investitionssicherheit zu schaffen, macht sich keiner mehr.
  3. Wenn es schwierig wird, taucht man ab. Oder hängt die Verantwortung jemanden um, der sich schon mehr als er müsste um die Sache gekümmert hat, weil er um die Unfähigkeit der anderen weiß.
  4. Die Unfähigkeit der Verantwortlichen wird als bekannt vorausgesetzt und zur Grundlage einer Verschiebung der Verantwortung vom Verantwortlichen auf den Gewissenhaften angesehen.
  5. Das Amt füllt die Leute aus, nicht mehr umgekehrt.

Montag, 3. April 2023

Immobilienmarkt

Markus Krall zitierte neulich einen Makler. Demnach sind die Immobilienpreise seit Jahresanfang 2023 um 30% eingebrochen. Der Absatz sei sigar um 80% zurückgegangen. Grund dafür ist natürlich die schnelle Zinsanhebung.

Was gerade passiert, und sich noch beschleunigen wird, ist doch folgendes:

  • Sukzessive laufen Zinsbindungsfristen aus. Da der Beginn der Nullzinspolitik schon etwa 10 Jahre zurück liegt, laufen auch langfristige Bindungen aus.
  • Die Anschlussfinanzierung fällt bedeutend teurer aus, da muss jeder Bankkunde erstmal neu rechnen.
  • Wer die neue Zinslast nicht stemmen kann, muss verkaufen.
  • Und dann kommt das neue Risiko: Die Preise fallen.
Nicht alle werden unter das Niveau ihres eigenen Kaufpreises zurückfallen. Die Immobilienblase hatte sich ja über die Jahre aufgebaut, nicht jeder fällt jetzt unter seinen damaligen Kaufpreis. Aber die Nebenkosten muss man auch noch bedenken.

Es wird also einen gewissen Anteil geben, der seine Hypothek auch bei einem Verkauf nicht mehr tilgen kann. Und da wird es ganz schwierig.

Bei Neubauprojekten kann es sogar zu einer regelrechten Kapitalvernichtung kommen. Nämlich dann, wenn eine wichtige Bauphase nicht mehr abgeschlossen werden kann und der Rohbau selbst Schäden oder Mängel erleidet. Dann kann man noch nicht mal mehr notverkaufen. Und vor veropuschten Rohbauangebiten sei gewarnt

Das wird private und gewerbliche Immobilienkunden treffen. Aber auch deren Banken. Denn die verlustbehafteten  Sicherheiten (Grundbuch) nutzen ihnen dann auch nur noch begrenzt.

Und da kommt es jetzt auf das individuelle Risikoprofil jeder einzelnen Bank an.

Für zahlungsfähige Interessenten an Bestandsimmobilien kommen jetzt interessante Zeiten. Da bin ich mal gespannt, wie viel Unterhaken und Zusammenhalt dann noch zählen...

Freitag, 31. März 2023

Trump Klage, Vulkan Files - womit Ihr Euch beschäftigen sollt

 Was n-tv, ARD, ZDF, SZ und ZEIT kaum beschäftigte:

  • Das Risikomanagement der gescheiterten Silicon Valley Bank war vor allem mit Diversion Events beschäftigt. Als Gläubiger hätte ich da jetzt Puls.
  • Die Twitter Files belegen, wie krass die US-Regierung Einfluss auf die Zensur bei Twitter genommen hat. Sie belegen alle Hinweise und Verdachtsmomente. Sie kehren die frühere Propaganda der "Democrats" um, Russland hätte Einfluss auf US-Wahlen genommen. Das Gegenteil ist wahr: US Demokraten nahmen massiv Einfluss auf Wahlen in den USA, indem sie Filter und Zensur bei populären Social Media Plattformen installierten und kontrollierten.
Beides wäre früher Recherchen, Berichte und Kommentare wert gewesen. Heute wird das in den dominierenden Medien einfach weggefiltert. Stattdessen werfen sie uns Meldungen hin, mit denen wir uns beschäftigen sollen:
  • Klage gegen Trump wegen einer Weitergeschickte.
  • Vulkan Files belegen irgendwas mit Putin und Hackern.
Seit den Rausschmissen linienuntreuer BILD Redakteure wissen wir: wer kritisch über linksliberale Politiker oder gar Minister schreibt, muss gehen. Oft finden sich "Zeuginnen", die sich nach Jahren plötzlich an sexuelle Übergriffe eines Redakteurs, am liebsten Chefredakteurs, erinnern. In den USA klagen Darstellerinnen haufenweise gegen Regisseure, an die sie sich mal rangemacht hatten, um irgendwo mal eine Rolle zu kriegen. Nachdem sie bekommen hatten was sie wollten, wollen sie heute ihren Einsatz zurück und ihrer verkümmerten Prominenz einen Opferschub geben. Dabei gehen reihenweise Lebensläufe und Rufe verdienter Regisseure drauf. Aber der dominierende Minderheitenmainstream hat da keine Gnade. Was geschaffen wurde, muss abgerissen werden. Was noch etwas Wert hat, muss ergaunert werden.

Das Silicon Valley scheint eines der Epizentren zu sein, wo Diversion über alles geht. Zum Beispiel auch über Qualität. Seitdem Tim Cook CEO von Apple ist, hat diese Firma eigentlich nichts Neues mehr herausgebracht. Stattdessen haben Qualitätsprobleme mit veröffentlichten Betriebssystem Updates massiv zugenommen. So können User, die die neueste MacOS Version Ventura installiert haben, häufig ihre über USB verbundene Peripherie (Monitore, externe Laufwerke,..) nicht mehr benutzen. Das gab es unter Steve Jobs nie. Unter seiner Führung war Software von Apple gehärtet wie ein Metallgehäuse. Heute sollst Du bei Produktupdates Ankündigen vor allem mitzählen, ob die auftretenden Unternehmensvertreter alle Minderheitenquoten erfüllen. Wirklich Neues verkünden sie kaum noch.



Donnerstag, 30. März 2023

Sie haben Dilbert abgeholt

 Die VDI Webseite Ingenieur.de hat die deutschsprachigen Dilbert Comic von ihrer Seite genommen. Bei Apple Books gibt es keine Bücher mehr von Scott Adams. Und bei Amazon gibt es nur noch englisch sprachige Bücher von Scott Adams.

Wer auch heute noch Dilbert Fan ist, sollte sich sputen. Einige deutsche Online Buchhändler bieten Scott Adams noch an. Aber ich weiß nicht, ob die Verlage sie weiterhin beliefern oder ob das schon Restbestände sind.

Was ist passiert?

Scott Adams soll sich im Februar 2023 "rassitisch" geäußert haben. Etwa in dem Sinne, man solle sich von bestimmten Leuten Fernhalten. Mehr weiß ich nicht und ich will es auch nicht wissen. Vielleicht wurde Scott nur ohne Kontext zitiert? Und wer weiß, was ich in einem Interview über Kreuzberg oder Neukölln sagen würde, wenn man mich kurz nach Silvester interviewen würde?

Ich weiß nicht, wie ich reagieren kann. Die Dilbert Streifen sprechen bis heute die Wahrheit. Auch über Maskenpflichten, die Scott Adams ohne Scheu aufs Korn genommen hatte. Aber wahrscheinlich setzte er sich genau damit auf die Fahndungsliste. Und dann kam das Ende.

Cancel ist keine Kultur. Cancel ist eine Vorstufe zu Faschismus. Bücher aus dem Sortiment zu nehmen, Comics von einer Webseite zu nehmen ist nicht so viel anders als Bücher zu verbrennen.

Montag, 27. März 2023

Berliner lehnen Notstandsgesetze für Klimalobbyisten ab

 Der Berliner Volksentscheid über eine Verschärfung des Klimagesetzes ist nicht nur am Quorum (der Mindestanzahl von Ja-Stimmen) gescheitert. Auch die aktiven Nein-Stimmen waren fast so viele wie die Ja-Stimmen. Dafür war keine Nein-Kampagne nötig. Die letzten Meldungen über Habecks Pläne über ein geplantes Verbotsgesetz für Öl- und Gasheizungen genügte. Denn jetzt wird sogar Grünwählern langsam klar, wie teuer die grünen Phantastereien für sie werden. Genützt hätte der Verschärfungsvorschlag nur den Spendern des Volksentscheids: US-Oligarchen, Investmentgesellschaften und grünen Unternehmern.

Hier geht es zum Wortlaut des Antrags: https://www.berlin2030.org/wp-content/uploads/2023/01/Berlin-2030-Klimaneutral-Gesetzestext.pdf

Darin stehen Dinge wie:

- Umwandlung von CO2-Zielen in Pflichten

- Harte Durchgriffe für Sofortmaßnahmen bei Nichterreichung der Pflichten - quasi ein Notstandsgesetz für alles rund um CO2-Einsparung.

- Beibehaltung der Ausnahmen für die Pflichten der öffentlichen Hand. Politik und Verwaltung sollen sich nie selbst dem Stress aussetzen, den sie ihren Bürgern auferlegen. So viel zur Ernsthaftigkeit der Klimasorgen und den wahren Zielen der Antragsteller.

Der Verantwortliche der Kampagne heißt Stefan Zimmer. Er wohnt in Berlin und ist von Beruf Soziologe (LinkedIn Lebenslauf). Er betreibt eine PR-Agentur - vorzugsweise vermutlich für die gleiche Lobby, die zu den Spendern der Kampagne steht.

Hier die Ergebnisse für Berlin, Spandau und mein Wahlbüro. Es ist repräsentativ für alle Außenbezirke Berlins, in denen nicht die Nutznießer der teuren Transformationsziele leben, sondern die, die sie bezahlen müssten: wertschöpfende Steuerzahler

Quelle: https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/BE2023/AFSPRAES/ve/ergebnisse.html





Sonntag, 26. März 2023

Ist Konsum die letzte Anlageoption?

 Zu den grundfesten Überzeugungen, die wir vielleicht aufgeben müssen, gehört die Vorstellung eines langfristig immer steigenden Aktienmarktes. Ich weiß noch, wie ich vor 27 Jahren zu Beginn meines Berufslebens so schnell wie möglich auch ins Börsengeschehen einsteigen wollte. Und es noch nicht konnte, weil ein klassisches Depot bei Banken und Sparkessen hohe Gebühren kostete und ich den neuen Onlinebanken Consors und Comdirect noch nicht traute. Der Auslöser war damals der Boom an den Technologiebörsen, die neu gegründeten Internetunternehmen und mein fester Glaube, dass das die Zukunft sein werde. 

Ich las eine Zeit lang nur Finanzzeitungen um zu lernen. Zu meinen Erkenntnissen gehörte, dass die Börsen in den Jahren zuvor langfristig immer gestiegen waren. Wer die Nerven behalten hatte, und sich auch von zwischenzeitlichen Crashs nicht entmutigen ließ, wurde langfristig immer belohnt. Und das war für mich dann auch das wichtigste Argument, für meine Rente mit Fondssparen vorzusorgen. Schon damals hieß es, dass meine Generation besser selbst für die Rente vorsorgen solle.

Diese Grundweisheit "langfristig gewinnst Du immer" basierte auf der unbewussten Annahme, dass die Zinsen immer weiter sanken und die globale Arbeitsteilung immer weiter wuchs. Es war weniger Idealismus und Begeisterung für Technologie und Wettbewerb, der die Aktienmärkte trieb, sondern die Verfügbarkeit von billigem Geld.

Und diese sehr lange Trend, der etwa 1980 begonnen hatte, ist 2022 zu Ende gegangen. Weil zuerst Corona Lockdowns, dann die Sanktionen gegen Russland und seine Verbündeten Waren verknappte und die Inflation zurückbrachte, leiteten FED und EZB Zinswenden ein. Das allein ändert viele eingeschliffene und für Entscheidungen zugrunde gelegte Randbedingungen. Aber das Tempo der Zinswende sorgt zusätzlich für Risiken, weil die Anleihekurse für niedrigzinsige Langläufer, die eigentlich als sichere Basisanlagen galten, gefallen sind. 

Mal abgesehen davon, dass jetzt jeder von uns die Gesundheit seiner Hausbank prüfen sollte. Was bedeutet es für unsere Langfristanlagen? Momentan gibt es überhaupt keine sicheren Anlageklassen. Selbst Tagesgeld verläuft in Zappelkurven. Und die Einlagensicherungen (gesetzlich bis 100.000 EUR, je nach Bank auch darüber) funktionieren nur, wenn einzelne Banken zusammenbrechen, nicht wenn alle gleichzeitig zusammenbrechen.

Die erste Antwort lautet natürlich: Gehe in Sachwerte.

Aber in welche? Immobilienpreise werden sinken, und man weiß nicht, wie viel Pfusch man sich dabei einhandelt. Der Goldpreis kratzt schon an der 2.000 EURO Marke für die Unze.

Also Aktien? Aber welche Branchen und welche Länder? Wenn ich mir den DAX anschaue, glaube ich nicht mehr an ihn, weil ich nicht mehr an Deutschland glaube. Frühere Brot-und-Butter-Unternehmen wie Stahl und Chemie sind verschwunden. Energie wird gerade "transformiert" und auf unsere Autobranche würde ich auch nicht mehr wetten. Die Regierungen in Deutschland und EU machen uns den Garaus und ein übriges trägt das sinkende Bildungsniveau des Nachwuchses bzw. der "neuen" Fachkräfte bei.

Schaue ich mir auf LinkedIn die Ausbildungen und Erfahrungen aktueller Wortführer von deutschen Unternehmen und Wortführern (ins. Wortführerinnen) an, sehe ich da fast durch die Bank überschätzte Fehlbesetzungen. Fällt Ihnen noch irgendein Unternehmer oder Manager ein, den Sie gerade bewundern? Irgendein Wissenschaftler, Autor, Musiker, Schauspieler etc. den Sie unbedingt sehen oder hören wollen? Mir nicht.

Woran man auch denken sollte: Man sollte seine Werte mit ins Ausland nehmen können oder von dort Zugriff auf sie haben. 

Was es bedeutet, nach einem langen produktiven Arbeitsleben plötzlich alles zu verlieren, haben viele Deutsche in den 1920er und 1940er Jahren erlebt. Man muss das für ein ganz reales Risiko halten. 

Meine Frau sagt: Wenn wir es nicht bewahren oder retten können, sollten wir dafür sorgen, dass wir selbst etwas davon haben: Es ausgeben.

Montag, 20. März 2023

"Bämm!"

Montagmorgen. Ich habe den Gedanken vergessen, den ich aufschreiben wollte. Grund dafür ist die 2-Faktor-Authentisierung, mit der Google mich beim Einloggen in meinen 20 Jahre alten Blog vom Thema abgelenkt hat. Zum Ausgleich gab Google mir dafür das Gefühl, produktiv gewesen zu sein. Ich kenne aus dem Fernsehen, vom Busfahren und von Diskussionen Leute, die das wirklich so empfinden würden.

Charles Chaplin und George Orwell lassen grüßen. Womit Leute sich heutzutage identifizieren, wird immer nichtiger. Aber ihre trotzige Freude darüber immer grotesker. Ich meine da nicht mal Andrea Nahles' "Bämm!", von dem niemand mehr weß, auch Google News nicht, was da der Anlass gewesen war.

Ich meine eher diese pathologischen Reaktionen von Fußballspielern nach einem Tor. Ich erinnere mich noch an die 70er, wenn der Schütze mit einem (senkrecht) nach oben gerecktem Arm auf seine Mitspieler zulief und hoch sprang. Heute läuft das seinen Return on Investment einlösende Asset als erstes zur Kamera, um seine Sichtbarkeit zu verhundertfachen. Sodann springt er einen ebenso sprungbereiten Kollegen so an, dass sie sich mit ihren Brustkörben treffen. So wie es nicht mal Affen tun. Oder die Meisterinnen der Künste (Masters of Arts) auf LinkedIn, wenn sie ein Selfie vom Kaffeetrinken mit de "wunderbaren" Chefin posten.

1913 hieß das Café Reinhard am Ku'damm noch "Café Größenwahn". Regiert heute noch Größenwahn die Bühne oder ist es nicht eher das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom für Erwachsene?

Es gibt doch überhaupt keine Errungenschaften mehr. Wenn man "1998" (als Titel eines Buches, das ich vielleicht mal schreibe) das Handelsblatt aufschlug, wurde man gefesselt von Börsengeschichten, von Interneterfindungen, von Neugründungen und von Liberalisierungen. Heute geht es dort nur noch um die neueste Regulierung, die die Staaten irgendeiner Industrie vorschreiben. Oder darum, wie Staaten gerade die Folgen ihrer Misswirtschaft zu kompensieren gedenken.

Madame Lagarde trägt ein neues Chanelkostüm. Die gelernte Dolmetscherin und Lehrerin Katrin Keller-Sutter verkündet die größte Bankenübernahme in der Geschichte der Schweiz, bei der die zum Zombie gemanagte Credit Suisse von der gesunden UBS aufgekauft werden soll, ohne dass die UBS-Aktionäre gefragt werden. Wer sich für schlauer als den Markt hält, handelt sonntags. 

Die meisten "Bämm!s" in der heutigen Geschäftswelt gibt es nicht für Erfindungen, Fortschritte oder gar Ergebnisse. Es gibt sie dann, wenn man dem höher qualifizierten Nebenbuhler einen reingewürgt hat. Wenn man der großen Transformation, zu der man auf LinkedIn gerne steht, mit einer einsamen Entscheidung gehörig Sand ins Getriebe gestreut hat. Wobei auch diese Metapher bald ausrangiert werden muss, denn Getriebe werden bald verboten und der Sand wird auch schon knapp.

Wer sich eher für Krimis interessiert, wird jetzt auch entschädigt. Während man den deutschen Krimi so wie den deutschen Film vergessen kann, bietet einem das echte Leben jetzt viel bessere. So etwa alle drei Tage sterben in Deutschland Unschuldige mal durch ein Messer, mal durch eine Waffe der Moderne. Und genau so abwechselnd fordern Vertreter des Staates mal schärfere Gesetze gegen Waffen, mal eine Generalamnestie für psychisch verwirrte Opfertäter. Ich schaue bei Messeropfern inzwischen immer zuerst nach den Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat des Tatortes. Wenn dort CDU, SPD oder Grüne regieren, hält sich mein Mitleid in Grenzen. Das ist mein "Bämm!" und es stört mich nicht, wenn es keiner hört.

Montag, 6. März 2023

Der künftige Angestelltenalltag

Du sollst zu Fuß zur Arbeit oder mit Bus und Bahn.

Die Bahn kommt nicht. Und wenn, dann musst Du Maske tragen.

Du bist Schuld am Klimawandel und trägst Verantwortung.

Du zahlst Höchstpreise für Sprit und ab morgen auch Wiedergutmachung an Afrika.

Du sollst Sozialtouristen bezahlen. Sei es, weil sie nun mal hier sind, oder damit sie nicht herkommen.

Du sollst die Sozialtouristen in Deiner Nachbarschaft dulden, in Grunewald und Prenzlberg ist für die kein Platz.

Die Zeit, die Du morgen vor den festgeklebten Bürger- und Bossbürgern versäumst, ist keine Arbeitszeit.

Donnerstag, 23. Februar 2023

Warum das Friedensmanifest die einzig tragbare Haltung ist

Die ersten klugen Worte über die Gewaltspirale in der Ukraine kamen von Klaus Dohnany. Der hatte gerade ein Buch über nationale Interessen und Geostrategien von Deutschland und Europa veröffentlicht. Lafontaine legte hierzu später eine Zugabe nach. 

Dohnany ging vom simpelsten, aber wirksamen Handwerkszeug aus, das Außenpolitiker früher beherrscht haben: Die Identifizierung der eigenen nationalen Interessen (Wohlstand in Frieden). Und er betrachtete die Interessen anderer Mächte, die Einfluss auf uns haben: Russland, China und USA. Und er erkannte, was schon Kohl und Genscher bei einer NATO Übung Ende der 80er Jahre erkannten: Die amerikanischen Interessen sind nicht deckungsgleich mit den europäischen und speziell den deutschen, wenn es um Sicherheitspolitik geht. 

Zum Kalkül der NATO Abschreckung und der später hinzugekommenen Erstschlagfähigkeit gehörte die Opferung von Deutschland (BRD und DDR). Degaulle wusste das schon immer und deshalb bevorzugte er eigene französische Atomwaffen. Bei Amis und Briten kann man nie wissen.. Und im Hintergrund begründete dieser Unterschied die deutsch-französische Freundschaft nach dem Krieg. 

Eine Sicherheitsarchitektur ist um so stabiler, je mehr Vorwarnzeit in sie eingebaut ist. Je kürzer die Vorwarnzeit bei einem Angriff, desto größer die Paranoia. Die Machtblöcke brauchen Raum und Zeit zwischen sich. Pufferzonen. Im kalten Krieg waren das die von Russland annektierten Nachbarländer, die es fortan als UdSSR bezeichnete. Im Westen war wie gesagt Deutschland der Pufferstaat. Deutschland war mit der US Airbase Ramstein und dem Atomwaffenlager in der Blüchel gleichzeitig ein markiertes Ziel für Russland - und ist es bis heute. 

Soweit die Grundlagen.

Bezogen auf Ukraine und Russland gibt es nur wenige Denker im Lande, die zu beiden Abstand halten. Wir wissen aus beiden Ländern nicht was Sache ist. Wir hören nur Putins Reden und ertragen die tägliche Propagandaspam von Selenskyi und Melnyk. Beides sind korrupte Oligarchenstaaten. Beide suchen nur nach ihrem Vorteil. Für Putin ist die Ukraine Kleinrussland. Zusammen mit Weißrussland und seinem Russland ergibt das nach seiner Lesart einen Zusammenhang. Und in der Vergangenheit war es das auch schon. In der Ukraine wohnen aber nicht nur Russen. Historisch wuchsen West-, Ost- und Südukraine erst allmählich zusammen. Und ob die heutige Ukraine sich gen EU oder Russland orientieren soll, spaltete das Land und führte zum Putsch vor zehn Jahren. 

Man sollte sich also mal fragen, wie weitsichtig es ist, dass wir eine Ukraine mit eigenen Waffen ausrüsten, die uns anschließend fehlen. Ein Regimewechsel in der Ukraine und wenn wir Pech haben, wendet sich die Ukraine mit unseren Waffen gegen uns. Könnten wir dümmer da stehen?

Selenskyi und Biden scheinen ein Interesse daran zu haben, den Krieg in die Länge zu ziehen. Um Russland zu schwächen - dieses Ziel verfolgen beide. Um an Waffenverkäufen zu verdienen - das macht es für Biden zu einer Win-Win-Situation. 

Die einzigen, die an die Schicksale der bombardierten Zivilbevölkerung und der geopferten Soldaten denken, sind diejenigen, die einen sofortigen Waffenstillstand und Verhandlungen fordern. Das war früher eine selbstverständliche Position für Deutschland. Heute kommt dazu von unserer Regierung gar nichts. Im Gegenteil. Der "schrillsten Trompete der Grünen" (Antje Volmer über Annalena Baerbock) ist nichts zu dämlich und nichts zu peinlich, um sich mit Ranschmeisse an Biden und Selenskyi, Kriegserklärungen, 360-Grad-Wenden und Hüpfspielen im finnischen Bunker in die sozialen Medien zu bringen. Jeder Affe, der eine Pistole im Wald findet, geht damit vorsichtiger um als unsere Dumpfbacke vom Werderschen Markt.

Zu den wenigen, die das auch so sehen, gehören Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und Marius Müller Westernhagen (bei Maischberger). Es ist kein Zufall, dass es sich dabei um die Generation 50+ handelt. Wir waren die letzten, die noch kritisches Denken gelernt haben und in Poltik die Vertretung von Interessen sehen.

Zum Wertewesten haben sich diejenigen ernannt, die erkennbar überhaupt keine Werte mehr vertreten, sondern denen Blitzkarriere durch Konformismus über alles gehen. Schon überhaupt nicht mehr gehört Humanismus zu deren Werten.

Montag, 19. Dezember 2022

Das Bedürfnis nach ewigen Wahrheiten

Irgendeine Assoziation beim Surfen im Internet führte mich neulich zum Buch "Höhere Mathematik für Physiker und Ingenieure" von Klaus Habetha. Und dies führte mich zu Jay Orear's Buch "Physik". Dies waren die Literaturempfehlungen meiner Professoren an der Uni Dortmund im ersten Semester. Und ich erinnerte mich daran, wie ich im Dezember 1989 unterm Weihnachtsbaum lag und versuchte, Aufgaben zu  verstehen und zu lösen. Vor allem aber erinnerte ich mich daran, wie ästhetisch ich die Notationen der HM fand, weil sie mit wenigen Zeichen große Befunde auf den Punkt brachte.

Was ich damals überlas aber jetzt beim Recherchieren in einem HM-Skript entdeckte war die Anforderung an die Studenten zur Abstraktion fähig zu sein. 

Und genau das war es, was mir damals schwer fiel und heute der Kern meiner beruflichen Kompetenz ist: Abstraktion und Modellierung. Ich las mal in einem Coachingbuch, dass wir für Dinge, die uns faszinieren auch eine Begabung haben, aber diese kann versteckt sein. Und muss geweckt werden.

So allgemein wie möglich und nur so konkret wie möglich ist eine der Künste, mit denen man im Chaos einer Großorganisation Struktur schaffen kann. Was tut Ihr da eigentlich und wozu? Aus dem vielstimmigen Chor der ichsüchtigen Mitarbeiter durch Interviews und Workshops herausarbeiten, worauf wie uns eigentlich nur verständigen müssen. Und es dann mit den Notationen der Modellierung von Verhalten und Strukturen und manchmal auch denen der Mathematik aufschreiben, was wir entwickeln müssen. 

Ich habe in jungen Jahren, als Schüler am Homecomputer in Basic und als Student mit C und C++ am IBM Kompatiblen eher wild. Immer sofort auf die zugerufene Anforderung los. Für die damaligen Zwecke reichte das, aber als Softwareentwicklung im heutigen Sinne konnte man das nicht bezeichnen. Obwohl wir natürlich auch Informatik als Fach hatten wo uns die Modularisierung von Programmen gepredigt wurde. Aber die Einsatzzwecke waren meist nicht so, dass uns die Mühe einer Modularisierung als lohnend erschien. Heute reden wir ja nicht mehr nur von Modularisierung, sondern Architekturen. 

Gelernt habe ich die Abstraktion aber nicht durch die Lektüre von Mathematikbüchern. Auch nicht durch Anleitungsskripte zu MATLAB oder ähnlichem. Sondern durch einen Schub an fiktionaler Literatur. Zeitgenossen und Klassiker. Ich habe zehn bis fünfzehn Jahre lang wirklich Romane gelesen. Und dabei hat sich irgendwie meine Fähigkeit zu Modellierung und Abstraktion entwickelt. Denn Literatur besteht aus Begriffen, die es zu klären gilt. Aus Rollen, die es zu verstehen gilt. Aus Handlungen, die es zu deuten gilt. Und aus so viel Text, dass man ihn ohne eine Struktur im Kopf nicht in demselben behalten kann.

Die Schönheit solcher Modelle entsteht durch ihre möglichst weite Vereinfachung. Die Vereinfachung entsteht durch Hinterfragen alles scheinbar Erforderlichem. Und am Ende bleibt das Gerüst über, auf das es ankommt. 

Wenn sich die Anforderungen dann nicht mehr ändern, hat man etwas für die Ewigkeit geschaffen. Da sie sich aber sicher bald ändern, kommt man nie in den Rang eines ewigen Werkes. Von all meinen Entwicklungen hat ausgerechnet mein zweiter Schuss, noch als Student, am längsten gehalten. Es war ein Berechnungsprogramm für die mechanische Auslegung von Autokranauslegern, mit denen ein selbständiger Ingenieur sich die Rechenschritte am Taschenrechner ersparen wollte. Ich programmierte eine Eingabemaske, speicherbare Konfigurationen, die Berechnungen nach seinen Vorgaben und eine den Bildschirm ausnutzende Ergebnistabelle für variierende Parameter sowie einem Druckmenü. Da ich in Dortmund lebte und der BvB damals erstmals wieder Meister wurde, nannte ich mein Programm "den Tabellenführer unter den Kranprogrammen". Seine Anforderungen änderten sich von 1995 an nicht mehr und deshalb benutzte er es bis 2014, als er in den Ruhestand ging.

Anders als ein Ingenieur hat es ein Mathematiker oder Physiker nicht nur manchmal sondern grundsätzlich mit ewigen Wahrheiten zu tun, die Suche nach ihnen ist sein Beruf. Er nennt sie Axiome und er drückt sie mit ästhetischen Formeln aus. Als ich einige Axiome jetzt wieder las (mit deren Hilfe man Beweise durch Induktion führen kann), erinnerten sie mich an die Evangelien. Wie die Bibel hat auch die Mathematik ihre Überzeugungen und Wahrheiten. Und man kann sie immer wieder lesen. Mich hat der Anblick der mathematischen Formeln innerlich irgendwie gereinigt. Mich daran erinner, dass auch in chaotischen Zeiten Dinge gibt, die so bleiben wie sie waren. Die durch all meine Jahre hindurch gelten. 

Als Student widmete ich mich ihnen, mit einer gewissen Ehrfurcht vor dem großen Unverständlichen. Heute zieht mich die Ästhetik seiner Wahrheit an. Es tat gut, durch diese Seiten zu blättern. 

Naturwissenschaften und Engineering sind große Dinge, die zumindest ich erst allmählich wirklich verstanden habe. Abstraktionen schrecken mich nicht mehr ab. Begriffsdiskussionen halte ich für nötig und sie langweilen mich nicht mehr. Die alte Frage der Modellierer "Was ist ein Objekt?" ist doch interessant ;-). 

Wenn Ihr also in diesen Tagen wieder ehrfürchtig durch das Neue Testament blättert, so etwa blättert ein Ingenieur durch ein Mathematikbuch und spaziert dabei durch den Hilbertraum... 

Sonntag, 2. Oktober 2022

Die Gelegenheit zu Verhandlungen ist jetzt

 Putin hat mit der Annexion der von ihm (noch) kontrollierten Provinzen und seiner Rede (Übersetzung wie gewohnt beim Anti-Spiegel verfügbar) einen Punkt gesetzt, den man als Ausgangsposition für Friedensverhandlungen betrachten könnte, wenn man wollte.

Selenskiy hat dies glaube ich sofort verstanden und seine eigene Ausgangsposition aufgebaut, indem er die Aufnahme seines Landes in die EU fordert.

Damit könnte man an den Verhandlungstisch gehen. Die annektierten Gebiete sind von ethnischen Russen dominiert. Aber sie bergen auch die Bodenschätze, die zum Asset der Ukraine gehören. Diese müssten mit auf den Verhandlungstisch. 

Die einzigen, denen das überhaupt nicht passen kann, sind die USA und Frau Strack-Zimmermann. Gerade erst haben sie mit der Sabotage der beiden Nordstream Pipelines davon profitiert, dass wir selbst in einer Nach-Putin-Ära kein russisches Gas mehr beziehen würden, jedenfalls nicht mehr auf direktem Wegen, d. h. an Polen und der Ukraine vorbei. 

Die USA profitieren auch von der Schwäche unseres Bundeskanzlers. Schwäche nicht im Sinne mangelnder Härte gegen Putin, sondern in Bezug auf die Vertretung eigener nationaler Interessen. Es wirkt auf mich fast so, als hätten ihn beide Seiten, Putin und Biden, in der Hand, als ei erpressbar. Und womit kann Olaf Scholz erpressbar sein? Da fallen einem natürlich Wirecard und Cum-Ex ein. Und dann macht Scholz auch noch einen Termin in Saudi Arabien bei diesem buchstäblichen Halsabschneider Mohammend bin Salman. Da kann Scholz nur hoffen, dass es auf seinem Smartphone nun keine fliegenden Pferde gibt, die brauchbare Informationen in den Palast des Kronprinzen transportieren.

Wir sind also nicht im normalen Vasallenstatus, unser Vertreter ist auch noch im besonderen Maße erpressbar und weiß nicht, wohin. Ich würde mich auch nicht wundern, wenn er demnächst zurücktreten würde.

Mittwoch, 7. September 2022

Worum geht es eigentlich?

Als Ingenieur bin ich gewohnt, komplexe Dinge zu modellieren. D. h. die scheinbar nicht zusammenhängenden Puzzlestücke, Anforderungen und Randbedingungen übereinander zu bringen, so dass Sinn entsteht.

Eine ähnliche Aufgabe haben Analysten, Diplomaten und Journalisten in Bezug auf die Weltlage. Aber ihre Fähigkeiten, ihr Wille oder beides Hand in Hand, hat so stark nachgelassen, dass man es nur noch durch eigenes "Triangulieren" (wie die Positionsbestimmung im Navigationsgerät) bzw. Kreuzpeilung erreichen kann.

Und hier verlieren wir viel Zeit bei der Suche, Sichtung und Bewertung all der Blogs, Magazine und  Videoaccounts. Aber hin und wieder stößt man auf etwas, was den eigenen Horizont erweitert. So stieß ich neulich auf den Begriff vom "Dritten Rom", als ich nach langer Zeit mal wieder durch Lettre International stöberte. Die Figur vom "Dritten Rom" stammt aus einem kircheninternen Brief aus der Zeit, als Byzanz an die Osmanen verloren ging.

Die osmanische Herrschaft über den Balkan ist die Grundierung auf der man heutige Verbundenheit von Serben, Ungarn und anderen Balkanstaaten mit Russland, bzw. seiner Kirche, verstehen muss. Es ist auch der durch Jahrhunderte schwelende Kampf zwischen Christen und Muslimen, bzw. Islamisten. Meiner Meinung nach kann man auch den Zerfall und den Krieg in Jugoslawien als religiös-kulturellen Krieg deuten. Aber niemand im zerfallenen Westeuropa wagt es, es auszusprechen. Außer Peter Handke und einigen anderen.

Jedenfalls sahen nach dem Siegeszug der Osmanen über Byzanz einige Kirchenschreiber und Fürsten in Moskau die einzige Macht, die den Osmanen Widerstand bieten könnten. Und tatsächlich, 300 Jahre später warfen die Russen die Osmanen bis nach Istanbul zurück. Die wichtigsten Schlachten gewannen die Russen in Bulgarien. Doch die mit befreiten Europäer bekamen kalte Füße und distanzierten sich bei den Verhandlungen von Russland. Und seitdem könnte im russischen Gedächtnis der Stachel eines verratenden Europas sitzen. Eines Europas, das sich der islamischen Mentalität nahe sieht, andere die Arbeit machen zu lassen, und erst hinzu zu kommen, wenn die Beute oder die Ernte verteilt wird. (So gestaltete sich ja auch die Herrschaft der islamischen Mauren in Spanien.)

"Das Dritte Rom" mag nur noch ein Leitstern sein, aber Putin weiß ihn zu spielen. In dem zerfallenden, dekadenten Europa muss einer die Sache in die Hand nehmen. Und wer dabei stört, wird angegriffen. Die Ukraine wäre nicht der erste Schauplatz, in dem die USA hinter den Kulissen eine Invasion provoziert haben. Die Familie Biden ist viel zu sehr ins korrupte ukrainische Geschäft verwickelt, um hier Abstinenz zu unterstellen.

Ich unterstelle aber auch Putin keine höheren kulturellen Ziele. Ich unterstelle ihm, wie jedem, der auch mit 60+ immer noch nicht von Macht und Geltung lassen kann, Geltungs- und Herrschsucht als Kompensation für einen persönlichen Schmerz. Aber er muss seinem Volk eine Geschichte erzählen, die die Bereitschaft zum Krieg nährt. Und die Verteidigung gegen ein Europa, das sich und andere an Islamisten verrät, dürfte Motivation genug sein. Putin muss nur auf den 11. September verweisen oder die Zustände in deutschen Städten, um zu zeigen was passiert, wenn man sich nicht verteidigt.

Für uns Bürger lauten die Optionen dann allerdings nur noch, entweder zäh und kleistrig unterzugehen oder in einem autoritären Staat unter russischer Aufsicht weiter zu leben.