Freitag, 6. März 2009

Buch zuklappen

Es gibt kein richtiges Leben im falschen.



Ich habe es in diesem Jahr schon wieder gelesen: Eine stabile Zweidrittelmehrheit ist unzufrieden mit ihrem Job. Hauptgrund ist die stabil schlechte Führungskultur in Deutschlands (Groß-)unternehmen. Die Personalabteilungen dieser Großunternehmen kontern, indem sie eine Art Gegenaufklärung betreiben. Die kommt dann mit grotesken Werken daher, die uns suggerieren sollen: Sei zufrieden, woanders ist es auch nicht besser. Füge dich deinem Schicksal. Und nicht zuletzt: Es liege an uns, dass wir unzufrieden sind, weil wir zu hohe Erwartungen an die Unternehmenskultur stellen (Beispiel: Das so genannte "Frustjobkillerbuch"). Manager und Personalreferenten empfinden hohe Erwartungen an die Arbeit in der Tat oft als Provokation. Aber man muss aufpassen:

Wer in einer mental kranken Umgebung wohnt oder arbeitet, droht selbst krank zu werden. Die Frage, ob DIE spinnen oder man selbst, stellen sich immer nur die Nichtspinner. Spinner reflektieren weder über sich selbst, noch über ihre Wirkung auf andere. Spinner nennen andere Spinner.

Ich habe diese Szene in einem Kommunikationsbuch gelesen, in der der Therapeut seinen Patienten fragt: Was glauben sie, wie ihre Frau ihre Beziehung sieht? - Der Patient antwortet, er möge seine Frau, das sei auch besprochen. - Nein, nein, es gehe jetzt nicht darum, wie er seine Frau sehe, sondern was er glaube, wie seine Frau die Beziehung empfinde. Der Patient stutzt, versteht die Frage aber immer noch nicht.. und bleibt die Antwort schuldig.

Autisten können brutal sein und bemerken es nicht einmal. Das Problem ist, dass man Autisten nicht erreichen kann. Man müsste sie eigentlich weg sperren um ihre Umgebung zu schützen. Autisten schreiben ganze Wände ("Beautiful Mind") oder Emails voll. Ich erkenne sie an ihren Ausrufezeichen ("Nein!!!", oder: "Ja!!!"), die vorgeblich Ungeduld ausdrücken (die wir mit Leistungswillen verwechseln sollen) aber in Wahrheit eine Autoagression markieren.

Was tun?
Der erste Schritt: Erkenne, dass die spinnen, nicht du. Klingt leichter als es ist, denn wir sind ständig Verhaltensnormen ausgesetzt, die uns anpassen und schwächen sollen in Form von Verwirrung und Schuldgefühl. Eine Museumsführerin im Stasi-Foltergefängnis Hohenschönhausen hat das mal sehr gut erklärt. Das rhetorische Muster führt das Opfer dazu, fehlende Konformität als Illoyalität zu empfinden. Irgendwann verdreht man Ursache und Wirkung, um nicht durchzudrehen. "Wenn ich hier eingesperrt bin, dann MUSS das seine Berechtigung haben." Und dann wächst langsam ein Schuldgefühl gegenüber den Peinigern. Wenn der Täter seine Gewalt dann drosselt, empfindet das Opfer so etwas wie Dankbarkeit.

Zweitens: Finde Gleichgesinnte. Es ist unwahrscheinlich, dass du der oder die einzige Gesunde in der Anstalt bist. Suche und finde!

Drittens: Nicht rebellieren, das löst sofort höchsten Aktionismus in Linien und Kreisen aus. Vermeide, dass man anfängt, dein -oder dich als- Problem zu "managen". Sie holen dann Listen und Formulare heraus und schreiben Deinen Terminkalender voll. Nein, nach außen konform handeln, nach innen Bugs suchen und nutzen, heißt die Devise.
Bei persönlicher Konfrontation mit einem Irren muss man versuchen, selbst irre (unberechenbar) zu wirken. Z.B. im Bus oder S-Bahn. Das befriedet oder irritiert den Irren, weil er einen Gleichgesinnten oder Ebenbürtigen in dir zu erkennen glaubt. Oder spiegele ihn: "Bereit, wenn Sie es sind, Sir" (Danke für den Tip, Kollege.. ;-). Handle in jedem Fall gegen seine offensichtliche Erwartung.

Viertens: Baue Schutzzonen auf. Nutze regelmäßig Zeiten ohne die Systemumgebung. Z.B. Dienstreisen. Atme durch. Sprich immer wieder mit Gleichgesinnten für die Bestätigung deines noch gesunden Werteempfindens.

Fünftens: Buch zuklappen. Als ich zum ersten mal mit einem Gebrauchtwagenhändler einen Preis verhandeln wollte und zu tief einstieg, klappte dieser demonstrativ sofort sein Buch zu. "OK, dann können wir aufhören für heute." Das nutze ich heute selbst als Antwort auf Respektlosigkeiten. Vorteil: Es wird immer sofort verstanden: Buch zuklappen, zurücklehnen. Ende.

Schwierig ist auch der Umgang mit entscheidungsschwachen Zeitgenossen. Wie es ein mit der Fliegerei vertrauter Vertrauter mal sagte: Wenn der Pilot nach immer mehr Instrumenten im Cockpit verlangt, ist das ein Hinweis darauf, dass er gar nicht fliegen kann. Eigene Manöverfehler wird er stets den Instrumentenlieferanten oder seinen Passagieren in die Schuhe schieben. Der Rat lautet: Verlange den Fallschirm. Steht ihr noch auf dem Flugfeld, steig aus.

Als allgemeiner Hinweis: Versuche nicht, in einer irrationalen Umgebung rational zu agieren.

Entlehnt von: slowleadership.org

2 Kommentare:

  1. Aha... Die letzte Konsequenz bist Du allerdings nicht bereit zu ziehen.

    "If you think your organization is in that bad a state, don’t be quixotic, don’t be unreasonably loyal, just go. The people at the top will sacrifice you without a thought."

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  2. Anonym12.3.09

    im moment kann man nur auf sicht fahren :-)

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