Sonntag, 30. Juni 2013

Marodeure der Moderne - Heute: Abhörbehörden

Was einer betont zu sein, ist er nicht. Was er in anderen bekämpft, das birgt er selbst. Homophobe Kleriker und Neonazis bekämpfen ihre eigene unterdrückte Neigung, oder verbergen ein besonders verachtendes Frauenbild. Werbung weist oft nicht auf die Stärke eines Produktes sondern seine Schwäche ("Mit der Bahn am Stau vorbei fahren.") "Neid" ist kein Privileg der Unterschicht sondern Handlungsmotiv vieler FDP-Mitglieder. Und Rassismus und Antisemitismus sind besonders verbreitet unter Gutmenschen, darunter Literaturnobelpreisträger.

Nach dem gleichen Prinzip lauscht niemand mehr an Nachbars Tür und Wand als der, der Anlass zu übler Nachrede gibt: Staatssicherheit, Geheimpolizisten, Prozesshansel, Denunzianten, Demokratiesimulationen.

Souveräne Zeitgenossen wissen sowohl um ihre eigene Robustheit als auch die Krankheit, die hinter dem Zwang zum Lauschen, Beobachten und Verfolgen steckt. Es verletzt sie nicht gleich. Gleichwohl verbitten sie es sich. Sie fühlen sich durch eine Präsenz in NSA-Blobs auch nicht aufgewertet, wie manche Piraten oder Foristen der linken Tagespresse.

Wer sein eigenes Volk belauscht, hat es vorher betrogen und ausgebeutet. Wer andere Völker belauscht, will Ansätze zu ihrer Manipulation finden. Wer ausländische Industrien belauscht, weiß um die Schwäche der eigenen. Wer andere Regierungen belauscht, verfolgt ob die eigenen Pläne aufgehen.

Was hinter der amerikanischen Paranoia steckt, hat Michael Moore vor zehn Jahren herausgearbeitet und veranschaulicht: Das schlechte Gewissen.

Als der Nachrichtenstand vor einer Woche nur die vollständige Überwachung unserer privaten Telekommunikation hergab, gaben sich Mitglieder unserer Regierung "pragmatisch". Terrorabwehr. Einige im Kanzleramt dachten vielleicht, "unsere Bürger bespitzeln wir immer noch selbst!". Jetzt allerdings wissen sie von ihrer eigenen Überwachung und jetzt verleihen sie den Enthüllungen den Rang eines Eklats.

Unsere Regierung hat mit ihren Verfassungsbrüchen ihr Volk bereits verraten (Bundestrojaner, ESM, die Akzeptanz von Vertragsbrüchen, die Politik der EZB). Ich schließe mich ihrer Empörung deshalb nicht an. Vielmehr hatten wir Grund, den "Dunkelgremien" Schäubles mit eigener Aufklärung etwas nachzuhelfen.

Einerseits heißt es "Terrorfahndung", andererseits ist das Finanzzentrum Frankfurt ein Angriffsschwerpunkt. Hier könnte man denken: Dann steht die NSA doch auf der richtigen Seite? In den USA hat man schon Banker in Handschellen gesehen, bei uns noch nicht. Oder Steuerhinterziehung, Terrorfinanzierung, Geldwäsche - in der EU wird ja längst nicht jedes große Verbrechen verfolgt.

Warum genau fühlen sich manche EU-Politiker so empfindlich getroffen - haben sie was zu verbergen?

2 Kommentare:

  1. Anonym8.7.13

    Obschon kein Techniker, geschweige denn Ingenieur, verfolge ich diesen Blog gern und durchaus mit Gewinn - wie z.B. diesen Artikel.

    Gruß und danke, Frank Fischer.

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