Samstag, 15. Februar 2020

Rezension von Richard Dawkins' "Gotteswahn"

In "Der Gotteswahn" führt der Evolutionsbiologe Richard Dawkins einen eindrucksvolles Beweis gegen die Weltreligionen und für seinen atheistischen Standpunkt. Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, dass mich intellektuell so beeindruckt hat.

Es ist natürlich naheliegend, dass ein Evolutionsforscher alle Argumente gegen naiven Glauben und insbesondere die Kreationisten, die Zweifler an der Evolution, zur Hand hat. Aber Dawkins beleuchtet den Glauben, wie wir ihn als Kind gelernt und als Erwachsene aus Angst weitergeführt haben, von allen Seiten.

Es fängt recht harmlos an mit Gedanken, die wir alle schon mal hatten: Wie kann Gott alles wissen und lenken und gleichzeitig nicht verantwortlich sein? Wie können Leute zu ihm beten und um Bevorzugung zulasten anderer Gläubiger bitten?

Er greift vor allem die Überhöhung der sogenannten heiligen Schriften an. Er liest allen Weltreligionen die Leviten, indem er brutale Zitate für seine Klage gegen die Prediger und Religionsoberhäupter heranzieht. So zieht er z. B. nicht minder gegen den Koran zu Felde als ein gewisser Thilo Sarrazin in "Feindliche Übernahme". Aber genau so zieht er gegen das Alte und das Neue Testament und findet die brutalen Stellen, die auch wir teilweise noch kennen. Da gibt es Brandopfer für Gott, ganze Städte werden in Schutt und Asche gelegt vom rächenden Gott.

Alle Religionen fangen ihre Gläubigen schon als Kinder. In die Kinder wird die Angst vor dem strafenden Gott gepflanzt. Diese Ängste beherrschen manche Leute ihr ganzes Leben lang. So regieren die Kirchen und die Imame. Und das andere Extrem ist das Versprechen des ewigen Lebens und im Koran sogar die soundsovielten Jungfrauen für Märtyrer.

Kein Wunder, dass sich Herrscher diese Ängste und Verheißungen, an die sie in der Regel selbst nicht glauben, zunutze machten und machen. Dawkins zitiert: "Der Dumme verfällt dem Glauben, der Intelligente lehnt ihn ab und der Herrscher missbraucht ihn."

So kommt Dawkins auch zum islamischen Terrorismus. Er geht so weit zu sagen: Die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus ist sinnlos, denn die Islamisten berufen sich auf die gleiche Schrift wie alle anderen Muslime. Und es gibt keine muslimische Instanz die hier redaktionell oder exegetisch eingreift. Man lasse dem Islamvirus freien Lauf, wenn man den Terrorismus nur auf eine Überinterpretation einer Schrift zurückführe, die auch ihre schönen Stellen habe. Der Glaube an sich sei das Problem.

Eine seiner konkreten Forderungen ist die Verhinderung, Minderjährige zu Mitgliedern von Religionen zu machen. Das solle jeder selbst entscheiden, wenn er zurechnungsfähig ist.

Er bringt ein Gegenbeispiel: Man stelle sich eine Gruppe von Kindergartenkindern vor, in denen sich einige als Atheisten, Agnostiker oder säkulare Humanisten bezeichnen würden. Da würde jeder lachen. Aber vierjährige Christen, Juden oder Moslems gelten als normal...

Mich hat er rational vollends überzeugt. Allerdings empfinde ich es doch als schwierig, mich von jedweder Religiosität (oder wie ich es benennen soll) zu distanzieren. Aus meiner Sicht führt Dawkins einen Beweis gegen die Überhöhung der alten Schriften und dem was irdische Führer und Ideologen daraus gemacht haben.

Er führt keinen Beweis gegen das Staunen, die Ehrfurcht und die Freude über die Welt, die Natur, das Universum. Ich muss sagen, der Anblick des Sternenhimmels oder Aufnahmen von Raumsonden faszinieren mich mit einer Intensität, die andere wohl beim Anblick des Papstes, des Kreuzes, der Thora oder des Quaders in Mekka empfinden.

3 Kommentare:

  1. So interessant die Argumentation auch ist, so hinterläßt sie doch bei mir einen etwas zwiespältigen Eindruck. (Ein bißchen denke ich dabei an das Vergleichswort "Klimawahn".) Der "Beweis gegen die Weltreligionen". Was kann ich damit anfangen? Daß ein Atheist seinen Standpunkt erläutert und dabei natürlich viele Argumentationen rationaler Art führen kann, klar, das ist ok, interessant und gewiß überzeugend. Daß man beim aufmerksamen Betrachten der Natur voller Staunen ist, ja, und man muß natürlich dahinter keinen "Schöpfer" vermuten und an Schiller denken ("Ahnest du den Schöpfer, Welt?").

    Ich meine, daß es nicht darum geht. Die Bedeutung einer Religion ist aus meiner Sicht über das moralische Fundament zu erklären, das sie bietet. Komme mir jetzt keiner mit den blutrünstigen Geschichten, die immer gern an dieser Stelle mit Blick auf die "heiligen Bücher" angeführt werden! Wir können nicht unsere heutige Elle an alles anlegen, so wie es momentan ja in (fataler) Mode ist. Und ich möchte hier auch nicht den Unterschied zwischen den Religionen diskutieren. Denn mir geht es um das ethische Fundament und das, was Relgionen verheißen. Ersteres zeigt auf die Religion als Baustein der Zivilisation, Zement, der eine Gesellschaft zusammenhält. Wieso sind etwa die 10 Gebote die Basis der abendländischen Gesetzgebung, über Jahrhunderte hinweg?

    Als Zweites gibt die Verheißung vielen Menschen Trost, gerade in schweren Stunden, aber nicht nur dann. Wenn man gegen das Ende seiner Tage geht und zu grübeln beginnt, was das alles für einen Sinn hat(te), denkt man automatisch über Aspekte nach, die früher von Bedeutung schienen. Man tastet sich dann langsam zu Dingen vor, die man entweder glauben kann oder abtut. Und irgendwann ist man dann über die reine Rationalität hinaus.

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  2. Anonym20.2.20

    Natürlich kann kein Mensch Gottes Existenz beweisen oder widerlegen (aber man könnte sich fragen, warum das eigentlich so ein Fall sein muss? Warum entzieht sich die Autorität ihrer direkten Sichtbarkeit, appelliert aber gleichzeitig unbedingt an unseren Glauben..?). Dawkins misst die Religion stattdessen an ihren Schriften und ihren Vertretern.
    Ja, ich stimme zu, dass es nicht ganz fair ist, alte Schriften aus dem Kontext ihrer Zeit nach heutigen Maßstäben zu bewerten. Z. B. den Kindesmissbrauch, bis kurz vor Vollzug den eigenen Sohn als Brandopfer einzufordern.
    Aber ich kann auch sagen: In wenigen tausend Jahren hat die Menschheit die Moralvorstellungen ihres Schöpfers offenbar überholt..
    Mich hat die Lektüre nicht atheistisch im Sinne einer Gewissheit Gott existiere nicht gemacht. Aber eine durchgängige Ablehnung des Anspruchs religiöser Funktionäre auf gesellschaftlichen Einfluss. Religion sollte eine rein spirituelle Angelegenheit sein.

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  3. Die beiden letzten Sätze sind für mich grundsätzlich auch die Quintessenz. Allerdings fragt sich, ob eine rein spirituelle Angelegenheit nicht auch gesellschaftlichen Einfluß hat, haben muß.

    Das große Übel sind wohl die "religiösen" Funktionäre, wie man heute leicht sehen kann. Dagegen hat schon Luther angekämpft. Heute sind es die deutschen Staatskirchen, die Politik betreiben und den Menschen vergessen, weitweit ist es besonders der Islam mit seinen Spezifika.

    Und vielleicht noch das: Wenn die Menschheit "die Moralvorstellungen ihres Schöpfers offenbar überholt hat", dann muß die Reise nicht unbedingt in die richtige Richtung gehen bzw. gegangen sein. Denn was ist schon "richtig"?

    Bei "spirituell" denke ich übrigens auch an daran, daß viele Leute einen Sinn im Leben fernab jeglicher Religion suchen. Es versteht sich von selbst, daß das ein mächtiges Geschäft ist. Mit "Spiritualität" soll in vielen Fällen die innere Leere ausgefüllt werden, die persönliche Balance hergestellt und vieles mehr. Hier genau müßten die Religionen ansetzen, was sie aber immer weniger tun und damit aus meiner Sicht ihren Auftrag verfehlen: So, wie sie heute hier verstanden und ausgeübt werden, sind sie aus meiner Sicht vollkommen überflüssig.

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