Sonntag, 23. Februar 2020

Richard Feynman und wie er die Quantenphysik sah

Wenn Sie glauben, Sie verstehen die Quantentheorie... dann verstehen Sie die Quantentheorie nicht.
Richard Feynman (Physiker)

Dieses Zitat habe ich bei Richard Dawkins gefunden. In dem Zusammenhang erklärt er einen wichtigen Unterschied zwischen Wissenschaft und Technologie aus Sicht unserer Sinneswahrnehmung und unseres Verständnisses der Welt - man könnte auch sagen: unserer inneren Modellierung der Welt. Demnach haben wir die großen wissenschaftlichen Erkenntnisse anfangs kaum verstanden. Weil sie kontraintuitiv waren. Dies wiederum, weil unsere Sinneswahrnehmung der physischen Welt einen kleineren Schlitz vom Gesamtspektrum darstellt als die Sehschlitze einer Burka oder Ku-Klux-Klan Umhangs von der sichtbaren Welt erfassen..
Wissenschaft tut -anders als Technologie- dem gesunden Menschenverstand ganz allgemein Gewalt an.
Richard Dawkins

Manche Erkenntnisse wollen wir aber auch nicht wahrhaben, weil sie unseren Interessen und Absichten widersprechen. So erinnere ich mich an eine tiefgehende Enttäuschung im Physik-Leistungskurs. Wir lernten, dass Atome ganz überwiegend aus leerem (im materiellen Sinne) Raum bestehen. Und dass das was wir als Körper und als Berührung eines Körpers wahrnehmen, nicht dem Stofflichen dieses Körpers entspricht, sondern den Feldkräften, die in ihm und um ihn herum wirken. Ich stellte mir also vor, dass ich meine Freundin niemals wirklich berühre. Sondern nur erlebe, wie die Elektronen auf den Außenbahnen ihrer Hautatome die Elektronen um meine Hautatome abstoßen.. Als ich das meinen damaligen Freunden zu erklären versuchte, lachten sie nur. Ich interpretierte ihr Lachen als "selbst Schuld, wenn Du Dich so sehr um Aufklärung bemühst".

Ich erinnere mich auch, wie ich in einer anderen Physikstunde über Wahrscheinlichkeitswellen mit meinem Banknachbarn über die Interpretation von Aufenthaltswahrscheinlichkeiten diskutierten. Er war ein Einserkandidat, ich ein Zweierkandidat. Er fand die Interpretation in unsere Erfahrungswelt gar nicht so wichtig, er nahm sie rein mathematisch. Mir aber war Verständnis einer Sache Bedingung für die Akzeptanz einer Sache. Und ich fragte unseren Lehrer, ob man sagen könne. Wahrscheinlichkeit sei hier nur die Projektion eines Gruppenverhaltens auf ein Element dieser Gruppe. Das bejahte er, ergänzte aber auch: "Wir verstehen die wenigsten Dinge von der Physik. Wir gewöhnen uns nur an sie, halten das aber für Verständnis."

Diese "Erkenntnis" über die menschliche Aufnahmefähigkeit von der Welt nahm ich wiederum mit in meinen Philosophiekurs und konfrontierte uns dort damit. Ich erinnere mich grob daran, dass unser bester Schüler in dem Kurs eine bessere Antwort parat hatte als unser Lehrer. (Daran erkannte ich den Unterschied zwischen Philosophieren und der bloßen Wiedergabe der Philosophien anderer Leute.."

Mit solchen Themen kann man gute Abende bei einem Bier oder zwei verbringen. Aber es zeigt auch, wie viel Arbeit wissenschaftliche Erkenntnis ist. Und selbst wenn man wissenschaftliche Daten in einer Qualität hat, die einem genügen, ist die Interpretation der zugehörigen Mathematik ein großer zweiter Schritt.

Oft dachte ich, wie gut dass ich in dieser Zeit lebe, wo wir die wichtigsten Erkenntnisse alle schon haben. Man kann rückwirkend über die Verteidigungskämpfe von Kirchen und Fürsten lächeln. Dass sie nicht hinnehmen wollten, dass die Erde eine rotierende Kugel ist und sich um die Sonne dreht. "Woran hätten sie die Wahrheit erkennen sollen - sie ist ja kontraintuitiv? Wie hätte eine Erfahrung sein sollen, die die Erde rotieren und um die Sonne ziehen lässt?" zitiert Dawkins die alten Philosophen. Und sagt, dass es dazu keine Antwort gab weil wir keine entsprechende Sinneswahrnehmung haben.
Also dazu hätte ich eine prompte Antwort gehabt: Daran, dass wir weder Fahrtwind noch eine Beschleunigung spüren, hätte ich "erkannt", dass die Erde nicht rotiert oder um die Sonne läuft. Wenn ich im Auto oder im Bus eine Kurve fahre, bemerke ich einen kleinen ausgleichenden Wind. Ich hätte das also auch von einer fahrenden und rotierenden Erde erwartet..
Dawkins sagt, der wandernde Sternenhimmel sei ein weiterer Hinweis auf die Rotation der Erde  gewesen. Aber deren Deutung lag wiederum in der Hoheit der Mächtigen...

So wie heute das Klima. Auch hier bin ich mir ganz sicher: in nur wenigen Jahren werden wir die heutige Hysterie nicht mehr verstehen. Wir werden sie als Symptom der westlichen Dekadenz deuten. Einer Gesellschaft, die an sich selbst satt geworden war. Die verhätschelt, verwöhnt, überfüttert wurde vom Wohlstand, den ihre Väter und Großväter begründet hatten. Die sich neuen Faschisten unterwarf, die -wie früher die Hexen- Andersdenkende für das Wetter, für verhagelte Ernten und Überschwemmungen verantwortlich machen wird.

Ich bin einerseits froh, den Höhepunkt der freiheitlichen Welt miterlebt zu haben. Aber ich bin ratlos und weiß noch nicht wohin, angesichts unseres sich abzeichnenden kulturellen Niedergangs.

2 Kommentare:

  1. Die scheinbar einfachsten Fragen sind oft am schwersten. Der gesunde Menschenverstand ist da auch nur eine Hilfskonstruktion, die oft nicht weiterhilft oder gar zu offensichtlich falschen Schlüssen führt. Was mich immer wieder aufmerken und vor allem auch staunen läßt, sind die Übergänge von der Erfahrungswelt in die Kosmologie auf der einen Seite (mit jeder Menge neuer Dimensionen in den mathematischen Modellen, für die mir jede Art von Vorstellung fehlt) und die Quantentheorie auf der anderen. Hier wird ja schon seit Jahrzehnten nach einer einheitlichen Theorie (nach dem "Übergang" von einer "Welt" zur anderen) gesucht, aber es ist beliebig schwierig.

    Beide "Extrema" (in Wahrheit sind es natürlich keine) führen zu Phänomenen, bei denen man nur staunen kann. Dem gesunden Menschenverstand wird, das könnte man durchaus so formulieren, damit gewiß so etwas wie Gewalt angetan - obwohl ich es nicht so empfinde. Ich staune und freue mich, daß damit evtl. doch das eigene Wissen ein kleines Stückchen erweitert werden kann, wenngleich auch die Fähigkeit fehlt, das meiste selbst verstehen oder gar erklären zu können. Für mich ist das unheimlich reizvoll.

    Übrigens das Staunen: Mit dem Glück eines eigenen Gartens erzeugt solches auch die dortige Tier- und Pflanzenwelt, liebevoll gepflegt von meiner besseren Hälfte. Zur Zeit fängt mein roter Hibiskus, der bestimmt schon 30 Jahre alt ist, im Haus an einem Nordfenster zu blühen an, riesige Blüten, momentan etwa ein Dutzend. So scheint er danke für die Pflege zu sagen - und ich staune und freue mich.

    Wissenschaft hat immer etwas mit Offenheit und Staunen zu tun, in der Biologie, in der Botanik, in der ganz kleinen oder ganz großen Welt - aber eben auch überall dort, wo wir schon gar nicht mehr richtig hinschauen: "Stop and smell the roses!"

    Der Titel des Beitrages erinnert mich an ein Buch, einen wahren Klassiker, den ich schon seit Jahren lesen möchte: "Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!" Und es lohnt sich übrigens auch, mal in eine Vorlesung von Richard Feynman hineinzuschauen und zu -hören (-> YouTube). Ich bin der festen Ansicht, daß auch Feynman Zeit seines Lebens sich die Fähigkeit bewahrte, immer wieder aufs Neue staunen zu können.

    (Das genannte Buch von Richard P. Feynman gibt es im Internet als PDF-Download:
    https://epdf.pub/queue/-sie-belieben-wohl-zu-scherzen-mr-feynman-abenteuer-eines-neugierigen-physikers.html)

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  2. Ja! - Und Danke für den Link!

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