Montag, 28. Dezember 2020

Seit Snowden ist der Konformismus noch gewachsen

Der regierungstreue Konformismus früherer Qualitätsmedien begann in den USA mit dem Krieg gegen den Terror. Ich würde die Anfangsphase auch eher als Patriotismus beschreiben. Zum Konformismus wurde es in meinen Augen erst, als es die ersten Enthüllungen über staatlichen Missbrauch von Überwachung und Operationen im Ausland gab sowie Fakenews der Bush-Regierung. 

Wer gegen die Überwachung war, galt als unpatriotisch. Aber wer einer Regierung noch die Stange hält, wenn diese sich gegen das eigene Volk wendet, den bezeichne ich als linientreu und konformistisch. So etwas gab es im geteilten Deutschland in der DDR. Aber in der freien westlichen Welt kannte zumindest ich so etwas früher nicht.

Erinnern wir uns: Als der Guardian die Enthüllungen von Edward Snowden veröffentlichte, kritisierten amerikanische Medien nicht die enthüllte Tat, sondern den der sie enthüllt hatte. Und zu dieser Zeit regierte Barack Obama.

Glenn Greenwald beschrieb in seinem Buch "Die globale Überwachung - Der Fall Snowden", wie amerikanische Tageszeitungen wie z. B. die Washington Post vor Artikeln mit  echten Neuigkeiten über den Regierungsapparat diesen vorher fragte, ob die Veröffentlichung ok für diese sei. Sie unterwarfen sich einer vorauseilenden Zensur um Ärger mit den Juristen von Ministerien zu vermeiden.

Dieser Medienkonformismus schwappte erst im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 auch nach Deutschland. Während Barack Obama die Untergrabung der amerikanischen Demokratie mit der "nationalen Sicherheit" begründete, legten er oder andere unserer Bundeskanzlerin und den Hauptstadtmedien das Wort vom "Humanismus" in den Mund. Ab hier schalteten etliche Tageszeitungen, die bis dahin mit wacher Aufmerksamkeit und der Verpflichtung auf Wahrheit geglänzt hatten, auf Linientreue um.

In dieser Phase, 2015 bis ca. viertes Quartal 2020, las man so gut wie nichts über Enthüllungen von Regierungshandeln. Die Kritik richtete sich fortan gegen die Opposition, insbesondere die AfD und gelegentlich die FDP, wenn sie AfD-Positionen zu früh zu nahe kam. Grüne und Linkspartei blieben geschützt, da diese das Regierungshandeln unterstützten.

Die Enthüllungen über die Bafin, den Handel ihrer Mitarbeiter mit Wirecard Aktien, war die erste Enthüllungsgeschichte seit etlichen Jahren. Die Enthüllungen über Wirecard selbst waren dagegen nicht von einer deutschen Zeitung sondern von der Financial Times gekommen, die dafür in Deutschland sogar noch angeklagt wurde.

Eric Snowden ist regierungstreuen Journalisten suspekt, weil er den EU-Funktionären und europäischen Regierungen suspekt ist. Und warum dies? Bei allen Kontroversen gibt es eine systemübergreifende Solidarität zwischen Regierungen, wenn die Werte die sie angeblich schützen, gegen sie verwandt werden. Das führt unterm Strich dazu, dass die meisten Europäer sich über die Erkenntnisse von Eric Snowdens Enthüllungen kaum Gedanken gemacht haben. 

Das ist paradox: Früher wäre die deutsche Mentalität gewesen: Überwachung (also Einschränkung der persönlichen Freiheit) ist ok, wenn sie die Sicherheit erhöht. 

Die gleichen Deutschen sind heute aber dagegen, die Sicherheit zu erhöhen, wenn dies zu Freiheitseinschränkungen beim Milieu der Terroristen führt. Diese Deutschen lassen sich sogar einreden, das Terrorrisiko sei kleiner als die Chance auf einen Sechster im  Lotto.

Also verkürzt gesagt: Nachteile für sie selbst sind ok, aber Nachteile für andere -wenn es um das gleiche Ziel geht, Sicherheit- sind nicht mehr ok. 

In dieses Denkschema passte auch Merkels Verhalten. Diese empörte sich über das PRISM Programm erst, als nicht mehr nur die deutsche Bevölkerung abgehört wurde, sondern auch die deutsche Regierung.

Der Gegenbeweis gegen die Behauptung, wir Deutschen würden von der Überwachung selbst profitieren, weil wir durch amerikanische Hinweise an deutsche Sicherheitsorgane vor Terror geschützt würden, ist seit dem 19. Dezember 2016, dem Attentat an der Gedächtniskirche auch widerlegt. Hier verhinderten Erkenntnisse der Überwachung sogar den rechtzeitigen Zugriff des Attentäters, weil er später noch Nutzen bringen sollte. Aber auch das regt bis heute keinen Deutschen auf.

Wir wissen nicht, ob und welche Deals zwischen Friedensnobelpreisträger Barack Obama und Angela Merkel damals gelaufen sind, damit Merkel nicht weiter auf dem PRISM Thema herumreitett. Die Annahme, dass inzwischen auch deutsche Geheimdienste von den abgehörten Daten der NSA profitieren, würde manches erklären. Z. B. die Willfährigkeit, mit der Merkel der unkontrollierten Einwanderung durch Grenzöffnung zustimmte. 

Inzwischen sind sieben Jahre seit den Snowden Enthüllungen vergangen. Glaubt jemand, dass der Umfang kleiner geworden ist? Dass sich die Analysemöglichkeiten verschlechtert haben? Dass Regierungen inzwischen öfter auf etwas verzichten was technisch möglich geworden ist?

Die Dilettanz mit der zumindest die Bundesregierung immer noch IT-Lösungen umsetzt (Stichwort Corona-App) lässt uns zumindest hoffen, dass sie vom Machbaren noch weit entfernt ist. Andererseits laufen die wirklich wichtigen staatlichen IT-Programme nicht in den Händen von wahlkämpfenden Ministern, sondern in Bundesbehörden mit grauen Fassaden.

Gegen die NSA war die Stasi ein Knabenchor. Die NSA leistet nicht das gleiche wie die Stasi mit effizienteren Mitteln. Sondern sie nutzt die Effizienz heutiger Mittel um eine weltweite Stasi zu spielen. Und sie bietet ihre Erkenntnisse auf dem Dienstemarkt sicher nicht umsonst an. 

Ganz sicher in die Hände spielt ihnen eine Gesellschaft, die sich alle zwei Jahre für  mehrere hundert Dollar oder Euro eine neue Wanze beschafft, diese bereitwillig überall mit hin trägt und ihre Passfotos in Form von Selfies auf Cloudservern der Hersteller und Netzbetreiber ablegt. Und in sozialen Netzen keine Fragen über ihre Linientreue offen lässt.

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