Mittwoch, 23. Dezember 2020

Was ich mir als Leser von Onlinemedien wünsche

 Zu der Zeit, als ich noch täglich in den sog. Social Media meinen Senf postete, wusste ich manchmal abends nicht mehr, in welche heiße Diskussion ich morgens verwickelt war.

Tweets von vor einer Woche kamen wir uralt vor. Denn am liebsten war man Themenstarter oder zumindest Kommentierer. Wenn man von einer relevanten Sache erst später erfuhr und seinen Senf dazu postete, interessierte es meist niemanden mehr. Denn die Spotscheinwerfer waren schon weiter gezogen. Im übrigen geht es auf Social Medie nie um die Sache. Sondern um Eitelkeit. Darum, als erster eine Formulierung zu finden, die beides leistet: Vernichtende Beleidigung bei gleichzeitiger Einhaltung einer grünbürgerlichen Etikette. 

Von manchen Leuten las ich nie Statements sondern immer nur Kommentare. Diese Leute sind die repräsentativsten unserer Gesellschaft. Sie nehmen nichts selbst in die Hand ("kann ich doch nicht mit meinen Hufen"), wissen von allem wie es besser geht ("Sie wissen aber schon, dass...") und halten die "Haltung" zu einer Sache für wichtiger als die Sache selbst (so wie die Versorgungswirtschaft in der DDR).

Man kann sich täglich herum ärgern damit. Oder einfach rausgehen. Am Anfang merkt man in der Tat einen leichten Entzug. Da sind diese Impulse, zu einem neuen Thema etwas Entscheidendes zu sagen zu haben. Aber das legt sich.

Ich denke, dass kommendes Jahr noch mehr Leute so denken werden. In wenigen Jahren werden die "Social Media" keine große Rolle mehr spielen. Ein sicheres Zeichen dafür ist auch, dass selbst Vorstandsvorsitzende konservativer Konzerne jetzt ankündigen, künftig twittern zu wollen...

Ähnlich sehe ich das Thema Nachrichten und Blogs. 

Einerseits: Wer einer Sache wirklich auf den Grund gehen will, muss intensiv und zeitaufwendig recherchieren. Aussagen prüfen, Quellen anhand ihrer Aussagenqualität  bewerten. Wir lernen dabei, welchen Wert die Qualitätsmedien hatten, als sie noch Qualitätsmedien waren. Sie sparten uns eine Menge Zeit. Die politische Tendenz konnte  man zu den Zeiten aber dadurch herausbrechen, indem man einfach mal die Gegenseite las. Ich las vor 20 Jahren die  Süddeutsche und die F.A.Z. und war damit ganz gut auf dem Laufenden. Damals gab es auch noch im Bundestag klare  Lager und Denkrichtungen. Und diese spiegelten sich in den Zeitungen wieder und den politischen Magazinen der ÖR. Ich schaute Monitor, Panorama, Kennzeichen D und ZDF Magazin.

Andererseits: Bevor man Zeit in Recherchen investiert muss man entscheiden für welche Themen? Solche, die von allgemeinen Interesse sind oder für einen selbst? Klare Antwort: Als Journalist gehe ich eher nach dem Allgemeininteresse, als Privater eher nach meinem.

Allerdings entwickeln sich die Zeiten allmählich so, dass die allgemein interessanten Themen immer relevanter auch für  das  eigene Privatleben werden. Und das ist ein schlechtes Zeichen. Lockdown, Bespitzelung, Islamismus sind Themen, die früher nur in fernen Ländern relevant waren. Inzwischen habe ich sie vor meiner Haustür.

Hier entsteht also ein Bedarf nach neuen Qualitätsmedien. All die Achguts, Tichys, Ruhrbarone, Reitschusters sollten irgendwann den Sprung machen und neue Medienunternehmen gründen. Ich spende schon heute für einige Blogs. Ich wäre auch zu Abonnements bereit, wenn deren Themen noch breiter würden. Ich glaube, die Weltwoche von Ossietzky und Tucholsky war dafür ein gutes Beispiel.

2 Kommentare:

  1. Ich frage mich schon lange, ob und wann denn neue Medienunternehmen gegründet werden. Wenn ich es recht sehe, ist der Zulauf zu den großen Blogs beträchtlich, Namen werden (stellvertretend) im Beitrag genannt. Die großen Blogs haben bereits heute einen Mitarbeiterstab - und ich könnte mir vorstellen, daß jenseits einer gewissen Grenze alles auf breitere Füße gestellt werden muß. Jenseits dieser großen Blog entstehen Biotope mit kleinen Websites, die ebenso aus meiner Sicht hervorragende Arbeit leisten, sie bilden insgesamt ein äußerst breites und vielfältiges (das Wort wird hier ausnahmsweise mal zu Recht genutzt) Spektrum ab.

    Auf der anderen Seite staune ich, daß überhaupt noch Staatspresse gekauft und Staatsmedien gehört und gesehen werden. Blicken wir beispielsweise auf das unsägliche GEZ-Theater in Verbindung mit Merkels Druck auf die Abgeordneten in Magdeburg, müßte es jedem, der klar denken kann, einleuchten, daß etwas gewaltig schief läuft. Allein das müßte den dringendsten Wunsch nach Abschaffung derartiger Propagandaeinrichtungen entstehen lassen oder wenigstens verstärken. Zumal diese heute direkt oder indirekt weitgehend vom Staat (also von Steuergeldern, die man denen abnimmt, die sich nicht wehren können) mitfinanziert werden.

    Aber dann kommt wieder die Einsicht - hervorgerufen durch Diskussionen im Bekanntenkreis, aber auch durch Meinungsumfragen -, daß 70 bis 80% der Deutschen Rotgrünschwarz wählen würden oder werden. Solche Leute würden zu einem erheblichen Teil kaum ihrer geliebten Tagesschau, dem Alles-Kleber beim ZDF oder der Reschke aus dem Norden den Laufpaß geben wollen: Sie tun schlicht nichts, sehen keine Veranlassung dafür, bekommen sie doch täglich ihre Dosis Propaganda, ohne die sie nicht mehr auskommen. Sie hängen gleichsam an der Nadel des Systems und merke(l)n es nicht mal (bzw. wollen es nicht).

    In einem solchen Umfeld ist es sehr schwer, sich erfolgreich "gegen das System" bzw. für eine wahrhaftige Berichterstattung aufzustellen, zumal das System Mittel in der Hand hat, die es bedenkenlos gegen die, die zu lästig werden oder die zu erfolgreich sind, in Stellung bringt. Man kennt ja die Buzzwords und die "Argumentations"-Ketten - und die "Strafmaßnahmen.

    Natürlich wünschte ich mir einen weitaus größeren Einfluß der alternativen Medien, eine offene, ehrliche und kontroverse Berichterstattung. Auch ich spende regelmäßig Geld, um die Arbeit und Themenbreite der neuen Medien zu erleichtern und zu fördern. Und hoffe, daß es gleich mir auch andere genauso halten - und daß es zum Erfolg führt.

    Der Wahrheit eine Bahn!

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  2. In meinem Bekanntenkreis gibt es den Zusammenhang, je höher der Bildungsabschluss, desto besser funktioniert das kritische Denken. Das deckt sich in etwa mit Beobachtungen auf LinkedIn: Die Moralisten sind dort eher die mit dem "Bachelor of Arts", nicht die Naturwissenschaftler mit Diplom.

    Im Ruhrgebiet kennen wir ein Paar, das sogar noch -aus Tradition- die WAZ abonniert hat, und sie täglich durchblättert in der Hoffnung auf einen brauchbaren Artikel. Die WAZ und die Ruhr Nachrichten sind Käseblätter geworden, etwa auf dem Niveau der Blätter, die einem früher kostenlos in den Briefkasten geworfen wurde. Und genau so viel Werbung haben sie auch.

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