Dienstag, 26. Februar 2013

Welche Lobby haben Ingenieure und Informatiker?

Wer unterstützt die Interessen angestellter Ingenieure? Keine leichte Frage. Viele Gruppierungen klingen so als ob, sie tun es aber nicht.

"Brauchen wir das überhaupt?" Ist nicht jeder seines Glückes Schmied? Darauf vermag sich verlassen, wer will. Ich habe das direkt nach meinem Berufseinstieg auch geglaubt. Es lief auch lange gut. Aber irgendwann merkt man, dass von der Individualisierung und Vereinzelung nur die Arbeitgeberseite profitiert. Unser Berufs"stand" war selbst Schuld, die Vertretung eigener Interessen für unfein zu halten:

Die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) gibt es nicht mehr, sie ist formal in ver.di aufgegangen. Sie litt unter sinkenden Mitgliederzahlen. Man ließ lieber andere für sich kämpfen und nahm das Erreichte gerne mit. Wenn dann jeder so denkt, kämpft irgendwann keiner mehr. Die anderen Gewerkschaften sind den meisten Akademikern zu rot. So dachte ich auch lange. Bis ich bei einem Ingenieursdienstleister in Berlin Charlottenburg lernte, dass man sich selbst für den Inflationsausgleich penetrant selbst einsetzen muss. Tarife sind eine Seltenheit geworden, viele Arbeitgeber gehören keinem Verband an. Betriebsräte sind auch eine Seltenheit, junge Leute glauben halt, dass sie sich damit unbeliebt machen und lassen es lieber. Es ist nicht schick zu sagen: Ja, ich gehöre einer Gruppe an, die für meine Interessen kämpft. (Einher damit geht meistens, sich zu etlichen "berechtigten Interessen" von Gruppen zu bekennen, denen man selbst nicht angehört.) Dann gibt es noch den VDI - und die SPD.

Wer also setzt sich für unsere Interessen ein:
- Eindämmung der verkappten Zeitarbeit und Leiharbeit für Akademiker, auch "Beratung" oder "Dienstleistung" genannt (soll nicht pauschal für alle gelten, aber für viele).
- Eindämmung des Outsourcing von Produktion und neuerdings Entwicklung. "Made in Germany" sollte nur drauf stehen, wenn es hier entwickelt und produziert wurde.
- Vertretung von politischen Positionen, mindestens da, wo Expertenrat gefragt ist. Wir sollten Themen wie Energiewende und Elektromobilität nicht Juristen und Verwaltungswissenschaftlern überlassen.
- Gutes Geld für gute Arbeit. Wir bekommen heute das in EURO was wir vor der Einführung des EURO in DM bekamen. Ist das eine gute Entwicklung? Ingenieure und Informatiker sollten sich einen Neuwagen deutscher Marke in der Kompakt- oder Mittelklasse (ca. 25- 30 Tausend EUR) leisten können, sage ich immer. Wer ins Management aufsteigt, natürlich mehr.
- Die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes (10h-Tag). Berater und Dienstleister wissen oft gar nicht, welchen gesetzlichen Schutz vor Schinderei sie genießen.

Antworten:

Der VDI?

Nein, der VDI vertritt Arbeitgeberinteressen, z. B. bei der Regierung. Er gibt vor, damit auch Arbeitnehmerinteressen zu vertreten. Am deutlichsten ist das bei der Karriereberatung von Heiko Mell. Er rät seinen Lesern stets zu Konformismus, wenn sie "Karriere machen wollen". Stets mit dem Hinweis, dass er nur wiedergibt, was er beobachtet. Aber damit leugnet er seinen Einfluss, den er vor allem auf Berufseinsteiger hat.

Gewerkschaften?

Ja. Die IG Metall hat z. B. auch Arbeitsgemeinschaften und Foren speziell für Angestellte und Ingenieure. Sie hat in den Jahren nach der Krise merkliche Tariferhöhungen erzielt. Nicht umsonst hat sie 2,2 Mio. Mitglieder, Tendenz steigend.

Der Betriebsrat?

Ja. Allerdings muss man das genau verfolgen. Ein Betriebsrat ist kein Anwalt für Einzelne sondern vertritt die Interessen der Mehrheit der Angestellten, erarbeitet z. B. Betriebsvereinbarungen über Gleitzeit, Gehaltsbänder, Bonusregelungen. Er vermittelt bei Konflikten und redet bei Neueinstellungen  für Nicht-Leitende mit. Er wacht auch auf den Arbeitsschutz, Stichwort: Ergonomie (PC, Monitor, Gewicht des Rucksacks). Der Alptraum vieler Geschäftsführer von Dienstleistungsunternehmen ist ein Betriebsrat, dessen Mitglieder in der Gewerkschaft sind. Dann sitzt die Gewerkschaft mit am Tisch. Die Geschäftsführer wissen, wie sie ihren Angestellten ihr eigenes Horrorszenario als deren Horror unterjubelt. Es gibt auch Betriebsräte, die nur die Nähe zur Geschäftsführung suchen, für später.

Die SPD?

Nein. Das muss ich so sagen, siehe auch meinen Beitrag unten. Als akademischer Industrieangestellter (als Freiberufler noch weniger) findest Du in der SPD inzwischen keine Lobby mehr. Vor Wahlen tut sie stets so, aber das Sagen haben die Angestellten aus den öffentlichen Verwaltungen und immer mehr Minderheiten, die mit dem Stichwort "Arbeiterpartei" nicht viel am Hut haben. Es hat schon seinen Grund, dass die SPD mit 440.000 Mitgliedern auf einem Allzeittief angekommen ist.

Fazit:
Vergesst die SPD und den VDI. Gründet einen Betriebsrat, und überlegt eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Wenn es einen Tarif gibt, unterstütze diejenigen, die ihn eingeführt haben.

Sonntag, 24. Februar 2013

Wie sich die SPD von ihrer Basis entfernt

Ob ich als Mitglied für die SPD Wahlkampf machen werde, muss ich mir noch schwer überlegen. Denn bisher finde ich mich weder in den Kernbotschaften des Wahlprogramms noch im Tagesgeschäft der SPD wieder.

Ich BIN das, was mal das wichtigste Anliegen der SPD war: Ein Arbeiterkind, das studiert hat und als Industrieangestellter auf eigenen Beinen steht. Ein Stadtmensch mit Auto und Bahncard. Verheiratet. Geboren im Ruhrgebiet.

Meine wichtigsten politischen Anliegen:


  1. Wann wird die Finanzkrise abgestellt und ihre Verursacher zur Rechenschaft gezogen?
  2. Warum muss ich für Anlagerisiken von Banken und Vermögenden haften? Warum muss ich griechische, spanische, italienische und russische steuerhinterziehende Oligarchen raushauen? Was kriege ich dafür?
  3. Wann steht die Entwicklung unserer Wirtschaft wieder auf dem Programm?
  4. Wann werden Arbeitnehmer von zu hohen Steuern und SV-Abgaben entlastet?
  5. Wann geht es weiter mit Kapital in Arbeitnehmerhand? Das Thema Börse und Riesterrente hat sich ja wohl erledigt. 
  6. Wann werden die Bahn, Straßen und Autobahnen wieder benutzbar sein? Wieso zahle ich hier immer mehr und bekomme immer weniger zurück?
  7. Wann werden die Sondersteuern auf Strom und Benzin wieder zurückgenommen?
  8. Warum sieht kein Politiker, dass wir vor der Krise bereits eine europäische Identität hatten, angetrieben von Billigfliegern und Internet? Warum hat sich nie irgendeine Regierung für die europäische Jugend interessiert, für die die Bewegung in europäischen Unternehmen,  Hauptstädten und an südeuropäischen Stränden längst Normalität war? Hier gab es das, was die alten Damen und Herren uns hochtrabend als fehlendes "Narrativ" verkaufen wollen.
Im Gegensatz dazu mal die Schlagzeilen von SPD-Webseiten:

SPD Bundesverband

  1. Doppelte Staatsbürgerschaft
  2. Kommentar zur Gauck-Rede über Europa
  3. August-Bebel-Preis für Günter Wallraff
  4. Steinbrück kritisiert Merkels EU-Haushaltspolitik
  5. Verdi-Chef zum Armutsbericht
  6. amazon und Leiharbeit
  7. Homoehe und -adoptionsrecht
  8. Steinbrück bei Barroso "Europa nicht kaputtsparen"
  9. Mindestlohn
  10. Zypern-Krise
Das meiste davon bewegt mich nicht, man könnte es meinetwegen weglassen.
Ich surfe auf die "Themen"-Seite. Hier ist von Bürgerdialog die Rede. Ja, daran hatte ich mich voriges Jahr auch mal beteiligt. Ich bekam eine Dankesemail und dann hörte ich nie wieder was davon. Meine Themen gehen unter. Welche hält die SPD für wichtig?
  • Kinder und Familie - heißt: Ganztagesbetreuung und Gleichstellung aller Lebenspartnerschaften
  • Jugend und Bildung- heißt: Ganztagsschule, Recht auf Ausbildung, keine Studien- und Kitagebühren
  • Arbeit, Wirtschaft, Energie - heißt: Mindestlohn, gleicher Lohn für Frau+Mann, mehr Tarifverträge, Rückkehr zu Industriepolitik und Dienstleistungsgesellschaft (Kreative und Gesundheit), Förderung des Mittelstandes, EU-weit abgestimmte Industriepolitik, Energiewende.
Quelle: SPD

SPD Berlin

Welche brennenden Themen hat aus meiner Sicht Berlin?
  1. Fehlende Industriedynamik. Eine Mentalität, die Initiative und Spaß an Arbeit und Initiative unterdrückt. Es herrscht der öffentliche Dienst. Wir brauchen gut bezahlte Jobs, Jobs, Jobs. Keine 35. Initiative für einen künstlichen Arbeitsmarkt.
  2. Eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur. Die eine Hälfte Berlins steht im Stau, die andere wartet vergeblich auf die nächste S-Bahn. Beim Flughafenthema hat man das Wertvollste aufgegeben (Tempelhof, Tegel) und das Neue nicht auf die Reihe gekriegt (BER).
  3. Innere Sicherheit. Man muss sich nachts wieder bewegen können, ohne Angst vor kriminellen Einwanderersöhnen. Und man muss sein Auto draußen parken können ohne Angst vor Brandanschlägen.
Und was findet man bei der SPD Berlin?
  1. Ergebnisse von Kandidatenaufstellungen
  2. Berlinale Auftritt von Wowereit
  3. Neue AG Migration und Vielfalt
  4. Eckpunkte des Landesvorstandes zum Wahlprogramm
  5. Am Pferdefleischskandal ist die CDU schuld.
  6. AG 60+
  7. Aktion One Billion Rising
  8. Swen Schulz: Hochschulpakt aufstocken
  9. Mehr Wohnungsbau
  10. Kritik an Klage gegen den Länderfinanzausgleich
Fazit: Bis auf die Eckpunkte des LaVo fürs Wahlprogramm durch die Bank unterinteressant. Aber was steht da drin? Mietenbremse (obwohl selbst Mietentreiber), Mindestrente, doppelte Staatsbürgerschaft, Altschuldenfonds zur Entlastung überschuldeter Länder und Kommunen (ein klares Berlinanliegen).
Also nochmal, Fazit: Durch die Bank uninteressant für mich. Vertritt nicht meine Interessen. Wo ist eigentlich Michael Müller...?

Und zum Schluss:

SPD Kreuzberg-Friedrichshain


Ein Bezirk, der es endlich mal auf die Reihe kriegen sollte, sein behauptetes Kreativpotenzial auf die Straße zu bringen um davon leben zu können. Ein Ende der Selbstbejammerung, des öffentlichen Messitums, der ritualisierten Gewalt, damit wäre man vorne.

Doch stattdessen:
  • Eine bereits erteilte Bau- und Nutzungsgenehmigung für einen Hellwegbaumarkt wird zurückgezogen, weil man jetzt meint, dort Wohnungen bauen zu müssen.
  • Cansel ist Kandidatin geworden, Glückwunsch! (Link)
  • Sonst nichts. Ein Blick in die Anträge der BVV-Fraktion: Schwerpunkt Stadtentwicklung (Wohnungsbau).
Fazit: Von Kreativwirtschaft und so keine Rede. 

Freitag, 22. Februar 2013

Kreuzberg

Der Weg zum neuen Park am Gleisdreieck:

Diese sind die alten Gleise, 
die früher zum Anhalter Bf. führten.
(links von ihnen liegt das Technikmuseum)


Diese Strecke liegt westlich davon:
Von Süden geht es in den Hauptbahnhof Tief.

Läuft man vom Gleisdreieckpark die Mönckebergstr. nach Süden
gelangt man zum Viktoriapark (den "Kreuzberg")

Innenansicht der Stadtklause:


Berlinale










Sonntag, 17. Februar 2013

Müllhaldenmonologe: Mitglieder der SPD Kreuzberg boykottieren Kandidatenaufstelung

Als die Kandidatenbriefe für die Bundestagswahl 13 reinflatterten, hatte ich wenig Hoffnung. Wie schon in der FDP finde ich auch sicher in der SPD Berlin niemanden, der meine Interessen vertritt. Dazu bin ich zu normal: Arbeiterkind, Studium, Angestellter und zeitweise nebenberuflich Freiberufler. Aufstieg durch Bildung, wenn man so will. Wobei materieller Aufstieg nicht alles ist im Leben, sondern ich meine mit Bildung schon auch Weiterentwicklung ganz allgemein. Und nicht zuletzt: Verantwortung für das, was ich tue.

Ich blättere durch: Eine Transsexuelle, ein Verwaltungsmensch und .. eine Kollegin!

Freudige Überraschung: Eine Angestellte. Kind, türkischer Einwanderer nach Berlin. Aufstieg durch Bildung. DIE SPD-Story. Am nächsten Tag: Angemailed, am Hbf getroffen, Programm angehört. Klingt gut. Sie kandidiert für die Aufstellung für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg. Das ist der Ströbelewahlkreis. Wer ihn stürzen sollte, würde in die Hall of Fame im Willy-Brandt-Haus aufgenommen. Aber eigentlich traurig für einen traditionellen Arbeiterbezirk, dass man der SPD hier keine Chancen einräumt. Aber vielleicht meiner Kollegin Cansel?

Und noch eine gute Nachricht: Über die Aufstellung des Direktkandidaten will der neue Bezirksvorstand um Julia Schimeta die Mitglieder abstimmen lassen. Sehr gut! Ob das Votum bindend ist für die Delegierten, die danach noch einmal, und dann offiziell den Kandidaten wählen, darüber gibt es zwei Meinungen. Egal. Auf Twitter haben ich und andere Werbung für Cansel gemacht: #CanselFürXHain. Cansel's Motto: "Vorwärts (=Zukunft), und nicht vergessen.. (=Herkunft)".

Gestern war dann endlich der Tag der Abstimmung. Da meine bessere Hälfte und ich ein Wochenende in Potsdam planten, wollten wir nur zum Wahllokal fahren, wählen und dann ab an die Havel. Vom Halleschen Ufer ist es der klassische Weg nach Friedrichshain: Entlang des Landwehrkanals, über dem die U-Bahn fährt. Vorbei am Patentamt und am Schlesischen Tor. Dann irgendwann links über die Oderbaumbrücke auf die Warschauer Strassse und dann rechts in die Revaler Strasse. Hier soll das "Astra Kulturhaus" sein, in dem gewählt wird.

Es ist die Hipstergegend Berlins. Sagt man. Glauben die Leute hier von sich selber. Hier, im Lichtkegel des früheren Pixelparkglaswürfels hatten wir schon 2001 mit der IBM Unternehmensberatung Weihnachtsfeier. Hier sitzen die Musikverlage, für deren Behäbigkeit sich Dieter Gorny regelmäßig in die Bresche wirft. Hier traf ich mich mit Werner, als er damals ein Projekt in Berlin hatte. Und ich traf ich mich öfter mit den früheren Kollegen der VW-Tochter, die 2007 die Open Synergy gründeten, ein Unternehmen für Software im Auto.

Zurück zur SPD. Wo ist der Eingang zum "Kulturhaus Astra"? Alles was wir sehen ist eine Mauer, hinter der abbruchreife Ruinen stehen. "Aber hier muss es sein." Ab aufs Gelände. Hier ist nix ausgeschildert. Alter, wenn Du nicht weißt wo Du hin musst, dann biste wohl nicht von hier?". Wir fragen eine Polizeistreife, die zufällig eine Runde dreht. "Da lang und das letzte Haus links." - "Haus?"

Irgendwann finden wir einen Pappaufsteller mit SPD-Schriftzug. Im "Foyer" sitzt ein Hipster, der sich uns offenbar überlegen fühlt. Nur wenige Vorhänge später sind wir schon im Wahllokal. Es muss der Bühnenraum sein. Fensterlos, Funzellicht. Zwei Tische mit vier Genossen. Ein Wahllokal. Am Rande, genauer: auf Distanz: unsere Bezirksvorsitzende.

Wir spüren: Wir sind keine typischen SPDler. Nicht in Berlin. Und in Kreuzberg schon gar nicht.

Wir denken: Mal angenommen, wir hätten heute einen SPD-Sympathisanten mitgenommen. Um die Gelegenheit zu nutzen, ein paar Leute kennen zu lernen, ein paar Worte zu wechseln. Wir hätten uns geschämt. So runtergekommen ist diese Müllhalde. Nicht nur das: Es vermittelt sich hier ja auch, welchen Anspruch die Macher dieses Bezirksverbandes, aber eigentlich auch die gesamte Klientel hier an sich selber haben: Gar keinen!

Es wirkt wie offene Therapie. Es ist ok, wenn junge Leute so ticken. Aber selbst der Nachwuchs hat seine Probleme mit diesem "Kulturhaus", auf Google Maps finden sich Kommentare wie "Drecksloch", zu teuer für den schlechten Sound etc. Es wird richtig krass, wenn Erwachsene nicht den Absprung in ein selbstverantwortliches Leben schaffen und ihre Verantwortungsverweigerung kultivieren. Und das passier hier als Massenphänomen. "Recht auf.." ist das Lebensmotto. Es weist die gleichen Symptome auf, wie ein Kind, das von seinen Eltern immer verhätschelt worden ist. Es ist nicht dankbar, es wird anspruchsvoll und zänkisch.

Abends, beim Essen in Potsdam, lesen wir auf Twitter: "Quorum nicht erfüllt. Die Delegierten entscheiden." Alles umsonst, Der Bezirksvorstand hat es nicht geschafft, seine Mitglieder zu mobilisieren. Die Mitglieder haben von ihrem Wahlrecht nicht gebrauch gemacht. Schwach. Ganz schwach. In jeder Hinsicht.

Grube gibt Missmanagement zu - indirekt

Über Äußerungen von Bahnvorständen kann man eigentlich nur noch müde lächeln. Hätten sie nicht so einen gravierenden Einfluss auf den Alltag von Millionen von Pendlern, müsste man sie nicht ernst nehmen. Die Alphamänner im Bahntower am Potsdamer Platz üben schlicht Macht aus. Über ihre Mitarbeiter, ihre Zulieferer und Politiker, die von einer Anschlusskarriere im Beirat der Bahn träumen. Und ihre Kunden:

S21
Stuttgart21 wird nicht kommen. Das lese ich aus der Kommunikation der Vorstände. Als es noch Prestige versprach, saß Rüdiger Grube bei #S21 immer vorne. Inzwischen schickt er nur noch Volker Kefer vor, den Vorstand fürs Netz. Der Bahnvorstand wird einen Rückzieher machen müssen und in Stuttgart einen halb abgerissenen Bahnhof hinterlassen. Dann sieht es in der Stuttgarter City bald so ähnlich aus wie am Anhalter Bf. in Kreuzberg. Auf Youtube passend dazu das Beweismaterial, Interviews und Ausschussauftritte des -Entschuldigung- Kotzbrockens Mappus und der Paten aus dem Bahnvorstand. Ramsauer wird versuchen die Hängepartie über die Mehrkostenübernahme bis zum 22. September auszudehnen.

Winterchaos
Aber auch der tägliche Wahnsinn im Fernverkehr wird weitergehen. In der Osnabrücker Zeitung brüstete sich Grube Mitte Januar damit, der reibungslose Ablauf des Weihnachtsverkehrs habe gezeigt, dass seine Vorbereitungsmaßnahmen für den Winter gegriffen hätten. Leider hakt der Interviewer nicht nach, denn Weihnachten 2012 hatten wir deutliche Plusgrade (Link). Es sind diese Halbwahrheiten und Irreführungen, um nicht zu sagen: Lügen, mit denen sich der Bahnvorstand immer rausreden kann, weil die, die ihm auf den Zahn füllen wollen, nur halb informiert sind. Als im Januar die Temperaturen dann in den Eiskeller gingen, kamen die Ausfälle von Zügen, Weichen und Stellwerken wie eh und je. Grube hat absolut nichts verbessert.

Zulieferer
Besonders dreist: Während er in den Medien behauptet, er habe die Bahnwelt wieder in Ordnung gebracht, gibt er das Gegenteil weiterhin zu, indem er seine Zulieferer zum Sündenbock seines Missmanagements macht. Siemens und Bombardier seien verantwortlich, deshalb führt er jetzt sogar Klage gegen sie.
Damit fordert er eigentlich uns Bahnkunden auf, selbiges mit ihm zu machen. Denn warum sonst hätte die Bahn Grund zu klagen, wenn nicht auch wir mit Schadensersatzforderungen gegen sie vorgehen würde? Wir sind es, die die Schlechtleistungen von Rüdiger Grube, Ulrich Homburg und Volker Kefer täglich hinnehmen. Und wenn wir die Stimme erheben - im Zug, am Infoschalter- dann hören wir altpreussischen Kasernenton. Es ist deshalb wichtig, gegen die Bahn auf verschiedenen Wege immer wieder vorzugehen. Reklamationen, Beschwerden, Petitionen,.. wo immer es sich anbietet.

Donnerstag, 14. Februar 2013

Bio-Break!

In Arbeitsgruppen ist es wie im Mannschaftssport: Kaum hat man mal einen Lauf, muss man ihn unterbrechen. Man braucht in all dem Getöse um einen Herum immer ein bisschen Zeit, um auf den Arbeitspunkt zu kommen, ab dem es produktiv wird.

Es war aufwendig genug, es überhaupt stattfinden lassen zu können. Einen Zeitpunkt verabreden, früh aufstehen (Schlafmangel), anreisen (Ärger, Energie), den Besprechungsort finden, auf den letzten Verspäteten warten (es trifft meist genau einen), herauskriegen, wie der Beamer funktioniert. Und: Haben wir hier WLAN..., wie lautet das Gästepasswort, die Proxyeinstellung...?

Dann die Agenda durchgehen, die Vorgeschichte rekapitulieren, die Diskussion in Gang bringen. Dann kann es schon auf elf Uhr zugehen. Dann läuft die Diskussion endlich und konkretisiert die Fragestellungen und Aufgaben. Und dann, mitten im Lauf, kommt jemand rein und sagt: "Sie müssten jetzt essen gehen, jetzt ist für Euch reserviert." Heißt: Wir unterbrechen für mindestens eine Stunde.

Eine Stunde, in der wir etwas anderes sehen, z.B. das Betriebsgelände. In der wir uns teilweise aus den Augen verlieren und nur mit einem Teil der Gruppe das Thema weiterbesprechen. Alles Gute, was jetzt gesagt wird, bringen wir nicht schriftlich unter und wir werden auf dem Rückweg die Hälfte vergessen haben. In der Kantine müssen wir uns anstellen, aussuchen, uns sammeln, den Tisch finden. Am Tisch dann andere Themen.

Um kurz nach eins sind dann alle zurück im Besprechungsraum. Kaffee, Wasser. Voller Magen, Trägheit. "Also, zurück zum Thema. Martin hatte zuletzt vorgeschlagen...und gerade bei Tisch kam die Idee, ..."

Mühselig suchen wir nach dem Flow, den wir vor der Mittagspause hatten. Langsam kommt er wieder in Fluss. Dann gehen die ersten auf Toilette. "Bio-Break" für alle. Abermalige Unterbrechung.

Und so weiter. Dann schreiben wir die ersten Ergebnisse auf. Dann muss der erste schon wieder weg. Wenig später der nächste. "Am Ende des Tages" werden wir etwas geschafft haben. Betonung auf "etwas".

Wir sind Menschen. Wir müssen einander sehen, beim kommunizieren. Dazu müssen wir unsere Körper in Verkehrsmittel bringen und irgendwohin reisen. Vor Ort haben wir andauernd, obwohl wir nur die digitalen Ergebnisse für substantiell halten, biologische Bedürfnisse. Durst, Hunger, Zigarettenschmacht, Verdauung, Schlaf.

Aber so ist der Mensch. Und deshalb werden wir trotz technischem Fortschritt auch nicht schneller.

Dienstag, 12. Februar 2013

Probleme mit der Führungsqualität in Großprojekten

#BER
Was sich Wowereit, Platzeck und Ramsauer beim Flughafen #BER durch unterlassene Aufsichtspflichten geleistet haben, hat uns zurecht aufgeregt. Nicht nur, dass die unser Geld in den Sand setzen. Allen voran Wowereit brüstet sich auch noch mit seinem unterentwickelten Verantwortungsbewusstsein und zieht Stößchen auf Fashionweek und am Kudamm den Rechenschaftsberichten auf Aufschussssitzungen vor. "Was mir nicht berichtet wurde, konnte ich nicht wissen." sagt der Mann, den inzwischen auch Parteifreunde aus seiner Nähe gerne als "Atze Peng" bezeichnen.

Elbphilharmonie
Das ist aber keine Domäne der SPD, auch wenn man den Nürburgring hinzuzieht. Die Elbphilharmonie ist das Werk von Ole Beust, der rechtzeitig die Lust auf Politik verlor und das Kiel oben treibende Projekt lieber seinem Nachfolger überließ.

Die Kosten werden bei denen abgeladenen, die das Pendant zum Perpetuum Mobile in den öffentlichen Finanzen sind: bei den Steuerzahlern.

ThyssenKrupp
Es ist aber nicht einmal eine Domäne von Politikern in Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmungen. Ein aktueller Beweis ist ThyssenKrupp. Wieder mal haben Vorstände deutscher DAX Konzerne ein Weltprojekt vermasselt. Eine Machbarkeitsstudie von McKinsey ergab, dass man westlich von Rio de Janeiro ein Stahlwerk samt Seehafen bauen kann. Wenn man günstige Anbieter nimmt. So kam es, dass obwohl Thyssen mit Uhde einen renommierten Anlagenbauer im eigenen Konzern hat,  den Bau ihres brasilianischen Stahlwerkes an einen chinesischen Anbieter vergab. Brasilien, Mc Kinsey, China. Man spielte global. Das Werk sollte auch nach Europa liefern, also den hiesigen Werken Konkurrenz machen. Aus den knapp 2 Mrd EUR sind inzwischen 8 geworden. Die brasilianische Tonne Stahl ist teurer als die deutsche. Das muss man Cromme und McKinsey erst einmal nachmachen. Vor der Billigkonkurrenz aus dem eigenen Konzern blieben die deutschen Stahlarbeiter also erstmal geschützt, dank der Unfähigkeit ihres Managements und dessen Berater. Dachten sie. Doch jetzt blitzte Zeus's Zorn von der Villa Hügel: Cromme und Beitz haben beschlossen, tausende von hiesigen Stahlarbeitern für die Fehler des Olymp bluten zu lassen.

Airbus, Boeing
Aber Missmanagement ist auch keine deutsche Domäne. Siehe Airbus. Und siehe Boeing. Es gibt einen Trend, die eigene Produktwelt so zu verkomplizieren, dass irgendwann keiner mehr durchblickt. Dazu kommt, das Personal viel zu kurz auf seinen Position arbeiten zu lassen und es stattdessen aus Angst vor zu engen Bindungen zu den Auftragsdienstleistern rotieren zu lassen. Die Rechnung kommt am Schluss, wenn getestet wird. Ein beim Test entdeckter Fehler ist je nachdem 1.000 mal oder um höheres Vielfaches teurer als eine Korrektur der Planung. Aber: "Die Zeit haben wir nicht."

Montag, 11. Februar 2013

Sonntag, 10. Februar 2013

Patentierte Geschäftsmodelle für gebrauchte, digitale Werke

Die Anfänge: Gebrauchtsoftware
Im Geschäft mit Unternehmenssoftware gibt es den Handel mit Gebrauchtlizenzen schon länger. Und seit Juli 2012 gibt es vom EuGH dazu auch ein Gerichtsurteil. Nicht nur Software auf CD oder DVD darf vom Käufer wieder verkauft werden, sondern auch Downloads (SPON). Geklagt hatte die Fa. UsedSoft (Link) gegen Oracle.

Die Richter machten dafür den sog. "Erschöpfungsgrundsatz" geltend, nachdem man an einem geistigen Eigentum entlang einer Wertschöpfungskette nur einmal verdienen darf. Kurz gesagt: Wenn ich ein Auto kaufe, in das Patente von Zulieferern eingegangen sind, dann stecken diese Lizenzkosten im Preis des Autos, weil der Autohersteller hierfür gezahlt hat. Ich muss nicht zusätzlich Lizenzen für Patente auf Navigationssystem, Airbag oder sonstwas zahlen.

Wichtig für die Umsetzung eines Gebrauchtlizenzenverkaufs: Ich darf als Verkäufer keine Kopie behalten. Sonst habe ich Geld für eine Raubkopie genommen und mich strafbar gemacht. 

Dies in der Unternehmenswelt zu kontrollieren ist vergleichsweise einfach: Wenn ein Unternehmen nach Verkauf einer Oracle- oder SAP Unternehmenslizenz diese trotzdem weiterverkauft, dann könnte sich das schnell bis zum Softwarehersteller herumsprechen..

Übertragung auf Kunstwerke
Anders im Privatsektor: Schon in der Homecomputerära war allen klar, dass man Software kopieren und weiterreichen kann. Allen war irgendwie klar, dass ein Computer Geld kostet. "Da hat man ja was in der Hand." Dass Software auch Geld kostet weil Arbeit drinsteckt, damit waren die ersten schon überfordert. Das zog sich später auch durch die Reihen der Raubkopierer von Musik, Büchern und: Doktorarbeiten ;-)

Trotzdem war die fehlende Möglichkeit, Bücher nach dem Lesen wieder zu verkaufen bis jetzt der Grund, warum ich mir keinen Ebook Reader zugelegt hatte. Meine Kosten für Literatur würden sich dadurch schlicht erheblich erhöhen. 

Ich kaufe viele Bücher, verkaufe sie aber auch wieder. Ich kaufe auch gebrauchte Bücher. Und verlasse mich implizit darauf, dass dieser den Verlagen entgehende Umsatz schon irgendwie in die gebundenen Buchpreise einkalkuliert ist. So wie ja auch die Kopierabgabe in USB-Sticks, Drucker und Kopierer eingepreist ist.

Jetzt haben amazon und die Fa. ReDigi (Link) Patente auf Wiederverkaufsmodelle für Digitalgüter bekannt gemacht. Schauen wir uns die Patente doch mal an:

1. amazon.com
Patenttitel: "Secondary market für digital objects" (Link)
Anmeldedatum: 05.05.2009

Zusammenfassung:
Ein digitaler Marktplatz für elektronische Bücher, Audio, Video, Apps. Die digitalen Güter werden in einem persönlichen Speicher abgelegt. Der Käufer kann seine Rechte auf Download, Verschieben und Streaming an einen anderen Nutzer verkaufen. Nach dem Verkauf wird der Inhalt aus dem Speicher des Verkäufers gelöscht. Das Recht auf Download, Verschieben und Streaming kann auch nach Erreichen einer maximal zulässigen Zahl erschöpft werden.

Die Wiedergabe der schwer verständlichen Patentansprüche unterlasse ich mal. Der Stoff ist aber ao schon spannend genug.

Diskussion:
1. Die Formulierung "persönlicher Speicherbereich" umfasst beides: Die Cloud und den PC/Tablet. In der eigenen Cloud hat amazon alles im Griff. Will ich Musik hören oder ein Video als Stream abspielen geht das einfach nicht mehr, wenn ich gerade die Lizenz dafür weiterverkauft habe. So lässt sich übrigens gleichzeitig eine zeitlich oder stückbezogene Lizenz abbilden. Der Server misst die Zeit, zählt meine Streams, erlaubt oder sperrt. Und auch der Verleih von User zu User lässt sich so abbilden. Verleihen heißt: Ich bekomme meinen Access solange gesperrt wie ich ihn an den Empfänger verliehen habe. 
Was aber ist mit Downloads? Dann muss amazon meinen Player, d.h. mein Gerät (meinen Kindle, meinen PC/Tablet durchsuchen und löschen dürfen. Das wird für einen nächsten Aufschrei sorgen, diesmal von Datenschützern..
Für amazon ist es fast das perfekte Geschäftsmodell: Einmal installiert, muss amazon überhaupt nichts mehr bewegen, um Geld zu verdienen. 

2. ReDigi
Die Fa. beschreibt sich selbst als der Welt erste reale und legale Alternative zu teuren Online-Musikhändlern und illegalen Filesharern (Link). ReDigi beruft sich auf das US-amerikanische Pendant zum europäischen "Erschöpfungsgrundsatz", die "First Sale Doctrine" aus dem Jahre 1908 - die Voraussetzung für das Geschäftsmodell mit gebrauchten Werken. 

ReDigi steuert die Lizenzen über seine... Cloud. 

Titel des noch nicht erteilten Patents: "Method and apparatus for sharing, transferring and removing preiviously owned digital media." (Link)
Anmeldedatum: 31.12.2010

Zusammenfassung (in eigenen Worten):
Nach der Registrierung eines Users und dessen Markierung eines digitalen Werkes auf seinem PC/Tablet als "Zum Verkauf" prüft der ReDigi Server zunächst, ob der Anbieter tatsächlich Eigentümer der angebotenen Kopie ist. Im positiven Fall nimmt die Cloud das Angebot in die Angebotsliste für die anderen User auf. Findet sich ein Käufer, wird der Verkauf und Download abgewickelt. Siehe auch nachfolgende Grafik aus der Offenlegungsschrift.


Diskussion:
Ich bin die Offenlegungsschrift nur durchgeflogen, sie klingt im Vergleich zum amazon Patent etwas oberflächlicher. Fest steht aber, dass bei diesem Verfahren der Rechner bzw. die Contentliste des Anbieters gründlicher durchsucht wird. Insbesondere das Wasserzeichen bzw. das digitale Recht des angebotenen Inhaltes. Wie ReDigi selbst schreibt: "Niemand darf das Haus verkaufen, in dem er nur zur Miete wohnt." Nicht nur das. Könnte ja auch sein, dass ReDigi dabei auch auf illegale Kopien stößt? Aber gut, wer hier Gefahr läuft, wird sich auf diesem Markt nicht anbieten. Unklar ist mir, ob man hier auch als iTunes oder amazon Kunde mitspielen kann.

Kritik und Ausblick:
Allmählich wird sichtbar, welchen Nutzen die Cloud Unternehmen wie Apple, amazon oder auch neuen Content Unternehmen bietet: Die komplette Steuerung unseres Nutzungsverhaltens bei digitalen Inhalten.

Musik subventionierte den iPod
Von Apple wissen wir: Er hat den Markt für MP3 Musik legalisiert und einfach benutzbar gemacht. Gott sei Dank. Aber er hat unterm Strich den Preis pro Kopie verbilligt. Es ging Steve Jobs darum, den Content billig zu bekommen, um teure Geräte verkaufen zu können. Und was er neu ermöglichte war, ein Album stückeweise kaufen zu können. Ich bin ihm dafür dankbar, aber ich schätze, die Künstler nicht so..

Jetzt geht es noch einen Schritt weiter. Jetzt kann jeder Inhaber einer Kopie selbst als Anbieter auftreten. Und wenn ich eine gebrauchte Kopie kaufe, habe ich davon zunächst keinen Nachteil. Denn digitale Kopien kommen -anders als LPs damals im Plattenladen- ohne Qualitätsverlust. Damit ich meine Gebrauchtkopie loswerde, werde ich bestehende Preise für "Neuware" unterbieten müssen. 

Bei Unzufriedenheit sinken die Preise
Schlecht für Verlage, wenn sie Künstler unter Vertrag haben, deren Werke nach dem Kauf schnell wieder abgestoßen werden, weil sie nicht gefallen. Je höher die Wiederverkaufsrate, desto niedriger der durchsetzbare Preis. Der Effekt, dass versprochene Qualität nicht gehalten wird, wird hier schneller für sinkende Preise sorgen.

Patentierbarkeit von Geschäftsmodellen:
Erfindungen, die technisch keine erfinderische Höhe haben aber trotzdem mittels Einsatz von Technik Märkte verändern können, haben in Deutschland eigentlich keine Chance auf Patentierung. Das Europäische Patentamt ist da schon toleranter. Die deutschen Auftragsentwickler, viele von ihnen Freiberufler oder kleine Dienstleister, wollen keine Patente lesen. Sie entwickeln keine Standardprodukte und -dienstleistungen. Sie programmieren für andere. Unternehmen wie SAP sind in DE die Ausnahme und so verhält sich das DPMA.
Das EPA schaut von Europa auf die Welt und sieht, dass die europäischen Großunternehmen im internationalen Wettbewerb stehen. Und spielt, soweit es die Gesetze zulassen, mit.
Man muss nur bedenken, dass mit der Patentierung von Geschäftsmodellen auch deren Monopolisierung zugelassen wird.

Patentierte Geschäftsmodelle für gebrauchte digitale Werke

Die Anfänge: Gebrauchtsoftware
Im Geschäft mit Unternehmenssoftware gibt es den Handel mit Gebrauchtlizenzen schon länger. Und seit Juli 2012 gibt es vom EuGH dazu auch ein Gerichtsurteil. Nicht nur Software auf CD oder DVD darf vom Käufer wieder verkauft werden, sondern auch Downloads (SPON). Geklagt hatte die Fa. UsedSoft (Link) gegen Oracle. Die Richter machten dafür den sog. Erschöpfungsgrundsatz geltend, nachdem man an einem geistigen Eigentum entlang einer Wertschöpfungskette nur einmal verdienen darf.

Kurz gesagt: Wenn ich ein Auto kaufe, in das Patente von Zulieferern eingegangen sind, dann stecken diese Lizenzkosten im Preis des Autos, weil der Autohersteller hierfür gezahlt hat. Ich muss nicht zusätzlich Lizenzen für Patente auf Navigationssystem, Airbag oder sonstwas zahlen.

Wichtig für die Umsetzung eines Gebrauchtlizenzenverkaufs: Ich darf als Verkäufer keine Kopie behalten. Sonst habe ich Geld für eine Raubkopie genommen und mich strafbar gemacht.

Dieses zu kontrollieren ist vergleichsweise einfach: Wenn ein Unternehmen nach Verkauf einer Oracle- oder SAP Unternehmenslizenz diese trotzdem weiterverkauft, dann könnte sich das schnell bis zum Softwarehersteller herumsprechen..

Übertragung auf Kunstwerke
Anders im Privatsektor: Schon in der Homecomputerära war allen klar, dass man Software kopieren und weiterreichen kann. Allen war irgendwie klar, dass ein Computer Geld kostet. "Da hat man ja was in der Hand." Dass Software auch Geld kostet weil Arbeit drinsteckt, damit waren die ersten schon überfordert. Das zog sich später auch durch die Reihen der Raubkopierer von Musik, Büchern und: Doktorarbeiten ;-)

Trotzdem war die fehlende Möglichkeit, Bücher nach dem Lesen wieder zu verkaufen bis jetzt der Grund, warum ich mir keinen Ebook Reader zugelegt hatte. Meine Kosten für Literatur würden sich dadurch schlicht erheblich erhöhen.

Ich kaufe viele Bücher, verkaufe sie aber auch wieder. Ich kaufe auch gebrauchte Bücher. Und verlasse mich implizit darauf, dass dieser den Verlagen entgehende Umsatz schon irgendwie in die gebundenen Buchpreise einkalkuliert ist. So wie ja auch die Kopierabgabe in USB-Sticks, Drucker und Kopierer eingepreist ist.

Jetzt haben amazon und die Fa. ReDigi (Link) Patente auf Wiederverkaufsmodelle für Digitalgüter bekannt gemacht. Schauen wir uns die Patente doch mal an:

1. amazon.com
Patenttitel: "Secondary market für digital objects" (Link)
Anmeldedatum: 05.05.2009

Zusammenfassung:
Ein digitaler Marktplatz für elektronische Bücher, Audio, Video, Apps. Die digitalen Güter werden in einem persönlichen Speicher abgelegt. Der Käufer kann seine Rechte auf Download, Verschieben und Streaming an einen anderen Nutzer verkaufen. Nach dem Verkauf wird der Inhalt aus dem Speicher des Verkäufers gelöscht. Das Recht auf Download, Verschieben und Streaming kann auch nach Erreichen einer maximal zulässigen Zahl erschöpft werden.

Die Wiedergabe der schwer verständlichen Patentansprüche unterlasse ich mal. Der Stoff ist aber ao schon spannend genug.

Diskussion:
1. Die Formulierung "persönlicher Speicherbereich" umfasst beides: Die Cloud und den PC/Tablet. In der eigenen Cloud hat amazon alles im Griff. Will ich Musik hören oder ein Video als Stream abspielen geht das einfach nicht mehr, wenn ich gerade die Lizenz dafür weiterverkauft habe. So lässt sich übrigens gleichzeitig eine zeitlich oder stückbezogene Lizenz abbilden. Der Server misst die Zeit, zählt meine Streams, erlaubt oder sperrt. Und auch der Verleih von User zu User lässt sich so abbilden. Verleihen heißt: Ich bekomme meinen Access solange gesperrt wie ich ihn an den Empfänger verliehen habe.
Was aber ist mit Downloads? Dann muss amazon meinen Player, d.h. mein Gerät (meinen Kindle, meinen PC/Tablet durchsuchen und löschen dürfen. Das wird für einen nächsten Aufschrei sorgen, diesmal von Datenschützern..
Für amazon ist es fast das perfekte Geschäftsmodell: Einmal installiert, muss amazon überhaupt nichts mehr bewegen, um Geld zu verdienen.

2. ReDigi
Die Fa. beschreibt sich selbst als der Welt erste reale und legale Alternative zu teuren Online-Musikhändlern und illegalen Filesharern (Link). ReDigi beruft sich auf das US-amerikanische Pendant zum europäischen "Erschöpfungsgrundsatz", die "First Sale Doctrine" aus dem Jahre 1908 - die Voraussetzung für das Geschäftsmodell mit gebrauchten Werken.

ReDigi steuert die Lizenzen über seine... Cloud.

Titel des noch nicht erteilten Patents: "Method and apparatus for sharing, transferring and removing preiviously owned digital media." (Link)
Anmeldedatum: 31.12.2010

Zusammenfassung (in eigenen Worten):
Nach der Registrierung eines Users und dessen Markierung eines digitalen Werkes auf seinem PC/Tablet als "Zum Verkauf" prüft der ReDigi Server zunächst, ob der Anbieter tatsächlich Eigentümer der angebotenen Kopie ist. Im positiven Fall nimmt die Cloud das Angebot in die Angebotsliste für die anderen User auf. Findet sich ein Käufer, wird der Verkauf und Download abgewickelt. Siehe auch nachfolgende Grafik aus der Offenlegungsschrift.


Diskussion:
Ich bin die Offenlegungsschrift nur durchgeflogen, sie klingt im Vergleich zum amazon Patent etwas oberflächlicher. Fest steht aber, dass bei diesem Verfahren der Rechner bzw. die Contentliste des Anbieters gründlicher durchsucht wird. Insbesondere das Wasserzeichen bzw. das digitale Recht des angebotenen Inhaltes. Wie ReDigi selbst schreibt: "Niemand darf das Haus verkaufen, in dem er nur zur Miete wohnt." Nicht nur das. Könnte ja auch sein, dass ReDigi dabei auch auf illegale Kopien stößt? Aber gut, wer hier Gefahr läuft, wird sich auf diesem Markt nicht anbieten. Unklar ist mir, ob man hier auch als iTunes oder amazon Kunde mitspielen kann.

Kritik und Ausblick:
Allmählich wird sichtbar, welchen Nutzen die Cloud Unternehmen wie Apple, amazon oder auch neuen Content Unternehmen bietet: Die komplette Steuerung unseres Nutzungsverhaltens bei digitalen Inhalten.

Musik subventionierte den iPod
Von Apple wissen wir: Er hat den Markt für MP3 Musik legalisiert und einfach benutzbar gemacht. Gott sei Dank. Aber er hat unterm Strich den Preis pro Kopie verbilligt. Es ging Steve Jobs darum, den Content billig zu bekommen, um teure Geräte verkaufen zu können. Und was er neu ermöglichte war, ein Album stückeweise kaufen zu können. Ich bin ihm dafür dankbar, aber ich schätze, die Künstler nicht so..

Jetzt geht es noch einen Schritt weiter. Jetzt kann jeder Inhaber einer Kopie selbst als Anbieter auftreten. Und wenn ich eine gebrauchte Kopie kaufe, habe ich davon zunächst keinen Nachteil. Denn digitale Kopien kommen -anders als LPs damals im Plattenladen- ohne Qualitätsverlust. Damit ich meine Gebrauchtkopie loswerde, werde ich bestehende Preise für "Neuware" unterbieten müssen.

Bei Unzufriedenheit sinken die Preise
Schlecht für Verlage, wenn sie Künstler unter Vertrag haben, deren Werke nach dem Kauf schnell wieder abgestoßen werden, weil sie nicht gefallen. Je höher die Wiederverkaufsrate, desto niedriger der durchsetzbare Preis. Der Effekt, dass versprochene Qualität nicht gehalten wird, wird hier schneller für sinkende Preise sorgen.


Patentierbarkeit von Geschäftsmodellen:
Erfindungen, die technisch keine erfinderische Höhe haben aber trotzdem mittels Einsatz von Technik Märkte verändern können, haben in Deutschland eigentlich keine Chance auf Patentierung. Das Europäische Patentamt ist da schon toleranter. Die deutschen Auftragsentwickler, viele von ihnen Freiberufler oder kleine Dienstleister, wollen keine Patente lesen. Sie entwickeln keine Standardprodukte und -dienstleistungen. Sie programmieren für andere. Unternehmen wie SAP sind in DE die Ausnahme und so verhält sich das DPMA.
Das EPA schaut von Europa auf die Welt und sieht, dass die europäischen Großunternehmen im internationalen Wettbewerb stehen. Und spielt, soweit es die Gesetze zulassen, mit. 
Man muss nur bedenken, dass mit der Patentierung von Geschäftsmodellen auch deren Monopolisierung zugelassen wird.

Samstag, 9. Februar 2013

Ein Fall von Fehlsteuerung: Das EEG

Prof. Kemfert ist Abteilungsleiterin Energie am DIW und hat mir in einem Interview mit der WAZ (Link) endlich die Frage beantwortet, warum die Strompreise für Privatkunden steigen obwohl Überangebote an Wind- und Photovoltaikstrom die Preise an der Börse senken. Die meisten Bürger sehen darin eine Abzocke durch die Energieversorger (was verständlich ist).
Kemfert: Je niedriger der Börsenpreis ist, desto größer ist die Lücke zu den festen Vergütungssätzen, die die Erzeuger von Ökostrom erhalten. Diese Lücke muss die EEG-Umlage füllen. 
Aha. Keine weiteren Fragen. Also ein Fall von typischer, staatlicher Fehlsteuerung.

Beispiel:
Wenn an einem wolkenlosen Sommertag die Sonne am höchsten steht, speisen alle Photovoltaikanlagen ihre Höchstleistung ein. Der Strompreis an der Börse hat deshalb nicht mehr mittags seinen höchsten Wert. Am Samstag, 16. Juli 2011, lag er sogar auf Nachtstromniveau, also einem Preisniveau, das dem von Grundlastkraftwerken entspricht (Link). Das hängt allerdings inzwischen nicht mehr nur von der Erzeugungsstruktur ab, sondern auch die Nachfrage hat sich verändert. Die Mechanismen wie ein Strompreis zustande kommtn, haben sich trotzdem nicht verändert.

Einerseits:
Dass Photovoltaik -und auch Windkraft- jemals einen solches Potenzial entfalten könnte, das haben die Energieversorger früher stets bestritten - von Prof. Knizia (Ex VEW-Chef) bis zu den ersten Geschäftsführern der DEW21 in Dortmund. Insofern ein voller Erfolg der Solarfreunde.

Andererseits:
Je erfolgreicher Photovoltaik ist, d.h. je höher ihr Anteil an der Stromerzeugung, desto mehr muss die Förderung zurückgefahren werden. Sonst droht Dauersubventionsbedarf. Der niedrige Strompreis der Mittagsspitze spiegelt den "Erfolg" -im Sinne gewonnener Marktanteile- der Photovoltaik. Eine garantierte Einspeisevergütung auf überhöhtem Niveau ist nicht mehr nötig. Das ist so, als hätte man früher zu viele Spitzenlastkraftwerke am Netz gehabt und vom Staat eine Kompensation dafür verlangt.

Reformbedarf EEG: 
Es sollte mehr in die Richtung Selbstversorgung gehen. Wer selbst ein Kraftwerk betreiben will, der sollte zuerst seinen eigenen Bedarf damit decken und den Rest einspeisen, das ist der Sinn von Energieversorgungsnetzen. Wenn wir Mittags jetzt eine Strompreisdelle haben, ist das ein Zeichen für Überkapazitäten. Der Fokus der Einspeisevergütung ist inzwischen der Fehler im EEG.

Man braucht nicht mehr mit CO2 zu argumentieren, das dient nur der Rechtfertigung von Subventionen mit unterstellten Klimakatastrophen.  Auch das Argument "Verstärkung des Selbstversorgungsgrades" greift nicht ganz: Kohle für Grundlastkraftwerke importieren wir aus stabilen Ländern. Gas für Spitzenlast und GuD-Mittellast aus Norwegen und Russland. Gazprom ist ein Preistreiber, je unabhängiger wir von ihm sind, desto besser.

Wenn die Regierung etwas fördern sollte, dann ist es die Speichertechnologie. Aber: siehe Elektroautos. Bei der Batterietechnik sind wir etwas weiter gekommen, aber noch lange nicht am Ziel.

Kemfert hat den Zusammenhang richtig erklärt, zieht aber die falschen Schlüsse. Und bleibt -als Forscherin- die Antwort auf die wichtigste Frage schuldig:
Ich warne davor, das EEG abzuschaffen, die Investoren würden abspringen und die Energiewende käme zum Erliegen. Was wir brauchen ist ein marktfähiges System, das in der Übergangszeit das Nebeneinander von fossilen und erneuerbaren Energieträgern regelt. Der Markt regelt das nicht von allein.
Doch, wir sehen doch, dass der Markt das regeln könnte. Kemfert würde dagegen sagen: "Aber die Photovoltaikbetreiber brauchen Planungssicherheit, für Privatleute sind das hohe Investitionen." Ja, so ist das in der Energiewirtschaft: Sie ist kapitalintensiv. Deshalb muss man hier zielgerichtet, aber ohne Hektik rangehen. Schon heute wird in manches Spitzenlastkraftwerk auf Gasbasis nicht mehr investiert.

Kemfert sieht ein Dilemma darin, dass auch in der Übergangsphase alte Kohle- und Gastkraftwerke auslaufen und durch neue ersetzt werden müssen. Stehen diese aber erstmal, müssen sie auch ausgelastet werden und konkurrieren gegen die Regenerativen. Die Antwort auf dieses Dilemma lautet: Dann müssen diese neuen Kraftwerke entpsrechend niedriger dimensioniert werden. Genau darin liegt die Aufgabe.

"Kampf um Strom"
Was mich ärgert: Kemfert hat unter diesem Titel ein populärwissenschaftliches Buch veröffentlicht. Ein Blick in die Vorschau bei amazon (Link) hat mich etwas irritiert: Ich habe nichts dagegen, wenn sich Forscher allgemeinverständlich ausdrücken, das kommt leider nur selten vor. Aber das Niveau finde ich doch ziemlich platt. Und der Buchtitel, der an "Kampf um Rom" angelehnt ist, ist nicht ihre Erfindung. Dr. Kurt Berlo, heute beim Wuppertalinstitut, hatte in den 90ern zuerst die Idee zu diesem Titel: Für unsere damaligen Untersuchungen der Rekommunalsierung der Stromversorgung in Dortmund. Wir hatten es dann doch noch anders genannt.

Fazit:
Es ist irreführend, wenn Trittin und Co. es als Abzocke bezeichnen, wenn an der Strömbörse der Preis für Sonnenstrom sinkt, die EVU aber mit dem EEG ihre Preiserhöhungen begründen. Das EEG ist der Grund, warum wir trotz gesunkener Spotpreise draufzahlen.

Es war in der Anfangsphase richtig, die Regenerativen zu fördern. So sind alle Energieformen, die wir heute nutzen, anfangs ebenfalls gefördert worden. Aber wir müssen das CO2-Argument aus der Debatte nehmen, es fungiert nur als Joker für alle Rechnungen, die nicht aufgehen.
Wir können mit Selbstversorgung, Unabhängigkeit von Russland und Saudi Arabien argumentieren und mit den Exportchancen der Hersteller.