Dienstag, 23. August 2011

Berliner Grüne wollen Straße des 17. Juni dauerhaft sperren

Dank Christian Soeder und Ruhrbaron Stefan Laurin weiß ich von der Kommunikationsplattform der Berliner Grünen (Link). Klar, das ist nur Wahlkampf, aber mal gut gemacht: Auf der Berliner Karte können Wähler Stecknadeln setzen (wie bei Google Maps) und dann ein Problem beschreiben. Grüne Kandidaten nehmen dann dazu Stellung.



Ich habe da auch etwas gepostet, was mich seit drei Jahren stört: Die ständigen Sperrungen der Straße des 17. Juni. Ich finde es weder besonders würdig noch verkehrspolitisch geboten, diese Hauptverkehrsachse in Ost-West-Richtung alle Nase lang zu sperren, um dort Events wie Waffeln backen der AOK oder Rollschuhlaufen zu veranstalten. Ich habe die Grünen gebeten, diese Straße nur noch für bedeutende Events zu sperren. Und diese Sperren weiträumig anzuzeigen.



Gestern kam die Antwort der verkehrspolitischen Sprecherin, Claudia Hämmerling: Sie will die Straße dauerhaft sperren:

Die Straße des 17. Juni sollte aus unserer Sicht dauerhaft für den Autoverkehr gesperrt und für Freizeitaktivitäten, Sport- und Großveranstaltungen freigegeben werden. Seinerzeit gab es auch Bedenken gegen die Sperrung des Pariser Platzes für den Autoverkehr. Diese haben sich allesamt als unbegründet herausgestellt. Es wird ähnlich erfolgreich sein, wenn der Autoverkehr gundsätzlich aus der Straße des 17. Juni herausgehalten und über andere Routen gelenkt wird.




Respekt für ihre Offenheit. Sie versprechen nicht jedem alles. Aber Verkehrspolitik scheint auch ihre Stärke nicht zu sein. Genau so, wie es bei der SPD Berlin aussieht. Leider.



Donnerstag, 18. August 2011

Kodaks Patente höher bewertet als das Unternehmen selbst

Die Digitalisierung von Produkten und Prozessen durchzieht alle Branchen und wer nicht schnell genug reagiert, verliert. Neuestes Beispiel: Der Erfinder des Rollfilms, Eastman Kodak.



Kodak machte vor 130 Jahren das Fotografieren mit der Erfindung des Rollfilms populär. Man brauchte keinen Spezialisten mehr, der in der Handhabung von Fotoplatten ausgebildet war, man legte einfach einen Film ein und brachte ihn nach der Aufnahme zur Entwicklung. Diese Erfindung machte etliche Profifotografen zunächst arbeitslos. Später erkannte man aber, dass das Fotografieren auch eine handwerkliche und kreative Kunst ist und der Beruf blühte wieder auf. Nicht jeder macht gute Fotos, nur weil er sich eine Kamera leisten und diese bedienen kann.



Dann kamen die Digitalkameras und lange schwörten eingefleischte Fotografen, sie würden "nie" digital fotografieren. So wie andere Berufe "nie" auf MP3 oder auf Textverarbeitung am Rechner umsteigen wollten..



Kurz gesagt: Kodak hat ein Problem, weil fast niemand mehr Filme kauft und Fotos entwickeln lässt. Kodak schreibt Verluste in dreistelliger Millionenhöhe und hat versucht, auf andere Produkte umzuschwenken, z.B. Drucker. Aber das erfordert zunächst mal Investitionen und weitet die Verluste aus.



Eine besonders stabile Einnahmequelle für Kodak sind seine 1.100 Patente für digitale Fotobearbeitung (das "digitale Entwickeln"). Laut heise werden Kodaks Lizenzeinnahmen für diese Patente auf rund 630 Mio US$ jährlich geschätzt. Diese Quelle will Kodak jetzt ausbauen. So hat das Unternehmen vor kurzem Apple und Research in Motion wegen Verletzung seines Patentes auf eine Vorschautechnik für digitale Bilder verklagt. Umgekehrt verklagte auch Apple Kodak wegen Patentverletzung.



Diese Klagen sind ein Indiz dafür, dass Kodak nicht gegen die Hersteller von Qualitätskameras antreten kann oder für diese als Technologiepartner interessant wäre. Sondern es sind die Smartphonehersteller die Kameras nebenbei integrieren und für Services verfügbar machen, die Kodaks Patente interessant finden. Aus diesem Grund hat das Kodakmanagement vor kirzem beschlossen "strategische Optionen" für die Verwertung seiner Patente zu prüfen (FT). Daraufhin errechnete ein Investmentbanker, dass Kodaks Digitalfoto-Patente sechsmal soviel wert sein könnten, nämlich rd. 3 Mrd. US$ (2,7 Mio pro Patent!), als das Unternehmen derzeit an der Börse bewertet werde. Solche starken Hinweise auf schlechte Verwertung guter Technologien findet man sonst meistens in Europa, vorzugsweise in Deutschland.



Gerade jetzt bietet sich ein Zeitfenster, in dem man für Patente auf digitale Bildverarbeitung einen guten Preis erzielen könnte, weil sich die Smartphonehersteller alle gegenseitig mit Patenten bekriegen. Apple und Co. warten vermutlich nur darauf, sich auf Kodakpatente zu stürzen, um Konkurrenten sofort der Patentverletzung bezichtigen zu können.



Kodak wäre nicht das erste Unternehmen, das einen Geschäftsbereich mit dem Verkauf seiner Patente beendet. Die früheren Handyhersteller und Netzwerkausrüster Bosch (Mobilfunk), Nortel und soeben Motorola haben es vorgemacht.



Eine Patentauktion von Kodak wäre sicher auch für die sogenanten "Nichtpraktizierenden Patentinhaber" (auch als Patenttrolle bekannt) interessant. Sobald es einem Patentverwerter gelingt, sich in einen Geschäftsbereich zu mischen, werden die Sitten dort erstmal richtig rauh.

Kodaks Patente höher bewertet als das Unternehmen selbst

Die Digitalisierung von Produkten und Prozessen durchzieht alle Branchen und wer nicht schnell genug reagiert, verliert. Neuestes Beispiel: Der Erfinder des Rollfilms, Eastman Kodak.

Kodak machte vor 130 Jahren das Fotografieren mit der Erfindung des Rollfilms populär. Man brauchte keinen Spezialisten mehr, der in der Handhabung von Fotoplatten ausgebildet war, man legte einfach einen Film ein und brachte ihn nach der Aufnahme zur Entwicklung. Diese Erfindung machte etliche Profifotografen zunächst arbeitslos. Später erkannte man aber, dass das Fotografieren auch eine handwerkliche und kreative Kunst ist und der Beruf blühte wieder auf. Nicht jeder macht gute Fotos, nur weil er sich eine Kamera leisten und diese bedienen kann.

Dann kamen die Digitalkameras und lange schwörten eingefleischte Fotografen, sie würden "nie" digital fotografieren. So wie andere Berufe "nie" auf MP3 oder auf Textverarbeitung am Rechner umsteigen wollten..

Kurz gesagt: Kodak hat ein Problem, weil fast niemand mehr Filme kauft und Fotos entwickeln lässt. Kodak schreibt Verluste in dreistelliger Millionenhöhe und hat versucht, auf andere Produkte umzuschwenken, z.B. Drucker. Aber das erfordert zunächst mal Investitionen und weitet die Verluste aus.

Eine besonders stabile Einnahmequelle für Kodak sind seine Patente für digitale Fotobearbeitung (das "digitale Entwickeln"). Laut heise werden Kodaks Lizenzeinnahmen für diese Patente auf rund 630 Mio US$ jährlich geschätzt. Diese Quelle will Kodak jetzt ausbauen. So hat das Unternehmen vor kurzem Apple und Research in Motion wegen Verletzung seines Patentes auf eine Vorschautechnik für digitale Bilder verklagt. Umgekehrt verklagte auch Apple Kodak wegen Patentverletzung.

Diese Klagen sind ein Indiz dafür, dass Kodak nicht gegen die Hersteller von Qualitätskameras antreten kann oder für diese als Technologiepartner interessant wäre. Sondern es sind die Smartphonehersteller die Kameras nebenbei integrieren und für Services verfügbar machen, die Kodaks Patente interessant finden. Aus diesem Grund hat das Kodakmanagement vor kirzem beschlossen "strategische Optionen" für die Verwertung seiner Patente zu prüfen (FT). Daraufhin errechnete ein Investmentbanker, dass Kodaks 1.100 Digitalfoto-Patente sechsmal soviel wert sein könnten, nämlich rd. 3 Mrd. US$ (2,7 Mio pro Patent!), als das Unternehmen derzeit an der Börse bewertet werde. Solche starken Hinweise auf schlechte Verwertung guter Technologien findet man sonst meistens in Europa, vorzugsweise in Deutschland.

Gerade jetzt bietet sich ein Zeitfenster, in dem man für Patente auf digitale Bildverarbeitung einen guten Preis erzielen könnte, weil sich die Smartphonehersteller alle gegenseitig mit Patenten bekriegen. Apple und Co. warten vermutlich nur darauf, sich auf Kodakpatente zu stürzen, um Konkurrenten sofort der Patentverletzung bezichtigen zu können.

Kodak wäre nicht das erste Unternehmen, das einen Geschäftsbereich mit dem Verkauf seiner Patente beendet. Die früheren Handyhersteller und Netzwerkausrüster Bosch (Mobilfunk), Nortel und soeben Motorola haben es vorgemacht.

Eine Patentauktion von Kodak wäre sicher auch für die sogenanten "Nichtpraktizierenden Patentinhaber" (auch als Patenttrolle bekannt) interessant. Sobald es einem Patentverwerter gelingt, sich in einen Geschäftsbereich zu mischen, werden die Sitten dort erstmal richtig rauh.

Mittwoch, 17. August 2011

Kleine Barrieren gegen Autobrandstifter

Wie kann man das Risiko einer Autobrandstiftung reduzieren? Hier ein paar Ideen, die wir heute Mittag gebrainstormt haben. Unsere Annahme ist: Geringste Barrieren genügen, um vom radelnden Wildschwein verschont zu werden. Diesen Schluss ziehen wir aus der Tatsache, dass der Täter zuletzt in kurzer Zeit viele Autos angezündet hat. Er hat es also eilig und wird ein Auto bei geringster Barriere vermeiden.



- Quer (senkrecht zur Fahrtrichtung) liegende Parkboxen bevorzugen. So eng parken, dass man mit dem Fahrrad nicht durch kommt.

- Vor Restaurants parken.

- Vor Botschaften und anderen geschützten Gebäuden parken, die in unregelmäßigen Abständen von Polizeistreifen angefahren werden.

- Ein feuerfestes Gewebe über die Reifen legen.

- Eine Haube ("Garage") über das gesamte Auto ziehen.

- Brennbare Kunststoffe im Radkasten vermeiden oder verkleiden.



Als abschreckendes Mittel:

- Webcam ans Fenster stellen. Bewegungsmelder.

- An markanten Plätzen, Baustellen und Sehenswürdigkeiten gibt es übrigens oft eine Webcam im Internet. Recherche lohnt sich :-)



Montag, 15. August 2011

Max Otte: "Stopt das EURO Desaster"





Sarah Wagenknecht war eine der ersten, die eine Analyse der ersten Welle unserer Finanzsystemkrise auf dem Markt hatte: Ihr Titel "Wahnsinn mit Methode" traf den Nagel auf den Kopf. Ich empfehle es allen, die noch um ein Verständnis des Geschäftes mit verbrieften Krediten ringen.



Inzwischen rollt die zweite Welle. Und Max Otte's "Stoppt das EURO-Desaster" erscheint gerade in der zweiten Auflage. Mit seinen gerade mal 48 Seiten erinnert es an Stéphane Hessel's "Empört Euch!". Der Impetus ist auch der gleiche. Der Stoff dagegen ein bisschen konkreter. Es passt gut in die Reihe mit Hessel, Wagenknecht, dem von Christian Soeder beim Schweizer Tagesanzeiger entdeckten Charles Moore und Frank Schirrmacher, der Moore auf das deutsche Regierungspersonal angewandt hat. Otte geht in die Vollen:

Diese Finanzoligarchie, bestehend aus Investmentbanken, Hedgefonds, Schattenbanken, Ratingagenturen und weiteren Akteuren ist die derzeit dominierende zivile Weltmacht.
schreibt er.



Diese Oligarchie ist in Deutschland eng vernetzt, wenn nicht gar verwandt oder verschwägert. Martin Blessing zum Beispiel ist Vorstand der am staatlichen Tropf hängenden Commerzbank. Warum macht der Ex-McKinsey diesen Job, zumal sein Gehalt dort gedeckelt ist? Seine Frau ist Geschäftsführerin bei Goldman Sachs. Ihr Bruder ist Vorstand bei der Deutschen Bank. Ein anderer Bruder Partner bei McKinsey. Das sind Verhältnisse wie in einer Feudalgesellschaft vor 1848. Dabei haben wir noch gar nicht von der wichtigsten Bank in Deutschland gesprochen: Der Deutschen. Die hat sich soeben dafür entschieden, dass künftig der Mann Nachfolger von Josef Ackermann wird, der in den vergangenen Jahren das sogenannte Investmentgeschäft geleitet hat. Eine Kampfansage an die Politik.



Die FInanzoligarchie hält nach Otte mit einer durchdachten Demagogie uns Steuerzahler in Schach. Sie missbraucht dafür die Politik. Zu ihrer Demagogie gehören nach Otte Begriffe, die Respekt einfordern sollen, aber die Wahrheit auf den Kopf stellen:



- "Investmentbanken" sind keine Investoren sondern Makler. Denn sie investieren nicht ihr eigenes Kapital, sondern fremdes und kassieren dafür eine Provision.



- Private Equity ist in Wahrheit das Geschäft mit "gehebelten Übernahmen. Bei der Gelegenheit: Erinnert sich jemand an die gekünstelte Empörung der FDP, als Franz Müntefering diese als Heuschrecken bezeichnete? Seitdem haben diese Herrschaften, oft abgehalfterte und abgefundene Ex-Manager wie Herr Middelhoff, etliche gesunde Unternehmen "verwüstet".



- Doch die schlimmste Demagogie sei die, die vom EURO als Frage von Krieg und Frieden handele, schreibt Otte. Er zitiert Jean-Claude Juncker, für den ein Tag Krieg in Europa teuer sei, als alle Rettungspakete zusammen.



Deutschland habe unterm Strich nichts vom EURO, weil seine Exporte in den Euroraum seit seiner Einführung nicht gestiegen seien, zitiert Otte Henkel. Deutschland und dem übrigen Europa -man muss wohl genauer sagen: der Mehrheit seiner Bürger, vor allem der Mittelschicht- sei es besser gegangen, als die europäischen Währungen flexible Wechselkurse hatten. Zumindest für Deutschland steht fest, dass seine stabile Arbeitslosenquote mit einer Senkung seiner Reallöhne erkauft wurde. Niedriger Lohn der Angst.



Otte geht weiter. Sowenig, wie man pauschal über "Deutschland" als Gewinner des EURO reden darf, weil das die vielen Verlierer (die Steuerzahler) verdeckt, darf man auch von "den" Griechen als Nutznießer der sogenannten EURO-Rettungspakete reden. Auch hier gehe es nur um die Einlagen der Superreichen, die am Ende gerettet werden sollen. Sozusagen eine Transferunion, in der nicht das eine Land für das andere eintritt - das wäre laut EU-Vertrag auch verboten. Sondern europaweit treten Unter- und Mittelschicht für die Rettung der kleinen Oberschicht ein.



Dazu mache es die EU-Kommission sogar den Banken nach und gründe -zur Umgehung des EU-Vertrages- eine Zweckgesellschaft namens Stabilitätsmechanismus, der anstelle der Südländer für günstige Konditionen Kredite beschaffe, um diese an die Schuldner zum gleichen Zinssatz weiterzureichen.



Das alles zur Bewahrung des Friedens in Europa? Stellen wir nicht vielmehr fest, dass die Positionen der EURO-Regierungen immer weiter auseinander driften?



Und: welche Armut im Geiste zu glauben, Europas Identität hinge nur oder vor allem an der Währung?



Otte plädiert für Schuldenschnitte und Austritt der Schuldenländer aus dem EURO. Die daraus resultierende Isolation am Anleihemarkt müssten die EURO-Länder noch einmal überbrücken.



Danach setze aber die Gesundung ein.

Helden des Marketing: 30 Jahre "IBM PC"



Photo: IBM



Anhänger, Fans, manche "Jünger" US-amerikanischer Technologiekonzerne bzw. ihrer Produkte oder manchmal auch Spirits (in Projekten) wollen selten die Wahrheit über ihren Kult hören - wenn diese zu ernüchternd ist. Doch Manche Marke ist schlichtweg vor allem Marketing.



Nein, ich rede nicht von Apple. Sondern von IBM. Vorige Woche ging der dreißigste Geburtstag des PC durch die Presse. Meldungen, ein Radiointerview mit Hans-Olaf Henkel über dessen Zeit bei IBM und sogar ein IBM Blog. Wer das hörte oder las, muss denken, IBM habe mit dem PC eine ganze Produktgattung erfunden und damit eine neue Industrie. So wie Apple mit dem iPod oder iPhone.



Dem war nicht so. IBM hat weder den Tischcomputer erfunden, noch das Internet, noch die Lochkartenmaschine. Das meiste hat IBM auf dem Markt zusammengekauft. Viele Trends haben sie verpasst. Aber eine gute Marketingagentur macht viele Managementfehler wett. Die blau umrahmten Werbespots von IBM zum Thema e-business z.B., die vor zehn Jahren über die Fernseher flimmerten, erzählten alle gute Geschichten über das Internet: "Wo sind die Webdesigner?" - "Zum Snowboarden." Oder der Außendienstler, der via drahtloser Onlineverbindung aus seinem Dienstwagen die Verfügbarkeiten und Lieferzeiten von Produkten abfragt. Oder der leer geräumte Serverraum.



Auch der IBM PC wurde mit viel Werbung bekannt gemacht. Laut Heise war das Werbebudget höher als das Entwicklungsbudget.



Am "IBM PC" war fast nichts von IBM. Nur seine Architektur und die Entscheidung des Managements, diese offen zu legen und den Nachbau zu erlauben. Eine Strategie, um Wettbewerber, die mit proprietären Rechnern schon Kunden erobert hatten, Marktanteile abzunehmen.



Aus seinem angestammten Großrechnergeschäft war es IBM gewohnt, mit Hardware Geld zu verdienen. Betriebssysteme und Anwenderprogramme gaben sie als kostenlose Dreingabe. Auch für den PC brauchten sie ein -damals noch einfaches- Betriebssystem. Mit der Entwicklung beauftragen sie einen gewissen Bill Gates. Und der Erfand das Computergeschäft wirklich neu, in dem er sich nicht für seine Entwicklungsdienstleistung bezahlen ließ, sondern sein Operating System nur lizenzierte. Er war sogar so genial, dieses OS gar nicht selbst zu entwickeln, sondern wiederum einzukaufen. Mit allen Rechten.



Ein genialer Handel: Geistiges Eigentum einmal einkaufen und dann millionenmal lizenzieren.



Bill Gates hatte sich diese Idee übrigens bei einem gewissen Ferdinand Porsche abgeschaut, der den VW Käfer im Auftrag entwickelt hatte und für jedes verkaufte Exemplar eine Lizenzgebühr einnahm (mit der später die Entwicklung des 911er finanziert wurde..)



IBM verkannte das Geschäftspotenzial des Bill Gates. Das gab Hans Olaf Henkel vorige Woche freimütig in einem Interview mit dem DRadio zu (Link).



Das IBM Management verkannte knapp fünfzehn Jahre später wieder, dass eine neue Epoche bevorstand: Die Kommerzialisierung des Internet. Als findige IBM Entwickler ihrem Management vorschlugen, Rechner und PC netzfähig zu machen und Router für die künftigen Netzwerke zu entwickeln, lehnte dieses dies ab. Die Entwickler gründeten darauf hin ihr eigenes Unternehmen, nannten es Cisco und begründeten wieder einmal eine neue Branche.



Als IBM das Potenzial des Internet erkannte, investierte es wiederum in eine Werbekampagne. Motto: e-business. Um im Internetzeitalter wirklich mitreden zu können, musste IBM junge Leute in Bataillonsstärke einstellen. Das Management und die alten Hardwareverkäufer verstanden wenig von dem, was nun kommen sollte.



Der PC wurde zu einem vernetzten Unterhaltungsmedium, der Browser fing an, dem Fernseher Konkurrenz zu machen. Als das Internet breitbandig wurde, fingen die ersten User an, digitale Produkte (Musikdateien) über das Netz auszutauschen. Illegal. Aber ein deutlicher Hinweis auf künftige Geschäftsmoglichkeiten. Ein Hinweis, den Steve Jobs verstand: PCs würden irgendwann nicht nur die Zeitung und das Fernsehen ersetzen. Sondern auch das Radio, die Stereoanlage.



IBM verkannte das Potenzial, wohl weil es im Umgang mit Privatkunden auch nicht besonders erfahren war. Es verkaufte seine PC und Notebook Sparte an den chinesischen Hersteller Lenovo. Kurz darauf setzte das PC und Notebook Geschäft zu einem neuen Boom an. Der Siegeszug von Apple ist bekannt.



Trotzdem gilt IBM -zu recht- als Technologiegigant. IBM wird jedes Jahr Patentweltmeister. Also, what the hack, entwickeln die dauernd und womit verdienen sie ihr Geld? Bekanntlich ist die Dienstleistung heute eine wesentliche Säule, auch als IT-Beratung bekannt.



Aber auch die Computerentwicklung geht weiter. Und hier ist IBM mit Supercomputern vorne dabei. Einer der wichtigsten Antreiber für immer leistungsfähigere Rechner ist nicht der Konsumbereich. Sondern die innere Aufrüstung: Verschlüsselung und Entschlüsselung. Die Auswertung großer Informationsmengen (z.B. von Videokameranetzen). IBM ist einer der größten Nutznießer des Homeland Security Programms von George W. Bush gewesen. IBM Manager sind gut vernetzt mit Regierung und Rüstungsprojektinvestoren wie die Carlyle Group. Der frühere IBM Manager Gerstner ist hier heute Partner (Link).

Samstag, 13. August 2011

Stockholmsyndrom? Ein Drittel der Berliner hält Mauerbau für richtig

Laut einer Forsaumfrage halten ein Drittel aller Berliner den Mauerbau für mindestens teilweise richtig. In Ostberlin sind es sogar 60%. Unter den zugereisten Berlinern sind es nur 25%.



Ich persönlich kenne niemanden, der den Mauerbau für richtig hält.



Wie kann man sich aber diese hohe Zustimmung zur Mauer unter den Berlinern erklären? Im Ostteil wohnen sicher noch viele Täter von damals, viele die mit dem Fall der Mauer auch ihre Funktion im Apparat dieses Unrechtsstaates verloren. Viele von denen, die bis heute weder reflektiert noch um Entschuldigung gebeten haben, rechtfertigen die Mauer immer noch. Und dann gibt es natürlich den Bodensatz der Totaloppositionellen, für die jeder Feind des Kapitalismus ein Freund sein muss.



Man kann sich die hohe Zustimmung aber auch mit dem Stockholmsyndrom erklären:

Unter dem Stockholm-Syndrom versteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert.
Quelle: Wikipedia



Dort heißt es weiter:

Trotz ihrer Angst empfanden die Geiseln auch nach Beendigung der Geiselnahme keinen Hass gegenüber den Geiselnehmern. Sie waren ihnen sogar dafür dankbar, freigelassen worden zu sein. Zudem baten die Geiseln um Gnade für die Täter und besuchten diese im Gefängnis.


Wie funktioniert das? Im Vorfeld des Jahrestages zum Mauerbau gab es sogar Zitate von Kennedy, der sinngemäß gesagt hat: "Wenn sie eine Mauer bauen, dann weiß ich wenigstens, dass sie nicht versuchen werden, Westberlin einzunehmen."



Also eine Art Erleichtertung -oder Dankbarkeit- darüber, dass der Angreifer, dem man Macht und Wille zu noch schlimmerer Gewalt eingeräumt hätte, zu einer weniger schlimmen Tat geschritten ist? Dankbarkeit für seine "Gnade"?



Ich kann es mir nicht anders erklären.



PS: Niemanden im Unklaren über seine Haltung zu den Tätern von damals und die Partei, in der diese sich heute vorzugsweise tummeln, lässt uns Wolf Biermann in diesem grandiosen Interview mit dem Deutschlandfunk: Link

Freitag, 12. August 2011

Nach mildem Urteil brennen neun Autos, SPD und Linke schweigen

Am Mittwoch ging einer der wenigen Prozesse gegen Berliner Autobrandstifter zu Ende. Und wieder ließ ein Richter, diesmal André Muhmood, Milde walten. Der Brandstifter kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Begründung:

Es habe sich bei der Zündelei nur um eine versuchte Brandstiftung und um eine Spontantat gehandelt, begründete Muhmood das Urteil. Außerdem sei der Sachschaden von unter 100 Euro gering gewesen.
Quelle: Tagesspiegel



Dazu muss man wissen, dass der Sachschaden nur deshalb "gering" war, weil der Täter auf frischer Tat aufgegriffen wurde und die Polizei das Schlimmste verhindern konnte. In der roten Naziszene ist der Typ aber offenbar bekannt, denn auf dem bekannten Propagandakanal forderte einer allen ernstes, man solle "Det" aufmunternde Postkarten in die JVA senden.



Der Richter muss sich etwas bei seinem Urteil gedacht oder erhofft haben. Die Morgenpost zitiert ihn dahingehend, dass er sich "sicher" sei, dass Detlef Maag nicht mehr versuchen wird, Autos in Brand zu setzen.

"Vielleicht bin ich ja blöd", sagte der Richter, "aber ich gehe davon aus, dass ich damit Recht behalte."
Quelle: Morgenpost



Es kommt -und da muss man Herrn Muhmood evtl. etwas nachhelfen- bei Terrorismus nicht nur auf die Eintschätzung des einzelnen Täters an. Sondern auch auf das Sympathisantenumfeld.



Und das hat das Signal des Richters verstanden: In der Nacht zum Donnerstag zündeten sie in Steglitz-Zehlendorf aus Dankbarkeit gleich neun Autos an. In der Nacht zu Freitag warfen sie bei 40 Autos Scheiben ein.



Und die SPD Berlin, der regierende Bürgermeister Wowereit und die Linkspartei? Schweigen im Walde. Sie wissen, warum.

Donnerstag, 11. August 2011

Der Unterschied zwischen Experten und Beratern

Ihre Selbstsicherheit konnten sie nur aus ihrer Unwissenheit beziehen.
Franz Kafka, "Der Process"

In der Beziehung Kunde - Berater/Fachmann gibt es ein Paradoxon, das fast immer zu Konflikten führt. Der selbstsichere, Führungsstärke ausstrahlende Anbieter bekommt den Auftrag. Später entpuppt sich diese Stärke als Schwäche und sogar als Hindernis.

Der in der Ausschreibungsphase stark Auftretende vermittelt, dass er sein Metier versteht, sein Kunde also kein Risiko eingeht. Er vermittelt Selbstsicherheit, wird sich also auch gegen andere Mitspieler, wie Lieferanten oder andere Spezialisten durchsetzen können, wenn das Projekt unübersichtlich werden sollte.

Nach der Beauftragung legt er schon bald einen Plan fürs Projekt vor. Und verkündet, wen und was er dafür braucht. Führungsstärke, Sicherheit. Dann kommt die erste Bodenwelle. Der Kunde erinnert seinen Dienstleister an die Besonderheiten, die er in der Ausschreibung genannt und im Gespräch wiederholt hatte. Und damit bringt er den selbstischeren Dienstleister von seinem geplanten Weg ab. Das will dieser nicht und versucht er zu vermeiden: "Das geht nicht." Er sieht seine Planung, sein Budget, seinen Zeitplan in Frage gestellt. Und er weiß vor allem noch nicht die Methode wie er bei diesem für ihn unbekannten Ziel landen soll.

Genau diese Kompetenz aber, Führung durch ein noch unbekanntes Gelände, suchen viele Kunden. Einen Partner, der ihnen zuhört, ihre Wünsche versteht und auf Machbarkeit prüft, unter Aufbietung all seiner -möglichst mannigfaltigen- Erfahrung.

Handwerker z.B. sind ein sehr konservatives Metier. Gegen sie haben kreative Architekten, Ausstatter, Designer auf der Baustelle nur selten eine Chance. Der Handwerker scheut den Umgang mit unbekannten Mitteln und lehnt ab. In der ersten Welle des Internet war es ähnlich. Viele gute und keinesfalls unrealistische Ideen wurden nicht umgesetzt, weil sie für SAP-Berater, Middlewarehandwerker und ihre Sponsoren in den IT-Abteilungen das Risiko des Unbekannten bargen: "Das ist unrealistisch."

Diese Dienstleister sind sicher, aber nur auf ihrem schmalen, ausgetrampelten Pfad. Sie sind auch nicht kundenorientiert. Spätestens im dritten Kundengespräch entpuppt sich ihre "Selbstsicherheit" als Sturheit. Sie "korrigieren" Aussagen des Kunden, wenn diese nicht in das Schema des standardisierten Dienstleisters passen. Sie vergessen ganz und gar den Charakter der entstandenen Beziehung: Kunde und Auftragnehmer.

Der Unterschied zwischen Beraten und Dienstleisten ist die Unklarheit des Lösungsweges, manchmal sogar der Aufgabenstellung zu Beginn des Projektes. Der Berater legt Wert auf die Analyse und sagt zu, eine Lösung zu suchen, sobald die Aufgabenstellung klar ist. Der Dienstleister erwartet eine klare Aufgabenstellung. Der Berater muss sicher in der Beziehung sein. Ihm ist klar, dass bereits die Klärung der Aufgabenstellung eine Leistung ist. (Diesen Typus gibt es auch unter Dienstleistern, Handwerkern, Werkstätten, aber eher selten. Findet man einen solchen, ist er Gold wert. Übrigens kommen immer mehr Baumärkte auf die Idee über Video handwerkliche Anleitungen zu ihren Produkten anzubieten..)

Im Unterschied zum Berater legt sich der Experte die Aufgabenstellung so zurecht, dass sie in sein Erfahrungsschema passt. Was seine Erfahrungen angeht, sucht er immer nur mehr vom Gleichen. Das ist seine Art, dem Kunden Sicherheit zu vermitteln: Durch Unflexibilität. Weicht der Kunde davon ab, verunsichert er den Experten. Den empfundenen Druck versucht dieser mit Gegendruck abzuwehren: "Dann ist Ihr Termin gefährdet. Sie sind der Erste, der das so haben will. So sind wir alle nicht eingespielt. Am besten kaufen Sie bei meinem langjährigen Partner etwas aus dem Katalog, dann sind wir morgen fertig." Im schlimmsten Fall versucht der Experte, wenn er sich in Frage gestellt fühlt, seinen Kunden mit Fachwissen auszustechen, am besten noch vor anderen Projektteilnehmern, um deren Zustimmung einzuholen und sich endlich wieder stark zu fühlen.

Worauf ich hinaus will: Bei komplexen Projekten, in denen mehrere völlig unterschiedliche Kompetenzen zusammen spielen müssen, um herauszufinden, ob und wie nah an den Kundenvorstellungen man ein Projekt umsetzen kann, ist auffällige Selbstsicherheit zu Beginn ein Indiz für mangelnde Flexibilität und unter Stress vielleicht sogar auch für mangelnden Respekt (weil die Art der Beziehung vergessen wird) - im schlimmsten Fall muss man unterwegs diesen Experten gegen einen anderen auswechseln. Wer nur mit seinen Wettbewerbern gleichziehen will, braucht nur den Standardexperten. Wer sich differenzieren will, braucht einen guten Berater, der bei Bedarf einen Satz unterschiedlicher, aber guter Experten kennt. Zu erkennen am Feedback zur Aufgabenstellung und dem Fokus auf einer Vorgehensweise, in der man zwischendurch entscheiden kann, wie es weitergeht und ob es überhaupt weitergeht.

Für den Berater hingegen ist ein neues Projekt auch immer eine psychologische Hürde. In dem Sinne, dass man in der Frühphase, in der sich seine Beziehung zum Kunden erst bilden muss, gerne nur gute Nachrichten bringt. Er verwöhnt seinen Kunden damit allerdings. Es ist eine Hürde, erkannte Probleme sofort zu artikulieren. Aber das muss er tun, sofort nach der ersten Bodenwelle, die ihm die erste positive Annahme in Frage stellt.

Der Unterschied zwischen Experten und Beratern

Ihre Selbstsicherheit konnten sie nur aus ihrer Unwissenheit beziehen.
Franz Kafka, "Der Process"



In der Beziehung Kunde - Berater/Fachmann gibt es ein Paradoxon, das fast immer zu Konflikten führt. Der selbstsichere, Führungsstärke ausstrahlende Anbieter bekommt den Auftrag. Später entpuppt sich diese Stärke als Schwäche und sogar als Hindernis.



Der in der Ausschreibungsphase stark Auftretende vermittelt, dass er sein Metier versteht, sein Kunde also kein Risiko eingeht. Er vermittelt Selbstsicherheit, wird sich also auch gegen andere Mitspieler, wie Lieferanten oder andere Spezialisten durchsetzen können, wenn das Projekt unübersichtlich werden sollte.



Nach der Beauftragung legt er schon bald einen Plan fürs Projekt vor. Und verkündet, wen und was er dafür braucht. Führungsstärke, Sicherheit. Dann kommt die erste Bodenwelle. Der Kunde erinnert seinen Dienstleister an die Besonderheiten, die er in der Ausschreibung genannt und im Gespräch wiederholt hatte. Und damit bringt er den selbstischeren Dienstleister von seinem geplanten Weg ab. Das will dieser nicht und versucht er zu vermeiden: "Das geht nicht." Er sieht seine Planung, sein Budget, seinen Zeitplan in Frage gestellt. Und er weiß vor allem noch nicht die Methode wie er bei diesem für ihn unbekannten Ziel landen soll.



Genau diese Kompetenz aber, Führung durch ein noch unbekanntes Gelände, suchen viele Kunden. Einen Partner, der ihnen zuhört, ihre Wünsche versteht und auf Machbarkeit prüft, unter Aufbietung all seiner -möglichst mannigfaltigen- Erfahrung.



Handwerker z.B. sind ein sehr konservatives Metier. Gegen sie haben kreative Architekten, Ausstatter, Designer auf der Baustelle nur selten eine Chance. Der Handwerker scheut den Umgang mit unbekannten Mitteln und lehnt ab. In der ersten Welle des Internet war es ähnlich. Viele gute und keinesfalls unrealistische Ideen wurden nicht umgesetzt, weil sie für SAP-Berater, Middlewarehandwerker und ihre Sponsoren in den IT-Abteilungen das Risiko des Unbekannten bargen: "Das ist unrealistisch."



Diese Dienstleister sind sicher, aber nur auf ihrem schmalen, ausgetrampelten Pfad. Sie sind auch nicht kundenorientiert. Spätestens im dritten Kundengespräch entpuppt sich ihre "Selbstsicherheit" als Sturheit. Sie "korrigieren" Aussagen des Kunden, wenn diese nicht in das Schema des standardisierten Dienstleisters passen. Sie vergessen ganz und gar den Charakter der entstandenen Beziehung: Kunde und Auftragnehmer.



Der Unterschied zwischen Beraten und Dienstleisten ist die Unklarheit des Lösungsweges, manchmal sogar der Aufgabenstellung zu Beginn des Projektes. Der Berater legt Wert auf die Analyse und sagt zu, eine Lösung zu suchen, sobald die Aufgabenstellung klar ist. Der Dienstleister erwartet eine klare Aufgabenstellung. Der Berater muss sicher in der Beziehung sein. Ihm ist klar, dass bereits die Klärung der Aufgabenstellung eine Leistung ist. (Diesen Typus gibt es auch unter Dienstleistern, Handwerkern, Werkstätten, aber eher selten. Findet man einen solchen, ist er Gold wert. Übrigens kommen immer mehr Baumärkte auf die Idee über Video handwerkliche Anleitungen zu ihren Produkten anzubieten..)



Im Unterschied zum Berater legt sich der Experte die Aufgabenstellung so zurecht, dass sie in sein Erfahrungsschema passt. Was seine Erfahrungen angeht, sucht er immer nur mehr vom Gleichen. Das ist seine Art, dem Kunden Sicherheit zu vermitteln: Durch Unflexibilität. Weicht der Kunde davon ab, verunsichert er den Experten. Den empfundenen Druck versucht dieser mit Gegendruck abzuwehren: "Dann ist Ihr Termin gefährdet. Sie sind der Erste, der das so haben will. So sind wir alle nicht eingespielt. Am besten kaufen Sie bei meinem langjährigen Partner etwas aus dem Katalog, dann sind wir morgen fertig." Im schlimmsten Fall versucht der Experte, wenn er sich in Frage gestellt fühlt, seinen Kunden mit Fachwissen auszustechen, am besten noch vor anderen Projektteilnehmern, um deren Zustimmung einzuholen und sich endlich wieder stark zu fühlen.



Worauf ich hinaus will: Bei komplexen Projekten, in denen mehrere völlig unterschiedliche Kompetenzen zusammen spielen müssen, um herauszufinden, ob und wie nah an den Kundenvorstellungen man ein Projekt umsetzen kann, ist auffällige Selbstsicherheit zu Beginn ein Indiz für mangelnde Flexibilität und unter Stress vielleicht sogar auch für mangelnden Respekt (weil die Art der Beziehung vergessen wird) - im schlimmsten Fall muss man unterwegs diesen Experten gegen einen anderen auswechseln. Wer nur mit seinen Wettbewerbern gleichziehen will, braucht nur den Standardexperten. Wer sich differenzieren will, braucht einen guten Berater, der bei Bedarf einen Satz unterschiedlicher, aber guter Experten kennt. Zu erkennen am Feedback zur Aufgabenstellung und dem Fokus auf einer Vorgehensweise, in der man zwischendurch entscheiden kann, wie es weitergeht und ob es überhaupt weitergeht.



Für den Berater hingegen ist ein neues Projekt auch immer eine psychologische Hürde. In dem Sinne, dass man in der Frühphase, in der sich seine Beziehung zum Kunden erst bilden muss, gerne nur gute Nachrichten bringt. Er verwöhnt seinen Kunden damit allerdings. Es ist eine Hürde, erkannte Probleme sofort zu artikulieren. Aber das muss er tun, sofort nach der ersten Bodenwelle, die ihm die erste positive Annahme in Frage stellt.

Mittwoch, 10. August 2011

Dorfsaujournalisten an der Börse

Volkswirtschaft wurde doch nur erfunden, damit die Astrologie seriöser wirkt.
ARD-Börsenkorrespondent.





Tja, wer ist da unseröser: Volkswirte oder Börsenredakteure?



Beispiel Handelsblatt:



Am vorigen Freitagmorgen schrieb Chefredakteur Gabor Steingart in seinem Newsletter:

Es herrsche "die totale Angst" kommentierte gestern Abend der Chef-Anlageexperte des größten US-Geldverwalters Blackrock. Aus den Zutaten einer Schulden-, Währungs- und Vertrauenskrise ist ein giftiger Cocktail entstanden. Das Gegengift heißt Zuversicht. Die schwarzen Tage heißen schließlich auch deswegen so, weil sie so selten sind.


Also klare Analyse: Die Schulden sind das Problem.



Am Montagmorgen schrieb er:

An den New Yorker Börsen deutet sich nach der Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit ebenfalls eine weitere Talfahrt an. Die Futures der führenden Indizes eröffneten den außerbörslichen Handel am Sonntagabend mit deutlichen Abschlägen. Die Aktienfutures für den Dow-Jones-Index der Standardwerte, für den breiter gefassten S&P-500 und für die Technologiebörse Nasdaq notierten in den ersten Minuten allesamt um mehr als zwei Prozent tiefer.


Und gestern, am Dienstag schrieb Gabor Steingart:

Unsere Titelgeschichte "Der Schwarze Montag" beschreibt die düstere Stimmung des gestrigen Börsentages - und wie man ihr in dieser Woche entkommen kann. Auch der einzige Lichtblick wird analysiert: Die Intervention der Europäischen Zentralbank (EZB) beruhigte immerhin den Anleihemarkt. Der Aufkauf italienischer und anderer südeuropäischer Staatsanleihen ist ordnungspolitisch falsch - weil eine Notenbank die Inflation bekämpfen soll, nicht die drohende Insolvenz von Staaten. Er ist zugleich europapolitisch richtig, weil alle anderen Akteure derzeit kopflos sind. Bundesbank-Chef Jens Weidmann kritisierte intern diese Staatsanleihen-Aufkäufe, freilich erst nachdem die Zustimmung durch die Mehrheit des EZB-Direktoriums gesichert war.


Und tatsächlich sanken die Börsenindizes heftig nach unten. Der DAX lag gestern bis zu 7% im Minus, nur um gegen Abend nach oben zu drehen. Als die FED eine mindestens zweijährige weitere Niedrigzinsphase in Aussicht stellte.



Ich will nicht unterschlagen, dass Steingart die positive "realwirtschaftliche" Lage schon vorher dagegen setzte:

Die Weltwirtschaft wird um rund vier Prozent wachsen, wenn jetzt nicht das Börsengewitter das Haus der Realwirtschaft in Brand steckt.


Zusammengefasst: Die Unternehmen stehen gut da, aber die Schuldenkrise könnte alles vermasseln. Das konnte man nachvollziehen. Das drückte sich in den Kursen der vorigen zwei Wochen auch aus. Obamas Spruch von den Märkten, die steigen und sinken aber der Kreditwürdigkeit der USA, die bleibe, wirkte in diesem Nachrichten- und Meinungsumfeld fast naiv.



Und heute Morgen? Nachdem die Börsen gestern ins Plus drehten, müssen die Propheten erneut die Richtung wechseln. Das Handelsblatt schreibt:





Verrückte Welt der Märkte: Als die Aktienbörsen nach der denkwürdigen Herabstufung der US-Bonität am Montag erstmals wieder öffneten, folgte weltweit der erwartete Kurseinbruch. Amerikas Staatsanleihen verbuchten hingegen satte Gewinne - obwohl Standard & Poor's doch gerade den Ratingdaumen gesenkt hatte. Klares Zeichen, dass die Welt auch weiterhin Amerika ihr Geld anvertraut.

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„Wirkliche Sorge macht das Wachstum, nicht die US-Schulden“, meint Randall Forsyth, renommierter Kolumnist des US-Finanzmagazins „Barron's“. Kein Zweifel: Da steht es in den USA nicht zum besten, aber auch global verdüstert sich das Bild: China zieht die Zinsschraube an, Europa schnallt den Gürtel merklich enger. „Die US-Schuldensituation ist, so bedrohlich sie langfristig wirkt, das geringste der drängendsten Probleme der Weltwirtschaft“, so Forsyth.


Also: Zuerst hatten wir den Thriller um die Einigung von Demokraten, Reps und Tea Party mit der drehlehrbuchmäßigen Einigung um kurz vor Zwölf. Dann die fehlende Erleichterung an den Börsen, Unsicherheit. Hmm, warum atmet die Börse denn nicht auf..? Hm, komisch. Dann ein paar Tage hin und her und dann die Abstufung der US-Krediwürdigkeit von S&P mit der Begründung, man halte die Politik für künftig unfähig, ernste Angelegenheiten schnell zu regeln. Danach folgte der Börsenabsturz nach der Überlegung: "Jetzt werden alle Regierungen sparen und Steuern erhöhen müssen. Wichtige Konsumausgaben und Infrastrukturinvestitionen werden ausfallen. Hm, schlecht für die Unternehmen. Vielleicht drohen sogar Staatspleiten."



So weit, so logisch. Aber diese Story jetzt einfach ad acta zu legen mit Begründung "die Schulden sind gar nicht das Problem", ist schon dreist. Das kann man so auslegen, dass da die starken Hände die schwachen Hände in die Panik treiben wollten um glänzend da stehende Unternehmen billig einzusammeln.



Das ist Dorfsaujournalismus. An so etwas sollten sich Medien mit Anspruch auf Seriösität nicht beteiligen.

Montag, 8. August 2011

Die Erregermaschine läuft auf Hochtouren

In den Wirtschaftsredaktionen wimmelt es von nacheilenden Propheten. Volkswirte, Anlageberater, Professoren - sie sind alle hier. Und dozieren die Kurse von gestern und "prophezeien" die Fortschreibung des Trends. Geht es aufwärts (bis vor wenigen Tagen), so wird es noch lange aufwärts gehen. Geht es abwärts, wird es noch lange abwärts gehen. Deutsche Wirtschaftskompetenz? Fehlanzeige.

Den Vogel schießen mal wieder die ab, die in Lokführer- und Fluglotsenstreiks die größte Gefahr für unsere Konjunktur sehen.

Wohlgemerkt: Ich unterschätze die Krise nicht. Ich habe ein ganz ungutes Gefühl und deshalb suche ich fundierte Analysen und Erklärungen. Aber die finde ich in deutschen Zeitungen nicht. Da muss ich schweizerische, englische oder amerikanische Medien ausweichen.

Hier der Stand der "Nachrichten":