Samstag, 13. August 2011

Stockholmsyndrom? Ein Drittel der Berliner hält Mauerbau für richtig

Laut einer Forsaumfrage halten ein Drittel aller Berliner den Mauerbau für mindestens teilweise richtig. In Ostberlin sind es sogar 60%. Unter den zugereisten Berlinern sind es nur 25%.



Ich persönlich kenne niemanden, der den Mauerbau für richtig hält.



Wie kann man sich aber diese hohe Zustimmung zur Mauer unter den Berlinern erklären? Im Ostteil wohnen sicher noch viele Täter von damals, viele die mit dem Fall der Mauer auch ihre Funktion im Apparat dieses Unrechtsstaates verloren. Viele von denen, die bis heute weder reflektiert noch um Entschuldigung gebeten haben, rechtfertigen die Mauer immer noch. Und dann gibt es natürlich den Bodensatz der Totaloppositionellen, für die jeder Feind des Kapitalismus ein Freund sein muss.



Man kann sich die hohe Zustimmung aber auch mit dem Stockholmsyndrom erklären:

Unter dem Stockholm-Syndrom versteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert.
Quelle: Wikipedia



Dort heißt es weiter:

Trotz ihrer Angst empfanden die Geiseln auch nach Beendigung der Geiselnahme keinen Hass gegenüber den Geiselnehmern. Sie waren ihnen sogar dafür dankbar, freigelassen worden zu sein. Zudem baten die Geiseln um Gnade für die Täter und besuchten diese im Gefängnis.


Wie funktioniert das? Im Vorfeld des Jahrestages zum Mauerbau gab es sogar Zitate von Kennedy, der sinngemäß gesagt hat: "Wenn sie eine Mauer bauen, dann weiß ich wenigstens, dass sie nicht versuchen werden, Westberlin einzunehmen."



Also eine Art Erleichtertung -oder Dankbarkeit- darüber, dass der Angreifer, dem man Macht und Wille zu noch schlimmerer Gewalt eingeräumt hätte, zu einer weniger schlimmen Tat geschritten ist? Dankbarkeit für seine "Gnade"?



Ich kann es mir nicht anders erklären.



PS: Niemanden im Unklaren über seine Haltung zu den Tätern von damals und die Partei, in der diese sich heute vorzugsweise tummeln, lässt uns Wolf Biermann in diesem grandiosen Interview mit dem Deutschlandfunk: Link

1 Kommentar:

  1. Anonym13.8.11

    Könnte östlicherseits auch 'ne pure Trotzreaktion sein. Gegen die offizielle Geschichtsposse, in der die DDR nur als finster-pöse-Mauerruine ohne jeden Alltag vorkommen darf und sich alle Nichtflüchtlinge, Nichtpfarrer und Nichtbürgerrechtler (16,5 von 17 Millionen) als beschämte Verlierer der Geschichte ins Eck stellen sollen.

    Kann man alles machen, es ist aber dumm. Als Historiker sollte ich mal auf ein Schlüsseldatum hinweisen: der 22. Juni 1941. Losmarschiert sind damals die Deutschen. Die Rechnung indes mußten am Ende nur die Ostdeutschen bezahlen. Die anderen haben sich derweil fett gefressen und schon mal das Rechthaben geübt.

    Ach, diese ewige rückwirkende Auftrumpferei, dieses Heldengepose, das den Kalten-Krieg-aufs-Neue-gewinnen-Wollen - es nervt. Und es spaltet.

    Geschichtspolitik aus dem Keller des Konrad-Adenauer-Hauses.

    Natürlich läßt sich damit prächtig vom Heute ablenken und herrlich die Linke diffamieren. Aber wie gesagt, sonderlich klug ist es nicht.

    Diktatur des Finanzkapitals? Gangsterbanken, Zweiklassenmedizin, Kinderarmut, "Tafeln", Suppenküchen, sinkende Reallöhne, Minijobs? Kritik? Och nö, bringen wir lieber die tote DDR nochmal zur Strecke.

    Das ist wirklich verdammt mutig. Heldenhaft. Deutsch.

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