Montag, 15. August 2011
Helden des Marketing: 30 Jahre "IBM PC"
Photo: IBM
Anhänger, Fans, manche "Jünger" US-amerikanischer Technologiekonzerne bzw. ihrer Produkte oder manchmal auch Spirits (in Projekten) wollen selten die Wahrheit über ihren Kult hören - wenn diese zu ernüchternd ist. Doch Manche Marke ist schlichtweg vor allem Marketing.
Nein, ich rede nicht von Apple. Sondern von IBM. Vorige Woche ging der dreißigste Geburtstag des PC durch die Presse. Meldungen, ein Radiointerview mit Hans-Olaf Henkel über dessen Zeit bei IBM und sogar ein IBM Blog. Wer das hörte oder las, muss denken, IBM habe mit dem PC eine ganze Produktgattung erfunden und damit eine neue Industrie. So wie Apple mit dem iPod oder iPhone.
Dem war nicht so. IBM hat weder den Tischcomputer erfunden, noch das Internet, noch die Lochkartenmaschine. Das meiste hat IBM auf dem Markt zusammengekauft. Viele Trends haben sie verpasst. Aber eine gute Marketingagentur macht viele Managementfehler wett. Die blau umrahmten Werbespots von IBM zum Thema e-business z.B., die vor zehn Jahren über die Fernseher flimmerten, erzählten alle gute Geschichten über das Internet: "Wo sind die Webdesigner?" - "Zum Snowboarden." Oder der Außendienstler, der via drahtloser Onlineverbindung aus seinem Dienstwagen die Verfügbarkeiten und Lieferzeiten von Produkten abfragt. Oder der leer geräumte Serverraum.
Auch der IBM PC wurde mit viel Werbung bekannt gemacht. Laut Heise war das Werbebudget höher als das Entwicklungsbudget.
Am "IBM PC" war fast nichts von IBM. Nur seine Architektur und die Entscheidung des Managements, diese offen zu legen und den Nachbau zu erlauben. Eine Strategie, um Wettbewerber, die mit proprietären Rechnern schon Kunden erobert hatten, Marktanteile abzunehmen.
Aus seinem angestammten Großrechnergeschäft war es IBM gewohnt, mit Hardware Geld zu verdienen. Betriebssysteme und Anwenderprogramme gaben sie als kostenlose Dreingabe. Auch für den PC brauchten sie ein -damals noch einfaches- Betriebssystem. Mit der Entwicklung beauftragen sie einen gewissen Bill Gates. Und der Erfand das Computergeschäft wirklich neu, in dem er sich nicht für seine Entwicklungsdienstleistung bezahlen ließ, sondern sein Operating System nur lizenzierte. Er war sogar so genial, dieses OS gar nicht selbst zu entwickeln, sondern wiederum einzukaufen. Mit allen Rechten.
Ein genialer Handel: Geistiges Eigentum einmal einkaufen und dann millionenmal lizenzieren.
Bill Gates hatte sich diese Idee übrigens bei einem gewissen Ferdinand Porsche abgeschaut, der den VW Käfer im Auftrag entwickelt hatte und für jedes verkaufte Exemplar eine Lizenzgebühr einnahm (mit der später die Entwicklung des 911er finanziert wurde..)
IBM verkannte das Geschäftspotenzial des Bill Gates. Das gab Hans Olaf Henkel vorige Woche freimütig in einem Interview mit dem DRadio zu (Link).
Das IBM Management verkannte knapp fünfzehn Jahre später wieder, dass eine neue Epoche bevorstand: Die Kommerzialisierung des Internet. Als findige IBM Entwickler ihrem Management vorschlugen, Rechner und PC netzfähig zu machen und Router für die künftigen Netzwerke zu entwickeln, lehnte dieses dies ab. Die Entwickler gründeten darauf hin ihr eigenes Unternehmen, nannten es Cisco und begründeten wieder einmal eine neue Branche.
Als IBM das Potenzial des Internet erkannte, investierte es wiederum in eine Werbekampagne. Motto: e-business. Um im Internetzeitalter wirklich mitreden zu können, musste IBM junge Leute in Bataillonsstärke einstellen. Das Management und die alten Hardwareverkäufer verstanden wenig von dem, was nun kommen sollte.
Der PC wurde zu einem vernetzten Unterhaltungsmedium, der Browser fing an, dem Fernseher Konkurrenz zu machen. Als das Internet breitbandig wurde, fingen die ersten User an, digitale Produkte (Musikdateien) über das Netz auszutauschen. Illegal. Aber ein deutlicher Hinweis auf künftige Geschäftsmoglichkeiten. Ein Hinweis, den Steve Jobs verstand: PCs würden irgendwann nicht nur die Zeitung und das Fernsehen ersetzen. Sondern auch das Radio, die Stereoanlage.
IBM verkannte das Potenzial, wohl weil es im Umgang mit Privatkunden auch nicht besonders erfahren war. Es verkaufte seine PC und Notebook Sparte an den chinesischen Hersteller Lenovo. Kurz darauf setzte das PC und Notebook Geschäft zu einem neuen Boom an. Der Siegeszug von Apple ist bekannt.
Trotzdem gilt IBM -zu recht- als Technologiegigant. IBM wird jedes Jahr Patentweltmeister. Also, what the hack, entwickeln die dauernd und womit verdienen sie ihr Geld? Bekanntlich ist die Dienstleistung heute eine wesentliche Säule, auch als IT-Beratung bekannt.
Aber auch die Computerentwicklung geht weiter. Und hier ist IBM mit Supercomputern vorne dabei. Einer der wichtigsten Antreiber für immer leistungsfähigere Rechner ist nicht der Konsumbereich. Sondern die innere Aufrüstung: Verschlüsselung und Entschlüsselung. Die Auswertung großer Informationsmengen (z.B. von Videokameranetzen). IBM ist einer der größten Nutznießer des Homeland Security Programms von George W. Bush gewesen. IBM Manager sind gut vernetzt mit Regierung und Rüstungsprojektinvestoren wie die Carlyle Group. Der frühere IBM Manager Gerstner ist hier heute Partner (Link).
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