Freitag, 22. Januar 2010

Funded Reporting

Dass Hans Leyendecker seine Karriere mal bei der Westfälischen Rundschau begonnen hat (und er aus diesen Zeiten immer noch BvB-Fan ist!), kann kaum glauben, wer diese und andere Ruhrzeitungen heute mal in die Hand nimmt.

Am schlimmsten heruntergekommen: Die WAZ und die Ruhr Nachrichten.

Früher war die SPD eine Bastion und die Blätter arbeiteten sich an ihr ab. Liberale lasen die WAZ, Konservative die Ruhr Nachrichten. Es tobten Redeschlachten zwischen Leitartiklern und Leserbriefschreibern, wie z.B. dem GRÜNEN Richard Kelber, über den geplanten Flughafen, über Stromheizungen und und und.

Und heute: Käseblätter in der Hand von Investoren. Alles bunt und strotzend vor "Ganz konkretem Nutzwertjournalismus für den Leser". Die Technik wird immer besser und die Inhalte immer öder und dümmer. Als gäbe es da einen direkten Zusammenhang.

Heiße Themen werden überhaupt nicht mehr verfolgt. Nee, das beunruhigt den Leser nur. Der will ja einen "Mehrwert" oder "Nutzwert" aus seiner Zeitung. Der Investor versteht darunter eine von Reklame strotzende Zeitung mit viel Klimbim und Homestories über Hundehochzeiten.

Klar, das Internet mit seiner Kostenlosgewohnheit hat uns versaut. Die Einnahmen sanken und die Schnäppchenjäger aus der Private Equity Branche rochen Blut. Doch wie in in anderen Branchen vorher, bringen diese kurzfristig denkenden Kapitalgeber mit ihren McKinsey Beratern nur qualitativen Niedergang und mentale Verwahrlosung. Aber allmählich habe ich keine Lust mehr auf "kostenlos, aber dumm". Man merkt es deb großen Portalen ja auch an. Da gibt es Tages- oder Stundenaufreger und Meinungen über Tages- oder Stundenaufreger. Aber keiner wühlt mehr im Dreck.

Dabei gibt es gerade jetzt etliches aufzudecken. Jetzt, da wir einen "stillen Staatsstreich" (Tagesspiegel) erleben. Da wir zur Beute geworden sind von einer Täterschicht, die sich die öffentlichen Kassen, die öffentliche Infrastruktur und die Rentenrücklagen etlicher Privatsparer zur Beute gemacht hat und uns als Geiseln genommen hat, damit wir immer noch Geld nachschießen.

Den Redaktionen fehlt es an Mitteln, um einem Asmussen, einem Schmidt-Deguelle, einem Rösler, einem Ackermann, einem einem Mehdorn oder Ulrich Homburg mal so richtig nachzusteigen.

Die Frankfurter Rundschau, die ZEIT und die Süddeutsche sind da rühmliche Ausnahmen. Die FR hat z.B. die Machenschaften der Hessischen Finanzverwaltung verfolgt. Unter Roland Koch werden ja große Steuerhinterzieher aus der Täterschicht brutalst möglich geschont und für die Refinanzierung dieser Steuerausfälle die Sozialetats gekürzt.

Und eine weitere Ausnahme, eine der letzten Bastionen sind die öffentlich Rechtlichen. Frontal 21, Monitor, Report etc. sind das letzte Aufgebot gegen die Systemveränderer in der Berliner Wilhelmstr. 74 und der Frankfurter Theodor-Heuss-Allee. Und das ist der Grund, warum sich die FAZ und die WELT die Finger wund tippen gegen die GEZ-Gebühr. Und warum Roland Koch schamlos den Chefredakteuer des ZDF auswechseln lässt, nur weil der über kein Parteibuch zu packen ist.

Droht uns also allmählich der Niedergang der vierten Gewalt?

Nicht, wenn wir annehmen können, dass es immer Leser geben wird, die die Wahrheit wissen wollen. Und wenn wir annehmen können, dass es unter Journalisten und Redakteuren Leute gibt, die die Wahrheit herausfinden wollen. Solche Netzwerke wie die "Ruhrbarone" (Link) finde ich ein gutes Beispiel dafür, wie der neue Trend aussehen könnte. Die Ruhrbarone wühlen in den Kommunen und im Land. Führen Interviews und bringen Berichte. Das ganze liest sich so viel authentischer als WAZ und Ruhr Nachrichten. Das brauchen wir.

Und ausgerechnet in den USA gibt es einen Gegentrend: Und ausgerechnet Rupert Murdoch geht nun dazu über, den Kostenlosjournalismus allmählich abzuschaffen. Online Artikel kosten nun wieder Geld. Peu a peu führt er das ein, z.B. beim Wallstreet Journal.

Und: Es gibt eine neue Plattform für die Methode "Fund a story". Hier markieren Journalisten Themen, für die sie Geld sammeln. "Spot.US" ist so ein Beispiel (Link). Sobald genügend Geld beisammen ist, geht die Arbeit los.

Man stelle sich das in Deutschland vor. Man könnte den Scope noch erweitern, in dem man nicht nur Geld sammelt, sondern auch Quellen. Aus der Wilhelmstraße, aus den Ministergärten...

Ich glaube, wir dürfen annehmen, dass interessierten, mündigen Lesern und Zuschauern guter Journalismus auch weiterhin einen Preis wert ist. Sie sind unsere Verbündeten bei der Verhinderung des gerade stattfindenden "stillen Staatsstreichs". Wenn wir uns nicht für dumm verkaufen lassen wollen, müssen wir eine Mark oder zwei für guten Journalismus ausgeben.

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