Mittwoch, 29. April 2020

Der Projekttypus "Drosten"

Den Typus "Drosten" kennt man auch aus der Projektarbeit. Projektarbeit ist auch die Bekämpfung der Covid-19 Pandemie. Sie hat ein klares Ziel: Entschärfung des Risikos an Covid-19 zu sterben (Prio1) oder zu leiden. Die Randbedingung ist: möglichst niedrige volkswirtschaftliche Kosten und möglichst geringe (eigentlich: keine) Einschränkung unserer Grundrechte.

Wenn Merkel die Lenkungskreisvorsitzende ist, ist RKI Chef Wieder der Projekt- bzw. Programmleiter. Und Drosten ist der Fachexperte und Berater der die Merkmale des Problems, des Virus aufdeckt, Gegenmaßnahmen identifiziert und dem Programmleiter empfehlen sollte.

Das Problem mit Drosten ist: Er legt sich nie fest, zu nichts hat er ein Ergebnis, aber alles weiß er besser.

1. Vermeidung von Festlegungen
Bis zur Ermüdung hört man in dem NDR Podcast mit Drosten die Disclaimerfloskeln "das ist in der jetzigen Situation ganz schwierig zu sagen", "vielleicht", "ein bisschen" oder: "Das wissen wir nicht."

2. Keine Ergebnisse
Drosten thematisiert in jedem Podcast ein neues Bewertungs- oder Entscheidungskriterium. Wenn die  Redakteurin ihn dann nach seinen Antworten oder Empfehlungen fragt, antwortet er in der Regel: "Da sind wir dran. Dazu kann ich noch nichts sagen.". Oder: "Da habe ich gerade eine interessante Studie zu bekommen, die muss ich noch lesen." Oder: "Ich habe die Studie gelesen. Die Ergebnisse sind interessant, aber nicht 1:1 auf uns übertragbar."

3. Besserwisserei
Seine Kollegen, die er als Konkurrenten empfindet, wertet er in aller Öffentlichkeit ungeniert ab, wenn sie die gleichen Schwächen zeigen wie er selbst, bzw. es riskieren, Stellung zu beziehen, wenn die Projektleitung solche braucht.
Dem Zwischenbericht von Prof. Streeck kurz vor der Konferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten unterstellte Drosten fehlende Wissenschaftlichkeit. Was hätte er selbst wohl in dieser Situation gesagt oder berichtet: "Wir wissen noch nichts."?

Solche Leute sind in einem Lenkungskreis der schlechtes mögliche Fall: Sie bremsen das Projekt, verhindern Entscheidungen und versauen die Stimmung durch Hetze gegen Kollegen. Aber andererseits scheint er dem Typ zu entsprechen, den die Kanzlerin am liebsten in ihrem Stab hat.

Bitte nicht verwechseln mit Agilität. In agilen Projekten hat man Projektziele und Erfolgskriterien, aber man ist sich über den optimalen Weg nicht sicher. Das entspricht eigentlich der jetzigen Pandemie. Aber die Unsicherheit führt in einem agilen Projekt nicht zu Intransparenz, Entscheidungsschwächen und schlechter Stimmung. Stattdessen hat man zu jeder Zeit Ziel, Richtung und Maßstäbe, ist aber bereit diese nach offener Diskussion zu verwerfen und zu ersetzen. Aber stets so, dass alle verstehen, warum und wozu. Und das ist es, was Merkel und Wieler uns schulden.

Dienstag, 28. April 2020

Wann schmeißt Merkel Chris Boos aus dem Digitalrat?

Wenn es um IT-Projekte des Bundes geht, kann man inzwischen ein Template anlegen und den Projektverlauf zuverlässig vorhersagen. Neuestes Beispiel: Die Corona Corona Tracing App.

Das Muster besteht aus folgenden Merkmalen:
  • Ein Minister oder Staatssekretär sieht eine Gelegenheit (positive Motivation) oder eine Erwartungshaltung (Negativmotivation) IT zur Lösung eines Problems einzusetzen oder sich als modern zu erweisen.
  • Er lässt sich von seinen engsten Beratern oder Lieferanten bequatschen schnell eine Entscheidung zu treffen - noch bevor er irgendetwas verstanden hat. In dieser Phase kann man ihn gut mit aktionistischen Kraftausdrücken beeindrucken, die anschließend auch gegen Kritiker gewandt werden (Beispiel: "Kryptographische Eleganz", "religiöse Kriege um Architektur").
  • Nach der Festlegung von Architektur und Lieferant, folgt die Diskussion der Anforderungen und Abhängigkeiten, und Zeitplanvorstellungen. (Beispiel: e-Rechnung, Corona Racing)
  • Dann stellt sich heraus: Geht gar nicht so, wie der Minister festgelegt hat. (Corona App, Apple)
  • Der Minister rudert zurück (Spahn) oder zieht sein Ding durch (Vitt).
Leute mit Persönlichkeitsdefiziten, die sich in übertriebenem, blinden Ehrgeiz äußern, sind in der Anstiegsphase empfänglich für Posierer und in der Abstiegsphase rachedurstig gegen Schuldigen.

Für Chris Boos ist es jetzt dumm gelaufen. Das HHI hat sich jetzt auch aus seinem PEPP-PT Projekt zurückgezogen, der ganze Ansatz ist vom Tisch und jetzt hat Boos auch noch juristische Probleme am Hals, wie der Stern berichtet. Boos soll seit 2017 keine Geschäftszahlen veröffentlicht und damit gegen Offenlegungspflichten verstoßen haben. Stattdessen soll er, insbesondere im Zusammenhang mit der Ernennung zum Digitalrat der Bundesregierung, beschönigt haben. Veröffentlichungen über aufgelaufene Schulden in Handelsblatt und Wikipedia bezeichnet er nicht als falsch, aber als "nicht autorisiert". Es gibt noch mehr Ungereimtheiten in dem Stern-Artikel.

Damit ist Boos neben Suder schon die zweite zweifelhafte Figur im Digitalrat der Bundesregierung.

Der Digitalrat wird an einer Stelle zitiert, man tage nicht öffentlich, damit man ganz offen Dinge aussprechen könne. Das sagen Leute, die bei uns um Vertrauen in zentrale Serverlösungen für Regierung und Verwaltung werben...

Montag, 27. April 2020

Grimmepreis Kampagne für Drosten und gegen Kekule

Die Nominierungen sind abgeschlossen, jetzt läuft das Voting für den Grimme Online Award (Link).

Und siehe da, da läuft eine Rezensionswelle bei "Podcasts" von Apple. Drosten wird mit allen Mitteln hochgelobt, Kekule wird diffamiert.

Dabei wäre es genau umgekehrt verdient: Professor Kekule ist ein Virologe der ganz wunderbar vermitteln kann, was jetzt gerade wichtig ist und welche Schlüsse man aus den verfügbaren Daten und den Erfahrungen ziehen kann. Er spricht klar, kurz und verständlich - so wie es Wolf Schneider immer gelehrt hat.

Drosten hingegen spricht nur in Schachtelsätzen, umständlich, bedingend, sich einschränkend, redundant und sich alle paar Wochen selbst widersprechend.

Drosten ist der Eitle, der uneitel tut. Bei Kekule ist es umgekehrt.

Hier eine Sammlung von Podcast Rezensionen. Zuerst die Abwertungen der Drosten Jünger beim Kekule Kompass:








Und jetzt die Drosten Lobhudeleien. Die Dichte der Rezensionen hat in den letzten Tagen (der Nominierung und des laufenden Votings) stark zugenommen:










Interessant übrigens am Rande, dass Drosten ja vor einigen Wochen in seinem Podcast abgestritten hatte, noch als Regierungsberater tätig zu sein. 

Freitag, 24. April 2020

Dürre und Windraddichte

Es ist sicher nur eine Co-Inzizenz, aber ich wollte sie mal gezeigt haben. Es gibt in Deutschland eine gute Übereinstimmung zwischen der Dichte von Windkraftanlagen und Dürregebieten.

Bild 1 ist einer Darstellung des MDR entnommen und zeigt die Entwicklung von Dürre in Deutschland in den letzten Jahren.

Bild 2 zeigt die Dichte von Windkrafterzeugung in Deutschland.


Natürlich habe ich aus dem Stand keine Erklärung dafür. Ich habe beim Googeln schon Hinweise gefunden, dass Windparks das Mikroklima beeinflussen, z. B. in dem sie Temperaturschichten in der Luft durcheinander wirbeln und dabei tendenziell den Boden mit Warmluft anreichern, was Verdunstung und Austrocknung forciert. Aber hat das eine Rückwirkung auf das Makroklima bzw. die Trajektorien von Wolkenformation? Wohl aber kann es eine Wirkung auf die Bildung von Wolken auf dem Land haben.

Auch fand ich den Hinweis, dass große Windparks wie ein mittlerer Gebirgszug auf eine ziehende Wolkenformation wirken können, so dass die Wolken ihre Niederschläge quasi abgeben, um den Windpark überwinden zu können (vereinfacht gesprochen).

Ich würde aus dem Stand denken, dass die größte Ursache für Dürre die Großwetterlage mit der Lage und Ausprägung von Hoch- und Tiefdruckgebieten sein muss. Mal (früher meist) wirbeln sie feuchte Luft aus Südwest heran. Und Wind von Osten oder Norden bringt trockene Kontinentalluft.

Die Theorie mit den Windparks als Gebirgsketten würde m. E. nur stimmen, wenn es vor großen Windparks in Europa, entlang der Windströmungen, vermehrte Niederschläge gäbe. Aber zumindest auf der Deutschlandkarte findet man Niederschläge vor allem in Südwest (passt) und im Süden allgemein (passt nicht). Das spräche für eine Hauptwindrichtung aus Süd-Südwest.

Wahrscheinlich ist es also nur Zufall.

Unabhängig davon richten große Windparks natürlich Immer mehr andere Schäden an, die mittelbar auch Einfluss aufs Klima und die Pegelstände des Grundwassers haben. "David" berichtet folgende Liste:

  • Bodenversiegelung (Einfluss aufs Grundwasser)
  • Waldrodungen
  • Flächenverbrauch

Donnerstag, 23. April 2020

Spahn, abhebend

Habe ich das jetzt richtig verstanden? Weil die verschnarchten, Faxen machenden Gesundheitsämter zu langsam sind, muss jetzt ein zentraler BMG Server aufgebaut werden, der von jedem wissen will, ob er infiziert ist?

Da hat der Digitalrat ja "einen tollen Job gemacht".

Aber warum sollte ich diese App benutzen? Ach so, ich weiß schon: weil mein Social Score sonst zu niedrig bleibt.

Dienstag, 21. April 2020

Werbebilder gehen zurück zu klassischen Motiven

Mir ist in den letzten Tagen aufgefallen, dass viele Unternehmenswebseiten ihre politisch-korrekten Werbeträger gegen klassische Modelle ausgewechselt haben. Zuerst fiel es mir bei Bahn.de auf, wo jetzt weniger blonde Frauen mit Rastafaris flirten. REWE wirbt mit deutschen Senioren. Bei der Deutschen Bank stehen wieder grauhaarige Männer für typische Geschäftskunden. Bei Siemens sitzt ein vollbärtiger, aber indigenen Nerd am Rechner. Bei Thalia sieht man sogar eine komplett weiße Familie und einen Appell an das traute Heim.

Nur vereinzelt trifft man noch hauptsächlich arabische Männer als sportliche Vorbilder, z. B. bei Adidas.de .

Übrigens sah man in den politisch korrekten Werbezeiten hauptsächlich arabische muskulöse Männer, die sich m. E. eher an das weibliche Publikum richteten. Junge hübsche Frauen vom Typ Bauchtänzerin sah man eher selten. Auch das spiegelte die Einwanderungswelle und ihre vorrangigen Protagonistinnen realistisch wieder. Es waren keine Männer, die einwandernde junge Frauen begrüßten. Es waren junge deutsche Frauen, die einwandernde arachische Männer begrüßten.

Es wird Zeit, die Motive der Handelnden einmal tiefer zu hinterfragen.

Der Wechsel zurück zu den klassischen Motiven erklärt sich m. E. mit einer neuen Wertschätzung des klassischen Ernährers. Des Mannes, der einen Beruf erlernt und Verantwortung für seine Familie übernimmt. Die Zeit der Abenteurer (für die man gern die dummen Aktiven zahlen lässt) geht zu Ende, man kehrt wieder heim und appelliert an die Ernährerpflichten des Jägers...

Authority Aligned Research a la Drosten

Prof. Drosten und andere (Meyer-Herman, Helmholtz) jagen in dieser Woche eine neue Sau durchs Dorf. Nachdem wir die Kurve tatsächlich verflacht haben und auch den R-Faktor (Anzahl der angesteckten Kontakte pro Infiziertem) <1 auch="" beiden="" das="" den="" ein:="" experten="" f="" haben="" jetzt="" llt="" nein="" nicht.="" noch="" p="" reicht="">
Jetzt fordern sie die Austrocknung des Virus. D. h. eine Fortdauer der Kontaktsperren solange bis wir bei R=0,3 sind.

Ihre Begründung: Das Gefühl der Bevölkerung, es sei nun vorbei. (Ihre nicht ausgesprochene Begründung: Weil Frau Merkel noch keine Lockerung will. Sie hat den Diskurs darüber ja als "Diskussionsorgie" beschrieben.)

Drosten ist ein nacheilender Prophet. Er findet immer Veröffentlichungen auf dem "Prä-Print"-Server, die die Meinung und Politik der Bundeskanzlerin bestätigen. Das war anfangs so mit der Verharmlosung von Norditalien und seiner Ablehnung einer Reisewarnung. Das war damals auch so mit seiner Antwort auf die Frage, was er konkret tue um sich zu schützen: "Nichts."

Danach erklärte er uns die Effekte und Notwendigkeit der Kurvenabflachung. Und dann den R0-Faktor, d. h. den dem Virus eigenen Reproduktions- (bzw. "Ansteckungs-") Faktor.

Jetzt sucht Merkel nach Argumenten für eine Verlängerung über den 4. Mai hinaus und Drosten erforscht den Per-Print-Server.

Zusätzlich operiert er mit einer neuen Metapher: Der zweiten Welle, die sich unter der Decke der Maßnahmen ausbreite. Damit meint er die zunehmende Diffusion des Virus über die Hotspots hinweg. Er achtet nun auf die Unterschiede zwischen den Bundesländern: Solange die Ausprägungen noch die Startformation widerspiegelten (Bayern und NRW an der Spitze bei den erkannten Fällen pro Einwohner) solange seien wir in der 1. Welle. Durch Nachlässigkeit bei der Kontaktsperre verwischten sich die Unterschiede zwischen Bundesländern allmählich. Und wenn wir dann in den nächsten Herbst reinlaufen, bekämen wir italienische Verhältnisse.

Die unausgesprochene Frage im Raum: Wollt Ihr das?

Man wird Christian Drosten später vielleicht einmal als Beispiel für einen konformen Forscher im Westen nehmen. Einer der Mitspracherecht und Öffentlichkeit beanspruchte, aber nie einen Plan vorlegte, nie ein beständiges Ziel vorgab, um die Epidemie zumindest im eigenen Land zu überwinden. Der stattdessen aber immer neue Forschungsergebnisse fand, um den Kurs der Kanzlerin zu unterfüttern. Und dabei geflissentlich Studien von konkurrierenden Forschern auseinander nehmen, indem man an die Kollegen höhere Maßstäbe anlegt, als an sich selbst (Beispiel: nicht validierter Antikörpertest vs. nicht validierter Infektionstest).

Wie kann man das bezeichnen? Ich schlage vor: Authority Aligned Research (AAR).

Quellen:
Tagesspiegel vom 20.04.2020
NDR Corona Virus Update (33) vom 20.04.2020

Montag, 20. April 2020

Hinter den Kulissen der Corona Tracking Apps

Vorige Woche entwickelte sich das Thema Kontaktverfolgungs- / Contact Tracing App wie folgt:

  1. Apple und Google veröffentlichten Statements zur gemeinsamen Entwicklung eines Funktionsumfangs ihrer Betriebssysteme, der künftig die dezentrale, anonymisierten Sammlung von Kontakten ermöglicht und eine freiwillige (Opt-in) Bereitstellung dieser Kontakthistorie falls ein Smartphone Besitzer sich als infiziert profiliert.
  2. Die unkommentierte "Zur-Kenntnisnahme" dieser Statements durch die Mitglieder der Bundespressekonferenz am vorigen Freitag.
  3. Die Implosion des Projektes PEPP-PT, das maßgeblich von dem Unternehmer und Digitalratsmitglied Hans-Christian Boost gesteuert wird, durch den Abgang maßgeblicher Wissenschaftler, u. a. Marcel Salathe.

Streitpunkt ist, dass Boost die geplante Plattform in Richtung einer zentralen Architektur vorantreibe, d. h. mit weniger Freiwilligkeit und mehr Kontrolle des Staates. Salathe habe die Initiative PEPP-PT verlassen, nachdem Boost die dezentrale Alternative stillschweigend aus der Projektbeschreibung gestrichen hätte.

Mal abgesehen davon, dass die Sache damit den typischen Verlauf eines öffentlichen IT-Projektes zu nehmen scheint, nämlich zu scheitern, erfährt man nebenbei noch andere interessante Dinge:

Hans-Christian ("Chris") Boost ist Mitglied eines Digitalrates der Bundesregierung. Den Vorsitz dieses Rates hat -man glaubt es nicht -Katrin Suder. Weitere Mitglieder stammen von Fraunhofer FOKUS (die ich selbst schon als nicht so kompetent kennen gelernt habe) und Professoren namhafter US-Universitäten. Und auch eine Geisteswissenschaftlerin, die eine Softwareplattform für medizinische Anwendungen entwickelt, aber sie scheint nicht in die Kontaktverfolgungs App involviert zu sein. Etwas ironisch klingt das Merkelzitat in der Selbstbeschreibung des Digitalrates:
"Ein kleines, schlagkräftiges Gremium", wünscht sich Bundeskanzlerin Merkel. Mit Frauen und Männern aus der Praxis, "die uns antreiben, die uns unbequeme Fragen stellen".
Nicht aufgeführt, aber ebenfalls als Regierungsberater tätig ist ja Sandro Gaycken. 

Gaycken sagte im Interview mit Robin Alexander, er könne sich einen Deal "Daten gegen Freizügigkeit" vorstellen (Schritt 1). Christian Drosten sagte in mehreren NDR-Podcasts, solch eine App könnte einen großen Nutzen für die Eindämmung der Epidemie beitragen (Schritt 2). Und danach ändert Chris Boost die Spezifikation des PEPP-PT Projektes einseitig in Richtung zentrale Architektur (Schritt 3). 

Da klingeln doch gleich mehrere Alarmglocken:
  • Wie kann es sein, dass Katrin Suder, die in einem Untersuchungsausschuss des Bundestages auf der Zeugen-, wenn nicht Anklagebank sitzt, immer noch die Bundesregierung berät?
  • Wird jetzt nicht deutlich, dass die Bundesregierung hier mehr Kontrolle über die Smartphones von Bundesbürgern plant, als es die angekündigten Betriebssystem-Updates von Apple und Google es notwendig machen?
  • Und: Wird hier nicht wieder sinnlos Geld rausgeworfen, weil man schon bei der Definition der Anforderungen ungeschickt vorgeht?
Quellen:
Digitalrat der Bundesregierung

PK mit Spahn, Wieler, Broich, Cichutek (ab Minute 0:59h und 1:15h):

Freitag, 17. April 2020

Lassen Laschet/Spahn Prof. Streeck fallen?

Einen Tag nach Laschet‘s Niederlage in der Coronarunde der Kanzlerin + Ministerpräsidenten und 5 Tage nach Drostens Attacke auf seinen als Rivalen empfundenen Kollegen Streeck, wirbt Spahn wieder mit Drosten für „verlässliche Informationen“.

Es war auch Drosten, der gestern in Illners Runde saß.

Lässt Laschet als nächstes Streeck fallen? Sein Plan gat nicht geklappt und Streeck gilt im Berliner Inner Circle als verbrannt.



Dienstag, 14. April 2020

Drosten reviewed

Ich habe noch mal die Podcastfolgen 2 und 3 von den NDR Interviews mit Drosten nachgelesen. Dies stammen vom 27. und 28. Februar.

Unser Eindruck, dass er anfangs gezögert und verharmlost habe stammt von seiner grundsätzlichen Position, dass die Politik Maßnahmen immer erst post-mortem ergreifen sollte. Da bezog er sich selbst sogar ein. So sagte z. B. er würde selbst jetzt noch nach Italien fahren. Und er halte Einreiserestriktionen und Reisewarnungen für nicht angebracht.
Korinna HennigWir haben gestern darüber gesprochen: Sie haben gesagt, Reisewarnungen innerhalb von Europa ma- chen gar keinen Sinn. Wie ist es bei Ihnen persönlich? Würden Sie jetzt nach Italien reisen?
Christian DrostenJa, also, ich würde natürlich nach Italien reisen. Ich glaube nicht, dass die Infektionsdichte so hoch ist, dass man sich rein zufällig schnell infiziert. 
Er begründet das mit dem Unwissen über die Infektionsherde oder auch deren Größe. Für ihn stand nie die Vorsorge im Vordergrund sondern die Abwägung der Auswirkung einer Maßnahme gegenüber den Fallzahlen (und nicht deren Dynamik). Auch interessier ihn das Virus generell mehr als dessen Auswirkung.

So interessierte ihn Ende März die Quelle der Viren in Heinsberg, München und Norditalien mehr als die Dynamik der Verbreitung. Er wollte Ende Februar vor allem wissen, ob wir es in Europa mit eingeschleppten Viren aus China zu tun haben oder mit einer weiteren Virusquelle, z. B. in der Lombardei.

Und ähnlich seine Meinung zu Atemschutzmasken für die Bevölkerung. Er widerspricht sich da sogar selbst, ohne dass die Germanistin Korinna Hennig dem kritisch nachgeht: Er sagt einerseits, diese Masken seien unwirksam, andererseits fordert er diese Masken wegen ihrer Schutzwirkung exklusiv für das Krankenhauspersonal. Er benennt die Lieferschwierigkeiten, schiebt aber die Verantwortung dafür nicht auf staatliche Stellen und deren Versäumnisse sondern auf uns, die wir uns jetzt schützen wollen. Hier spricht dann nicht mehr nur der Wissenschaftler sondern jemand, der der Regierung nicht auf die Füße treten will.

Des weiteren benennt Drosten seine Konkurrenz zu den Epidemiologen (er selbst ist ja Virologe). Er wirft ihnen vor, darauf erpicht zu sein, ihre Datenmodelle möglichst schnell mit verfügbaren Daten füttern zu können, deren Ergebnisse sie dann an wissenschaftliche Journale senden können. Er bezeichnet das sogar als Modeerscheinung. Stattdessen fordert er die Praxis der "aufsuchenden Epidemiologie", die direkt an Patienten und Kontaktpersonen testet. Und genau das macht ja Prof. Streeck mit seinem Team in Heinsberg.
Christian Drosten  
.. Weiter und weiter gedacht, hat man es hier dann doch mit einer dramatischen Exponentialfunktion zu tun. Das ist aber ein sehr theoretischer Wert, der sich aus frühem Datengut erheben lässt. Aus wenigen schon bekann- ten Patienten kann man das ableiten. Und man muss nicht sehr systematisch epidemiologisch aufsuchend arbeiten. Also man muss nicht ganz systematisch die Patienten anschauen, sondern man kann das aus indi- rekten Daten, aus gemeldeten Daten ableiten.
Das hat einen unglaublichen wissenschaftlichen Charme für Krankheitsmodellierer, die nicht selber epidemiologisch tätig sind, sondern nur eine Weiter- verwendung von veröffentlichten Daten betreiben. Und wir haben in der Infektionsepidemiologie praktisch schon eine Modeerscheinung, dass die ersten gemel- deten Zahlen immer gleich von solchen Krankheits- modellierern genommen werden, um sie in schnelle wissenschaftliche Veröffentlichungen umzuwandeln, um diesen magischen Wert R0 zu ermitteln. 
Man muss dazu sagen, das ist natürlich erst mal so ein gewisses Geschäftsgebaren in der Wissenschaft. Jetzt haben alle Angst, und da sind die großen Wissen- schaftsjournale ganz empfänglich für die schnellen Paper.
Inhaltlich auf Distanz zu den Grünen geht er dann beim Vergleich mit der Influenza. Hier kritisiert die große Lücke zwischen einer eigentlich benötigten Impfrate von 70% und der weitaus niedrigeren in der Praxis. Bei den Grünen tummeln sich ja viele Impfgegner und es könnte der Grund sein, warum sich die Grünen in dieser Diskussion so zurückhalten: Die Verfügbarkeit eines Impfstoffes für das neuartige Coronavirus ist ja einer von drei Hoffnungsträgern, neben heilenden Medikamenten und einer sich ausbildenden Immunität.)
Auf Nachfrage gibt Drosten dann zu, dass die Impfmüdigkeit teilweise (Grüne sagen stets: "ein bisschen") durch eine breite Grundimmunität der Bevölkerung kompensiert werde.

Quelle: NRD Podcast 2, 27.2.2020

Was ich dann überhaupt nicht verstehe ist, warum Drosten für die Abschätzung der Fallsterblichkeit Zahlen aus den bis dato großen Epizentren China und Iran beiseite lassen will:
Und das ist bei diesem Virus so, dass ungefähr ein halbes Prozent Fallsterblichkeit vorliegt, zumindest nach Daten, die man für sich selbst bereinigen kann. Da muss man einige Korrekturen anstellen.
Zum Beispiel man muss erst mal alles rauslassen, was aus China kommt. Die chinesischen Zahlen sind auf mehrere Arten gefärbt, also wenn man jetzt wirklich eine Fallsterblichkeit für sich schätzen will, dann muss man die chinesischen Zahlen leider im Moment rauslassen. Dann ist es auch so, dass wir außerhalb von China schon ziemlich viel Fälle haben. Und was ich da im Moment mache, ist, dass ich auch die Fälle aus dem Iran streiche, weil es praktisch sicher ist, dass
im Iran die milden Fälle gar nicht erkannt werden, und weil es praktisch sicher ist, dass im Iran keine ausreichenden Diagnostik–Kapazitäten bestehen.
Das weiß ich nicht nur deswegen, weil für die Zahl der erkannten Fälle die Zahl der Todesfälle im Iran viel zu hoch ist in den Statistiken. (Die Toten fallen auf und die milden Fälle überhaupt nicht.) Ich weiß es aber auch deswegen, weil wir aus dem Iran ständig kontaktiert werden, mit der Bitte um technische Unterstützung oder um Beantwortung von Fragen hinsichtlich von Diagnostiktests. Und da sehe ich, dass ganz viele Labore im Iran das noch nicht können oder ganz am Anfang erst stehen.
Sollte man nicht stattdessen die realen Infektionsherde nutzen und dann versuchen, die Datenbasis zu verbessern? Gibt es da keinen Austausch unter Virologen, sei es bilateral oder in Arbeitsgruppen und Gremien? Er sagt selbst, die Iraner kämen auf ihn zu. Täten sie es nicht, hätten wir also keinen Austausch?

Und auch das RKI kriegt zu dieser Zeit, in der sich die Hackordnung der Virologen ausprägt, von ihm noch einen mit:
Korinna HennigStichwort „Zahlen“. Das Robert Koch Institut hat gestern von ein bis zwei Prozent Wahrscheinlichkeit gesprochen, am Corona–Virus zu sterben.
Christian DrostenDas Robert Koch Institut ist da in einer misslichen Lage. Das ist ein nationales Public Health Institut.
Die können nicht einfach, wie ich so als Universitätsprofessor, mal ganz nassforsch sagen: Ach, die Zahlen, die lassen wir mal weg. Und das hier wird auch wohl nicht stimmen. Und aus dem Rest ermitteln wir uns jetzt mal eine Fallsterblichkeitsrate, und da peilen wir mal so ein bisschen über einen Daumen. Das Robert Koch Institut ist ja eine Behörde. Die muss ja sagen, hier sind nun mal gemeldete Zahlen. 
Und es ist doch genau die Initiative, die Laschet und Streeck ergriffen haben: Den Herd im eigenen Land mal gründlich zu untersuchen und früh eine Debatte anzustoßen. Streeck ist der Projektleiter vor Ort, Drosten ist der Nerd, der zwischen Schreibtisch und Talkshows hin und her wandert.

Und dann kommt eine Einschätzung von Drosten, mit der sich meiner Meinung nach aus der Umlaufbahn schießt. Die Frage, wie er selbst derzeit mit dem Risiko umgehe:
Christian DrostenJa, also, ich kann Ihnen vielleicht sagen, was ich mache – oder auch meine Familie und mein Freundeskreis:
nämlich gar nichts. Es gibt im Moment überhaupt keinen Grund, irgendetwas zu machen oder sich irgendwelche Sorgen zu machen. Ich mache mir schon Sorgen über die Pandemie. Ich mache mir auch Sorgen über ein halbes Prozent Fallsterblichkeit und erst recht, wenn ich dann noch weiter rechne, dass
es vielleicht doch mehr als ein halbes Prozent, zum Beispiel ein Prozent, sein könnte – dann mach ich mir plötzlich große Sorgen. Aber die Sorgen, die ich mir mache, die mache ich mir nicht in meinem Alltag in den nächsten Wochen und Monaten, sondern mir geht es darum, was eigentlich so ungefähr in einem Jahr passiert. Also nächstes Jahr um diese Zeit, wo sind wir dann? Was kommt nach dem Sommer im Winter 2020 auf uns zu?
Ich fasse zusammen:
Drosten selbst erwartet eine kommende Pandemie. Er muss aus etlichen Quellen, eigentlich Allgemeinbildung in seinem Fach, den Verlauf kennen. Und vor allem die Bedeutung eines frühen Eingreifens um es gar nicht erst zu einer Pandemie kommen zu lassen. Das kann er aus dem Risikobericht für den Bundestag 2012 wissen, er könnte Albert Camus gelesen haben, aber vor allem hat er sich ja mit dem SARS Virus beschäftigt. Aber offenbar interessiert ihn das alles vor allem aus virologischer Sicht, also die Erforschung des Virus selbst. Es ist eigentlich schon eine falsche Medienstrategie, mit ihm eine solche Podcastreihe aufzulegen. Deshalb war es gut, dass MDR und BR schnell nachzogen mit ihren Interviews mit Streeck ("Daily Streeck" bei IQ Wissenschaft) und Keule ("Kekulas Corona Kompass" beim MDR).

Streeck betreibt nebenbei auch einen Twitteraccount. Dabei weiß man doch, wie zeitraubend Medienarbeit ist. Und genau deshalb kann man verstehen, dass Prof. Streeck in seinem Heinsberg Projekt da so wenig Zeit wie möglich aufbringen will. Er hat wenig Zeit und alle Hände voll zu tun. Eine PR-Agentur kommt auch nie auf die Idee a la Drosten zu sagen: Mir wird das jetzt alles zu viel, wenn das nicht aufhört mit den kritischen Fragen höre ich auf.

Das darf nur Drosten. Genau das macht er ja jetzt mit Streeck: Er hat "viele Fragen" an ihn während dieser bis zur Halskrause in Arbeit steckt.

Rückblickend kann man vielmehr sagen: Seine vorsichtigen Einschätzungen und die Vermeidung irgendwelche Handlungsforderungen an die Politik haben sich für ihn ja ausgezahlt. Die Bundesforschungsministerin ernannte ihn zum Leiter des neuen Forschungsnetzwerks.

Und es ist sicher kein Zufall, dass es da im vorigen Jahr eine Kooperationsvereinbarung mit der Bill & Melinda Gates Stiftung über die Erringung einer "Germany's Leadership in Global Health" der Bundesrepublik gegeben hat. Der Foliensatz des Kickoffs ist öffentlich bei der Charite abrufbar unter folgendem

Link: Charite

Und da liest man aus der Feder von Bill und Melinda und der Boston Consulting Group (aus welchen Mitteln eigentlich bezahlt?) vertraute Merkelpolitik: Selbstlose deutsche Heilsbringung für die Welt:
Germany has shown great political commitment to global health at the highest level over the past years. During the German G7/G20 Presidency, Chancellor Angela Merkel placed global health at the top of the agenda and gave important impetus for a stronger and strategic German engagement.
In addition to the consolidation of the topic in the coalition agreement and the establishment of „Global Health Hub Germany“ by the Federal Ministry of Health in February 2019, a new “Strategie der Bundesregierung zu Globaler Gesundheit” will be developed by the end of 2019.
Wer jetzt also angesichts einer Diekmann - PR-Agentur die Stirn runzelt, könnte ja auch mal nach den Netzwerken von Drosten Untersuchungen anstellen. Wenn das nicht zu viel verlangt ist.

Montag, 13. April 2020

Sechs Lektionen zu kommenden Schuldenkrise

"Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist." Jesus legitimierte damit nicht die Steuergesetze des römischen Reiches für Palästina. Sondern die Trennung von Kirche und Staat.

Heute müsste er sagen: "Gebt dem Volke, was des Volkes ist" und dabei in Richtung Regierungsbank schauen. Es wat ein lichter Moment, den Reichstag für alle sichtbar "dem deutschen Volke" zu widmen, auf dass es seine Souveränität weder vergesse noch leugne.

Aber wir werden sicher wieder erleben, wie uns nicht zurückgegeben wird, sondern genommen. Und zwar endgültig.

Kaiser Wilhelm finanzierte die deutsche Kriegsführung im ersten Weltkrieg durch Staatsanleihen, die er nach dem Krieg mittels einer Hyperinflation tilgen ließ. Die Gläubiger des Versailler Vertrages verzichteten dann mit einem Schuldenschnitt auf ihre Forderungen.
Hauptsächlich lief die Hyperinflation auf eine Enteignung der treuseligen deutschen Sparer und einiger Banken und Industrieunternehmen hinaus.

Lektion 1: Kaufe keine Staatsanleihen von überschuldeten Staaten. Deutschland gehört m. E. dazu, auch wenn es relativ besser dasteht als andere Staaten.

Lektion 2: Fokussiere Dich auf langlebige Sachanlagen mit Nutzwert und leicht zu liquidierende Werte - also z. B. Immobilien, Grundstücke, Aktien sowie Gold- und Silbermünzen. Unternehmensanleihen sind in meinen Augen übrigens keine Sachwerte.

Lektion 3: Tilge Deine Schulden. Verlasse Dich nicht darauf, dass der Staat für alle Schuldner die gleichen Regeln anwenden wird. Was Jupiter gebührt, ziemt sich nicht unbedingt für den Bauern. Heißt: Wenn sich der Staat über Inflation oder Währungsreform entschuldet, muss das für Deine Hypothek noch lange nicht gelten. Die machen sich die Gesetze am Ende so, wie sie sie brauchen. Eine vollständige Tilgung zahlt übrigens auch in Dein Rating bei der Schufa ein.

Lektion 4: Halte 3 Nettomonatsgehälter in bar vorrätig. Nicht nur unvorhergesehen Ausgaben. Auch wenn Du plötzlich in Kurzarbeit gerätst und Dein Arbeitgeber nicht aufstockt, kannst Du das brauchen. Deine Bank wird den verminderten Zahlungseingang sofort merken und Deine Kreditlinien evtl. überdenken.

Wir kommen jetzt wieder in eine Phase, in dem Regierungen enorme Geldmengen schöpfen werden. Und diesmal sind diese für die Realwirtschaft gedacht. Deshalb besteht die Gefahr einer inflationären Wirkung. Insbesondere wenn es demnächst irgendwelche Versorgungsengpässe gäbe.

Der zweite große Trend wird die Tendenz zur Selbstversorgung mit kritischen Gütern werden. Minister Altmaier hatte seine Phantasien für eine große Industrieplanwirtschaft ja schon vor der Coronakrise beschrieben. Jetzt sieht er die Gelegenheit, sie umzusetzen.

Damit einher könnten in der EU weitere Tendenzen zur Nationalisierung gehen. Hier wird sich zunehmend jeder selbst der Nächste werden. Ich halte nicht einmal rechtliche Güter wie z. B. eine Immobilie im Ausland für sicher, zumindest nicht für Deutsche. Deutsche könnten in einigen Jahren der Buhmann Europas werden. Und Piketty's Phantasien, wir Deutsche schuldeten Frankreich noch Zahlungen für den Versailler Vertrag können wir vergeben, sollten wir aber nicht vergessen. Außerdem ist "Krieg", wie Macron die Coronakrise bezeichnete, immer auch ein Vorwand, die Würfel neu werfen.

Lektion 5: Kaufe keine Immobilien in Ländern, die schon jetzt Brass auf Deutschland (Merkel) haben.

Und wenn die kommenden Staatsausgabenprogramme ein Kraftakt für Deutschland werden, was sollen dann erst die Regierungen in den Schuldenstaaten Griechenland, Zypern, Italien, Frankreich usw. sagen? Werden wir wieder über Schuldenschnitte sprechen? Solche betreffen ja nur die Gläubiger, also von uns nur diejenigen, die solche Staatsanleihen gekauft haben. Also auch die EZB und also dann doch irgendwie auch jeder von uns.

Die Erlösung werden die Eurobonds sein. Die Umschuldung auf die, die mit Geld umgehen können. Beginnen werden wir damit, Italien das Kurzarbeitergeld in Höhe von 100% zu finanzieren. Dass das deutsche Kurzarbeitergeld nur bei 60% liegt, soll ein Gegenargument sein? Sorry, aber dann haben sie Zeichen der Zeit immer noch nicht verstanden...

Aber sind Eurobonds wenigstens für die andere Seite, als Anleger, interessant? Ja klar, wenn die guten Schuldner so fest mit drin hängen werden, dass es für sie kein entkommen gibt. Wenn es gut läuft, wird es eine Mischung aus höheren Zinsen (wegen der höheren Ausfallrisiken) und einer 100%igen Rückzahlungsgarantie (wegen der Haftung der guten Schuldner).

Lektion 6: Wenn die Eurobonds kommen, lies das Kleingedruckte ganz genau. Wenn die Deutschen die Dummen sein sollten, dann könnten sie sich zumindest als Anleger lohnen :-)

Mittwoch, 8. April 2020

Brandenburg hat wieder einen Gesundheitsskandal

Zwei Jahre nach dem Rücktritt der Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) im Arzneimittelskandal (Link) hat Brandenburg wieder einen Gesundheitsskandal.

Weil Chefärzte und Geschäftsführer des kommunalen Ernst-von-Bergmann Klinikums in Potsdam versäumt haben, die ersten Coronafälle zu dokumentieren und zu melden, hat sich Potsdam zum Epizentrum Brandenburgs entwickelt. In dem Klinikum steigen die Fall- und Todesjahren nun rasant an: derzeit 88 infizierte Patienten (davon 14 auf Intensiv), 103 infizierte Mitarbeiter (von 2.380 Mitarbeitern) und 21 Todesfälle. Das ist Wahnsinn.

Potsdam kommt damit auf 27 Tote durch (oder mit) Corona, Berlin kam bis gestern auf 26. Potsdam ist damit in Ostdeutschland die Stadt mit der höchsten Todesrate pro Einwohner.

Wegen der nicht dokumentierten Informationen kann man auch nicht mehr nachvollziehen, ob und welche Corona-Infizierten innerhalb des Klinikums oder auf andere Krankenhäuser verlegt worden sind. Ein Ausbruchsmanagement hat quasi nicht stattgefunden.

Da kommt noch was...

Ein weiterer Skandal ist, dass der Havelländer Landrat (=Verwaltungschef) Roger Lewandowski (CDU) sich weiterhin weigert, die Fall- und Todeszahlen auf die Gemeinden des Havellandes aufzuschlüsseln. Er befürchtet "Gesprächsirritationen" zwischen seinen Kommunen. In allen anderen Kreisen und kreisfreien Städten werden diese Zahlen aufgeschlüsselt, um die Bürger zu informieren und auf Krankheitsschwerpunkte hinzuweisen. Roger Lewandowski macht sich mit dieser Intransparenz wieder einmal angreifbar.

Quellen:
RBB24 (7.4.2020)
PNN (7.4.2020)

Daten gegen Freizügigkeit - der neue Deal?

Das RKI hat eine App für Smartwatch-Nutzer veröffentlicht. Es ist nicht die Tracking-App, über die zuletzt diskutiert wurde. Sondern sie will die Meldedaten durch Anwenderdaten ergänzen, um Infektionsschwerpunkte besser und schneller erkennen zu können. Auch die Wirkung von Corona-Maßnahmen soll darüber erhoben werden - wenn genügend Leute mitmachen.

Die App greift natürlich im wesentlichen Gesundheits- bzw. Krankheitsbild relevante Sensordaten ab.  Diese sind  im Falle von Atemwegserkrankungen z. B. Ruhepuls, Schlaf und Abweichungen vom normalen Aktivitätsniveau.

Ich habe mal quer durchgeschaut bei Apple und Samsung, welche Sensoren deren Smart Matches denn so an Board haben. Am relevantesten fand ich da noch die Pulsmessung (Annahme: Piezokristall?).

Was ich nicht gefunden habe sind Temperatursensoren. Trotzdem sagt das RKI, mit der App könne es auch das vermehrte Auftreten von Fieber messen. Wie misst man Fieber ohne Temperatursensor?

Jedenfalls pseudonymisiert das RKI die Daten und ergänzt den Datensatz eines Anwenders durch dessen Eingabe noch um dessen Postleitzahl.

Dies ist offenbar die erste staatliche App, die Gesundheitsdaten von Bürgern sammeln will.
App Entwickler Thryve stammt übrigens aus Berlin und gehört zum Investmentportfolio von Carsten Maschmeyer.

Der Sinn der App wird den meisten Leuten einleuchten. Datenschutzbedenken sollen durch die Pseudonymisierung erreicht werden. Wie sicher diese ist, will ich hier jetzt nicht diskutieren, sondern wohin diese Reise noch gehen könnte.

In Steingarts Morning Briefing am 02.04.2020 interviewte Robin Alexander zum Thema Handytracking für die Frühwarnung von Kontakten eines Verdachtskandidaten den Gründer des Digital Society Instituts, ESTM, und den Regierungsberater Sandro Gaycken. Dieser erläuterte die Funktionsweise, die Erfassung von Kontakten über Bluetooth (Anm.: was seine Nachteile hat, weil BT eine große Reichweite hat und auch durch Mauern "sieht").
Interessant war auch, dass Gaycken die Nachfrage von Robin Alexander, ob ein Deal vorstellbar sei, dass man eine größere Bewegungsfreiheit genehmigt bekommen könne, wenn man diese Tracking App benutze, bejahte.

Funktional macht das aus meiner Sicht sogar Sinn. Denn die Strenge der allgemeinen Kontaktsperre und des Lockdown bemessen sich ja an den größten Risiken: den unbekannten Infizierten. Könnte man diese früh erkennen, ansprechen und isolieren, bliebe die gesunde Mehrheit geschützt.

Was mir daran nicht gefällt ist der Deal Freiheit gegen Daten. Denn was einmal, wenn auch für einen guten Zweck, funktioniert hat, könnte den Staat dazu verleiten, die Durchleuchtung generell zur Bedingung von Individueller Freiheit zu machen.

Wie würde der Staat meinen Teil des Deals dann messen? Müsste ich die App auf meinem Smartphone einem Polizisten zeigen müssen wie meinen Ausweis wenn ich mich in einer Gruppe befinde?
Und wie würde ich auf der Straße erkennen, wer die App ebenfalls nutzt und offenbar zu den Nicht-Infizierten zählt? Auf der Corona Map meines Smartphone oder Smart Watch?

Noch viele offene Fragen. Aber ich habe die leise Ahnung, dass Smart Watches jetzt zu einem breiteren Trend werden könnten: Gutes Tun, Daten melden und später dann die Belohnung des Staates: eine längere Leine.

Quellen:
RKI Pressemitteilung
RKI Website "Corona-Datenspende"
App Entwickler Thryve (bzw. mHealth Pioneers GmbH, Berlin)
Steingarts Morning Briefing vom 2.4.2020