"Einordnen" ist ein Modebegriff linientreuer Journalisten geworden. Er gehört zum Repertoire des betreuten Denkens und beschreibt den Akt, wie Journalisten den Bürgern die Welt erklären, Informationen bewerten, so dass diese das nicht mehr selbst tun müssen. "Eingeordnet" klingt so ähnlich wie "eingenordet", und das macht diesen Begriff für Linientreue noch attraktiver.
In diesem Sinne und in dieser Mission hat die ZDF heute Redaktion, namentlich Oliver Klein und Nils Metzger, jetzt das Papier von Professor Wiesendanger über den Ursprung des Covid19 Virus "eingeordnet". Es ist ein Lehbuchbeispiel für Konformismus in unserer Zeit. Wer Gründe für eine Abschaffung der Zwangsgebühren sucht, hier findet er sie.
Beginnen wir mit der Überschrift:
Die Uni Hamburg veröffentlicht natürlich nicht, sondern "verbreitet". Etwa so wie Straßenwahlkämpfer Flugblätter auf Wochenmärkten verbreitet haben?
Zum Vergleich die Überschrift der Uni Hamburg:
Nun, die Uni selbst sagt, sie "veröffentlicht" eine Studie mit dem Ziel, eine breit angelegte Diskussion zu beginnen.
Nächster Fall:
Schon in der Überschrift bewertet das ZDF diese Studie als "fragwürdige Theorie". Und damit wird auch interessant, dass als Akteur nicht etwa ein Hamburger Wissenschaftler oder Professor genannt wird, sondern die Uni Hamburg als Institut. Also, wenn man schon Druck aufbaut, dann gleich alle in Mithaftung nehmen, um eine Stellungnahme zu erzwingen.
Gehen wir zur Unterüberschrift:
Hier geht es gleich in die Vollen und wird die Mission der ZDF-Schreiber erkennbar. Wer die Studie von Wiesendanger gelesen hat weiß, dass er hauptsächlich wissenschaftliche Veröffentlichungen zitiert und nur für Belege der Kommunikation über diese Veröffentlichungen auch soziale Medien zitiert. Das ZDF aber erweckt fast den Eindruck, es sei umgekehrt.
Zusätzlich könnte man sich fragen, wann denn das ZDF zuletzt die Tweets eines Professor Drosten oder Gesundheitsminister Spahn kritisiert hat. Aber lassen wir das.
Vor dem nächsten Absatz ein Blick in die Biographien der ZDFler: Oliver Klein arbeitet beim ZDF als "Faktenchecker". Davor war er bei RTL und beim Hit Radio FFH (
Link), was einen sicher für den Beruf eines "Faktencheckers" prädestiniert. Nils Metzger hat an der FU Berlin Islamwissenschaft und Politik studiert. Der 31-Jährige hat für CNN, Zeit Online und taz geschrieben und libanesische Clanchefs interviewt. Damit empfiehlt man sich heute beim ZDF als "Faktenchecker" für Wissenschaftsjournalismus.
Diese beiden "Faktenchecker" versteigen sich jetzt zu folgender Bewertung einer Studie von einem der renommiertesten Physiker, die wir im Lande haben:
Als Bewertungsmaßstäbe benutzen die beiden Spezialisten also keine Argumente. Sie greifen keine einzige Beweisführung von Wiesendanger auf. Sie recherchieren keine gegenteiligen Thesen oder Indizien. Nein, für die Bewertung der Veröffentlichung eines Physikers genügen zwei Dinge:
1. Die Bild Zeitung hat darüber berichtet.
2. Es trendet bei Twitter - wird also Zielscheibe der von der Klein-Metzger-Generation bevorzugten Diskursform, dem Shitstorm.
Ach und dann hat Wiesendanger auch noch den Focus zitiert und - und das geht gar nicht - Epoche Times. Letzteres ist bei "Verschwörungstheoretikern beliebt". Muss man man mehr wissen? Muss man noch Gene sequenzieren, Enzyme produzieren, bei Researchgate recherchieren wenn man gesehen hat, dass der Wissenschaftler die Epoche Times gelesen hat?
Wenn man keine Ahnung hat und darauf angewiesen ist, nur nach dem zu gehen, was das eigene Feindbild tut, dann kann man schon mal böse reinfallen. Die Epoch Times (
Wikipedia) ist ein seriöses, wenn auch China kritisches, weil antikommunistisches Blatt mit Sitz in New York. Aber antikommunistisch zu sein, gilt manch einem bezopften Nachwuchsschreiberling heute als "Verschwörungstheorie". Nun ja.
Dann aber doch, und wohl nur um sich gegen all zu vernichtende Kritik abzusichern, erwähnen sie noch dass Wiesendanger "auch vertrauenswürdige" Quellen herangezogen habe.
Und wie bewerten die beiden Faktenchecker diese? Gar nicht. Sie rufen einen Kronzeugen aus einem sog. "Science Media Center" in Köln. Deren Redaktionsleiter Stollorz geht aber auch nicht auf die Inhalte und Argumente von Wiesendanger sondern wischt sie mit einem verblüffend trivialen Satz vom Tisch: "Die sind nicht neu."
Natürlich sind sie nicht "neu". Sie bilden eine Kette von Erkenntnissen und Indizien. Und sie beziehen sich aufeinander. In diesem Sinne, ja, sind sie bereits "in der Fachwelt diskutiert worden". Aber inwiefern entkräftet das auch nur eine These von Wiesendanger?
Und so geht es auf diesem flachen Niveau weiter. Ich finde es frappierend ernüchternd wie das ZDF wissenschaftliche Beiträge zu einer der aktuell wichtigsten Diskurse behandelt, nur weil diese nicht auf Regierungslinie liegen.
Das ZDF hat ein Paradebeweisstück dafür abgeliefert:
- dass Wissenschaftsjournalismus im ZDF keinen wissenschaftlichen Standards genügt, sondern auf Linientreue achtet,
- dass Wissenschaftsjournalisten beim ZDF keinen wissenschaftlichen Hintergrund brauchen, sondern nur ihre politische Zuverlässigkeit nachgewiesen haben müssen,
- dass "Faktencheck" beim ZDF alles ist, aber keine Überprüfung von Fakten